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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 26

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Neunundzwanzigster Kapitel
Wie der König von Navarra errieth, daß Turennius , Turenne und Margota Margot bedeutete

Das Cabinet des Königs von Navarra war, wie man sich denken kann, nicht sehr kostbar. Seine Bearnische Majestät war nicht reich und machte mit dem Wenigen, was sie besaß, keine Tollheiten. Dieses Cabinet nahm mit dem Prunkschlafgemach den ganzen rechten Flügel des Schlosses ein, ein Korridor lief an dem Vorzimmer oder dem Zimmer der Wachen und am Schlafzimmer hin; dieses Corridor führte zu dem Cabinet.

Von diesem geräumigen Gemach, das ziemlich anständig ausgestattet war, obgleich man darin keine Spur vom königlichen Luxus fand, erstreckte sich der Blick auf herrliche Wiesgründe am Ufer des Flusses.

Große Bäume, Weiden und Platanen, verbargen den Lauf des Flusses, ohne die Augen zu hindern, sich von Zeit zu Zeit zu blenden, wenn der Fluß, wie ein mythologischer Gott aus seinem Blätterwerk hervortretend, in der Sonne des Mittags seine goldenen Schuppen oder im Monde der Mitternacht seine silbernen Draperien glänzen ließ.

Die Fenster gingen also einerseits auf dieses magische Panorama, das sich in der Ferne in einer am Tage ein wenig von der Sonne verbrannten Hügelkette endigte, welche jedoch am Abend den Horizont durch bläulichrothe Tinten von wunderbarer Durchsichtigkeit schloß und andererseits auf den Hof des Pallastes: so im Osten und im Weiten durch diese doppelte Reihe einander entsprechender Fenster beleuchtet, hier roth, dort blau, bot der Saal einen herrlichen Anblick, wenn er mit Wohlgefallen den ersten goldenen Glanz der Sonne oder den perlmutterartigen Azur des zunehmenden Mondes wiederstrahlte.

Es ist nicht zu leugnen, diese natürlichen Schönheiten nahmen Chicot weniger in Anspruch, als die Einrichtung und Vertheilung dieses Cabinets, der gewöhnlichen Wohnung von Heinrich. In jedem Geräthe schien der verständige Gesandte in der That einen Buchstaben zu suchen, und dies mit um so größerer Aufmerksamkeit, als ihm die Gesamtheit dieser Buchstaben den Schlüssel zu dem Räthsel geben sollte, nach dem er schon so lang und besonders auf seinem ganzen Wege geforscht hatte.

Der König setzte sich mit seiner gewöhnlichen Leutseligkeit und mit seinem ewigen Lächeln in einen großen Lehnstuhl von Hirschleder mit vergoldeten Nägeln, aber wollenen Fransen; um ihm zu gehorchen, stellte Chicot ihm gegenüber ein Tabouret, das auf dieselbe Art überzogen und mit ähnlichen Zierrathen bereichert war.

Heinrich schaute Chicot mit allen seinen Augen und, wie wir schon gesagt, mit einem Lächeln, doch zu gleicher Zeit auch mit einer Aufmerksamkeit an, die ein Höfling ermüdend gefunden hätte.

»Ihr werdet mich für sehr neugierig halten, mein lieber Herr Chicot,« begann der König, »doch das ist stärker als ich: ich glaubte so lange, Ihr wäret todt, daß ich mich trotz der großen Freude, die mir Eure Auferstehung bereitet, nicht in den Gedanken, Ihr lebet, finden kann. Warum seid Ihr denn plötzlich aus dieser Welt verschwunden?

»Ei! Sire,« erwiederte Chicot mit seiner gewöhnlichen Freimüthigkeit, »Ihr seid wohl auch aus Vincennes, verschwunden. Jeder macht sich nach Maßgabe seiner Mittel und besonders seines Bedürfnisses unsichtbar.«

»Ihr habt immer mehr Witz als jeder Andere, mein lieber Herr Chicot,« sagte Heinrich, »und daran erkenne ich hauptsächlich, daß ich nicht mit Eurem Schatten spreche.«

Dann nahm er eine ernste Miene an und fügte bei:

»Doch sagt, wollen wir den Witz bei Seite lassen und von unsern Angelegenheiten sprechen?«

»Wenn es Eure Majestät nicht zu sehr ermüdet, so bin ich zu Befehl.«

Das Auge des Königs funkelte.

»Mich ermüden?« versetzte er und fuhr dann ruhig fort: »Es ist wahr, ich roste hier ein, doch ich bin nicht müde, so lange ich nichts gethan habe. Wohl hat Heinrich heute seinen Körper da und dorthin geschleppt, doch der König hat seinen Geist noch nicht in Thätigkeit gesetzt.«

»Sire, das ist mir sehr erfreulich,« erwiederte Chicot, »Botschafter eines Königs, Eures Verwandten und Freundes, habe ich Aufträge von sehr zarter Natur bei Eurer Majestät zu vollziehen.«

»Sprecht geschwinde, denn Ihr reizt meine Neugierde.«

»Sire…«

»Zuerst Euer Beglaubigungsschreiben; ich weiß, dies ist eine unnöthige Förmlichkeit, da Ihr bei mir erscheint; doch ich will Euch beweisen, daß wir, obgleich ein Bearner Bauer, unsere Pflichten als König kennen.«

»Sire, ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, doch Alles, was ich an Beglaubigungsschreiben besaß, habe ich im Flusse ersäuft, ins Feuer geworfen, in die Luft gestreut.«

»Und warum dies, lieber Herr Chicot?«

»Weil man, wenn man sich mit einer Botschaft beauftragt nach Navarra begibt, nicht reist, wie man reist, um in Lyon Tuch zu kaufen, und weil man, wenn man die gefährliche Ehre hat, königliche Briefe bei sich zu tragen, Gefahr läuft, sie nur zu den Todten zu tragen.«

»Das ist wahr,« sprach Heinrich äußerst leutselig, »die Straßen sind nicht sicher und in Navarra sehen wir uns in Ermangelung von Geld darauf angewiesen, der Redlichkeit der Bauern, zu vertrauen; sie sind indessen nicht sehr diebisch.«

»Wie!« rief Chicot, »es sind Lämmer, es sind kleine Engel, Sire, doch nur in Navarra.«

»Ah! ah!« machte Heinrich.

»Ja, aber außerhalb Navarra trifft man Wölfe und Geier um jede Beute; ich war eine Beute, Sire, und hatte somit meine Geier und meine Wölfe.«

»Die Euch indessen nicht ganz aufgefressen haben, wie ich mit Vergnügen sehe.«

»Bei Gott! Sire, das ist nicht ihr Fehler, sie haben zu diesem Behufe Alles gethan, was sie thun konnten; aber sie fanden mich zu zäh und konnten meine Haut nicht angreifen; doch lassen wir, wenn es Euch beliebt, Sire, die Einzelheiten meiner Reise, es sind dies müßige Dinge, und kehren wir zu unserem Beglaubigungsschreiben zurück.«

»Da Ihr keines habt, so scheint es mir sehr unnöthig, darauf zurückzukommen,« sagte Heinrich.

»Nämlich ich habe jetzt keines, aber ich hatte eines.«

»Ah! das ist gut, gebt es, Chicot.«

Heinrich streckte die Hand aus.

»Darin liegt das Unglück, Sire,« sprach Chicot »ich besaß eigen Brief, wie ich Eurer Majestät zu sagen die Ehre hatte, und wenige Leute würden ihn besser bewahrt haben.«

»Ihr habt ihn verloren?«

»Ich beeilte mich, ihn zu vernichten, Sire, denn Herr von Mayenne lief mir nach, um ihn mir zu rauben.«

»Der Vetter Mayenne?«

»In Person.«

»Zum Glück läuft er nicht stark. Legt er immer noch an Fett zu?«

»Alle Wetter! in diesem Augenblick glaube ich nicht.«

»Und warum dies?«

»Weil er, begreift wohl, Sire, laufend das Unglück hatte, mich einzuholen, und bei diesem Zusammentreffen bekam er, meiner Treue! einen guten Degenstich.«

»Und wie ging es mit dem Brief?«

»Vom Brief keinen Schatten, in Folge der Vorsicht, die ich gebraucht hatte.«

»Bravo! Ihr hattet Unrecht, mir Eure Reise nicht erzählen zu wollen, Herr Chicot theilt mir das umständlich mit, es interessirt mich ungemein.«

»Eure Majestät ist sehr gut.«

»Nur beunruhigt mich Eines.«

»Was?

»Ist der Brief für Herrn von Mayenne vernichtet, so ist er es auch für mich; wie werde ich also erfahren, was mir mein guter Schwager Heinrich geschrieben hat, da der Brief nicht mehr besteht?«

»Verzeiht, Sire, er besteht in meinem Gedächtnis.«

»Wie dies?«

»Ehe ich ihn zerriß, habe ich ihn auswendig gelernt.«

»Ein vortrefflicher Gedanke, Herr Chicot, ganz vortrefflich, und ich erkenne darin den Geist eines Landsmannes. Ihr werdet ihn mir vorsagen, nicht wahr?«

»Gern, Sire.«

»So, wie er war, ohne etwas daran zu verändern?«

»Ohne einen einzigen Widersinn zu machen.«

»Wie sagt Ihr?«

»Ich sage, ich werde ihn Euch getreu wiederholen; obwohl ich die Sprache nicht kenne, habe ich doch ein gutes Gedächtnis.«

»Welche Sprache?«

»Die lateinische.«

»Ich verstehe Euch nicht,« sagte Heinrich, indem er seinen klaren Blick auf Chicot heftete. »Ihr sprecht von Lateinisch, von Brief…«

»Allerdings.«

»Erklärt Euch; war denn der Brief meines Schwagers lateinisch geschrieben?«

»Oh! ja, Sire.«

»Warum lateinisch?«

»Ah! Sire, ohne Zweifel, weil das Lateinische eine verwegene Sprache ist, eine Sprache, welche Alles zu sagen weiß, eine Sprache, in der Persius und Juvenal die Irrthümer und den Unsinn der Könige verewigt haben.«

»Der Könige?«

»Und der Königinnen, Sire.«

Die Brauen des Königs zogen sich über seinen tiefen Augenhöhlen zusammen.

»Ich will sagen, der Kaiser und der Kaiserinnen,« verbesserte Chicot »Ihr versteht also das Lateinische, Herr Chicot,« sprach Heinrich mit kaltem Tone.

»Ja und nein, Sire.«

»Ihr seid sehr glücklich, wenn dies der Fall ist, denn Ihr habt einen ungeheuren Vortheil vor mir, der ich es nicht verstehe; ich konnte auch nie mit Ernst der Messe beiwohnen, wegen dieses verteufelten Lateinisch; Ihr versteht es also?«

»Man hat es mich lesen gelehrt, Sire, wie auch das Griechische und das Hebräische.«

»Das ist sehr bequem, Herr Chicot, Ihr seid ein lebendiges Buch.«

»Eure Majestät hat das rechte Wort gefunden, ein lebendiges Buch. Man druckt einige Seiten in mein Gedächtniß, man schickt mich wohin man will, ich komme an, man liest mich und versteht mich.«

»Oder man versteht Euch nicht.«

»Wie so Sire?«

»Bei Gott! wenn man die Sprache nicht versteht, in der Ihr gedruckt seid.«

»Oh! Sire, die Könige verstehen Alles.«

»Das sagt man dem, Volk, Herr Chicot, und die Schmeichler sagen es den Königen.«

»Sire dann ist es unnöthig, daß ich Eurer Majestät den Brief wiederhole, den ich auswendig gelernt habe, da weder der eine noch der andere von uns ihn begreifen wird.«

»Hat das Lateinische nicht viel Aehnlichkeit mit dem Italienischen?«

»Man behauptet es.«

»Und mit dem Spanischen?«

»Sehr viel, wie man sagt.«

»So versuchen wir es; ich verstehe ein wenig Italienisch, mein gascognisches Padois gleicht sehr dem Spanischen, und ich werde das Lateinische vielleicht begreifen, ohne es je gelernt zu haben.«

Chicot verbeugte sich.

»Eure Majestät befiehlt also?«

»Ich bitte Euch, Herr Chicot.«

Chicot begann folgende Phrase, die er mit allen Arten von Umschweifen bemäntelte:

»Frater carissime,

»Sincerus amor, quo te prosequebatur germanus noster Carolus nonus, functus nuper, colet usque regiam nostram et pectori meo pertinaciter adheret.«

Heinrich verzog keine Miene, doch bei dem letzten Worte unterbrach er Chicot mit einer Geberde und sagte:

»Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist in diesem Satz von Liebe, von Hartnäckigkeit und von meinem Schwager Karl IX. die Rede?«

»Ich möchte nicht nein sagen,« erwiederte Chicot, »das Lateinische ist eine so schöne Sprache, daß dies Alles in einem einzigen Satz enthalten sein könnte.«

»Fahrt fort,« sprach der König.

Chicot fuhr fort.

Der Bearner hörte mit demselben Phlegma alle Stellen an, wo von seiner Frau und von dem Vicomte von Turenne die Rede war; bei dem letzten Worte aber fragte er:

»Turennius, bedeutet das nicht Turenne?«

»Ich denke wohl, Sire.«

»Und Margota, wäre das nicht der kleine freundschaftliche Name, den meine Schwäger Karl XI. und Heinrich III. ihrer Schwester, meiner vielgeliebten Gemahlin Margarethe, gaben?»

»Ich kann dies nicht als unmöglich ansehen,« erwiederte Chicot. Und er fuhr in seiner Uebertragung bis zum Ende des letzten Satzes fort, ohne daß ein einziges Mal das Gesicht des Königs seinen Ausdruck veränderte.

Endlich hielt er an, nachdem er die Schlußworte mit einem ganz sonderbaren Schnarren gesprochen hatte.

»Seid Ihr zu Ende?« fragte Heinrich.

»Ja, Sire.«

»Das muß herrlich sein?«

»Nicht wahr, Sire?«

»Welch ein Unglück, daß ich nur die zwei Worte: Turennius und Margota, verstanden habe.«

»Ein unwiederbringliches Unglück, Sire, wenn sich Eure Majestät nicht entschließt, den Brief durch irgend einen Geistlichen übersetzen zu lassen.«

»Oh! nein,« rief Heinrich lebhaft. »Und Ihr selbst, Herr Chicot, der Ihr bei Eurer Botschaft mit so viel Discretion zu Werke gegangen seid, daß Ihr das Original der Schrift habt verschwinden lassen, werdet mir nicht rathen, diesen Brief irgend einer Oeffentlichkeit zu übergeben?«

»Ich sage das nicht, Sire.»

»Aber Ihr denkt es?«

»Ich denke, da Eure Majestät mich gefragt, daß der Brief des Königs, Eures Schwagers, mir so sorgfältig empfohlen und an Eure Majestät durch einen besondern Abgesandten expedirt, vielleicht da und dort etwas Gutes enthält, wovon Eure Majestät Gebrauch machen könnte.«

»Ja, doch um das Gute Jemand anzuvertrauen, müßte ich zu irgend Jemand volles Zutrauen haben.«

»Gewiß.«

»Nun, so thut Eines,« sprach Heinrich, wie von einem Gedanken erleuchtet.

»Was?«

»Sucht meine Frau Margota auf; sie ist gelehrt; tragt Ihr den Brief vor, und sie wird ihn verstehen… Und dann wird sie mir ihn ganz natürlich erklären.«

»Ah! das ist bewunderungswürdig!« rief Chicot. »Eure Majestät spricht goldene Worte.«

»Nicht wahr? Geht also!«

»Ich laufe, Sire.«

»Verändert nicht ein Wort an dem Briefe.«

»Das wäre mir unmöglich. Ich müßte das Lateinische verstehen, und ich verstehe davon höchstens irgend einen barbarischen Ausdruck.«

»Geht, geht, mein Freund, geht.«

»Chicot erbat sich die nöthige Auskunft, um die Königin zu finden und verließ Heinrich, mehr als je überzeugt, Heinrich sei ein Räthsel.«

8tes – 11tes Bändchen

Erstes Kapitel
Die Allee von drei tausend Schritten

Die Königin bewohnte den andern Flügel des Schlosses, der beinahe auf dieselbe Art eingetheilt war, wie der, den Chicot verlassen hatte.

Man hörte in dieser Gegend immer einige Musik, man sah immer irgend einen Federbusch umherschweifen.

Die berühmte Allee den drei tausend Schritten, von der schon die Rede gewesen ist, fing unter den Fenstern von Margarethe an und ihr Blick verweilte nur auf angenehmen Gegenständen, wie blühenden Gesträuchen, grünen Landen u.s.w.

Es war, als wolle die arme Fürstin durch das Schauspiel anmuthiger Dinge die düsteren Gedanken verjagen, die im Grunde ihren Geistes wohnten.

Ein perigordischer Dichter, – Margarethe war in der Provinz wie in Paris immer der Stern der Dichter, – ein perigordischer Dichter hatte folgendes Sonett in dieser Hinsicht gemacht:

»Sie will,« sagte er, »durch die Sorge, mit der sie Garnison in ihren Geist legt, die traurigen Erinnerungen daraus vertreiben.«

Am Fuße des Throns geboren, die Tochter, die Schwester, die Frau eines Könige, hatte Margarethe in der That tief gelitten. Prahlerischer, als die des Königs von Navarra, war ihre Philosophie minder solid, weil sie nur scheinbar, nur Folge des Studiums, indeß die des Königs in seinem eigenen Boden wurzelte.

Margarethe, so sehr sie auch Philosophin war oder vielmehr sein wollte, hatte schon der Zeit und dem Kummer ihre ausdrucksvollen Furchen auf ihrem Antlitz zu ziehen gestattet.

Sie war nichtsdestoweniger noch von einer merkwürdigen Schönheit, von einer Physiognomie Schönheit besonders, welche Personen niederen Ranges minder anspricht, aber den Erhabensten gefällt, der man stets den Vorrang vor der physischen Schönheit einzuräumen geneigt ist. Margarethe hatte das freundliche, gute Lächeln, das feuchte, glänzende Auge, die geschmeidige, liebkosende Geberde; Margarethe war, wie gesagt, immer ein anbetungswürdiges Geschöpf.

Als Frau ging sie wie eine Fürstin einher, als Königin hatte sie den Gang einer reizenden Frau.

Sie wurde auch in Nerac, wohin sie die Eleganz, die Freude, das Leben brachte, vergöttert. Sie, eine Pariser Prinzessin, hatte den Aufenthalt in der Provinz in Geduld hingenommen, dies war schon eine Tugend, für die ihr die Provinzbewohner den größten Dank wußten.

Ihr Hof war nicht allein ein Hof von Edelleuten und Damen, alles Volk liebte sie zugleich als Königin und als Frau, die Harmonie ihrer Flöten und ihrer Geigen und der Dampf und die Ueberbleibsel ihrer Mahle waren in der That für Jedermann.

Sie wußte von der Zeit einen nützlichen Gebrauch zu machen, daß jeder ihrer Tage ihr Etwas brachte und daß keiner derselben für ihre Umgebung verloren war.

Voll Galle gegen ihre Feinde, aber geduldig, um sich besser zu rächen, instinktartig unter der Hülle der Sorglosigkeit und der Langmuth von Heinrich von Navarra einen bösen Willen gegen sie und das Bewußtsein von jeder ihrer Ausschweifungen fühlend, ohne Eltern, ohne Freunde, hatte sich Margarethe daran gewöhnt, mit der Liebe oder wenigstens mit dem Anschein der Liebe zu leben, und durch die Poesie und den Wohlstand Familie, Gatten, Freunde und das Uebrige zu ersetzen.

Niemand außer Catharina von Medicis, Niemand, außer Chicot, Niemand außer einigen Schatten, die aus dem düsteren Reiche des Todes zurückgekommen waren, hätte zu sagen vermocht, warum die Wangen von Margarethe so bleich waren, warum ihre Augen sich unwillkührlich mit unbekannter Traurigkeit überflutheten, warum endlich ihr tiefes Herz seine Leere bis in ihrem einst so ausdrucksvollen Blicke sehen ließ.

Margarethe hatte keine Vertraute, sie wollte keine mehr, seitdem die Leute für Geld ihre Ehre und ihr Vertrauen verkauft hatten.

Margarethe ging also allein, und dies verdoppelte vielleicht in den Augen der Navarresen, ohne daß sie es selbst vermutheten, die Majestät dieser Haltung, die sich durch ihre Vereinzelung starker hervorhob.

Der böse Wille, den sie bei Heinrich fühlte, war indessen instinktartig und rührte mehr vom eigenen Bewußtsein ihres Unrechts, als von der Behandlung von Heinrich her. Der Bearner schonte in ihr eine Tochter von Frankreich; er sprach mit ihr nur mit einer botmäßigen Höflichkeit oder mit einem freundlichen sichgehenlassen; er beobachtete gegen sie bei jeder Gelegenheit und bei allen Dingen das Benehmen eines Gatten und eines Freundes.

Der Hof von Nerac, wie alle Höfe, welche in leicht zugänglichen Verhältnissen leben, überströmte auch von Harmonien in moralischer und physischer Hinsicht.

Dies waren die Studien und Betrachtungen, welche Chicot, der beobachtendste und ängstlichste Mensch, den man finden konnte, nach dem noch schwachen Anschein machte.

Von Heinrich belehrt, begab er sich in die Gemächer der Königin, doch er fand Niemand. Margarethe war, wie man ihm sagte, am Ende der schönen Allee am Fluß, und er ging in diese Allee, welche die berühmte Allee von drei tausend Schritten war, durch die der Oleander.

Als er zwei Drittel dieser Allee durchwandelt hatte, erblickte er unter einem Busch von spanischem Jasmin, Pfriemenkraut und Rebwinden eine buntscheckige Gruppe von Federn, Blumen und Sammetdegen; vielleicht war dieser ganze Trödelkram von etwas verbrauchtem Geschmack, von einer etwas veralteten Mode, doch für Nerac war er glänzend, blendend sogar. Chicot, der geraden Wege von Paris kam, war durch den Anblick befriedigt.

Es ging ein Page Chicot voran; die Königin, deren Augen mit der ewigen Unruhe schwermüthiger Herzen umherschweiften, erkannte die Farben von Navarra und rief dem Pagen.

»Was willst Du, d’Aubiac?« fragte sie.

Der junge Mensch, wir hätten sagen können das Kind, denn er war kaum zwölf Jahre alt, erröthete und beugte ein Knie vor Margarethe.

»Madame,« sagte er französisch, denn die Königin forderte die Verbannung den Patois aus allen dienstlichen Meldungen und allen Geschäftssachen, »ein Herr aus Paris, vom Louvre an Seine Majestät den König von Navarra abgesandt und von Seiner Majestät dem König von Navarra an Euch geschickt, wünscht Eure Majestät zu sprechen.«

Ein plötzlichen Feuer färbte das schöne Antlitz von Margarethe.

Sie wandte sich rasch und mit dem peinlichen Gefühle um, das bei jeder Veranlassung lange Zeit bedrückte Herzen durchdringt.

Chicot stand unbeweglich zwanzig Schritte von ihr.

Ihre scharfen Augen erkannten an der Haltung und der Silhouette, denn der Gascogner hob sich vom orangenfarbigen farbigen Grunde des Himmels ab, eine bekannte Tournure; sie verließ den Kreis, statt den Ankömmling näher hinzutreten zu heißen.

Während sie sich indessen drehte, um die Gesellschaft zu verabschieden, machte sie mit der Spitze der Finger einem von den reichstgekleideten und schönsten Edelleuten ein Zeichen.

Der Abschied für Alle war in Wirklichkeit nur ein Abschied für einen Einzigen.

Da jedoch der bevorzugte Cavalier, trotz des Grußes, durch den man ihn zu beruhigen beabsichtigte, nicht ohne Unruhe zu sein schien, und da ein Frauenauge Alles sieht, so sprach Margarethe:

»Herr von Turenne, wollt diesen Damen sagen, ich komme im Augenblick zurück.«

Der hübsche Edelmann mit dem weiß und blauen Wamms verbeugte sich mit mehr Leichtigkeit, als es ein gleichzeitiger Höfling gethan hätte.

Die Königin trat rasch auf Chicot zu, der diese ganze Scene, welche so sehr mit den Ausdrücken des Briefes, den er brachte, im Einklang stand, mit prüfendem Auge betrachtet hatte, ohne sich um einen Zoll von der Stelle zu rühren.

»Herr Chicot!« rief Margarethe erstaunt.

»Zu den Füßen Eurer Majestät,« sprach Chicot, »Eurer Majestät, welche stets gut und stets schön, und immer Königin ist, wie im Louvre, so im Nerac.«

»Es ist ein Wunder, Euch so fern von Paris zu sehen, mein Herr.«

»Verzeiht, Madame, nicht der arme Chicot hat den Gedanken gehabt, dieses Wunder zu thun.«

»Ich glaube das wohl, Ihr waret todt, wie man sagte.«

»Ich spielte den Todten.«

»Was wollt Ihr von uns, Herr Chicot, sollte ich so glücklich sein, daß man sich der Königin von Navarra in Frankreich erinnerte?«

»Oh! Madame,« erwiederte Chicot lächelnd, »seid unbesorgt, man vergißt die Königinnen bei uns nicht, wenn sie Euer Alter und besondere Eure Schönheit haben.«

»Man ist also immer artig in Paris?«

»Der König von Frankreich,« sprach Chicot, ohne die letzte Frage zu beantworten, »der König von Frankreich schreibt sogar an den König von Navarra über diesen Gegenstand.«

Margarethe erröthete.

»Er schreibt?« fragte sie.

»Ja, Madame.«

»Habt Ihr den Brief gebracht?«

»Gebracht, nein, aus Gründen, die Euch der König von Navarra erklären wird, aber auswendig gelernt und aus dem Gedächtniß wiederholt.«

»Ich begreife; der Brief war wichtig, und Ihr befürchtet, er könnte verloren gehen oder Euch gestohlen werden.«

»So ist es, Madame; Eure Majestät entschuldige mich; aber der Brief war lateinisch geschrieben.«

»Oh! sehr gut!« rief die Königin, »Ihr wißt, daß ich das Lateinische verstehe.«

»Und der König von Navarra versteht es auch?« fragte Chicot.

»Mein lieber Herr Chicot,« erwiederte Margarethe, »es ist sehr schwer, zu wissen, was der König von Navarra weiß oder nicht weiß.«

»Ah! ah!« machte Chicot, glücklich zu sehen, daß er nicht allein den Schlüssel die Rätsels suchte.

»Wenn man dem Anschein glauben darf,« fuhr Margarethe fort, »versteht er es sehr schlecht, denn nie begreift er, oder er scheint wenigstens nie zu begreifen, wenn ich mit einem von Hofe in dieser Sprache spreche.«

»Ah! Teufel!« machte Chicot und biß sich auf die Lippen.

»Habt Ihr ihm den Brief vorgesagt?« fragte Margarethe.

»Er war an ihn gerichtet.«

»Und er schien ihn zu verstehen?«

»Nur zwei Worte.«

»Welche?«

»Turennius und Margota

»Turennius und Margota

»Ja; diese zwei Worte finden sich im Brief.«

»Was hat er sodann gethan?«

»Er hat mich zu Euch geschickt.«

»Zu mir?«

»Ja, indem er sagte, dieser Brief scheine zu wichtige Dinge zu enthalten, als daß man ihn durch einen Fremden übersetzen lassen könnte, und es wäre besser, wenn Ihr es thätet, Ihr die Schönste der Gelehrtinnen und die Gelehrteste unter den Schönen.«

»Ich werde Euch anhören, Herr Chicot, da es der Befehl des Königs ist, daß ich Euch höre,« sprach Margarethe etwas bewegt.

»Ich danke, Madame; wo beliebt es Eurer Majestät, daß ich spreche?«

»Hier; nein, nein, bei mir vielmehr; ich bitte, kommt in mein Cabinet.«

Margarethe schaute mit einem tief forschenden Blicke Chicot an, der sie, wohl aus Mitleid mit ihr, eine Ecke der Wahrheit hatte erschauen lassen.

Die arme Frau fühlte das Bedürfniß einer Unterstützung, einer Rückkehr zur Liebe vielleicht, um die Prüfung auszuhalten, die sie bedrohte.

»Vicomte,« sprach sie zu Herrn von Turenne, »Euren Arm die zum Schloß. Habt die Güte, uns voranzugehen, Herr Chicot.«

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06 aralık 2019
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