Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 25
Als aber dieses Geräusch erloschen war, versank wieder Alles in die frühere Stille.
Dieses fortwährende Hin- und Hergehen ohne ein Resultat flößte Mayneville endlich eine solche Unruhe ein, daß er einen von den Leuten der Herzogin zu Pferde steigen ließ, mit dem Befehl, sich bei dem ersten Reiter-Peloton, dem er begegnen würde, zu erkundigen.
Der Bote kehrte nicht zurück.
Als die ungeduldige Herzogin dies sah, schickte sie einen andern ab, der eben so wenig zurückkam, als der erste.
»Unser Officier, sagte nun die Herzogin, stets geneigt, die Dinge unter einer schönen Farbe zu sehen, »unser Officier befürchtete wohl, zu schwach an Leuten zu sein, und so wird er unsere Boten als Verstärkung behalten haben; das ist klug, aber beunruhigend.«
»Beunruhigend, ja, sehr beunruhigend,« erwiederte Mayneville, dessen Augen den tiefen, düsteren Horizont nicht verließen.
»Mayneville, was kann denn geschehen sein?«
»Ich will selbst zu Pferde steigen, und wir werden es erfahren,« sprach Mayneville.
Hierbei machte er eine Bewegung, um wegzugehen, doch die Herzogin hielt ihn zurück.
»Ich verbiete es Euch,« rief die Herzogin, »wer würde denn bei mir bleiben? wer würde, wenn der Augenblick gekommen ist, alle unsere Officiere, unsere Freunde erkennen? Nein, nein, bleibt, Mayneville, man macht sich ganz natürlich Befürchtungen, wenn es sich um ein Geheimniß von dieser Wichtigkeit handelt; aber in der That, der Plan war zu gut combinirt und besonders zu sehr geheim gehalten, als daß es uns nicht gelingen sollte.«
»Neun Uhr,« sprach Mayneville, mehr seine eigene Ungeduld, als die Worte der Herzogin erwiedernd, »ah! nun verlassen die Jakobiner ihr Kloster und stellen sich längs den Mauern des Hofes auf, vielleicht haben sie eine besondere Anzeige.«
»Stille!« rief die Herzogin, die Hand gegen den Horizont ausstreckend.
»Was?«
»Stille, horcht!« Man fing an in der Ferne ein Rollen, ähnlich dem des Donners, zu hören.
»Das ist die Cavalerie,« rief die Herzogin, »sie bringen ihn uns, sie bringen ihn!«
Und, ihrem brausenden Charakter gemäß, von der grausamsten Angst zu der tollsten Freude übergehend, klatschte sie in die Hände und rief:
»Ich habe ihn! ich habe ihn!«
Mayneville horchte immer noch.
»Ja,« sagte er, »es ist ein rollender Wagen, begleitet von galoppirenden Pferden.«
Und er befahl mit voller Stimme:
»Aus den Mauern, meine Väter, aus den Mauern!«
Sogleich öffnete sich das große Gitter der Priorei, und in schöner Ordnung kamen die zweihundert bewaffneten Mönche heraus, an deren Spitze Borromée marschirte.
Sie nahmen ihre Stellung quer über die Straße.
Man hörte nun die Stimme von Gorenflot rufen: »Wartet auf mich, wartet doch auf mich! es ist wichtig, daß ich an der Spitze des Kapitels stehe, um Seine Majestät würdig zu empfangen.«
»Auf den Balcon, Sire Prior, auf den Balcon!« rief Borromée, »Ihr wißt wohl, daß Ihr uns Alle beherrschen müßt; die Schrift sagt, Du wirst sie beherrschen, wie die Ceder den Isop!«
»Das ist wahr,« sprach Gorenflot, »das ist wahr; ich vergaß, daß ich diesen Posten gewählt hattet, zum Glück seid Ihr da, um mich daran zu erinnern, Bruder Borromée.«
Borromée gab leise einen Befehl, und unter dem Vorwande der Ehre und der Ceremonie stellten sich vier Brüder auf den Balcon neben den würdigen Prior. Bald fand sich die Straße, welche in einiger Entfernung von der Priorei eine Biegung bildete, von einer Anzahl von Fackeln beleuchtet, mit deren Hilfe die Herzogin und Mayneville Panzer schimmern und Schwerter glänzen sehen konnten. Unfähig, sich zu bemächtigen, rief sie:
»Geht hinab, Mayneville, und bringt ihn mir ganz gebunden, ganz von Wachen escortirt.«
»Ja, ja,« sagte Mayneville zerstreut, »doch Eines beunruhigt mich.«
»Was?«
»Ich höre das verabredete Zeichen nicht.«
»Wozu das Zeichen, da man ihn hat?«
»Aber man hätte ihn, wie mir scheint, erst hier der Priorei gegenüber festnehmen sollen,« entgegnete Mayneville.
»Sie werden früher eine bessere Gelegenheit gefunden haben.«
»Ich sehe unsern Officier nicht.«
»Ich sehe ihn.«
»Wo?«
»Jene rothe Feder.«
»Alle Teufel, Madame!«
»Was?«
»Jene rothe Feder!«
»Nun?«
»Es ist Herr von Épernon, Herr von Épernon, den Degen in der Hand!«
»Man hat ihm seinen Degen gelassen.«
»Beim Tod! er befiehlt.«
»Unseren Leuten. Es ist also Verrath?«
»Ei! Madame, es sind nicht unsere Leute.«
»Ihr seid verrückt, Mayneville.«
In diesem Augenblick schwang Loignac an der Spitze des ersten Peloton ein großes Schwert und rief: »Es lebe der König!«
»Es lebe der König!« wiederholten in voller Begeisterung mit ihrem furchtbaren gascognischen Accent die Fünf und Vierzig.
Die Herzogin erbleichte und sank auf das Fenstergesimse, als ob sie ohnmächtig würde.
Düster und entschlossen, nahm Mayneville das Schwert in die Hand; er wußte nicht, ob diese Leute im Vorbeiziehen das Haus stürmen würden.
Der Zug rückte immer weiter, wie ein Lärm- und Lichtwirbel. Er hatte Bel-Esbat erreicht und war nahe daran die Priorei zu erreichen.
Borromée machte drei Schritte vorwärts. Loignac trieb sein Pferd gerade gegen den Mönch an, der ihm unter seiner wollenen Robe den Kampf anzubieten schien.
Doch als ein Mann von Kopf, sah Borromée daß Alles verloren war, und faßte sogleich seinen Entschluß.
»Platz! Platz!« rief Loignac mit gewaltiger Stimme, »Platz dem König!«
Borromée, der seinen Degen unter der Robe gezogen hatte, steckte ihn auch unter der Robe wieder in die Scheide.
Elektristrt durch das Geschrei, durch das Geräusch der Waffen, geblendet durch das Flammen der Fackeln, streckte Gorenflot seine mächtige Rechte aus und segnete den König mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger vom Balcon herab.
Heinrich, der sich aus dem Schlage neigte, sah ihn und begrüßte ihn lächelnd.
Dieses Lächeln, ein authentischer Beweis für die Gunst, in der der würdige Prior der Jacobiner bei Hofe stand, begeisterte Gorenflot dergestalt, daß er ebenfalls: Es lebe der König, mit einer Lunge anstimmte, weiche die Gewölbebogen einer Kathedrale aufzuheben im Stande gewesen wäre.
Doch das übrige Kloster blieb stumm.
Es erwartete in der That eine ganz andere Lösung auf diese, zwei Monate anhaltenden Manoeuvres und auf das Ergreifen der Waffen, das eine Folge hiervon gewesen.
Doch als ein wahrer Soldat hatte Borromée mit einem Blick die Zahl der Vertheidiger des Königs berechnet und ihre kriegerische Haltung erkannt. Die Abwesenheit der Parteigänger der Herzogin enthüllte ihm das unselige Geschick der Unternehmung: zögern, sich zu unterwerfen, hieß Alles zu Grunde richten.
Er zögerte also nicht, und in dem Augenblick, wo die Brust des Pferdes von Loignac an ihn stoßen sollte, rief er, »Es lebe der König!i« mit einer beinahe so laut schallenden Stimme, als es Gorenflot gethan hatte.
Dann brüllte das ganze Kloster: »Es lebe der König!« und schwang seine Waffen.
»Ich danke, meine ehrwürdigen Väter, ich danke!« rief die scharfe Stimme von Heinrich III.
Heinrich zog an dem Kloster, welches das Ziel seiner Fahrt sein sollte, wie ein Wirbel von Feuer, Lärmen und Glorie vorüber und ließ Bel-Esbat in der Finsterniß.
Von dem Balken herab, durch den vergoldeten Wappenschild verborgen, hinter dem sie auf die Kniee gesunken war, sah, befragte, verschlang die Herzogin jedes Gesicht, auf das die Fackeln ihr stammenden Licht warfen.
»Ah!« machte sie mit einem Schrei, indem sie einen der Reiter von der Escorte bezeichnete.
»Seht! seht, Mayneville!«
»Der junge Mann, der Bote des Herrn Herzogs, von Mayenne im Dienste des Königs!« rief dieser.
»Wir sind verloren!« murmelte die Herzogin.
»Wir müssen fliehen und zwar rasch, Madame,« sprach Mayneville, »heute Sieger, wird der Valois morgen seinen Sieg mißbrauchen.«
»Wir sind verrathen worden!« rief die Herzogin. »Dieser junge Mann hat uns verrathen! er wußte Alles!«
Der König war schon fern; er war mit seinem ganzen Gefolge unter der Porte Saint-Antoine verschwunden, die sich vor ihm geöffnet und hinter ihm geschlossen hatte.
Achtundzwanzigstes Kapitel
Wie Chicot König Ludwig XI. dafür segnete, daß er die Post erfunden, und wie er von dieser Erfindung Gebrauch zu machen beschloß
Chicot, zu welchem zurückzukehren unsere Leser uns erlauben werden, hatte nach der wichtigen Entdeckung, die er, die Schnüre an der Larve von Herrn von Mayenne durchschneidend, gemacht, keinen Augenblick zu verlieren, um sich so schnell als möglich aus dem Lärmen des Abenteuers zu flüchten.
Zwischen dem Herzog und ihm bestand nun, wie man leicht begreift, ein Kampf auf Leben Tod. Minder schmerzlich in seinem Fleisch, als in seiner Eitelkeit verwundet, würde ihm Mayenne, der um den alten Streichen mit der Scheide den neuen Degenstich beizufügen hatte, nie verzeihen.
»Auf, auf!« rief der brave Gascogner, seinen Ritt in der Richtung von Beaugency beschleunigend, »hier oder nie ist die Gelegenheit, auf Postpferden das vereinigte Geld von drei erhabenen Personen, die man Heinrich von Valois, Dom Modeste Gorenflot und Sebastian Chicot nennt laufen zu lassen.«
Gewandt, nicht nur alle Gefühle, sondern auch alle Stellungen nachzuahmen, nahm Chicot sogleich die Miene eines vornehmen Herrn an, wie er in minder precären Lagen die Miene eines guten Bürgers angenommen hatte. Nie war ein Fürst mit größerem Eifer bedient worden, als Chicot, nachdem er sein Pferd verkauft und eine Viertelstunde mit dem Postmeister gesprochen hatte.
Sobald Chicot im Sattel saß, beschloß er, nicht eher anzuhalten, als bis er sich an sicherem Orte glauben würde; er galoppirte daher so rasch, als es ihm die Pferde von dreißig Relais gestatten wollten. Er selbst war wie von Stahl gemacht und schien nach sechzig Meilen, die er in zwanzig Stunden zurückgelegt, nicht im Geringsten ermüdet.12
Als Chicot in Folge dieser Eile in drei Tagen Bordeaux erreicht hatte, dachte er, es sei ihm nun vollkommen erlaubt, ein wenig Athem zu schöpfen.
Man kann denken, während man galoppirt, man kann sogar kaum etwas Anderes thun. Chicot dachte viel.
Seine Gesandtschaft, welche immer ernster wurde, je mehr er gegen das Ziel seiner Reise verrückte, seine Gesandtschaft erschien ihm unter einem ganz anderen Lichte, ohne, daß wir genau sagen können, unter welchem Lichte sie ihm erschien.
Welchen Fürsten sollte er in dem seltsamen Heinrich finden, den die Einen für einen albernen Menschen, die Anderen für einen Feigen und Alle für einen Abtrünnigen ohne Consequenz hielten? Doch die Meinung von Chicot selbst war nicht die der ganzen Welt. Seit seinem Aufenthalt in Navarra hatte der Charakter von Heinrich, wie die Haut der Chamäleons, das dem Reflex des Gegenstandes unterworfen ist, auf dem es sich findet, hatte der Charakter von Heinrich, sagen wir, den heimathlichen Boden berührend, einige Nuancen erlitten.
Heinrich hatte nämlich genug Raum zwischen die königliche Klaue und die kostbare Haut, die er so geschickt vor jedem Riß geschützt, zu setzen gewußt, um keine Angriffe mehr zu befürchten.
Seine äußere Politik war indessen immer noch dieselbe; er erlosch in dem allgemeinen Lärmen und löschte mit sich und um sich einige berühmte Namen aus, die man in der französischen Welt mit Erstaunen ihr Leuchten auf einer bleichen Krone von Navarra wiederstrahlen sah. Wie in Paris, machte er beständig seiner Frau den Hof, deren Einfluß indessen unnütz geworden zu sein schien. Kurz er vegetirte, glücklich, zu leben.
Für den großen Haufen war dies der Gegenstand hyperbolischen Spottes.
Für Chicot war es ein Stoff zu tiefem Nachdenken.
So wenig das war, was er zu sein schien, wußte Chicot bei den Anderen den Grund unter der Hülle zu errathen. Heinrich von Navarra war für Chicot noch nicht ein errathenes Räthsel, sondern er war ein Räthsel.
Wissen, daß Heinrich von Navarra ein Räthsel und keine reine, einfache Thatsache sei, hieß schon viel wissen. Chicot wußte also mehr als die übrige Welt, indem er wie jener alte griechische Weise wußte, daß er nichts wußte.
Da wo Jedermann die Stirne hoch, das Wort frei, das Herz auf den Lippen vorgetreten wäre, fühlte Chicot daß man mit gepreßtem Herzen, mit erwogener Rede und die Stirne bedachtsam gefaltet, wie die eines Schauspielers, gehen mußte.
Diese Nothwendigkeit der Verstellung wurde ihm, einmal durch seinen natürlichen Scharfsinn, und sodann durch den Anblick der Orte, die er durchwanderte, eingegeben.
Sobald er sich innerhalb der Grenze des kleinen Fürstenthumes Navarra, eines Landes, dessen Armuth in Frankreich sprichwörtlich geworden, befand, sah Chicot zu seinem großen Erstaunen nicht mehr aus jedem Gesicht, an jedem Hause, an jedem Stein den Zahn des gräßlichen Elends eingedrückt, der die schönsten Provinzen des herrlichen Frankreichs, die er verlassen, zernagte.
Der Holzhauer, der, den Arm auf das Joch seines Lieblingsochsen gestützt, vorüberzog, das Mädchen mit dem kurzen Rock und dem behenden Gang, nach Art der antiken Choephoren Wasser auf dem Kopfe tragend; der Greis, der, sein weißes Haupt wiegend, ein Lied aus seiner Jugendzeit trällerte der Hausvogel, der in seinem Bauer umher hüpfte oder an seinem vollen Napfe pickte; das gebräunte Kind, mit den mageren aber nervigen Gliedern, das auf Haufen von Maisblättern spielte; Alles sprach zu Chicot eine lebendige, klare, verständliche Sprache; Alles rief ihm aus jedem Schritt den er vorwärts that, zu:
»Sieh, hier ist man glücklich!«
Bei dem Geräusch von Rädern, welche in ausgehöhlten Wegen knarrten, wurde Chicot oft plötzlich von einem Schrecken erfaßt. Er erinnerte sich der schweren Artillerie, welche die Straßen in Frankreich ausfurchte.
Doch an der Biegung des Weges erschien ihm der Wagen des Winzers mit vollen Fässern und rothwangigen Kindern beladen. Wenn er in der Ferne einen Flintenlauf hinter einer Hecke von Feigenstauden oder Weinreben erblickte, dachte Chicot an die drei Hinterhalte, die er so glücklich durchgemacht hatte. Es war indessen nur ein Jäger, der, gefolgt, von großen Hunden, durch die an Hasen reiche Ebene zog, um die an Rebhühnern und Haselhühnern reichen Berge zu besteigen.
Obgleich man in der Jahreszeit vorgerückt war, und Chicot Paris voll von Nebeln und Reif verlassen hatte, war es doch schön, war es doch warm. Die großen Bäume, welche ihre Blätter noch nicht verloren hatten, die sie im Süden überhaupt nie ganz verlieren, warfen von ihren röthlichen Kronen herab einen blauen Schatten auf den Kreidenboden. Die zarten, reinen, allmälig verschießenden Horizonte spiegelten ganz buntscheckig von Dörfern mit weißen Häusern.
Das Beret auf das Ohr geneigt, ritt der Bearner Bauer auf den Wiesgründen jene kleinen Pferde für drei Thaler, welche unermüdlich auf ihren stählernen Häcksen springen, zwanzig Meilen in einem Zuge zurücklegen, und nie gestriegelt, nie bedeckt, sich schütteln, wenn sie ans Ziel kommen, und das erste das beste Bündel Heidekraut, ihr einziges, ihr genügendes Mahl, abfressen.
»Alle Wetter!« sagte Chicot, »ich habe die Gascogne nie so reich gesehen, der Bearner lebt wie ein Hahn im Korb.
»Da er so glücklich ist, so hat man allen Grund zu glauben, daß er, wie sein Schwager, der König von Frankreich sagt, auch gut ist, aber er wird es vielleicht nicht gestehen. In der That, obgleich ins Lateinische übersetzt, ist mir der Brief immer noch peinlich, ich habe beinahe Lust, ihn ins Griechische zu übersetzen.
»Bah! ich habe nie gehört, Henriot, wie ihn sein Schwager Karl IX. nannte, verstehe das Lateinische. Ich werde ihm von meiner lateinischen Uebersetzung eine französische Uebersetzung machen, expurgata, wie man in der Sorbonne sagt.«
Während Chicot diese Betrachtungen ganz leise anstellte, erkundigte er sich ganz laut, wo der König wäre.
Der König war in Nerac. Anfangs glaubte man, er befände sich in Pau, was unsern Boten veranlaßte, bis nach Mont-de-Marsan zu reiten; doch als er hier anlangte, wurde die Topographie des Hofes berichtigt, und Chicot wandte sich nach links, um auf die Straße nach Nerac zu gelangen, welche er voll von Leuten fand, die vom Markte von Condom kamen.
Man theilte ihm mit, – der Leser erinnert sich: äußerst vorsichtig, wenn es sich darum handelte, die Fragen Anderer zu beantworten, war Chicot selbst ein sehr geschickter und starker Frager, – man theilte ihm mit, sagen wir, daß der König von Navarra ein sehr lustiges Leben führe, und daß er ohne Ruh und Rast von einer Liebschaft zur andern übergehe.
Chicot war so glücklich gewesen, auf dem Wege mit einem jungen katholischen Priester, einem Schafhändler und einem Officier zusammenzutreffen, welche sich von Mont-de-Marsan an gute Gesellschaft leisteten und, wo man anhielt, bei schwelgerischen Mahlen vertraulicher Gespräche pflogen.
Diese Leute schienen ihm durch ihre ganz zufällige Verbindung vortrefflich das gelehrte, das handeltreibende und das kriegführende Navarra zu vertreten. Der Geistliche erzählte ihm von den Sonneten, die man auf die Liebschaft des Königs mit der schönen Fosseuse, einer Tochter von René Montmorency, Baron von Fosseur, machte.
»Sprecht,« sagte Chicot, »wir müssen uns verständigen: man glaubt in Paris, Seine Majestät der König von Navarra sei wahnsinnig in Mademoiselle Le Rebours verliebt.«
»Oh!« erwiederte der Officier, »das war in Pau.«
»Ja, ja,« bestätigte der Geistliche, »das war in Pau.«
»Ah! das war in Pau,« versetzte der Handelsmann, der als einfacher Bürger am wenigsten gut von den Dreien unterrichtet zu sein schien.
»Wie!« fragte Chicot »der König hat also in jeder Stadt eine Geliebte?«
»Das könnte wohl sein,« antwortete der Officier, »denn so viel mir bewußt ist, war er der Liebhaber von Mademoiselle Dayelle, während ich in Castelnaudary in Garnison lag.«
»Wartet, wartet,« sagte Chicot: »Mademoiselle Dayelle, eine Griechin?«
»So ist es,« sprach der Geistliche, »eine Cypriotin.«
»Verzeiht,« sagte der Handelsmann, höchlich erfreut, sein Sein Wort anbringen zu können, »ich bin von Agen.«
»Nun?«
»Ich kann dafür stehen; daß der König Fräulein Tignonville in Agen gekannt hat.«
»Alle Wetter!« rief Chicot, »was für ein rüstiger Liebhaber! Doch um auf Mademoiselle Dayelle zurückzukommen, deren Familie ich kannte…«
»Mademoiselle Dayelle war eifersüchtig und drohte unablässig; sie hatte einen hübschen kleinen gebogenen Dolch, den sie auf den Arbeitstisch legte, und eines Tags reiste der König ab, nahm den Dolch mit, und sagte, er wolle nicht, daß seinem Nachfolger Unglück widerfahre.«
»So daß zu dieser Stunde Seine Majestät ganz Mademoiselle Le Rebours gehört?« fragte Chicot.
»Im Gegentheil, im Gegentheil,« erwiederte der Priester, »sie sind entzweit; Mademoiselle Le Rebours war eines Präsidenten Tochter und als solche ein wenig zu stark im Prozeß. Sie hat so viel, in Folge der Eingebungen der Königin-Mutter, gegen die Königin plaidirt, daß das arme Mädchen darüber krank wurde. Die Königin Margot, welche nicht dumm ist, benutzte das zu ihrem Vortheil und bestimmte den König, Pau mit Nerac zu vertauschen, wodurch eine Liebschaft abgeschnitten wurde.«
»Also ist die neue Leidenschaft des Königs für die Fosseuse?« fragte Chicot.
»Oh! mein Gott, ja, um so mehr, als sie in anderen Umständen ist … ein wahrer Wahnsinn!«
»Aber was sagt die Königin?«
»Die Königin?« versetzte der Officier.
»Ja, die Königin.«
»Die Königin legt ihre Schmerzen zu den Füßen des Crucifixes nieder,« sprach der Geistliche.
»Ueberdies weiß die Königin alle diese Dinge nicht,« bemerkte der Officier.
»Bah!« entgegnete Chicot, »das ist nicht möglich.«
»Warum?« fragte der Officier.
»Weil Nerac keine so große Stadt ist, daß nicht Alles darin durchsichtig sein muß.«
»Ah! was das betrifft, mein Herr,« sprach der Geistliche, »es ist dort ein Park und in dem Park sind Alleen von mehr als drei tausend Schritten, ganz mit Cypressen, Platanen und herrlichen Sycomoren bepflanzt; das gibt einen Schatten, daß man am hellen Tag keine zehn Schritte weit steht. Bedenkt ein wenig, ob man da bei Nacht etwas sehen kann.
»Und dann ist die Königin beschäftigt,« sagte der Geistliche.
»Bah! beschäftigt?«
»Ja.«
»Und womit, wenn ich fragen darf.«
»Mit Gott, mein Herr,« antwortete der Priester voll Stolz.
»Mit Gott!« rief Chicot.
»Warum nicht?«
»Ah! die Königin ist fromm?«
»Sehr fromm.«
»Doch ich denke, es gibt keine Messe im Pallast,« sagte Chicot.
»Da habt Ihr ganz Unrecht, mein Herr. Keine Messe! haltet Ihr uns denn für Heiden? Erfahret, mein Herr, daß, wenn der König mit seinen Edelleuten in die Predigt geht, die Königin sich in einer Privatkapelle Messe lesen läßt.«
»Die Königin?«
»Ja, ja.«
»Die Königin Margarethe?«
»Die Königin Margarethe, so daß ich, ein unwürdiger Priester, zwei Thaler erhalten habe, weil ich zweimal in dieser Kapelle functionirte. Ich habe sogar eine sehr schöne Predigt über den Text gehalten:
»»Gott hat das gute Korn vom Unkraut geschieden.««
»Im Evangelium steht, Gott wird es scheiden; doch da das Evangelium schon sehr lange geschrieben ist, so nahm ich an, die Sache sei abgemacht.«
»Und der König hat Kenntniß von der Rede bekommen?« fragte Chicot.
»Er hat sie angehört.«
»Ohne sich zu ärgern?«
»Im Gegentheil, er hat sehr viel Beifall gespendet.«
»Ihr seht mich in Erstaunen,« rief Chicot.
»Es ist beizufügen, daß man nicht nur der Predigt oder der Messe nachläuft; es gibt gute Mahle im Schloß, die Spaziergänge nicht zu rechnen; ich denke, nirgends in Frankreich werden die Schnurrbärte mehr spazieren getragen, als in den Alleen von Nerac.«
Chicot hatte mehr Auskunft erhalten, als er brauchte, um einen ganzen Plan zu bauen.
Er kannte Margarethe, denn er hatte sie in Paris Hof halten sehen, und er wußte, daß sie, wenn sie in Liebesangelegenheiten wenig hellsehend war, irgend einen Grund haben mußte, sich eine Binde um die Augen zu befestigen.
»Alle Wetter!« sagte er, »bei meiner Treue, die Cypressen-Alleen und drei tausend Schritte Schatten traben mir unangenehm durch den Kopf. Ich, der ich von Paris komme, soll in Nerac Leuten die Wahrheit sagen, welche Alleen von drei tausend Schritten und Schatten haben, daß die Frauen ihre Männer nicht mit ihren Geliebtinnen spazieren gehen sehen. Cordieu! man wird mich dort zerhacken, um mich so viele reizende Spaziergänge stören zu lehren.
»Zum Glück kenne ich die Philosophie des Königs, und ich hoffe auf sie. Ueberdies bin ich Botschafter… ein geheiligtes Haupt. Vorwärts!«
Und er setzte seinen Marsch fort…
Chicot kam gegen Abend nach Nerac, gerade zur Stunde der Promenaden, welche den König von Frankreich und seinen Botschafter so sehr beschäftigten.
Chicot konnte sich übrigens von der Leichtigkeit der königlichen Sitten durch die Art und Weise überzeugen, wie er zur Audienz zugelassen wurde.
Ein einfacher Bedienter öffnete ihm die Thüre des Salon, dessen Zugänge ganz buntscheckig mit Blumen besetzt waren; über diesem Salon lagen das Vorzimmer des Königs und das Zimmer, das er bei Tag zu bewohnen liebte, um die Audienzen zu ertheilen, mit denen er so verschwenderisch.
Ein Officier, sogar nur ein Page meldete es ihm, wenn ein Besuch kam. Dieser Officier oder dieser Page lief dem König nach, bis er ihn an irgend einem Orte, wo er gerade war, fand. Der König kam auf die einfache Aufforderung und empfing den Bittsteller.
Chicot war ganz gerührt über diese anmuthige Leichtigkeit. Er hielt den König für gut, lauter und sehr verliebt.
Dies war noch viel mehr seine Ansicht, als er am Ende einer Allee, nicht von drei tausend Schritten, sondern von zwölf bis fünfzehn, am Ende einer gekrümmten, mit blühenden Oleandern besetzten Allee, einen schlechten Filzhut auf dem Kopf, mit einem braungelben Wamms und grauen Stiefeln den König von Navarra ganz heiter, ein Bilboquet in der Hand, kommen sah.
Heinrich hatte eine glatte Stirne, als ob ihn keine Sorge mit ihrem Flügel zu berühren wagte, einen lachenden Mund, ein von Sorglosigkeit und Gesundheit glänzendes Auge.
Während er sich näherte, riß er mit der linken Hand Blumen von der Einfassung ab.
»Wer will mich sprechen?« fragte er seinen Pagen.
»Ein, ein Mann, der halb das Aussehen eines vornehmen Herrn, halb das eines Kriegers hat.«
Chicot hörte diese Worte, ging freundlich auf ihn zu und sprach:
»Ich Sire.«
»Ah!« rief der König, seine Arme zum Himmel erhebend, »Herr Chicot in Navarra, Herr Chicot bei uns, Ventre-saint-gris! seid willkommen, mein lieber Herr Chicot.«
»Tausend Dank, Sire.«
»Gott sei Dank, ganz lebendig?«
»Ich hoffe es wenigstens, theurer Sire,« sprach Chicot entzückt über diesen Empfang.
»Ah! parbleu,« rief Heinrich- »wir trinken miteinander ein Gläschen Limoux-Wein, über den Ihr mir Euer Urtheil sagen möget. Ihr gewährt mir in der That eine große Freude, Herr Chicot, setzt Euch hierher.«
Und er deutete auf eine Rasenbank.
»Nie, Sire,« erwiederte Chicot sich sträubend.
»Habt Ihr denn zwei hundert Meilen gemacht, um mich zu besuchen, damit ich Euch stehen lasse? Nein, Herr Chicot, setzt Euch, setzt Euch, man plaudert nur sitzend gut.«
»Aber, Sire, die Ehrfurcht…«
»Ehrfurcht bei uns, in Navarra? Du bist ein Narr, mein armer Chicot, wer denkt denn daran?«
»Nein, Sire,« entgegnete Chicot, »ich bin kein Narr, ich bin Botschafter.«
Eine leichte Falte bildete sich aus der Stirne des Königs; doch sie verschwand so rasch, daß Chicot so sehr er auch Beobachter war, nicht die Spur davon erkannte.
»Botschafter,« sagte Heinrich mit einem Erstaunen, das er naiv zu machen suchte, »Botschafter, von wem?«
»Botschafter von König Heinrich III. Ich komme von Paris und vom Louvre, Sire.«
»Ah! das ist etwas Anderes,« versetzte der König, indem er mit einem Seufzer von der Rasenbank aufstand. »Geht, Page, laßt uns allein. Bringt Wein in den ersten Stock in mein Zimmer, nein, in mein Cabinet. Kommt mit mir, Chicot, daß ich Euch führe.«
Chicot folgte dem König von Navarra. Heinrich ging rascher, als da er durch seine Oleander-Allee zurückkam.
»Welch ein Elend!« dachte Chicot, »ich soll diesen ehrlichen Mann in seinem Frieden und in seiner Unwissenheit stören. Basta! er wird Philosoph sein.«