Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 45
»Nein.«
»Ist es vielleicht eine Spanierin?«
»Ich glaube nicht.«
»Eine Engländerin? eine Dame der Königin Elisabeth?«
»Nein, nein; sie muß mit meinem Leben auf eine engere Weise verknüpft sein; ich glaube, daß sie gute unter furchtbaren Umständen erschienen ist.«
»Dann werdet Ihr sie leicht erkennen, denn, Gott sei Dankt im Leben von Monseigneur sind nicht viele von den Umständen vorgekommen, von denen Eure Hoheit so eben sprach.«
»Findest Du?« sagte Franz mit einem düsteren Lächeln.
Aurilly verbeugte sich.
»Siehst Du,« sprach der Herzog, »ich fühle mich seht hinreichend Herr meiner selbst, um meine Empfindungen zu analysiren: diese Frau ist schön, doch schön auf die Weise einer Todten, schön wie ein Schatten, schön wie die Gestalten, die man im Traume sieht; es scheint mir auch, ich habe sie im Traume gesehen,…« fuhr der Herzog fort, »ich habe zwei oder drei gräßliche Träume in meinem Leben gehabt, Träume, die eine Kälte in meinem Herzen zurückgelassen haben. Nun wohl! ja, ich bin sicher, daß ich in einem von meinen Träumen die Frau da oben gesehen habe.«
»Monseigneur!« rief Aurilly, »Eure Hoheit erlaube mir, ihr zu sagen, daß ich sie selten ihre Empfänglichkeit in Beziehung auf Träume auf eine so traurige Weise habe ausdrücken hören; zum Glück ist das Herz Eurer Hoheit so stark, daß es gegen den härtesten Stahl zu kämpfen vermag, und ich hoffe, die Lebendigen werden es eben so wenig angreifen, als die Schatten; steht, Monseigneur, wenn ich mich nicht unter dem Gewichte eines Blickes fühlte, der uns von dieser Straße aus bewacht, so würde ich ebenfalls die Leiter hinaufsteigen und, das verspreche ich Euch, dem Traume, dem Schatten und dem Schauer Eurer Hoheit ihr Recht widerfahren lassen.«
»Meiner Treue, Du hast Recht, Aurilly, hole die Leiter, lege sie an und steige hinauf. Was liegt Dir an dem Aufpasser? Schaut Aurilly, schau.«
Aurilly hatte schon einige Schritte gemacht, um seinem Herrn zu gehorchen, als man plötzlich Jemand hastig auf den Platze herbeikommen hörte und Henri dem Herzog zurief:
»Alarm! Monseigneur! Alarm!«
Mit einem einzigen Sprung war Aurilly wieder beim Herzog.
»Ihr,« sagte der Prinz, »Ihr hier, Graf? Unter welchem Vorwand habt Ihr Euren Posten verlassen?«
»Monseigneur,« antwortete Henri voll Festigkeit, »wenn mich Eure Hoheit bestrafen zu müssen glaubt, so wird sie dies thun. Mittlerweile war es meine Pflicht, hierher zu gehen, und ich bin gegangen.«
Der Herzog warf mit einem bezeichnenden Lächeln einen Blick nach dem Fenster und erwiederte:
»Eure Pflicht, Graf? erklärt mir das.«
»Monseigneur, es sind Reiter bei der Schelde erschienen; man weiß nicht, ob es Freunde oder Feinde sind.«
»In großer Anzahl?« fragte der Herzog unruhig.
»Sehr zahlreich.«
»Nun wohl! Graf, keinen falschen Muth, Ihr habt wohl daran gethan, daß Ihr zurückgekommen seid. Laßt Eure Gendarmen wecken. Ziehen wir an dem Flusse hin, der minder breit ist, und verlassen wir unser Lager hier, das wird das Klügste sein.«
»Allerdings, allerdings, Monseigneur; doch ich glaube es ist dringend, meinen Bruder zu benachrichtigen.
»Zwei Männer werden hierzu genügen.«
»Wenn zwei Männer genügen, Monseigneur, so werde ich mit einem Gendarme gehen.«
»Nein, bei Gott! Du Bouchage,« rief Franz lebhaft, »nein, Ihr werdet mit uns gehen. In solchen Augenblicken trennt man sich nicht von einem Vertheidiger, wie ihr seid.«
»Eure Hoheit nimmt die ganze Escorte mit?«
»Die ganze.«
»Es ist gut, Monseigneur,« sprach Henri sich verbeugend; »wann bricht Eure Hoheit auf?«
»Sogleich!«
»Holla! wer in der Nähe ist, herbei!« rief Henri.
Der junge Fähnrich kam aus dem Gäßchen hervor, als ob er nur diesen Ruf seines Anführers erwartet hätte, um zu erscheinen.
Henri gab ihm seine Befehle, und beinahe in demselben Augenblick sah man die Gendarmen von allen Theilen und Enden des Fleckens auf den Platz eilen und Vorkehrungen zum Abmarsch treffen.
In ihrer Mitte sprach der Herzog mit seinen Officieren.
»Meine Herren,« sagte er, »der Prinz von Oranien läßt mich verfolgen, wie es scheint; doch es geziemt sich nicht, daß ein Prinz von Frankreich gefangen genommen werde, ohne die Entschuldigung einer Schlacht von Poitiers oder Pavia. Weichen wir also der Ueberzahl und wenden wir uns nach Brüssel. Ich werde meines Lebens und meiner Freiheit sicher sein, so lange ich in Eurer Mitte verweile.«
Dann sich gegen Aurilly wendend:
»Du wirst hier bleiben. Diese Frau kann uns nicht folgen. Und überdies kenne ich die Joyeuse genug, um zu wissen, daß dieser es nicht wagen wird, seine Geliebte in meiner Anwesenheit mit sich zu nehmen. Auch gehen wir nicht auf den Ball, und wir marschiren mit einer Eile, welche die Dame ermüden würde.«
»Wohin geht Monseigneur?«
»Nach Frankreich; ich glaube, daß meine Sache hier ganz schlecht steht.«
»Doch nach welchem Theile von Frankreich? Denkt Monseigneur, es wäre für ihn klug, an den Hof zurückzukehren?«
»Nein; allem Anscheine nach werde ich unter Weges auf einem meiner Güter anhalten, in Château-Thierry zum Beispiel.«
»Hat sich Eure Hoheit entschieden?«
»Ja, Château-Thierry sagt mir in jeder Hinsicht zu, es liegt in geeigneter Entfernung, vier und zwanzig Meilen von Paris; ich werde dort die Herren von Guise überwachen, welche die Hälfte des Jahres in Soissons sind. Du wirst also die schöne Unbekannte zu mir nach Château-Thierry bringen.«
»Aber, Monseigneur, sie wird sich vielleicht nicht mitnehmen lassen.«
»Bist Du ein Narr?… Da Du Bouchage mich nach Chateau-Thierry begleitet, und sie Du Bouchage folgt, werden sich die Dinge im Gegentheil von selbst machen.«
»Aber sie kann anderswohin gehen wollen, wenn sie sieht, daß ich Willens bin, sie zu Euch zu führen.«
»Nicht zu mir wirst Du sie führen, sondern, ich wiederhole es Dir, zum Grafen. Auf also! Doch bei meinem Ehrenwort, man sollte glauben, Du helfest mir zum ersten Male bei einer solchen Veranlassung. Hast Da Geld?«
»Ich habe die zwei Rollen Gold, die mir Eure Hoheit gegeben hat, als wir aus dem Lager auf den Polders auszogen.«
»Vorwärts also! Und durch alle nur immer möglichen Mittel, hörst Du? durch alle, bringe mir meine schöne Unbekannte nach Château-Thierry; wenn ich sie näher anschaue, werde ich sie vielleicht erkennen.«
»Und den Diener auch?«
»Ja, wenn er Dir nicht lästig ist.«
»Doch wenn er mir lästig ist?«
»Mache mit ihm, was Du mit einem Stein machst, den Du auf Deinem Wege triffst: wirf ihn in einen Graben.«
»Gut, Monseigneur.«
Während die zwei lichtscheuen Verschwörer ihre Pläne in der Finsterniß entworfen, stieg Henri in den ersten Stock hinauf und weckte Remy.
Von dem, was vorging in Kenntniß gesetzt, klopfte Remy auf eine gewiße Weise an die Thüre, und sogleich öffnete die junge Frau.
Hinter Remy erschien Du Bouchage.
»Guten Abend, mein Herr,« sagte sie mit einem, Lächeln, das ihr Gesicht verlernt hatte.
»Oh! verzeiht, Madame,« sprach eiligst der Graf, »ich komme nicht um Euch zu belästigen, ich komme, um den Euch Abschied zu nehmen.«
»Abschied! Ihr reist, Herr Graf?«
»Nach Frankreich, ja, Madame.«
»Und Ihr verlaßt uns?«
»Ich bin dazu genöthigt, Madame; es ist meine erste Pflicht, dem Prinzen zu gehorchen.«
»Dem Prinzen, es ist ein Prinz hier?« sagte Remy.
»Welcher Prinz?« fragte Diana erbleichend.
»Der Herr Herzog von Anjou, den man für todt hielt, ist, auf eine wunderbare Weise gerettet, zu uns gekommen.«
Diana stieß einen furchtbaren Schrei aus und Remy wurde so bleich, als hätte ihn plötzlich der Tod getroffen.
»Wiederholt mir, daß der Herr Herzog von Anjou lebt, daß der Herr Herzog von Anjou hier ist,« stammelte Diana.
»Wenn er nicht hier wäre, und wenn er mir nicht, ihm zu folgen befehlen würde, Madame, so hätte ich Euch bis in das Kloster begleitet, in das Ihr Euch, wie Ihr mir gesagt, zurückzuziehen gedenkt.«
»Ja, ja,« sprach Remy, »das Kloster, Madame, das Kloster.«
Und er legte einen Finger auf seine Lippen.
Ein Zeichen mit dem Kopfe von Diana belehrte ihn, daß sie ihn verstanden hatte.
»Ich hätte Euch um so lieber begleitet, Madame,« fuhr Henri fort, »als Ihr durch die Leute des Herzogs beunruhigt werden könntet.«
»Wie so?«
»Ja, Alles läßt mich glauben, er wisse, daß eine Frau in diesem Hause wohnt.«
»Und woher kommt dieser Glauben?«
»Unser junger Fähnrich hat ihn eine Leiter an die Mauer legen und durch das Fenster schauen sehen.«
»Oh! mein Gott! mein Gott!« rief Diana.
»Beruhigt Euch, Madame, er hat ihn auch zu seinem Gefährten sagen hören, er kenne Euch nicht.«
»Gleichviel, gleichviel!« sprach die junge Frau, Remy anschauend.
»Alles, was Ihr wollt, Madame, Alles!« sagte Remy, seine Züge mit einer erhabenen Entschlossenheit bewaffnend.
»Seid unbesorgt, Madame,« sprach Henri, »der Herzog wird auf der Stelle aufbrechen; noch eine Viertelstunde und Ihr seid allein und frei. Erlaubt mir also, daß ich mich ehrerbietig von Euch verabschiede Euch noch einmal sage, daß bis zu meinem Todesseufzer mein Herz für Euch und durch Euch schlagen wird. Gott befohlen! Madame, Gott befohlen!«
Und der Graf verbeugte sich mit so religiöser Ehrfurcht, als ob er es vor einem Altar gethan hätte, und machte zwei Schritte rückwärts.
»Nein, nein,« rief Diana, wie im Fieberirrsinn, »nein, Gott hat es nicht gewollt; nein, Gott hat diesen Menschen getödtet, und er kann ihn nicht wieder erweckt haben; nein, nein, mein Herr, Ihr täuscht Euch, er ist todt.«
In diesem Augenblick, und als wollte sie die schmerzliche Anrufung der Barmherzigkeit Gottes erwiedern, erscholl die Stimme des Prinzen auf der Straße.
»Graf,« sprach sie, »Graf, Ihr laßt uns warten.«
»Ihr hört ihn, Madame,« sagte Henri. »Zum letzten Male, Gott befohlen.«
Und er drückte Remy die Hand und eilte nach der Treppe.
Diana näherte sich dem Fenster, zitternd krampfhaft wie der Vogel, den die Schlange der Antillen bezaubert.
Sie erblickte den Herzog zu Pferd; sein Gesicht war geröthet durch den Schimmer der Fackeln, welche zwei Gendarmen trugen.
»Oh! er lebt, der Dämon, er lebt!« flüsterte Diana Remy mit einem so furchtbaren Ausdruck zu, daß der würdige Diener selbst darob erschrack; »er lebt, leben wir auch; er reist nach Frankreich ab. Es sei, Remy, wir gehen auch nach Frankreich.«
Achtes Kapitel
Die Verführung
Die Vorkehrungen zum Abmarsch der Gendarmen, hatten Verwirrung in den Flecken gebracht; ihr Aufbruch ließ die tiefste Stille auf das Geräusch der Waffen und der Stimmen folgen.
Remy wartete, bis dieses Geräusch allmälig erlosch und sich gänzlich verlor; dann, als er das Haus völlig verlassen glaubte, ging er in die untere Stube hinab, um sich mit seiner Abreise mit der von Diana zu beschäftigen.
Als er aber die Thüre dieser Stube öffnete, war er sehr erstaunt, da er einen Menschen, das Gesicht gegen seine Seite gewendet, am Feuer sitzen sah.
Dieser Mensch lauerte offenbar auf den Abgang von Remy, obschon er, als er ihn erblickte, eine völlig gleich gültige Miene annahm.
Remy näherte sich seiner Gewohnheit gemäß mit langsamen Schritten, wobei er seine kahle, der eines von den Jahren niedergebeugten Greises ähnliche Stirne entblößte.
Derjenige, welchem er sich näherte, hatte das Licht hinter sich, so daß Remy seine Züge nicht unterscheiden konnte.
»Verzeiht, mein Herr,« sagte er, »ich glaubte, ich wäre allein oder beinahe allein.«
»Ich auch,« erwiederte der Andere; »doch ich sehe mit Vergnügen, daß ich Gesellschaft haben werde.«
»Oh! eine sehr traurige Gesellschaft, mein Herr,« entgegnete Remy hastig, »denn mit Ausnahme eines armen jungen Mannes, den ich nach Frankreich zurückbringe. . .«
»Ah!« unterbrach ihn Aurilly, die ganze Gutherzigkeit eines mitleidigen Bürgers heuchelnd, »ich weiß, was Ihr sagen wollt.«
»Wahrhaftig?«
»Ja, Ihr meint die junge Dame.«
»Welche junge Dame?« rief Remy sich zur Wehr setzend.
»Ruhig, mein guter Freund, ärgert Euch nicht,« erwiederte Aurilly; »ich bin der Intendant des Hauses Joyeuse, und habe mich auf Befehl seines Bruders zu meinem jungen Herrn begeben; bei seiner Abreise empfahl mir der Graf eine junge Dame und einen alten Diener, welche nach Frankreich zurückzukehren beabsichtigen, nachdem sie ihm nach Flandern gefolgt.«
Dieser Mensch sprach so, indem er sich Remy mit einem lächelnden freundlichen Gesicht näherte. Er hatte sich bei seiner Bewegung mitten in den Strahl der Lampe gestellt, so daß ihn die ganze Helle beleuchtete.
Remy konnte ihn nun sehen.
Doch statt seinerseits auf Aurilly zuzugehen, machte er einen Schritt rückwärts, und ein Gefühl, dem des Abscheus ähnlich, prägte sich einen Augenblick auf seinem verstümmelten Gesichte aus.
»Ihr antwortet nicht, und man sollte glauben, ich, mache Euch bange,« sagte Aurilly mit seinem freundlichsten Lächeln.
»Mein Herr,« erwiederte Remy, der eine gebrochene Stimme annahm, »verzeiht einem armen Greis, den sein Unglück und seine Wunden schüchtern und mißtrauisch gemacht haben.«
»Ein Grund mehr, mein Freund,« erwiederte Aurilly, »daß Ihr die Hilfe und Unterstützung eines ehrlichen Gesellen annehmt; übrigens komme ich, wie ich Euch so eben sagte, im Auftrage eines Herrn, der Euch Vertrauen einflößen muß.«
»Sicherlich,« erwiederte Remy und machte einen Schritt rückwärts.
»Ihr verlaßt mich?«
»Ich will meine Gebieterin um Rath fragen; Ihr begreift, ich kann nichts auf mich nehmen.«
»Oh! das ist natürlich; doch erlaubt, daß ich mich ihr selbst vorstelle, um ihr meinen Auftrag in allen seinen Einzelheiten auseinandersetzen zu können.«
»Nein, nein, ich danke, Madame schläft vielleicht noch, und ihr Schlaf ist mir heilig.«
»Wie Ihr wollt. Uebrigens habe ich Euch nichts mehr zu sagen, wenn nicht das, was mein Herr Euch mitzutheilen mich beauftragt hat.«
»Mir?«
»Euch und der jungen Dame.«
»Euer Herr, der Herr Graf Du Bouchage, nicht wahr?«
»Er selbst.«
»Ich danke, mein Herr.«
Als er die Thüre wieder geschlossen hatte, verschwanden, mit Ausnahme der kahlen Stirne und des gerunzelten Gesichtes, alle äußeren Anzeichen des Greises auf der Stelle, und er stieg die Treppe mit einer solchen Hast und mit einer so außerordentlichen Stärke hinauf, daß man diesem Greis fünf und zwanzig Jahre gegeben hätte, während er einen Augenblick zuvor sechzig alt zu sein schien.
»Madame! Madame!« rief Remy mit bebender Stimme, sobald er Diana erblickte.
»Nun! was gibt es wieder, Remy, ist der Herzog noch nicht abgereist?«
»Doch,« aber es ist ein Dämon zurückgeblieben, der tausendmal schlimmer und tausendmal mehr zu fürchten ist, als er; ein Dämon, auf welchen ich alle Tage seit sechs Jahren die Rache des Himmels herabgerufen, wie Ihr es für seinen Herrn thatet, und zwar thatet, indem Ihr die meinige erwartetet.«
»Aurilly vielleicht?« fragte Diana.
»Aurilly selbst; der Schändliche ist hier unten, vergessen wie eine Schlange außerhalb des Nestes von seinem höllischen Gefährten.«
»Vergessen! sagst Du, Remy. Oh! Du täuschest Dich; Du, der Du den Herzog kennst, weißt, daß er nicht dem Zufall die Sorge, das Böse zu thun, überläßt, wenn er es selbst thun kann; nein! nein! Remy, Aurilly ist nicht hier vergessen, sondern zurückgelassen, glaube mir, in irgend einer Absicht zurückgelassen.«
»Oh! von ihm, Madame, werde ich Alles glauben, was Ihr wollt.«
»Kennt er mich?«
»Ich glaube nicht.«
»Hat er Dich erkannt?«
»Oh! mich, Madame, mich erkennt man nicht,« erwiederte Remy mit einem traurigen Lächeln.
»Er hat mich vielleicht errathen?«
»Nein, denn er hat Euch zu sehen verlangt.«
»Remy, ich sage Dir, wenn er mich nicht erkannt hat, so vermuthet er, daß ich es bin.«
»Dann ist die Sache ganz einfach, und ich danke Gott, daß er uns so sichtbar unsern Weg vorschreibt; der Flecken ist öde verlassen, der Schändliche ist allein, wie ich allein bin… ich habe einen Dolch in seinem Gürtel gesehen… ich führe ein Messer in dem meinigen.«
»Einen Augenblick, Remy, einen Augenblick,« sprach Diana, »ich mache Dir das Leben dieses Elenden nicht streitig; doch ehe Du ihn tödtest, müssen wir wissen, was er von uns will, ob es in der Lage, in der wir uns befinden, nicht möglich ist, Nutzen aus dem Bösen zu ziehen, das er uns zufügen will. Als was hat er sich Dir vorgestellt, Remy.«
»Als Intendant von Herrn Du Bouchage- Madame.«
»Du siehst wohl, er lügt also; er hat ein Interesse, zu lügen. Suchen wir zu erfahren, was er will, während wir ihm unsern Willen verbergen.«
»Ich werde nach Euren Befehlen handeln, Madame.«
»Was verlangt er für den Augenblick?«
»Euch zu begleiten.«
»In welcher Eigenschaft?«
»In der Eigenschaft des Intendanten von Herrn Du Bouchage.«
»Sage ihm, ich nehme es an.«
»O Madame!«
»Füge bei, ich sei im Begriff, nach England zu reisen, wo ich Verwandte habe, ich zögere jedoch noch; lüge, wie er, um zu siegen, Remy, muß man wenigstens mit gleichen Waffen kämpfen.«
»Aber er wird Euch sehen.«
»Und meine Maske! Uebrigens hege ich den Verdacht, daß er mich kennt.«
»Wenn er Euch kennt, so stellt er Euch eine Falle.«
»Das einzige Mittel, sich davor zu schützen, besteht darin, daß man sich den Anschein gibt, als lasse man sich darin fangen.«
»Doch wenn…«
»Sprich, was befürchtest Du? Kennst Du etwas Schlimmeres als den Tod!«
»Nein!«
»Wohl! bist Du nicht mehr entschlossen, für die Erfüllung unseres Gelübdes zu sterben?«
»Doch; aber nicht ohne Rache zu sterben.«
»Remy! Remy!« sprach Diana mit einem von wilder Begeisterung glänzenden Blick, »sei unbesorgt, wir werden uns rächen, Du am Diener, ich am Herrn.«
»Wohl, es sei, Madame, abgemacht also.«
»Gehe, mein Freund, gehe.«
Remy ging hinab, doch noch zögernd. Der brave junge Mann hatte bei dem Anblick von Aurilly unwillkührlich einen Nervenschauer voll düsteren Schreckens gefühlt, wie man ihn bei dem Anblick von Schlangen empfindet; er wollte tödten, weil er bange gehabt hatte.
Während er aber nach und nach hinabstieg, kehrte die Entschlossenheit in diese gestählte Seele zurück, und als er die Thüre wieder öffnete, war es, trotz des Rathes von Diana, eine feste Absicht, Aurilly zu befragen, ihn zu verwirren und, wenn er die schlimmen Absichten, die er voraussetzte, bei ihm fände, ihn auf der Stelle zu erdolchen.
So verstand Remy die Diplomatie.
Aurilly erwartete ihn voll Ungeduld; er hatte das Fenster geöffnet, um mit einem Blick alle Ausgänge zu bewachen.
Remy ging auf ihn zu, bewaffnet mit einem unerschütterlichen Entschluß; seine Worte waren auch sanft ruhig.
»Mein Herr,« sagte er, »meine Gebieterin kann, Euren Vorschlag nicht annehmen.«
»Und warum nicht?«
»Weil Ihr nicht der Intendant von Herrn Du Bouchage seid.
Aurilly erbleichte.
»Aber wer sagt Euch das?« fragte er.
»Nichts kann einfacher sein. Herr Du Bouchage hat mir, als er mich verließ, die Person, welche ich begleite, empfohlen, und Herr Du Bouchage hat hierbei kein Wort von Euch gesagt.«
»Er hat mich erst gesehen, nachdem er Euch verlassen.«
»Lügen, mein Herr, Lügen!«
Aurilly richtete sich hoch auf; Remy gab seinem Aussehen ganz den Anschein eines Greises.
»Ihr stimmt einen sonderbaren Ton an, braver Mann,« sagte er, die Stirne faltend, »nehmt Euch in Acht, Ihr seid alt, ich bin jung; Ihr seid schwach, ich bin stark.«
Remy lächelte, antwortete aber nicht.
»Wenn ich Euch böse wollte, Euch oder Eurer Gebieterin,« fuhr Aurilly fort, »so brauchte ich nur die Hand aufzuheben.«
»Oh! oh!« machte Remy, »vielleicht täuschte ich mich und Ihr wolltet ihr wohl?«
»Allerdings.«
»So erklärt mir, was Ihr wünscht.«
»Mein Freund, ich wünsche mit einem Male Euer Glück zu machen, wenn Ihr mir dient.«
»Und wenn ich Euch nicht diene?«
»Dann, – da Ihr so offenherzig mit mir sprecht, will ich Euch mit derselben Offenherzigkeit antworten, – dann wünsche ich Euch zu tödten.«
»Mich tödten! ah!« machte Remy mit einem düsteren Lächeln.
»Ja, ich habe Vollmacht hierzu.«
Remy athmete.
»Damit ich Euch aber diene,« sagte er, »muß ich wenigstens Eure Pläne kennen.«
»Hört sie: Ihr habt richtig errathen, mein braver Mann, ich gehöre nicht dem Grafen Du Bouchage.«
»Ah! wem gehört Ihr denn?«
»Einem mächtigern Herrn.«
»Merkt wohl auf: Ihr wollt abermals lügen.«
»Und warum dies?«
»Ich sehe nicht viele Häuser über dem Hause Joyeuse.«
»Nicht einmal das Haus Frankreich?«
»Oho!« machte Remy.
»Und seht, wie es bezahlt,« fügte Aurilly bei, indem er von den Goldrollen des Herzogs von Anjou in die Hand von Remy zu bringen suchte.
Remy bebte bei der Berührung dieser Hand und that einen Schritt rückwärts.
»Ihr dient dem König?« fragte er mit einer Naivität, welche selbst einem schlaueren Menschen, als er war Ehre gemacht hätte.
»Nein, doch seinem Bruder dem Herzog von Anjou.«
»Ah! sehr gut, ich bin der unterthänigste Diener des Herrn Herzogs.«
»Vortrefflich.«
»Aber hernach?«
»Wie, hernach?«
»Ja, was wünscht Seine Hoheit!«
»Seine Hoheit, mein Lieber,« sprach Aurilly, indem er sich ihm näherte und zum zweiten Male die Rollen seine Hand zu schieben suchte, »Seine Hoheit ist verliebt in Eure Gebieterin.«
»Monseigneur kennt sie also?«
»Er hat sie gesehen.«
»Er hat sie gesehen!« rief Remy, der seine Hand krampfhaft an das Heft seines Messers drückte, »und wann, hat er sie gesehen?«
»Diesen Abend.«
»Unmöglich, meine Gebieterin hat ihr Zimmer nicht verlassen.«
»Das ist es gerade; der Prinz handelte wie ein ächter Schüler, was zum Beweis dient, daß er wahrhaft verliebt ist.«
»Laßt hören, wie hat er gehandelt?«
»Er hat eine Leiter genommen und ist auf den Balcon geklettert.«
»Ah!« machte Remy, die stürmischen Schläge seines Herzens zurückdrängend, »ah! so hat er gehandelt?«
»Es scheint, sie ist sehr schön?« fragte Aurilly.
»Ihr habt sie also nicht gesehen?«
»Nein, doch nach dem, was mir Monseigneur gesagt hat, brenne ich vor Verlangen, sie zu sehen, und wäre es nur, um die Uebertreibung zu beurtheilen, zu der die Liebe einen vernünftigen Geist veranlaßt. Es ist also abgemacht, Ihr gehört uns?«
Und zum dritten Mal suchte Aurilly das Gold Remy zuzustecken.
»Gewiß gehöre ich Euch,« sagte Remy, die Hand von Aurilly zurückdrückend; »doch ich muß auch wissen, was meine Rolle bei den Ereignissen ist, die Ihr vorbereitet.«
»Antwortet mir zuerst: die Dame da oben ist die Geliebte von Herrn Du Bouchage oder von seinem Bruder?«
Remy stieg das Blut ins Gesicht und er erwiederte:
»Weder von dem Einen, noch von dem Andern; die Dame da oben hat keinen Liebhaber.«
»Keinen Liebhaber! Dann ist es ein königlicher Bissen. Eine Frau, die keinen Liebhaber hat, alle Teufel, Monseigneur, wir haben den Stein der Weisen gefunden!«
»Seine Hoheit der Herzog von Anjou ist also in meine Gebieterin verliebt?« fuhr Remy fort.
»Ja.«
»Und was will er?«
»Er will sie in Château-Thierry haben, wohin er sich in Eilmärschen begibt.«
»Bei meiner Seele, diese Leidenschaft ist sehr rasch gekommen.«
»So kommen die Leidenschaften bei Seiner Hoheit.«
»Ich sehe hierbei nur eine Unannehmlichkeit.«
»Welche?«
»Meine Gebieterin will sich nach England einschiffen.«
»Teufel! darin könnt Ihr mir gerade nützlich sein. Bestimmt sie.«
»Wozu?«
»Daß sie den entgegengesetzten Weg wählt.«
»Ihr kennt meine Gebieterin nicht, mein Herr; es ist, eine Frau, welche fest bei ihren Ideen verharrt; übrigens ist damit nicht Alles abgemacht, daß sie nach Frankreich geht, statt nach London zu gehen. Glaubt Ihr, einmal in Château-Thierry gebe sie den Wünschen des Prinzen nach?«
»Warum nicht?«
»Sie liebt den Herzog von Anjou nicht.«
»Bah! man liebt einen Prinzen von Geblüt immer.«
»Aber wie konnte Seine Hoheit der Herzog von Anjou, wenn er vermuthete, meine Gebieterin liebe den Herrn Grafen Du Bouchage oder den Herzog von Joyeuse, den Gedanken haben, sie demjenigen, welchen sie liebt, zu entführen.«
»Guter Mann,« sprach Aurilly, »Du hast triviale Gedanken, und wir werden Mühe haben, uns zu verständigen, wie ich sehe; ich werde auch nicht streiten; ich habe die Milde der Gewalt vorgezogen, wenn Du mich nun zwingst, mein Benehmen zu ändern, nun wohl! so werde ich es ändern.«
»Was werdet Ihr thun?«
»Ich sagte Dir schon, ich habe Vollmacht vom Prinzen. Ich werde Dich in irgend einem Winkel tödten, die Dame entführen.«
»Ihr glaubt an Straflosigkeit?«
»Ich glaube an Alles, was mich mein Herr glauben heißt. Sprich, wirst Du Deine Gebieterin bestimmen, nach Frankreich zu kommen?«
»Ich werde mich bemühen; doch ich kann für nichts stehen.«
»Und wann bekomme ich Antwort?«
»Ich gehe nur hinauf und frage sie.«
»Gut, gehe hinauf, ich warte auf Dich.«
»Ich gehorche, mein Herr.«
»Ein letztes Wort, guter Mann; Du weißt, daß ich Dein Glück und Dein Leben in meiner Hand habe?«
»Ich weiß es.«
»Das genügt, gehe, ich werde einstweilen die Pferde besorgen.«
»Beeilt Euch nicht zu sehr.«
»Bah! ich bin der Antwort sicher; finden die Prinzen grausame Frauen?«
»Mir schien, es komme zuweilen vor.«
»Ja,« sagte Aurilly, »doch es ist etwas Seltenes; gehe.«
Und während Remy wieder die Treppe hinaufstieg, wandte sich Aurilly, als wäre er der Erfüllung seiner Hoffnungen sicher gewesen, wirklich nach dem Stall.
»Nun?« fragte Diana, als sie Remy erblickte.
»Madame, der Herzog hat Euch gesehen.«
»Und…«
»Und er liebt Euch.«
»Der Herzog hat mich gesehen, der Herzog liebt mich!« rief Diana, »sprichst Du im Fieberwahn, Remy?«
»Nein, ich sage, was er mir gesagt hat.«
»Und wer hat Dir das gesagt?«
»Dieser Mensch! dieser Aurilly! dieser Schändliche!«
»Doch wenn er mich gesehen hat, hat er mich auch erkannt.«
»Glaubt Ihr, wenn der Herzog Euch erkannt hätte, würde es Aurilly wagen, vor Euch zu erscheinen und Euch im Namen des Prinzen von Liebe zu sprechen? Nein, der Herzog hat Euch nicht erkannt.«
»Du hast Recht, tausendmal Recht, Remy. Es sind seit sechs Jahren so viele Dinge durch seinen höllischen Geist gegangen. Folgen wir diesem Menschen, Remy.«
»Ja, aber dieser Mensch wird Euch erkennen.«
»Warum soll er mehr Gedächtniß haben, als sein Herr?«
»Oh! weil es in seinem Interesse liegt, sich zu erinnern, während es das Interesse des Prinzen ist zu vergessen; daß der Herzog vergißt, er, der unheilvolle Wüstling, der Blinde, der Uebersättigte, der Mörder seiner Geliebtinnen, das begreift sich. Wie könnte er leben, wenn er nicht vergäße? Aber Aurilly wird nicht vergessen haben; wenn er ein Gesicht sieht, wird er einen rächenden Schatten zu sehen wähnen und Euch anzeigen.«
»Remy, ich sagte Dir, wie ich glaube, ich habe eine Maske, und Du sagtest mir, glaube ich, Du habest ein Messer.«
»Es ist wahr, Madame,« sprach Remy, »und ich fange an zu glauben, daß Gott mit uns im Einverständnis ist, um die Bösen zu bestrafen.«
Hiernach rief Remy oben von der Treppe:
»Mein Herr! mein Herr!«
»Nun!« fragte Aurilly.
»Meine Gebieterin ist dem Herrn Grafen Du Bouchage sehr erkenntlich, daß er so für ihre Sicherheit gesorgt hat, und nimmt mit Dank Euer höfliches Anerbieten an.«
»Es ist gut, es ist gut,« sagte Aurilly, »meldet ihr, die Pferde seien bereit.«
»Kommt, Madame, kommt,« sprach Remy, Diana Arm reichend.
Aurilly wartete unten an der Treppe mit einer Laterne in der Hand und murmelte, gierig wie er war, das Gesicht der Unbekannten zu sehen:
»Teufel, sie hat eine Maske. Oh! doch von hier bis Château-Thierry werden die seidenen Schnüre abgenutzt… oder abgeschnitten sein.«