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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 20

Yazı tipi:

»Monseigneur, der König hat ihm denselben nicht übergeben, sondern durch eigene Leute dem Boten überbringen lassen.«

»Gottes Tod! wir müssen den Brief haben.«

»Gewiß müssen wir ihn haben,« sagte die Herzogin.

»Warum habt Ihr nicht hieran gedacht?« sprach Mayneville.

»Ich dachte wohl daran und wollte dem Boten einen von meinen Leuten, einen wahren Hercules, beigeben; Robert Briquet mißtraute und schickte ihn zurück.«

»Ihr hättet selbst gehen müssen.«

»Unmöglich.«

»Warum?«

»Er kennt mich.«

»Als Mönch hoffentlich und nicht als Kapitän.«

»Meiner Treue! ich weiß es nicht; dieser Robert Briquet hat ein Auge, das einen sehr in Verlegenheit bringt.«

»Was für ein Mensch ist es denn?« fragte Mayenne.

»Groß, dürr, ganz Nerven, ganz Muskeln, ganz Knochen, gewandt, höhnisch und schweigsam.«

»Ah! ah! und er handhabt den Degen?«

»Wie derjenige, welcher ihn erfunden hat, Monseigneur.«

»Lange Gestalt?«

»Monseigneur, er hat alle Gestalten.«

»Freund des Priors?«

»Von der Zeit her, wo dieser noch einfacher Mönch war.«

»Oh! ich habe einen Verdacht und werde mir Aufklärung verschaffen.« rief Mayenne.

»Thut das geschwinde, denn weit geschlitzt, wie er ist, muß dieser Bursche tüchtig marschiren.«

»Borroville,« sprach Mayenne, »ihr werdet nach Soissons abreisen, wo mein Bruder ist.«

»Aber die Priorei, gnädigster Herr?«

»Seid ihr so verlegen, Dom Gorenflot eine Geschichte zu machen?« entgegnete Mayenne, »glaubt er nicht, was Ihr ihm glauben machen wollt? Ihr sagt Herrn von Guise Alles, was Ihr von der Sendung von Herrn von Joyeuse wißt,« fuhr Mayenne fort.

»Gut, Monseigneur.«

»Und Navarra, vergeßt Ihr Navarra, Mayenne?« sagte die Herzogin.

»Ich vergesse es so wenig, daß ich dies selbst übernehme,« erwiederte Mayenne. »Man sattle mir ein frisches Pferd, Mayneville.«

Dann fügte er leise bei:

»Sollte er noch leben?… Oh! ja, er muß leben!«

Achtzehntes Kapitel
Chicot der Lateiner

Man erinnert sich, daß Chicot nach dem Abgang der jungen Leute raschen Schrittes marschirt war.

Sobald sie aber an einem Abhange verschwunden, blieb Chicot, der wie ein Argus das Vorrecht, von hinten zu sehen, zu haben schien und weder Ernauton, noch Sainte-Maline mehr sah, blieb Chicot, sagen wir, auf dem Höhenpunkte des Hügels stehen und befragte den Horizont, die Ebene, die Gebüsche, den Fluß, Alles endlich bis auf die Lämmerwolken, welche schief hinter den großen Ulmen am Wege hinschlüpften, und als er sicher war, daß ihn Niemand belästigte oder bespähte, setzte er sich an den Rand eines Grabens, lehnte den Rücken an einen Baum und fing das an, was er seine Gewissensprüfung nannte.

Er hatte zwei Börsen, denn es war ihm nicht entgangen, daß der ihm von Sainte-Maline übergebene Beutel außer dem königlichen Brief gewisse runde, rollende Gegenstände enthielt, welche ungemein Gold oder gemünztem Silber glichen.

Der Beutel war eine wahre königliche Börse, mit zwei H bezeichnet, von denen das eine unten, das andere oben aufgestickt.

»Das ist hübsch,« sagte Chicot, indem er die Börse betrachtete, »das ist reizend vom König! Sein Name, sein Wappen! man kann nicht großmüthiger und nicht alberner sein.

»Ich werde entschieden nichts aus ihm machen!

»Bei meinem Ehrenwort,« fuhr Chicot fort, »wenn Eines mich in Erstaunen setzt, so ist es das, daß der gute König nicht zugleich auf dieselbe Börse den Brief, mit dem er mich zu seinem Schwager schickt, und meinen Empfangsschein hat sticken lassen. Warum sollen wir uns Zwang anthun? Die ganze politische Welt handelt heut zu Tage unter freiem Himmel; treiben wir die Politik wie die ganze Welt. Bah! wenn man diesen armen Chicot ein wenig ermorden würde, wie man es schon mit dem Eilboten gemacht hat, den derselbe Heinrich nach Rom an Herrn von Joyeuse schickte, das wäre nur ein Freund weniger; und die Freunde sind in diesen Zeitläufen etwas so Gewöhnliches, daß man verschwenderisch damit sein kann.«

»Wie schlecht wählt Gott, wenn er wählt.«

»Sehen wir zuerst, wie viel Geld in der Börse ist, den Brief untersuchen wir hernach… hundert Thaler, gerade die Summe, welche ich von Gorenflot entlehnt habe… Das ist in der That königlich. Ah! ich bitte um Verzeihung, wir wollen nicht verleumden. Hier ist ein kleines Päckchen spanisches Gold… fünf Quardrupel … äußerst delikat; sehr hübsch, Henriquet! wahrlich wären nicht die Namenszüge und die Lilien, die mir überflüssig scheinen, so würde ich ihm einen Kuß zusenden…«

»Diese Börse belästigt mich; es kommt mir vor, als müßten die Vögel, die über meinem Kopfe hinfliegen, mich für einen königlichen Emissär halten und verspotten, oder, was noch schlimmer ist, mich den Vorübergehenden als einen solchen angeben.«

Chicot leerte seine Börse in seine hohle Hand, zog aus seiner Tasche den einfachen linnen Sack von Gorenflot, schob das Gold und das Silber hinein und sagte zu den Thalern:

»Ihr könnt ruhig beisammen bleiben, meine Kinder, denn Ihr kommt aus demselben Land.«

Hiernach nahm er den Brief aus dem Beutel, legte an seine Stelle einen Kiesel, den er aufhob, zog die Schnüre über dem Kiesel zusammen und warf ihn, wie es ein Schleuderer mit einem Steine thut, in die Org die sich an seiner Seite hinschlängelte.

Das Wasser spritzte auf, es bildeten sich manchfarbig zwei oder drei Kreise auf der ruhigen Oberfläche, allmälig weiter wurden und sich an ihrem Rande brachen.

»Das ist für mich,« sagte Chicot »nun wollen für Heinrich arbeiten.«

Und er nahm den Brief, den er auf den Boden gelegt hatte, um den Beutel leichter in das Wasser zu schleudern.

Doch es kam ein mit Holz beladener Esel des Weges.

Zwei Frauen führten diesen Esel, der so stolz einherschritt, als ob er statt des Holzes Reliquien tragen würde.

Chicot verbarg den Brief unter seiner breiten Hand, die er auf den Boden gestützt hatte, und ließ sie vorüberziehen.

Sobald er wieder allein war, nahm er den Brief, zerriß den Umschlag und zerbrach das Siegel mit der unstörbarsten Ruhe, als ob es sich um den Brief eines Anwalts gehandelt hätte.

Dann nahm er den Umschlag wieder, rollte ihn zusammen, zermalmte das Siegel zwischen zwei Steinen und schlenderte Alles dem Beutel nach.

»Nun wollen wir uns einmal den Styl betrachten.«, sagte Chicot.

Und er entfaltete den Brief und last:

»»Theuerster Bruder, die tiefe Liebe, welche unser theuerster Bruder, der selige König Karl IX. für Euch hegte, wohnt noch unter den Gewölben des Louvre und hält beharrlich Stand in meinem Herzen.««

Chicot verbeugte sich.

»»Es widerstrebt mir auch, daß ich über traurige, ärgerliche Dinge mit Euch sprechen muß; doch Ihr seid stark im Mißgeschick; ich zögere daher nicht, Euch diese Dinge mitzutheilen, die man nur muthigen und erprobten Freunden sagt.««

Chicot unterbrach sich mit einer abermaligen Verbeugung.

»»Ueberdies,« fuhr er fort, »habe ich ein königliches Interesse, Euch zu überzeugen; dieses Interesse ist die Ehre meines Namens und des Eurigen, mein Bruder.

»»Wir gleichen uns in dem Punkt, daß wir Alle von Feinden umgeben sind. Chicot wird Euch das erklären.««

»Chocotus explicabit,« sagte Chicot, »oder vielmehr evolet, was unendlich eleganter ist.«

»»Euer Diener, der Herr Vicomte von Turenne, gibt täglich Anlaß zum Aergerniß an Eurem Hofe; Gott verhüte es, daß ich in Eure Angelegenheiten schaue, wenn nicht für Euer Bestes und für Eure Ehre, aber Eure Frau, die ich zu meinem großen Bedauern meine Schwester nenne, sollte statt meiner mehr Rücksicht für Euch haben … was sie nicht thut.««

»Oh! oh!« sagte Chicot in seinen lateinischen Uebersetzungen fortfahrend: Quaeque omittit facere. Das ist hart.«

»»Ich fordere Euch daher auf, mein Bruder, darüber zu wachen, daß das Verhältniß von Margot mit dem Vicomte von Turenne, der ganz sonderbar mit unsern Feinden in Verbindung steht, dem Hause-Bourbon nicht Schmach und Schaden bringt. Statuirt ein gutes Beispiel, sobald Ihr der Sache sicher seid, und versichert Euch der Sache, sobald Ihr Chicot meinen Brief habt erklären hören.««

»Statim atque audiveris Chicotum litteras explicantem. Fahren wir fort.«

»»Es wäre ärgerlich, wenn der geringste Verdacht über der Legitimität Eurer Nachkommenschaft schwebte, mein Bruder, ein kostbarer Punkt, an welchen zu denken Gott mir verbietet, denn leider bin ich verurtheilt, nicht in Nachkommen wiederaufzuleben.

»»Die zwei Schuldigen, die ich Euch als Bruder und als König bezeichne, halten ihre Zusammenkünfte meistens in einem kleinen Schloß, das man Loignac nennt; dieses Schloß ist dabei ein Herd von Intriguen, denen die Herren von Guise nicht fremd sind; denn Ihr wißt ohne allen Zweifel, mein lieber Heinrich, mit welch seltsamer Liebe meine Schwester Heinrich von Guise und meinen eigenen Bruder Herrn von Anjou zur Zeit verfolgt hat, wo ich selbst noch diesen Namen führte und er Herzog von Alencon hieß.««

»Quo et irregulari amore sit persecuta et Henricum Guisium et germanum meum etc.«

»»Ich umarme Euch und empfehle Euch meinen Rath, bereit Euch in Allem und für Alles zu unterstützen. Mittlerweile bedient Euch der Rathschläge von Chicot den ich Euch schicke.« »

» Age auctore Chicoto. Gut, nun bin ich Rath des Königreichs Navarra.

»»Eure wohlgewogener u.s.w.   u.s.w. »»

Nachdem er so gelesen, legte Chicot seinen Kopf in seine zwei Hände und sprach:

»Oh! mir scheint, das ist ein böser Auftrag, und er beweist mir, daß man, wie Horatius Flaccus sagt, ein Uebel fliehend in ein schlimmeres fällt.

»Ja der That, Mayenne ist mir lieber.

»Und dennoch ist der Brief, abgesehen von seinem gestickten Beutel, den ich ihm beim Teufel nicht verzeihe, das Werk eines geschickten Mannes. Angenommen, daß Henriot von dem Teig geknetet ist, aus dem man gewöhnlich Ehemänner macht, so entzweit ihn dieser Brief mit einem Schlag mit seiner Frau, mit Turenne, Anjou, Guise und sogar mit Spanien. Um im Louvre so gut von dem unterrichtet zu sein, was bei Heinrich von Navarra in Pau vorgeht, muß Heinrich von Valois einen Spion dort haben, und dieser Spion wird Henriot ungemein ärgern.

»Andererseits wird mir dieser Brief viele Unannehmlichkeiten zuziehen, wenn ich einen Spanier, einen Lothringer, einen Bearner oder einen Flamänder treffe, der neugierig genug ist, wissen zu wollen, warum man mich nach Bearn schickt.

»Oh! ich wäre sehr unvorsichtig, wenn ich mich nicht auf das Begegnen von einem solchen Neugierigen gefaßt machen würde.

»Täusche ich mich nicht sehr, so muß besonders Herr Borromée etwas gegen mich im Schilde führen.

»Zweiter Punkt.

»Was hat Chicot gesucht, als er eine Sendung an König Heinrich verlangte?

»Die Ruhe war sein Ziel.

»Nun wird Chicot den König von Navarra mit seiner Frau entzweien.

»Das ist nicht die Sache von Chicot, in Betracht, daß Chicot, wenn er so mächtiges Personen entzweit, sich Todfeinde machen muß, die ihn hindern werden, das glückliche Alter von achtzig Jahren zu erreichen.

»Meiner Treue, desto besser, man lebt nur gut, so lange man jung ist.

»Aber es wäre eben so viel werth, den Messerstich von Herrn von Mayenne zu erwarten.

»Nein, denn es muß Gegenseitigkeit in allen Dingen stattfinden, das ist der Wahlspruch von Chicot.

»Chicot wird also seine Reise fortsetzen.

»Aber Chicot ist ein Mann von Geist; Chicot wird seine Vorsichtsmaßregeln nehmen. Dem zu Folge wird er nur Geld bei sich haben, damit man, wenn man Chicot tödtet, nur ihm Schaden zufügt.

»Chicot wird also die letzte Hand an das legen, was er begonnen hat, das heißt; er wird diesen Brief von Anfang bis zum Ende ins Lateinische übersetzen und sich denselben in das Gedächtniß incrustiren, wo er schon zu zwei Dritteln eingegraben ist; dann wird er ein Pferd kaufen, weil man wirklich von Junisy bis Pau zu oft den rechten Fuß vor den linken setzen muß.

»Vor Allem aber wird Chicot den Brief von seinem Freund Heinrich von Valois in eine Unzahl von kleine Stückchen zerreißen, und er wird besonders dafür sorgen, daß diese Stückchen, zu Atomen gemacht, die einen in die eigne, die andern in die Luft gehen, und daß der Rest der Erde unserer gemeinschaftlichen Mutter, anvertraut werde, in deren Schooß Alles zurückkehrt, selbst die Albernheiten der Könige.

»Hat Chicot beendigt, was er beginnt…«

Chicot unterbrach sich um sein Theilungsvorhaben, auszuführen. Ein Drittel des Briefes ging zu Wasser, das zweite ging in die Luft und das dritte verschwand in einem Loch, das er zu diesem Behufe in die Erde mit einem Instrumente grub, welches weder ein Degen, noch ein Messer war, aber zur Noth Beides ersetzen konnte und von Chicot im Gürtel getragen wurde.

Als er dieses Geschäft beendigt hatte, fuhr er fort:

»Chicot wird sich mit der ängstlichen Vorsicht auf den Weg begeben und als ein ehrlicher Magen in der guten Stadt Corbeil zu Mittag essen.

»Mittlerweile beschäftigen wir uns mit dem lateinischen Thema, das wir zu machen beschlossen haben.

»Ich glaube, daß wir ein ziemlich hübsches Stück componiren werden.«

Plötzlich blieb Chicot stehen; er hatte bemerkt, daß er nicht im Stande sein würde, das Wort Louvre ins Lateinische zu übersetzen; das ärgerte ihn nicht wenig.

Er war gleichfalls genöthigt, das Wort Margot in Margota zu macaronisiren, wie er es mit Chicot in Chicotus gethan hatte, in Betracht, das er, um gut zu reden, Chicot durch Chicot und Margot durch Margot hätte übersetzen müssen, was nicht mehr lateinisch, sondern griechisch war. Was Margarita betrifft, so dachte er nicht daran, weil die Uebersetzung seiner Ansicht nach nicht genau gewesen wäre.

All dieses Lateinische, mit dem Nachsuchen nach Spracheinheit und ciceronischer Wendung, führte Chicot bis Corbeil, einer angenehmen Stadt, wo der kühne Bote ein wenig die Wunder des heiligen Spirus, und viel die eines Bratkochs, Herbergers, Gastwirthes beschaute, der mit seinen Appetit erregenden Dünsten die Umgegend der Kathedrale parfumirte.

Wir wollen das Mahl nicht beschreiben, das er machte; wir werden es nicht einmal versuchen, das Pferd zu schildern, das er im Stalle des Gastwirths kaufte; das wäre eine zu harte Aufgabe für uns; wir sagen nur, daß das Mahl lange genug währte, und daß das Pferd mangelhaft genug war, um uns, wenn unser Gewissen minder groß wäre, Stoff zu beinahe einem Bande zu liefern.

Neunzehntes Kapitel
Die vier Winde

Chicot, mit seinem kleinen Pferde, das ein sehr starkes Pferd sein mußte, um eine so große Person zu tragen, Chicot nachdem er in Fontainebleau über Nacht geblieben war, machte am andern Morgen eine Biegung nach rechts und ritt bis zu einem kleinen Dorfe Namens Orgeval. Er hätte gern an diesem Tage noch einige Meilen zurückgelegt, denn es schien ihn zu drängen, sich von Paris zu entfernen, aber sein Roß fing an so häufig zu stolpern, daß er anhalten zu müssen glaubte.

Ueberdies hatten seine sonst so geübten Augen den ganzen Weg entlang nichts bemerkt.

Menschen, Wagen, Barrieren waren ihm völlig harmlos vorgekommen.

Doch obgleich scheinbar sicher, lebte Chicot nicht in Sicherheit; Niemand, unsere Leser müssen dies wisse glaubte und traute weniger dem Anschein, als Chicot.

Ehe er sich niederlegte und sein Pferd rasten ließ untersuchte er mit der größten Sorgfalt das ganze Haus.

Man zeigte Chicot sehr hübsche mit Zimmer mit drei oder vier Eingängen, doch nach der Ansicht von Chicot hatte diese Zimmer nicht nur zu viele Thüren, sondern diese Thüren schlossen auch nicht gut genug.

Der Wirth hatte ein großes Cabinet ausbessern lassen, woran keine Thüre, als die, welche auf die Treppe ging; diese Thüre war im Innern mit furchtbaren Riegeln versehen.

Chicot ließ sich ein Bett in diesem Cabinet aufschlagen, das er mit dem ersten Blick den prachtvollen Zimmern ohne Befestigung, die man ihm gezeigt, vorzog.

Er ließ die Riegel in ihren Schließkappen spielen, bestellte, zufrieden mit ihrem zugleich leichten und soliden Spiel, Abenddrod in sein Cabinet, speiste, verbot den Tisch wegzunehmen unter dem Vorwand, es befalle ihn oft in der Nacht ein Heißhunger, entkleidete sich sodann, legte seine Kleider auf einen Stuhl und ging zu Bette.

Doch ehe er zu Bette ging, zog er, zu größerer Sicherheit, seine Börse oder vielmehr den Sack mit Thalern aus seinen Kleidern und legte ihn mit seinem guten Schwerte unter sein Kopfkissen.

Dann durchging er dreimal den Brief in seinem Geiste.

Der Tisch bildete für ihn ein zweites Contrefort, und dennoch dünkte ihm dieser Wall nicht stark genug; er stand auf, nahm einen Schrank in seine Arme und stellte ihn vor den Ausgang, den er dadurch hermetisch verschloß.

Er hatte also zwischen sich und jedem möglichen Angriffe eine Thüre, einen Schrank und einen Tisch.

Das Wirthshaus hatte Chicot beinahe unbewohnt geschienen. Der Wirth hatte ein ehrliches Gesicht; es ging an diesem Abend ein Wind, um den Ochsen die Hörner auszureißen, und man hörte in den benachbarten Bäumen das furchtbare Krachen, das, um mit Lucrez zu sprechen, ein so süßes, so gastliches Geräusch für den wohlverschlossenen, wohlbedeckten, in einem guten Bett ausgestreckten Reisenden wird.

Nachdem Chicot alle seine Vertheidigungsanstalten getroffen hatte, versenkte er sich behaglich in sein Lager. Es ist nicht zu leugnen, das Bett war weich und so eingerichtet, daß es einen Mann vor jeder Beunruhigung bewahrte, käme sie von Menschen oder Dingen.

Es war von großen Vorhängen von grüner Sarsche umgeben und eine Decke so zart wie Eiderdunen erquickte mit einer lieblichen Wärme die Glieder des entschlummerten Reisenden.

Chicot hatte gegessen, wie es Hippokrates vorschreibt, das heißt bescheiden: er hatte nur eine Flasche Wein getrunken; geziemend erweitert, sandte sein Magen dem ganzen Organismus jene Empfindung des Wohlbehagens zu, welche unfehlbar das gefällige Organ mittheilt, das bei vielen Menschen, die man ehrliche Leute nennt, Stellvertreter des Herzens ist.

Zur Beleuchtung diente Chicot eine Lampe, die er auf den Rand des Tisches gestellt hatte, der zunächst bei seinem Bette stand; er las, ehe er entschlummerte und ein wenig um zu entschlummern, ein sehr interessantes und sehr neues Buch, das kurz zuvor erschienen und das Werk eines Maire von Bordeaux war, den man Montagne oder Montaigne nannte.

Dieses Buch war in Bordeaux selbst im Jahre 1581 gedruckt worden; es enthielt die zwei ersteren Abtheilungen eines seitdem ziemlich bekannt gewordenen und les Essais betitelten Werkes. Es war belustigend genug, daß es ein Mensch im Tag las und wiederlas. Aber es hatte zugleich den Vortheil, daß es langweilig genug war, um einen Menschen, der fünfzehn Meilen zu Pferde gemacht und seine Flasche edlen Wein beim Abendbrod getrunken hat, nicht am Einschlafen zu hindern.

Chicot schätzte dieses Werk sehr hoch, das er bei seiner Abreise von Paris in die Tasche gesteckt hatte, und dessen Verfasser er persönlich kannte. Der Cardinal du Perron hatte es das Brevier der ehrlichen Leute genannt, und Chicot, der in jeder Beziehung fähig war, den Geschmack und den Geist des Cardinals zu würdigen, nahm gern die Essais des Maire von Bordeaux als Brevier.

Es geschah indessen, daß er, während er sein achtes Kapitel las, entschlief.

Die Lampe brannte noch; die Thüre war, durch den Schrank und den Tisch befestigt, geschlossen; das Schwert lag mit den Thalern unter dem Kopfkissen. Der Erzengel Michael würde geschlafen haben wie Chicot ohne an Satan zu denken, selbst wenn er den brüllenden Löwen jenseits der Thüre gehabt hätte…

Wir haben bereits bemerkt, daß ein heftiger Wind ging; das Pfeifen dieser riesigen Schlange glitt mit schauderhaften Melodien unter der Thüre durch und erschütterte die Dielen auf eine seltsame Weise; der Wind ist die vollkommenste Nachahmung oder vielmehr die vollste Verhöhnung der menschlichen Stimme, bald kreischt er wie ein weinendes Kind, bald ahmt er in seinem Murren die Stimme eines Mannes nach, der sich mit seiner Frau zankt.

Chicot verstand sich auf den Sturm; nach einer Stunde war dieser ganze Lärmen für ihn ein Element der Ruhe geworden, er kämpfte gegen alle Unbilden der Jahreszeit.

Gegen die Kälte mit seiner Decke.

Gegen den Wind mit seinem Schnarchen.

Während er indessen schlief, kam es Chicot vor, als ob der Sturm heftiger würde, und besonders, als ob er auf eine ungewöhnliche Weise näher käme. Plötzlich erschüttert ein Windstoß von unbesiegbarer Kraft die Thüre; sprengt Schließkappen und Riegel und schlägt an den Schrank, der sein Gleichgewicht verliert, auf die Lampe fällt, welche erlischt, und den Tisch umstürzt.

Es war Chicot gegeben, während er gut schlief, leicht und rasch und mit aller Geistesgegenwart zu erwachen; diese Geistesgegenwart deutete ihm an, lieber in den Gang hinter dem Bett zu schlürfen, als vorne hinauszufliegen. Während er nun in den Bettgang schlürfte, fuhren seine raschen geübten Hände links nach dem Geldsack und rechts nach dem Griffe des Schwertes. Chicot riß seine Augen weit auf. Tiefe Nacht.

Chicot öffnete die Ohren, und es schien ihm, als ob diese Nacht buchstäblich durch den Kampf der vier Winde zerrissen würde, welche sich das ganze Zimmer streitig machten… von dem Schrank, den der Tisch immer mehr zerdrückte, bis zu den Stühlen, welche rollten und sich stießen, während sie sich an die anderen Geräthschaften anhingen.

Bei diesem ganzen Lärmen, kam es Chicot vor, als wären die vier Winde in Fleisch und Knochen bei ihm eingetreten, und als hätte er es mit Eurus, Notus, Aquilo und Boreas mit ihren dicken Backen und besonders mit ihren dicken Füßen zu thun.

Chicot fügte sich, weil er begriff, daß er nichts gegen diese Götter des Olymps zu thun vermochte, und kauerte sich in die Ecke seines Bettgangs, wie der Sohn des Oileus nach einem den den gewaltigen Wuthausbrüchen, von denen Homer erzählt.

Nur hielt er die Spitze seines Schwertes vorgestreckt gegen den Wind oder vielmehr gegen die Winde, damit die mythologischen Personen, sollten sie sich ihm nähern wollen, sich selbst spießen müßten, und würde daraus auch entstehen, was aus der Wunde entstand, welche Diomed der Venus beibrachte.

Nach einigen Minuten des abscheulichsten Gewitters, das je ein menschliches Ohr zerrissen, benützte Chicot jedoch einen Augenblick der Rast, den ihm der Sturm gönnte, um mit seiner Stimme die entfesselten Elemente und die Meubles zu beherrschen, die sich Gesprächen überließen, welche zu geräuschvoll waren, um natürlich zu sein.

Chicot rief und schrie: »Zu Hilfe!«

Kurz, Chicot machte ganz allein so viel Lärmen, daß die Elemente sich besänftigten, als ob Neptun in Person das berühmte Quos ego gesprochen hätte, und nach sechs oder acht Minuten, während welcher Eurus, Notus, Boreas und Aquilo sich fechtend zurückzuziehen schienen, kam der Wirth mit einer Laterne und beleuchtete das Drama.

Die Scene, auf der es gespielt hatte, bot einen kläglichen Anblick und glich sehr einem Schlachtfelde. Der große Schrank entblößte, auf den zermalmten Tisch gestürzt, die angellose Thüre, die nur noch von einem Riegel gehalten, hin und her schwankte, wie das Segel eines Schiffes; die drei oder vier Stühle, welche die Ausstattung des Cabinets vervollständigten, hatten den Rücken umgedreht und die Füße in der Luft. Das Faiencegeschirr, welches auf dem Tisch gestanden hatte, lag in tausend Stücke zerbrochen auf dem Boden.

»Ist denn hier die Hölle los!« rief Chicot, als er den Wirth beim Scheine der Laterne erkannte.

»Ah! mein Herr,« rief der Wirth, da er den furchtbaren Schaden bemerkte, welcher angerichtet worden war, »oh! mein Herr, was ist denn geschehen?«

Und er hob die Hände und folglich auch seine Laterne zum Himmel.

»Sprecht, mein Freund, wie viel Teufel wohnen bei Euch?« brüllte Chicot.

»Oh! Jesus! welch ein Wetter!« erwiederte der Wirth mit derselben pathetischen Geberde.

»Eure Riegel halten also nicht?« fuhr Chicot fort, »Eure Haus ist ein Kartenhaus? ich will lieber von hier weggehen, ich ziehe das freie Feld vor.«

Und Chicot erhob sich aus seinem Bettgange und erschien, das Schwert in der Hand, in dem Raum, der zwischen dem Fuße des Bettes und der Wand frei geblieben war.

»Oh! meine armen Meubles!« seufzte der Wirth.

»Und meine Kleider!« rief Chicot, »wo sind sie, meine Kleider, die auf diesem Stuhle lagen?«

»Eure Kleider,« erwiederte der Wirth mit großer Naivität, »wenn sie hier wären, so müssen sie noch hier sein.«

»Wie… wenn sie hier waren, glaubt Ihr denn zufällig, ich sei gestern in dem Costume gekommen, in dem Ihr mich jetzt seht?«

Hierbei suchte sich Chicot, obwohl vergebens, in sein leichtes Hemd zu hüllen.

»Mein Gott i« sagte der Wirth, verlegen, was er auf ein solches Argument antworten sollte, »ich weiß wohl daß Ihr angekleidet waret.«

»Es ist ein Glück, daß Ihr dies zugesteht.«

»Aber…«

»Was aber?«

»Der Wind hat Alles geöffnet, Alles zerstreut.«

»Ah! das ist ein Grund.«

»Ihr seht wohl,« rief der Wirth lebhaft.

»Folgt indessen meiner Berechnung sprach Chicot. »Wenn der Wind irgendwo hereinkommt, und er muß hereingekommen sein, um die Unordnung anzurichten, die ich hier sehe, nicht wahr?«

»Ohne stillen Zweifel.«

»Wenn der Wind irgendwo hereinkomrnt, nun so kommt er von außen.«

»Ganz gewiß.«

»Ihr bestreitet das nicht?«

»Nein, das wäre eine Tollheit.«

»Wohl! der Wind mußte also, da er hier hereinkam, die Kleider von Andern in mein Zimmer bringen, statt die meinigen, ich weiß nicht wohin, fortzutragen.«

»Oh! bei Gott, ja, das scheint mir so. Indessen ist der Beweis vom Gegentheil vorhanden oder er scheint vorhanden zu sein.«

»Gevatter,« sagte Chicot der mit seinem forschenden Auge den Boden untersucht hatte, »Gevatter, welchen Weg hat der Wind genommen, um mich hier aufzufinden?«

»Wie beliebt?«

»Ich frage, woher der Wind komme?«

»Von Norden, mein Herr, von Norden.«

»Er ist im Koth marschiert, denn hier sind Eindrücke seiner Schuhe auf dem Boden.«

Chicot bezeichnete wirklich auf den Platten die frische Spur einer kothigen Fußbekleidung.

Der Wirth erbleichte.

»Soll ich Euch nun einen guten Rath geben,« sagte Chicot, »so ist es der, daß Ihr solche Winde bewacht, welche in die Wirthshäuser kommen, die Thüren sprengend in die Zimmer eindringen, und, wenn sie sich entfernen, die Kleider der Reisenden stehlen.«

Der Wirth wich zwei Schritte zurück, um sich von all dem umgeworfenen Geräthe frei zu machen und der Hausflur nahe zu kommen. Als er sodann seinen Rückzug gesichert hatte, sagte er:

»Warum nennt Ihr mich einen Dieb?«

»Ei! was habt Ihr denn mit Eurem ehrlichen, gutmüthigen Gesicht gemacht?« fragte Chicot, »ich finde Euch ganz verändert.«

»Ich verändere mich, weil Ihr mich beleidigt.«

»Ich!«

»Allerdings,« versetzte der Wirth mit einem noch stärkern Tone, der beinahe einer Drohung glich.

»Ich nenne Euch einen Dieb, weil Ihr für meine Essen verantwortlich seid, wie mir scheint, und weil man mir meine Effekten gestohlen hat; Ihr werdet das nicht leugnen?«

Und nun war es Chicot, der, wie ein Fechtmeister, welcher seinen Gegner auf die Probe stellt, eine Geberde der Drohung machte.

»Holla« rief der Wirth, »holla! herbei, Ihr Leute!«

Auf diesen Ruf erschienen vier mit Stöcken bewaffnete Männer auf der Treppe.

»Alle Wetter! hier kommen Eurus, Notus, Aquilo und Boreas!« rief Chicot.

»Da sich die Gelegenheit bietet, so will ich die Erde des Nordwinds berauben; ich leiste der Menschheit dadurch einen Dienste es wird ein ewiger Frühling sein.«

Und er führte einen so gewaltigen Streich in der Richtung des nächsten Angreifers, daß dieser, hätte er nicht mit der Leichtigkeit eines wahren Sohnes des Aeolus einen Sprung rückwärts gemacht, todt niedergestreckt worden wäre.

Da er jedoch, während er diesen Sprung machte, unglücklicher Weise Chicot anschaute und folglich nicht rückwärts sehen konnte, so fiel er auf den Rand der letzten Stufe der Treppe, die er, unfähig, seinen Schwerpunkt zu behaupten, hinunterrumpelte.

Dieser Rückzug war ein Signal für die drei Anderen, welche durch die vor ihnen, oder vielmehr hinter ihnen geöffnete Mündung mit der Geschwindigkeit von Gespenstern verschwanden, die sich in eine Fallthüre stürzen.

Der letzte, der verschwand, hatte indessen, während seine Gefährten hinabeilten, Zeit, dem Wirthe einige Worte, ins Ohr zu sagen.

»Es ist gut, es ist gut!« brummte dieser, »man wird Eure Kleider wiederfinden.«

»Das ist Alles, was ich verlange.«

»Und man wird sie Euch bringen.«

»Gut, gut! nicht nackt zu gehen, ist, wie mir scheint, ein billiger Wunsch.«

Man brachte wirklich die Kleider, doch sichtbar sehr verdorben.

»Oh! oh!« rief Chicot, »es sind viele Nägel auf Eurer Treppe. Verteufelte Winde! Doch ich muß Euch eine Ehrenerklärung geben! Wie konnte ich Euch im Verdacht haben? Ihr seht so ehrlich aus!«

Der Wirth lächelte gar lieblich und erwiederte:

»Und nun werdet Ihr wohl wieder schlafen, denke ich?«

»Nein, ich danke, ich habe genug geschlafen.«

»Was wollt Ihr denn thun?«

»Ihr leiht mir Eure Laterne, wenn’s beliebt, und ich lese,« antwortete Chicot mit derselben Freundlichkeit.

Der Wirth sagte nichts, er reichte nur Chicot die Laterne und entfernte sich.

Chicot richtete den Schrank wieder an der Thüre auf und steckte sich in sein Bett.

Die Nacht war ruhig; der Wind hatte sich gelegt, als wäre das Schwert von Chicot in den Schlauch gedrungen, der denselben unterhielt.

Bei Tagesanbruch verlangte der Gesandte sein Pferd, bezahlte seine Rechnung, und sagte, als er weg ritt:

»Wir werden diesen Abend sehen.«

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06 aralık 2019
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