Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 23
Vierundzwanzigstes Kapitel
Die sieben Sünden Magdalenens
Der König warf einen Blick auf seine Pferde, und als er sie so kräftig und so feurig sah, wollte er es nicht wagen, allein im Wagen zu fahren; nachdem er Ernauton, wie wir erzählt, ganz Recht gegeben, hieß er den Herzog durch ein Zeichen in der Carrosse Platz nehmen.
Loignac und Sainte-Maline nahmen ihren Platz am Kutschenschlage; ein einziger Piqueur ritt voraus.
Der Herzog saß allein auf dem Vordersitze der massigen Maschine und der König setzte sich mit allen seinen Hunden in den Fond.
Unter allen diesen Hunden war ein bevorzugter; es war dies derjenige, welchen wir bei ihm in der Loge des Rathhauses gesehen; er hatte ein besonderes Kissen, auf dem er ganz sanft schlief.
Zur Rechten des Königs stand ein Tisch, dessen Füße im Boden der Carrosse befestigt waren; dieser Tisch war bedeckt mit ausgemalten Zeichnungen, die Seine Majestät, trotz der Stöße des Wagens, mit einer wunderbaren Geschicklichkeit ausschnitt.
Es waren meistens heilige Gegenstände.
Da indessen zu jener Zeit in Beziehung auf die Religion eine ziemlich tolerante Mischung mit heidnischen Ideen gang und gebe war, so fand sich die Mythologie nicht übel in den religiösen Zeichnungen des Königs vertreten.
Stets methodisch, hatte der König für den Augenblick eine Auswahl unter diesen Zeichnungen gemacht, und er beschäftigte sich damit, daß er das Leben von Magdalena der Sünderin ausschnitt.
Der Gegenstand bot sich an und für sich als ein pittoresker dar, und die Einbildungskraft des Malers hatte den natürlichen Dispositionen noch viel beigefügte man sah Magdalena jung, schön, gefeiert; kostbare Bäder, Bälle, Vergnügungen aller Art figurirten in der Sammlung.
Der Künstler hatte, wie es einst Callot bei seiner Versuchung des heiligen Antonius machen sollte, den geistreichen Gedanken gehabt, die Launen seines Grabstichels mit dem gesetzlichen Mantel der kirchlichen Autorität zu bedecken: so war jede Zeichnung, mit dem laufenden Titel der sieben Todsünden, durch eine besondere Legende erklärt.
Magdalena unterliegt der Sünde des Zorns.
Magdalena unterliegt der Sünde der Schwelgerei.
Magdalena unterliegt der Sünde der Hoffart.
Magdalena unterliegt der Sünde der Unkeuschheit.
Und so fort bis zur siebenten und letzten Todsünde.
Das Bild, welches der König ausschnitt, als man durch die Porte Saint-Antoine fuhr, stellte Magdalena dar, wie sie der Sünde des Zornes unterlag.
Halb auf Polstern ruhend und ohne einen andern Schleier, als ihre prächtigen Haare, mit denen sie später die Füße Christi trocknen sollte, ließ die schöne Sünderin rechts in einen Teich voll von Lampreten, deren Köpfe man gierig wie eben so viele Schlangenmäuler aus dem Wasser hervorstehen sah, einen Sklaven werfen, der ein kostbares Gefäß zerbrochen hatte, während sie links eine Frau, die noch weniger gekleidet war als Magdalena, da sie ihre Haare hinten aufgeflochten trug, peitschen ließ, weil sie, ihre Herrin frisirend, dieser einige von jenen herrlichen Haaren ausgerissen hatte, deren Ueppigkeit Magdalena hätte nachsichtiger gegen einen Fehler dieser Art machen sollen.
Der Hintergrund des Gemäldes stellte Hunde dar, welche man schlug, weil sie ungestraft um Almosen stehende Bettler hatten vorübergehen lassen, und Hähne, denen man den Hals abgeschnitten, weil sie zu stark und zu früh am Morgen gekräht.
»Als man zur Croix Faubin kam, hatte der König schon alle Figuren dieses Bildes ausgeschnitten und schickte sich an, zu demjenigen überzugehen, welches betitelt War:
Magdalena unterliegt der Sünde der Schwelgerei.
Dieses Gemälde stellte Magdalena liegend auf einem von jenen Betten von Purpur und Gold dar, auf denen die Alten ihre Mahle einnahmen; Alles, was die römischen Gastronomen Ausgesuchtestes an Fleischen, Fischen und Früchten kannten, von den Murmelthieren in Honig und den Riesenseebarben in Falerner, bis zu den Langusten von Stromboli und den Granaten von Sicilien. Auf dem Boden stritten sich Hunde um einen Fasan, während die Luft von tausendfarbigen Vögeln verdunkelt war, welche von dieser gesegneten Tafel Feigen, Erdbeeren, Kirschen wegtrugen, die sie zuweilen auf eine Bevölkerung von Mäusen herabfallen ließen, welche, die Nase in die Höhe streckend, auf diese Manna warteten, die ihnen vom Himmel zuregnete.
Magdalena hielt in ihrer Hand, voll von einem topasfarbigen Trank, eines von den Gläsern von seltener Form, wie sie Petronius bei dem Gastmahl des Trimalcio beschrieben hat.
Ganz beschäftigt mit diesem wichtigen Werk, schlug der König nur die Augen auf, als er an der Priorei der Jakobiner vorüberkam, wo mit allen Glocken Vesper geläutet wurde.
Es waren auch alle Thüren und Fenster besagter Priorei so gut geschlossen, daß man sie hätte für unbewohnt halten können, hätte man nicht das Vibriren der Glocken im Innern des Gebäudes gehört.
Nach diesem Blicke fuhr der König eifrig fort, auszuschneiden.
Doch hundert Schritte weiter hätte ihn können ein aufmerksamer Beobachter einen Blick neugieriger, als der erste, auf ein Haus von schönem Anschein werfen sehen, welches an der Straße links lag und mitten in einen reizenden Garten gebaut, sein eisernes Gitter mit vergoldeten Spießen gegen die Landstraße öffnete.
Dieses Landhaus wurde Bel-Esbat genannt.
Ganz im Gegensatz gegen das Kloster der Jacobiner waren in Bel-Esbat alle Fenster geöffnet, mit Ausnahme eines einzigen, an dem eine Jalousie herabfiel.
In dem Augenblick, wo der König vorüberfuhr, zitterte diese Jalousie unmerklich.
Der König wechselte einen Blick und ein Lächeln mit Épernon und griff dann eine neue Todsünde an.
Dies war die Sünde der Unkeuschheit.
Der Künstler hatte sie mit so furchtbaren Farben dargestellt, er hatte diese Sünde mit so viel Muth und Hartnäckigkeit gebrandmarkt, daß wir nur einen Zug anführen können; und auch dieser Zug war sehr episodisch.
Der Schutzengel entfloh ganz erschrocken in den Himmel und verbarg dabei seine Augen mit beiden Händen.
Dieses Bild voll kleiner Einzelheiten nahm die Aufmerksamkeit des Königs dergestalt in Anspruch, daß er fortwährend von einer gewissen Eitelkeit nichts bemerkte, die sich am linken Schlage seines Wagens brüstete.
Das war schade, denn Sainte-Maline saß so glücklich und so stolz auf seinem Pferd.
Er, ein Junker aus Gascogne, war Seiner Majestät dem Allerchristlichsten König so nahe, daß er ihn hören konnte, wenn er zu seinem Hunde sagte:
»Schön, Master Love, du belagerst mich.«
Oder zu dem Herzog von Épernon, dem General-Obersten des Königreichs:
»Herzog, mir scheint, das sind die Pferde, durch die ich den Hals brechen werde.«
Von Zeit zu Zeit schaute jedoch Sainte-Maline, als wollte er seinen Stolz fallen machen, auf der andern Seite des Schlages Loignac an, der an Ehrenauszeichnungen gewöhnt, gegen diese gleichgültig war, und da er dann fand, daß dieser Edelmann mit seiner ruhigen Miene und seiner militärisch bescheidenen Haltung schöner aussah, als er mit seinen Kapitänsmienen, so suchte sich Sainte-Maline zu mäßigen, doch bald gaben gewisse Gedanken seiner Eitelkeit wieder ihre unbändige Ausdehnung.
»Man sieht mich, man schaut mich an,« sagte er, »und man fragt sich: wer ist der glückliche Edelmann, der den König begleitet?«
Nach der Art, wie man fuhr, eine Art, die keines Wegs die Befürchtungen des Königs rechtfertigte, mußte das Glück von Sainte-Maline lange dauern, denn von schweren, ganz mit Silber und Posamenten bedeckten Geschirren beladen, in Stränge, denen der Arche von David ähnlich, eingezwängt, rückten die Pferde von Elisabeth nicht rasch in der Richtung von Vincennes fort.
Da er sich aber zu sehr aufblähte, trat etwas wie eine Warnung von Oben, etwas für ihn überaus Trauriges ein, um seine Freude zu dämpfen: er hörte den König den Namen Ernauton aussprechen.
Zwei oder dreimal sprach der König diesen Namen in zwei oder drei Minuten aus.
Er hätte sehen müssen, wie sich Sainte-Maline jedes Mal bückte, um im Fluge dieses interessante Räthsel aufzufassen; doch das Räthsel blieb, wie alle interessante Dinge, durch einen Zwischenfall oder durch ein Geräusch unterbrochen.
Der König ließ einen Ausruf vernehmen, der ihm dadurch entrissen wurde, daß er an einer gewissen Stelle seines Bildes einen mißlichen Schnitt mit der Scheere gemacht hatte, oder er forderte mit aller nur möglichen Zärtlichkeit Master Love, der mit der übertriebenen aber sichtbaren Anmaßung, eben so viel Lärm zu machen, als ein Bulldog, kläffte, zum Schweigen auf.
Es ist gewiß, daß von Paris nach Vincennes der Name Ernauton wenigstens sechsmal vom König und mindestens viermal vom Herzog ausgesprochen wurde, ohne daß Sainte-Maline begreifen konnte, aus welchem Grunde diese zehn Wiederholungen stattgefunden hatten.
Er bildete sich ein… man ist immer geneigt, sich eine Sache zu versüßen… es handle sich von Seiten des Königs nur darum, nach der Ursache des Verschwindens von Ernauton zu fragen, und von Seiten von Herrn von Épernon, diese angebliche oder wirkliche Ursache zu erzählen.
Endlich kam man nach Vincennes.
Es blieben dem König noch drei Sünden auszuschneiden.
Unter dem scheinbaren Vorwand, sich dieser wichtigen Beschäftigung hinzugeben, schloß sich auch Seine Majestät, als sie kaum aus ihrem Wagen gestiegen, in ihrem Zimmer ein.
Es herrschte der kälteste Nordostwind der Welt; Sainte-Maline fing an, es sich an einem großen Kamin bequem zu machen, wo er sich wieder zu wärmen und sich wärmend zu entschlummern hoffte, als Loignac ihm die Hand auf die Schulter legte.
»Ihr habt heute Dienst,« sagte er mit dem kurzen Tone, der nur dem Manne angehört, welcher, nachdem er viel gehorcht, sich seinerseits gehorchen zu lassen weiß, »Ihr werdet also an einem andern Abend schlafen; auf, Herr von Sainte-Maline.«
»Ich wache vierzehn Tage hinter einander, wenn es sein muß,« erwiederte dieser.
»Es ärgert mich, daß ich Niemand bei der Hand habe,« sagte Loignac, indem er sich den Anschein gab, als suchte er umher.
»Gnädiger Herr,« unterbrach ihn Sainte-Maline, »es ist unnöthig, daß Ihr Euch an einen Andern wendet; wenn es sein muß, schlafe ich einen Monat lang nicht mehr.«
»Oh! wir werden nicht so anspruchsvoll sein, beruhigt Euch.«
»Was soll ich thun?«
»Wieder zu Pferde steigen und nach Paris zurückkehren.«
»Ich bin bereit.«
»Es ist gut. Ihr begebt Euch nach der Wohnung der Fünf und Vierzig. Ihr weckt dort Jedermann auf, doch so, daß mit Ausnahme der drei Anführer, die ich Euch bezeichne, keiner erfährt, wohin man geht, noch was man thun will.«
»Ich werde pünktlich diese erste Instruktion befolgen.«
»Hört weiter:
»Ihr laßt vierzehn von diesen Herren bei der Porte Saint-Antoine;
»Fünfzehn andere auf halbem Weg;
»Und Ihr führt die vierzehn übrigen hierher.«
»Betrachtet dies als geschehen, Herr von Loignac; doch zu welcher Stunde soll ich von Paris abmarschiren?«
»Mit Einbruch der Nacht.«
»Zu Pferd oder zu Fuß?«
»Zu Pferd…«
»Welche Waffen«
»Alle: Dolch, Degen und Pistolen.«
»Gepanzert?«
»Gepanzert.«
»Der übrige Befehl, gnädiger Herr?«
»Hier sind drei Briefe: einer für Herrn von Chalabre, einer für Herrn von Biran und einer für Euch. Herr von Chalabre befehligt die erste Abtheilung, Herr von Biran die zweite, Ihr die dritte.«
»Sehr wohl.«
»Man wird diese Briefe nur an Ort und Stelle öffnen, wenn es sechs Uhr schlägt. Herr von Chalabre öffnet den seinigen bei der Porte Saint-Antoine, Herr von Biran bei der Croix-Faubin, Ihr bei der Porte du Donjon.«
»Sollen wir rasch marschiren?«
»Mit der ganzen Geschwindigkeit Eurer Pferde, jedoch ohne Verdacht zu erregen und ohne Euch bemerkbar zu machen. Um Paris zu verlassen schlägt Jeder einen andern Weg ein; Herr von Chalabre durch die Porte Bourdelle; Herr von Biran durch die Porte du Temple; Ihr der Ihr am meisten Weg zu machen habt, wählt die gerade Straße, nämlich durch die Porte Saint-Antoine.«
»Sehr wohl.«
»Die übrigen Instructionen sind in diesen drei Briefen enthalten. Geht.«
Sainte-Maline verbeugte sich und machte eine Bewegung, um wegzugehen.
»Hört noch,« sprach Loignac, »von hier bis zur Croix-Faubin reitet so schnell Ihr wollt, doch von der Croix-Faubin bis zur Barriere reitet im Schritt. Ihr habt noch zwei Stunden, bevor es Nacht wird, das ist mehr Zeit, als Ihr braucht.«
»Sehr wohl, Herr von Loignac.«
»Habt Ihr gut begriffen, oder soll ich Euch den Befehl wiederholen?«
»Es ist unnöthtig, gnädiger Herr.«
»Glückliche Reise, Herr von Sainte-Maline.«
Hiernach kehrte Loignac, seine Sporen schleppend, in die Gemächer zurück.
»Vierzehn bei der ersten Truppe, fünfzehn bei der zweiten und fünfzehn bei der dritten, offenbar rechnet man, nicht auf Ernauton und er gehört nicht mehr zu den Fünf und Vierzig,« sagte Sainte-Maline.
Ganz aufgeblasen vor Stolz besorgte Sainte-Maline seinen Auftrag.
Eine halbe Stunde nach seinem Abgang von Vincennes ritt er, alle Instruktionen von Loignac buchstäblich befolgend, durch die Barriere; eine Viertelstunde nachher war er in der Wohnung der Fünf und Vierzig.
Die Mehrzahl dieser Herren schlürfte schon in ihren Zimmern den Dunst des Abendbrodes ein, das in den bezüglichen Küchen ihrer Wirthschafterinnen dampfte.
So bereitete die edle Lardille von Chaventrade eine Platte Schöpfenfleisch mit Rüben, stark gewürzt nach der Weise der Gascogne, ein saftiges Gericht, dem auch Militor einige Sorge widmete, indem er durch Stiche mit einer eisernen Gabel von Zeit zu Zeit den Grad des Kochens von Fleisch und Gemüse untersuchte.
So übte Pertinax von Montcrabeau mit Hilfe des seltsamen Bedienten, den er nicht duzte und der ihn duzte, für eine Abtheilung auf gemeinschaftliche Kosten seine eigenen culinarischen Talente; der von diesem geschickten Verwalter gegründete Kosttisch vereinigte acht Verbündete, welche jeder sechs Sous für das Mahl einlegten.
Herr von Chalabre speiste nie sichtbar; man hätte ihn für ein mythologisches, durch seine Natur außerhalb aller Bedürfnisse gestelltes Wesen halten können.
Was an seiner göttlichen Natur zweifeln ließ, war seine Magerkeit.
Er sah zu, wenn seine Kameraden frühstückten, zu Mittag speisten, Abendbrod nahmen, wie eine hochmüthige Katze, welche nicht betteln will, aber Hunger hat und, um diesen Hunger zu beschwichtigen, sich am Schnauzbart leckt. Die Billigkeit verlangt es, hier anzuführen, daß er wenn man ihm anbot, und man bot ihm selten an, es ausschlug, indem er, wie er sagte, noch die letzten Stücke im Munde hatte, und diese Stücke waren nie weniger, als junge Rebhühner, Fasanen, Rothhühner, Lerchen, Pasteten von Auerhahnen und von feinen Fischen.
Alles war gewöhnlich verschwenderisch mit Weinen von Spanien, vom Archipel vom besten Gewächse, als da sind: Malaga, Cyprier und Syrakuser, begossen worden.
Diese ganze Gesellschaft verfügte, wie man sah, nach Gefallen über das Geld von Seiner Majestät Heinrich III.
Uebrigens konnte man den Charakter jedes Einzelnen nach dem Anblick seiner kleinen Wohnung beurtheilen. Die Einen liebten die Blumen und pflegten in einem zerbrochenen Steingeschirr auf ihrem Fenster einen magern Rosenstock oder ein gelbliches Grindkraut. Andere besaßen wie der König Geschmack für Bilder, ohne wie er die Geschicklichkeit im Ausschneiden zu besitzen; wieder Andere hatten, wie wahre Stiftsherrn, in die Wohnung eine Haushälterin oder eine Nichte eingeführt.
Herr von Épernon hatte ganz leise zu Loignac gesagt, da die Fünf und Vierzig nicht im Innern des Louvre wohnen, so könne er die Augen hierüber schließen, und Loignac schloß sie.
Nichtsdestoweniger, wenn die Trompete erscholl, wurde diese ganze Welt Soldat und Sklave einer strengen Disciplin, sprang zu Pferde und hielt sich zu Allem bereit.
Um acht Uhr legte man sich im Winter, um zehn Uhr im Sommer nieder; doch nur fünfzehn schliefen wirklich, fünfzehn schliefen mit einem Auge und die übrigen fünfzehn schliefen gar nicht.
Da es erst halb sechs Uhr war, so fand Sainte-Maline alle seine Leute noch auf und in der gastronomischsten Stimmung der Welt.
Doch mit einem Worte warf er alle ihre Näpfe um.
»Zu Pferde, meine Herrn,« sagte er,
Und er überließ die ganze Genossenschaft der Märtyrer der Verwirrung dieses Manoeuvre und erklärte den Herren von Biran und von Chalabre den Befehl.
Die Einen schoben, während sie ihre Wehrgehänge befestigten und ihre Panzer umschnallten, einige große Bissen in den Mund und befruchteten dieselben mit einem gewaltigen Schluck Wein; Andere, deren Abendbrod weniger weit vorgerückt war, waffneten sich mit Resignation.
Herr von Chalabre allein behauptete, während er seine Degenkuppel zuschnallte, er habe schon vor mehr als einer Stunde Abenddrod genommen.
Man schritt zum Verlesen.
Sainte-Maline mit einbegriffen, antworteten nur Vier und Vierzig.
»Herr Ernauton von Carmainges fehlt,« sagte Herr von Chalabre, der an diesem Tage die Functionen des Fourriers zu versehen hatte.
Eine tiefe Freude erfüllte das Herz von Sainte-Maline und strömte bis zu seinen Lippen zurück, welche eine Grimasse des Lächelns bildeten… eine seltene Erscheinung bei diesem Mann mit dem düsteren, neidischen Temperament.
In den Augen von Sainte-Maline richtete sich in der That Ernauton unfehlbar durch diese Abwesenheit ohne Ursache in dem Augenblick einer Expedition von so großer Wichtigkeit zu Grunde.
Die Fünf und Vierzig oder vielmehr Vier und Vierzig marschierten also ab, jedes Peloton auf dem ihm vorgeschriebenen Wege, nämlich Herr von Chalabre mit dreizehn Mann durch die Porte Bourdelle, Herr von Biran mit vierzehn durch die Porte du Temple und Sainte-Maline endlich mit den übrigen vierzehn durch die Porte Saint-Antoine.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Bel-Esbat
Es bedarf nicht der Erwähnung, daß Ernauton, der Sainte-Maline so ganz verloren glaubte, im Gegentheil den unerwarteten Lauf seines aufsteigenden Glückes verfolgte.
Anfangs berechnete er natürlich, die Herzogin von Montpensier, welche er aufzusuchen beauftragt war, müßte, sobald sie in Paris wäre, im Hotel Guise sein.
Ernauton wandte sich also zuerst nach dem Hotel Guise.
Als er, nachdem er an die große Pforte geklopft, die ihm mit äußerster Vorsicht geöffnet wurde, die Ehre einer Zusammenkunft mit der Frau Herzogin von Montpensier verlangte, lachte man ihm zuerst grausam ins Gesicht; da er aber auf seinem Begehren bestand, antwortete man ihm, er müsse wissen, daß Ihre Hoheit in Soissons und nicht in Paris wohne.
Ernauton war auf diese Antwort gefaßt, sie beunruhigte ihn nicht im Geringsten.
»Ihre Abwesenheit bringt mich in Verzweiflung,« sagte er, »ich hatte Ihrer Hoheit eine Mittheilung von der höchsten Wichtigkeit von Seiten des Herrn Herzog von Mayenne zu machen.«
»Vom Herrn Herzog von Mayenne?« versetzte der Portier, »und wer hat Euch mit dieser Mittheilung beauftragt?«
»Der Herr Herzog von Mayenne selbst.«
»Der Herzog hat Euch beauftragt!« rief der Portier mit einem bewunderungswürdig gespielten Erstaunen, »und wo hat er Euch mit dieser Mittheilung beauftragt?« Der Herr Herzog von Mayenne ist ebenso wenig in Paris, als die Frau Herzogin von Montpensier.«
»Ich weiß es wohl,« erwiederte Ernauton, »doch ich konnte auch nicht in Paris sein; ich kann den Herrn Herzog anderswo als in Paris getroffen haben, auf der Straße nach Blois zum Beispiel.«
»Auf der Straße nach Blois?« sagte der Portier etwas aufmerksamer.
»Ja, und auf dieser Straße kann er mir begegnet sein und mich mit einer Botschaft für Frau von Montpensier beauftragt haben.«
Eine leichte Unruhe zeigte sich auf dem Gesichte des Portier, der, als befürchtete er, man könnte den verbotenen Eintritt erzwingen, die Thüre beständig nur ein wenig geöffnet hielt.
»Diese Botschaft also?« fragte er.
»Ich habe sie.«
»Bei Euch?«
»Hier,« sprach Ernauton, indem er auf seine Brust klopfte.
Der treue Diener heftete aus Ernauton einen forschenden Blick.
»Ihr sagt, Ihr habet diese Botschaft bei Euch?« fragte er.
»Ja, mein Herr.«
»Und diese Botschaft sei wichtig?«
»Von der größten Wichtigkeit.«
»Wollt Ihr mich dieselbe nur ein wenig anschauen lassen?«
»Gern.«
Ernauton zog aus seiner Brust den Brief von Herrn von Mayenne.
»Oh! oh! was für eine sonderbare Tinte ist das!« sagte der Portier.
»Es ist Blut,« erwiederte Ernauton phlegmatisch.
Der Diener erbleichte bei diesen Worten und mehr noch ohne Zweifel bei dem Gedanken, dieses Blut könne das von Herrn von Mayenne sein.
In jener Zeit war Noth an Tinte, doch großer Ueberfluß an vergossenem Blut; daher kam es, daß häufig Liebende an ihre Geliebtinnen und Verwandte an ihre Familien mit der Flüssigkeit schrieben, welche am häufigsten vergossen wurde.
»Mein Herr,« sprach der Diener mit großer Hast, »ich weiß nicht, ob Ihr in Paris oder in der Umgegend von Paris die Frau Herzogin von Montpensier finden werdet, doch habt jedenfalls die Güte Euch ohne Verzug in ein Haus des Faubourg Saint-Antoine zu begeben, das man Bel-Esbat nennt und das der Frau Herzogin gehört; Ihr könnt es daran erkennen, daß es, wenn Ihr nach Vincennes geht, das erste linker Hand nach dem Kloster der Jacobiner ist; sicherlich findet Ihr dort irgend eine Person im Dienste der Frau Herzogin, welche vertraut genug mit ihr ist, um Euch sagen zu können, wo sich die Frau Herzogin in diesem Augenblick befindet.«
»Sehr gut,« sprach Ernauton, der begriff, daß der Diener nicht mehr sagen konnte oder nicht mehr sagen wollte, »ich danke.«
»Im Faubourg Saint-Antoine,« fügte der Diener bei, »kennt Jedermann Bel-Esbat, kann es Euch Jedermann zeigen, obgleich man vielleicht nicht weiß, daß es Frau von Montpensier gehört; Frau von Montpensier hat es erst vor Kurzem gekauft, um sich dahin zurückzuziehen.«
Ernauton machte ein Zeichen mit dem Kopf und wandte sich nach dem Faubourg Saint-Antoine.
Er hatte keine Mühe, das an die Priorei der Jacobiner stoßende Haus Bel-Esbat zu finden, ohne um Auskunft zu fragen.
Ernauton zog an der Glocke, die Thüre öffnete sich.
»Tretet ein,« sagte man zu ihm.
Er trat ein und die Thüre schloß sich hinter ihm.
Sobald er eingeführt war, schien man zu erwarten, daß er irgend ein Losungswort ausspreche, doch da er nur umherschaute, fragte man ihn, was er wünsche.
»Ich wünsche die Frau Herzogin zu sprechen,« sagte der junge Mann.
»Und warum sucht Ihr die Frau Herzogin in Bel-Esbat?« fragte der Diener.
»Weil der Portier des Hotel Guise mich hierher geschickt hat.«
»Die Frau Herzogin ist ebenso wenig in Bel-Esbat, als in Paris,« sprach der Diener.
»Dann werde ich es auf einen günstigeren Augenblick verschieben, mich gegen sie der Sendung zu entledigen, mit der mich der Herr Herzog von Mayenne beauftragt hat.«
»Für sie, für die Frau Herzogin?«
»Für die Frau Herzogin.«
»Eine Sendung vom Herrn Herzog von Mayenne?«
»Ja.«
Der Diener dachte einen Augenblick nach und sprach sodann:
»Mein Herr, ich kann es nicht auf mich nehmen, Euch zu antworten, doch ich habe hier einen Vorgesetzten, mit dem ich mich geziemender Weise berathen werde; wollt die Güte haben, zu warten.«
»Bei Gott, das sind gut bediente Leute!« sagte Ernauton. »Welche Ordnung, welche Schärfe der Befehle, welche Pünktlichkeit im Vollzug! Menschen, welche glauben, sie haben es nöthig, sich so bewachen zu lassen, sind offenbar gefährliche Menschen. Man tritt bei den Herren von Guise nicht ein wie im Louvre. Ich fange auch an zu glauben, daß ich nicht dem wahren König von Frankreich diene.«
Und er schaute umher: der Hof war verlassen, doch die Thüren der Ställe standen offen, als ob man eine Truppe erwartete, die nur einzuziehen und ihre Quartiere zu nehmen hätte.
Ernauton wurde in seiner Forschung durch den Diener unterbrochen, der in Begleitung eines andern Dienern zurückkehrte.
»Uebergebt mir Euer Pferd, mein Herr, und folgt meinem Kameraden,« sagte der erstere, »Ihr werdet Jemand finden, der Euch viel besser als ich antworten kann.«
Ernauton folgte dem Bedienten, wartete einen Augenblick in einem Vorzimmer, bis der Diener seine Meldung gemacht hatte, und wurde in ein kleines anstoßendes Gemach eingeführt, wo eine ohne Prunk, wenn auch mit einer gewissen Eleganz gekleidete Dame an einer Stickerei arbeitete.
Sie wandte Ernauton den Rücken zu.
»Das ist der Herr, der im Auftrag von Herrn von Mayenne hier erscheint, gnädige Frau,« sagte der Lackei.
Sie machte eine Bewegung.
Ernauton stieß einen Schrei aus.
»Ihr, Madame?« rief er, zugleich seinen Pagen und seine Unbekannte von der Sänfte unter dieser dritten Verwandlung erkennend.
»Ihr,« rief ebenfalls die Dante, indem sie ihre Arbeit fallen ließ und Ernauton anschaute.
Dann machte sie dem Lackeien ein Zeichen und hieß ihn weggehen.
»Ihr seid vom Hause der Frau Herzogin von Montpensier?« fragte Ernauton ganz erstaunt.
»Ja,« erwiederte die Unbekannte, »doch Ihr, mein Herr, wie kommt es, daß Ihr eine Botschaft von Herrn von Mayenne hierher bringt?«
»Durch eine Reihenfolge von Umständen, die ich nicht vorhersehen konnte, und deren Erzählung für Euch zu lange währen würde,« erwiederte Ernauton mit großer Vorsicht.
»Oh! Ihr seid discret,« sprach lächelnd die Dame.
»So oft es sein muß, ja, Madame.«
»Ich sehe hier keinen Anlaß zu großer Discretion,« erwiederte die Unbekannte, »denn wenn Ihr wirklich eine Botschaft von der Person bringt, die Ihr nennt…«
Ernauton machte eine Bewegung.
»Oh! erzürnen wir uns nicht; wenn Ihr wirklich eine Botschaft von der Person bringt, die Ihr nennt, so ist die Sache interessant genug, daß Ihr in Erinnerung an unsere Bekanntschaft, so ephemer sie auch ist, sagt, wie die Botschaft lautet.«
»Madame,« entgegnete Ernauton, »Ihr werdet mich nicht veranlassen, zu sagen, was ich nicht weiß.«
»Und noch viel weniger, was Ihr nicht sagen wollt.«
»Ich spreche mich nicht aus,« erwiederte Ernauton sich verbeugend.
»Thut, wie es Euch hinsichtlich mündlicher Mittheilungen beliebt, mein Herr.«
»Ich habe keine mündliche Mittheilung zu machen, Madame, meine ganze Sendung besteht darin, daß ich Ihrer Hoheit einen Brief übergeben soll.«
»Nun also diesen Brief!« sagte die unbekannte Dame die Hand ausstreckend.
»Diesen Brief?« versetzte Ernauton.
»Wollt Ihr mir übergeben.«
»Madame, ich glaube die Ehre gehabt zu haben, Euch mitzutheilen, daß dieser Brief an die Frau Herzogin den Montpensier adressirt ist.«
»In Abwesenheit der Frau Herzogin vertrete ich sie hier,« sagte die Dame ungeduldig, »Ihr könnt also…«
»Ich kann nicht.«
»Ihr mißtraut mir, mein Herr!«
»Ich müßte es, Madame,« sprach der junge Mann mit einem Blick, in dessen Ausdruck man sich nicht täuschen konnte, »doch trotz der Heimlichkeit Eures Benehmens, habt Ihr mir, ich gestehe es, andere Gefühle eingeflößt, als diejenigen, von welchen Ihr sprecht.«
»Wahrhaftig!« rief die Dame ein wenig erröthend unter dem entflammt Blick von Ernauton.
Ernauton verbeugte sich.
»Merkt wohl auf,« sagte sie lächelnd, »Ihr macht wir eine Liebeserklärung, Herr Bote.«
»Ja wohl, Madame,« erwiederte Ernauton, »ich weiß nicht, ob ich Euch wiedersehen werde, und die Gelegenheit ist in der That zu kostbar, als daß ich sie entschlüpfen lassen sollte.«
»Dann, mein Herr, begreife ich.«
»Ihr begreift, daß ich Euch liebe, Madame, das ist wahrlich leicht zu begreifen.«
»Nein, ich begreife, warum Ihr hierher gekommen seid.«
»Ah! verzeiht, Madame, nun begreife ich nicht.«
»Ja, ich begreife, daß Ihr begierig, mich wiederzusehen, einen Vorwand genommen habt, um Euch hier einzuführen.«
»Ich, Madame, einen Vorwand! Ah! Ihr beurtheilt mich schlecht; ich wußte nicht, daß ich Euch je wiedersehen sollte, und erwartete Alles vom Zufall, der mich schon zweimal auf Euren Weg geworfen hat; doch einen Vorwand nehmen, ich, niemals. Ich bin ein seltsamer Geist und denke nicht in allen Dingen, wie die übrige Welt.«
»Hoho! Ihr seid verliebt, sagt Ihr, und Ihr habt Bedenklichkeiten über die Art und Weise, die Person wiederzusehen, die Ihr liebt? Das ist sehr schön, mein Herr,« sagte die Dame mit einem gewissen spöttischen Stolz, »nun, ich vermuthete Ihr hättet Bedenklichkeiten.«
»Warum, Madame, wenn es Euch beliebt?« fragte Ernauton.
»Ihr begegnetet mir neulich; ich saß in einer Sänfte; Ihr erkanntet mich, und dennoch seid Ihr mir nicht gefolgt.«
»Nehmt Euch in Acht, Madame, Ihr gesteht, daß Ihr auf mich aufmerksam gewesen seid.«
»Ah! wahrhaftig, ein schönes Geständniß! Haben wir uns nicht unter Umständen gesehen, die mir, mir besonders den Kopf aus dem Schlage zu beugen gestatten, wenn Ihr vorüber reitet. Doch nein; der Herr entfernte sich im Galopp, nachdem er ein ach! ausgestoßen, das mich im Grunde meiner Sänfte beben machte.«
»Ich war gezwungen, mich zu entfernen.«
»Durch Eure Bedenklichkeiten?«
»Nein, Madame, durch meine Pflicht.«
»Ah! ah!« sagte lächelnd die Dame, »ich sehe, daß Ihr ein vernünftiger umsichtiger Verliebter seid, und daß Ihr vor Allem Euch zu compromittiren befürchtet.«
»Dürfte man sich wundern, wenn Ihr mir einige Furcht eingeflößt hättet,« erwiederte Ernauton, »sprecht, ist es üblich, daß sich eine Frau als Mann kleidet und mit Gewalt durch die Barrieren dringt, um auf der Grève einen Unglücklichen viertheilen zu sehen, und zwar mit vielen mehr als unbegreiflichen Gesticulationen?«
Die Dame erbleichte leicht und verbarg gleichsam sodann ihre Blässe unter einem Lächeln.
Ernauton fuhr fort:
»Ist es natürlich, daß die Dame, sobald sie sich dieses Vergnügen gemacht hat, festgenommen zu werden befürchtet und wie eine Diebin entflieht, sie, die im Dienste von Frau von Montpensier ist, von dieser mächtigen, wenn auch bei Hofe übel gelittenen Fürstin?«
Diesmal lächelte die Dame auf’s Neue, doch mit einer stärker hervortretenden Ironie.
»Ihr habt wenig Scharfsinn, mein Herr, obgleich Ihr ein Beobachter zu sein glaubt,« sagte sie, »denn mit, ein wenig gesundem Verstand wäre Euch Alles, was Euch dunkel zu sein scheint, erklärlich gewesen. War es vor Allem nicht sehr natürlich, daß sich die Frau Herzogin von Montpensier für das Schicksal von Salcède interessirte, und sich um das, was er sagen würde, um seine wahren oder falschen Offenbarungen bekümmerte, die ganz geeignet sein konnten, das Haus Lothringen ungemein zu gefährden; und wenn dies natürlich war, mein Herr, war es minder natürlich, daß diese Prinzessin eine sichere Person absandte, zu der sie Alles Vertrauen haben konnte, daß sie der Hinrichtung beiwohnend de visu, wie man im Justizpallast sagt, alle Einzelheiten der Sache constatiren würde? Nun wohl! mein Herr, diese Person war ich, die Vertraute Ihrer Hoheit. Glaubt Ihr, ich hätte nach Paris hineinkommen können, während alle Barrieren verschlossen waren. Glaubt Ihr, ich hätte in Frauenkleidern auf die Grève gelangen können? Glaubt Ihr endlich, nun, da Ihr meine Stellung bei der Herzogin kennt, ich hätte gleichgültig bei den Leiden des Verurtheilten und bei den von ihm beabsichtigten Entdeckungen bleiben können?«