Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 46
Neuntes Kapitel
Die Reise
Man brach auf.
Aurilly nahm gegen Remy den Ton völliger Gleichheit an und gegen Diana das Wesen der tiefsten Ehrfurcht.
Doch Remy vermochte leicht zu erkennen, daß dieses ehrfurchtsvolle Wesen interessirt war. In der That, einer Frau den Steigbügel halten, wenn sie ein Pferd besteigt oder absteigt, über jeder ihrer Bewegungen voll Fürsorge wachen und nie eine Gelegenheit vorübergehen lassen, um ihr den Handschuh aufzuheben oder den Mantel einzuhäkeln, das ist die Rolle eines Liebhabers, eines Dieners oder eines Neugierigen.
Indem er den Handschuh berührte, sah Aurilly die Hand; indem er den Mantel einhäkelte, schaute er unter die Maske, indem er den Steigbügel hielt, suchte er einen Zufall herbeizuführen, um das Gesicht zu erschauen, das der Prinz in seinen verworrenen Erinnerungen nicht erkannt hatte, das aber er, Aurilly, mit seinem guten Gedächtniß wohl zu erkennen hoffte.
Doch der Musiker hatte es mit einer starken Gegenpartei zu thun, Remy forderte seinen Dienst bei seiner Gefährtin und zeigte sich eifersüchtig auf die Zuvorkommenheiten von Aurilly.
Diana selbst, ohne daß sie die Ursachen dieses Wohlwollens zu errathen schien, trat auf die Seite desjenigen, welchen Aurilly als einen treuen Diener betrachtete und eines Theils seiner Mühe überheben wollte, und sie bat Aurilly, Remy Alles allein thun zu lassen, was Remy anging.
Aurilly war darauf angewiesen, während langer Märsche auf Schatten und Regen zu hoffen, während der Halte Mahle zu wünschen.
Doch er wurde in seiner Erwartung getäuscht, Regen oder Sonne, das war ganz gleichgültig, die Maske blieb auf dem Gesicht; was aber die Mahle betrifft, so wurden sie von der jungen Frau in einem abgesonderten Zimmer eingenommen.
Aurilly begriff, daß wenn er nicht erkannte, man, ihn erkannt hatte; er suchte durch die Schlösser zu sehen, doch die Dame wandte beständig der Thüre den Rücken zu; er suchte durch die Fenster zu schauen, doch er fand an den Fenstern dichte Vorhänge, oder in Ermangelung von Vorhängen die Mäntel der Reisenden.
Weder Fragen, noch Bestechungsversuche hatten einen glücklichen Erfolg bei Remy; der Diener erwiederte beständig, dies sei der Wille der Gebieterin und folglich auch sein Wille.
»Aber werden diese Vorsichtsmaßregeln nur meinetwegen allein genommen?« fragte Aurilly.
»Nein, gegen Jedermann.«
»Aber der Herr Herzog von Anjou hat sie gesehen; damals verbarg sie sich also nicht.«
»Zufall, reiner Zufall,« sprach Remy, »und grade weil meine Gebieterin gegen ihren Willen vom Herrn Herzog von Anjou gesehen worden ist, nimmt sie ihre Maßregeln, um von Niemand mehr gesehen zu werden.«
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Die Tage vergingen indessen, man näherte sich dem Ziele, und durch die Vorsicht von Remy und seiner Gebieterin waren die Bemühungen der Neugierde vom Aurilly vereitelt worden.
Schon erschien die Picardie vor den Blicken der Reisenden.
Aurilly der seit drei bis vier Tagen Alles versuchte, Freundlichkeit, Schmollen, kleine Aufmerksamkeiten und beinahe Gewalt, fing an die Geduld zu verlieren, und die schlimmen Instinkte seiner Natur gewannen allmälig die Oberhand.
Es war, als begriffe er, unter dem Schleier dieser Frau sei ein tödtliches Geheimniß verborgen.
Eines Tags blieb er mit Remy ein wenig zurück und erneuerte bei diesem seine Bestechungsversuche, welche Remy wie gewöhnlich zurückwies.
»Früher oder später muß ich doch Deine Gebieterin einmal sehen,« sagte Aurilly.
»Ohne Zweifel,« erwiederte Remy, »doch das wird geschehen, wann sie will, und nicht, wann Ihr wollt.«
»Wenn ich aber Gewalt anwenden würde?«
»Versucht es,« versetzte Remy, und ein Blitz, den er nicht zu unterdrücken vermochte, sprang aus seinen Augen hervor.
Aurilly sah diesen Blitz: er begriff, welche Energie in demjenigen lebte, den er für einen Greis hielt.
Er begann zu lachen.
»Welch ein Narr bin ich!« sagte er, »was liegt mir daran, wer sie ist? Nicht wahr, es ist dieselbe, die der Herr Herzog von Anjou gesehen hat?«
»Gewiß?«
»Und die er mir nach Château-Thierry zu bringen befahl?«
»Ja.«
»Wohl! mehr brauche ich nicht; ich bin nicht in sie verliebt, sondern der Herr Herzog, und wenn Ihr nicht zu fliehen, mir zu entkommen sucht. . .«
»Sehen wir danach aus?«
»Nein.«
»Wir sehen so wenig danach aus, und es ist so wenig unsere Absicht, daß wir, wenn Ihr auch nicht dabei wäret, unsere Reise nach Château-Thierry fortsetzen würden; wünscht der Herzog uns zu sehen, so wünschen wir ihn auch zu sehen.«
»Das trifft vortrefflich zusammen,« sagte Aurilly.
Dann, als wollte er sich versichern, daß es wirklich das Verlangen von Remy seiner Gefährtin sei, den Weg nicht zu verändern, fragte er, auf ein Wirthshaus an der Landstraße deutend:
»Will Eure Gebieterin hier einen Augenblick anhalten?«
»Ihr wißt,« erwiederte Remy, »daß meine Gebieterin nur in Städten anhält.«
»Ich sah es, doch ich gab nicht darauf Acht.«
»Es ist so.«
»Nun, ich, der ich kein Gelübde gethan habe, halte einen Augenblick an; reitet weiter, ich hole Euch ein.«
Aurilly deutete Remy den Weg an, stieg ab und näherte sich dem Wirth, der ihm mit großer Ehrerbietung als ob er ihn kennen würde, entgegenkam.
Remy ritt Diana nach.
»Was sagte er Euch?« fragte die junge Frau.
»Er drückte seinen gewöhnlichen Wunsch aus.«
»Den, mich zu sehen?«
»Ja.«
Diana lächelte unter ihrer Maske.
»Nehmt Euch in Acht,« sagte Remy, »er ist wütend.«
»Er wird mich nicht sehen. Ich will es nicht, und damit sage ich Dir, daß er nichts in dieser Hinsicht zu thun im Stande sein wird.«
»Muß er Euch aber nicht, wenn Ihr einmal in Château-Thierry seid, mit entblößtem Gesichte sehen?«
»Was ist daran gelegen, wenn die Entdeckung zu spät für sie kommt? Uebrigens hat mich der Herr nicht erkannt.«
»Ja, aber der Diener wird Euch erkennen.«
»Du siehst, daß ihm bis jetzt weder meine Stimme, noch mein Gang aufgefallen sind.«
»Gleichviel, gnädige Frau, alle diese Geheimnisse, welche seit acht Tagen für Aurilly bestehen, hätten für den Prinzen nicht bestanden, hätten seine Neugierde nicht erregt, seine Erinnerungen nicht geweckt, während Aurilly seit acht Tagen sucht, berechnet, vermuthet; Euer Anblick wird ein in allen Punkten waches Gedächtniß schlagend berühren, er wird Euch erkennen, wenn er Euch noch nicht erkannt hat.«
In diesem Augenblick wurden sie von Aurilly unterbrochen, der, nachdem er einen Seitenweg eingeschlagen hatte ihnen gefolgt war, ohne sie aus dem Gesicht zu verlieren, plötzlich in der Hoffnung erschien, einige Worte ihres Gespräches zu erlauern.
Das rasche Schweigen bei seiner Ankunft bewies ihm, daß er lästig war; er begnügte sich daher, ihnen von hinten zu folgen, wie er dies zuweilen that.
Von diesem Augenblick war der Plan von Aurilly festgestellt.
Er mißtraute in der That irgend Etwas, wie es Remy gesagt hatte; nur mißtraute er instinktartig; denn von Vermuthungen zu Vermuthungen hin und her schwankend, war sein Geist nicht einen Augenblick bei der Wirklichkeit stehen geblieben.
Er konnte sich nicht erklären, warum man ihm so hartnäckig dieses Gesicht verbarg, das er früher oder später sehen mußte.
Um seinen Plan besser zum Ziele zu führen, gab er sich von diesem Augenblick den Anschein, als hätte er auf ihn verzichtet, und zeigte sich als der allerbequemste und lustigste Geselle den ganzen übrigen Tag.
Remy bemerkte diese Veränderung nicht ohne eine gewisse Unruhe.
Man kam in eine Stadt und übernachtete hier wie gewöhnlich.
Am anderen Morgen reiste man unter dem Vorwand, der Weg, den man zurückzulegen habe, sei lang, bei Tagesanbruch ab.
Um die Mittagsstunde mußte man anhalten, um die Pferde ausruhen zu lassen.
Um zwei Uhr brach man wieder auf und man marschirte noch bis vier Uhr.
Ein großer Wald zeigte sich in der Ferner es war der von La Fère.
Er bot den düsterem geheimnißvollen Anblick der Wälder im Norden von Frankreich; doch dieser so ausdrucksvolle Anblick für südliche Naturen, die vor Allem das Licht des Tages die Wärme der Sonne brauchen, blieb wirkungslos bei Remy und Diana, welche an die tiefen Waldungen von Anjou und Sologne gewöhnt waren.
Sie wechselten nur einen Blick, als hätten Beide begriffen, daß sie hier das Ereigniß erwarte, das von der Stunde der Abreise über ihren Häuptern schwebte.
Man kam in den Wald.
Es mochte sechs Uhr Abends sein.
Nachdem man noch eine halbe Stunde marschirt war, neigte sich der Tag.
Ein heftiger Wind machte die Blätter wirbeln und trieb sie nach einem ungeheuren Teiche fort, der, gleichsam wie ein zweites todtes Meer in der Tiefe der Bäume verloren, sich an dem Wege hinzog, welcher sich vor den Reisenden ausdehnte.
Seit zwei Stunden hatte der Regens der in Strömen herabfiel, den lehmigen Boden durchnäßt. Sorglos über ihre eigene Sicherheit ihres Pferdes ziemlich gewiß, ließ Diana dieses gehen, ohne es zu halten; Aurilly ritt rechts, Remy links. Aurilly war am Rande des Teiches, Remy mitten auf dem Weg.
Kein menschliches Geschöpf erschien unter den düsterem grünen Bogen der Bäume auf der langen Krümmung des Wegs.
Man hätte glauben können, das Gehölze wäre einer von jenen bezauberten Wäldern, unter deren Schatten nichts leben kann, würde man nicht von Zeit zu Zeit das heisere Geschrei der Wölfe gehört haben, welche das Herannahen der Nacht weckte. Plötzlich fühlte Dianas daß der Sattel ihres Pferdes, das wie gewöhnlich Aurilly gesattelt hatte, wankte und sich drehte; sie rief Remy, der von dem seinigen herabsprang sich bückte, um den Riemen festzuziehen.
In diesem Augenblick näherte sich Aurilly Diana, welche nur mit ihrem Pferde beschäftigt war, durchschnitt mit dem Ende seines Dolches die seidene Rundschnur ihrer Maske.
Ehe sie diese Bewegung bemerkt oder mit der Hand nach ihrem Gesichte gegriffen hatte, nahm ihr Aurilly die Maske ab und neigte sich gegen Diana, die sich ihrerseits gegen ihn neigte.
Die Augen dieser beiden Geschöpfe trafen in einem furchtbaren Blick zusammen; Niemand hätte sagen können, wer von ihnen bleicher drohender war.
Aurilly fühlte, wie ein kalter Schweiß seine Stirne überströmte, ließ die Maske und den Dolch fallen und rief voll Angst, die Hände zusammenschlagend:
»Himmel und Erde!. . . Die Dame von Monsoreau!!!
»Das ist ein Name, den Du nicht wiederholen wirst!« schrie Remy, indem er Aurilly am Gürtel packte von seinem Pferde aufhob.
Beide rollten auf den Boden.
Aurilly streckte seine Hand aus, um seinen Dolch wieder zu ergreifen. Remy aber bückte sich über ihn, setzte ihm das Knie auf die Brust sprach:
»Nein, Aurilly, nein, Du sollst hier bleiben.«
Der letzte Schleier, der über der Erinnerung von Aurilly ausgebreitet zu sein schien, zerriß.
»Der Haudoin!« rief er, »ich bin todt!«
»Es ist noch nicht wahr, doch es wird sogleich wahr werden,« sagte Remy.
Und er drückte seine linke Hand dem Elenden, der sich unter ihm sträubte, auf den Mund, während er mit seiner rechten sein Messer aus der Scheide zog.
»Nun hast Du Recht,« sagte er, »nun bist Du todt, Aurilly.«
Und der Stahl verschwand in der Kehle des Lautenspielers, der ein unverständliches Geröchel ausstieß.
Die Augen starr, auf ihren Sattelknopf gestützt bebend, aber unbarmherzig, hatte Diana den Kopf nicht von diesem furchtbaren Schauspiel abgewendet.
Als sie aber das Blut an der Klinge hinspringen sah, warf sie sich zurück und fiel, steif als ob sie todt wäre, von ihrem Pferd.
Remy beschäftigte sich in diesem Augenblick nicht mit ihr; er durchsuchte Aurilly, nahm ihm die zwei Rollen Gold, band einen Stein an den Hals des Leichnams stürzte ihn in den Teich.
Der Regen fiel fortwährend in Strömen vom Himmel herab.
»O mein Gott!« sprach er, »vertilge die Spur Deiner Gerechtigkeit, denn sie hat noch andere Schuldige zu treffen.«
Dann wusch er sich die Hände indem düsteren, stehenden Wasser, nahm die immer noch ohnmächtige Diana in seine Arme, hob sie auf ihr Pferd stieg, seine Gefährtin haltend, auf das seinige. Erschreckt durch das Geheul der Wölfe, welche herbeikamen, als ob sie diese Scene gerufen hätte, verschwand das Pferd von Aurilly im Wald.
Als Diana wieder zu sich gekommen war, setzten die zwei Reisendem ohne ein Wort auszutauschen, ihren Weg nach Château-Thierry fort.
Zehntes Kapitel
Wie König Heinrich III. Crillon nicht zum Frühstück einlud, wie sich Chicot selbst einlud
Am Morgen nach dem Tage, wo die von uns erzählten Ereignisse im Walde von La Fère vorgefallen waren, stieg der König von Frankreich ungefähr gegen neun Uhr aus dem Bad.
Der Kammerdiener, nachdem er ihn in eine Decke von feiner Wolle gewickelt und mit zwei Tüchern von jener dichten persischen Watte abgerieben, welche dem Vließe eines Lammes gleicht, hatte den Coiffeurs Platz gemacht, welche wiederum den Parfumeurs und den Höflingen Platz machten.
Als die letzteren weggegangen waren, ließ der König seinen Haushofmeister kommen und sagte ihm, er würde etwas Anderes als seine gewöhnliche Kraftbrühe zu sich nehmen, indem er diesen Morgen Appetit verspüre.
Sogleich im ganzen Louvre verbreitet, brachte diese frohe Kunde eine sehr legitime Freude hervor, und der Dampf der Fleischspeisen fing an aus den Küchen auszuströmen, als Crillon, der Oberste der französischen Leibwachen, dessen man sich erinnern wird, bei Seiner Majestät eintrat, um ihre Befehle einzuholen.
»Meiner Treue, mein guter Crillon,« sprach der König, »wache diesen Morgen, wie Du willst, über dem Heile meiner Person, zwinge mich aber, um Gottes willen, nicht, den König zu machen; ich bin heute ganz heiter und selig; mir scheint, ich wäge nicht eine Unze und ich werde entfliegen. Ich habe Hunger, begreifst Du das, mein Freund?«
»Ich begreife es um so mehr, Sire, als ich selbst starken Hunger habe,« erwiederte der Oberste der französischen Leibwachen.
»Ah! Du, Crillon, Du hast immer Hunger.« versetzte der König lachend.
»Nicht immer, Sire, oh! nein, Eure Majestät übertreibt, aber dreimal des Tags, – Eure Majestät?«
»Oh! ich, einmal im Jahr, und dann nur, wenn ich gute Nachrichten erhalten habe.«
»Harnibleu! es scheint, Ihr habt gute Nachrichten erhalten, Sire? desto besser, desto besser, denn sie werden, wie mir dünkt, immer seltener.«
»Nicht die geringste, Crillon; doch Du kennst das Sprichwort.«
»Ah! ja, keine Nachrichten, gute Nachrichten. Ich mißtraue den Sprichwörtern Sire, und besonders diesem; es ist Euch keine Kunde von Navarra zugekommen?«
»Nichts.«
»Nichts.«
»Allerdings, ein Beweis, daß man dort schläft.«
»Und von Flandern?«
»Nichts.«
»Nichts? ein Beweis, daß man sich dort schlägt. Und von Paris?«
»Nichts.«
»Ein Beweis, daß man dort Complotte macht.«
»Oder Kinder zeugt, Crillon; ah! bei Gelegenheit der Kinder, Crillon, ich glaube, daß ich eines haben werde.«
»Ihr, Sire!« rief Crillon im höchsten Maße erstaunt.
»Ja, die Königin hat in dieser Nacht geträumt, sie wäre in andern Umständen.«
»Endlich, Sire!« sprach Crillon.
»Nun, was?«
»Es macht mich äußerst freudig, zu wissen, daß Eure Majestät so frühzeitig am Morgen Hunger hat. Gott befohlen, Sire.«
»Gehe, mein guter Crillon, gehe.«
»Harnibleu! Sire,« versetzte Crillon, »da Eure Majestät so gewaltigen Hunger hat, so müßte sie mich zum Frühstück einladen.«
»Warum dies, Crillon?«
»Weil man sagt, Eure Majestät lebe von der Luft, was sie abmagern mache, in Betracht, daß die Luft schlecht ist, so wäre ich entzückt gewesen, behaupten zu können: »»Harnibleu, das sind reine Verleumdungen, der König ißt wie Jedermann.««
»Nein, Crillon, nein, im Gegentheil; laß glauben, was man glaubt; es macht mich erröthen, wenn ich wie ein einfacher Sterblicher vor meinen Unterthanen esse. Begreife also wohl: ein König muß immer poetisch bleiben und sich stets nur erhaben zeigen. Höre ein Beispiel.«
»Ich höre, Sire.«
»Erinnere Dich an den König Alexander.«
»An welchen König Alexander?«
»An Alexander Magnus. Ah! es ist wahr, Du verstehst das Lateinische nicht. Nun wohl, Alexander liebte es, sich vor seinen Soldaten zu baden, weil Alexander schön, wohlgebaut hinreichend fleischig war, weshalb man ihn mit Apollo und sogar mit Antinous verglich.«
»Oh! oh! Sire,« versetzte Crillon, »Ihr hättet teufelsmäßig Unrecht, wenn Ihre es machtet wie er und Euch vor den Eurigen badetet, denn Ihr seid sehr mager, mein armer Sire.«
»Braver Crillon, gehe,« sprach Heinrich, indem er ihm auf die Schulter klopfte, »Du bist ein vortrefflicher Grobian, Du schmeichelst mir nicht; Du bist kein Höfling, mein alter Freund.«
»Ihr ladet mich auch nicht zum Frühstück ein,« erwiederte Crillon gutmüthig lachend, nahm dann vom König eher zufrieden, als unzufrieden Abschied, denn der Schlag auf die Schulter hatte das fehlende Frühstück aufgewogen.
Sobald Crillon weggegangen war, wurde die Tafel bestellt.
Der königliche Haushofmeister hatte sich selbst übertroffen; eine gewisse Bisque von jungen Rebhühnern mit einer Purée von Trüffeln und Kastanien erregte sogleich die Aufmerksamkeit des Königs, den schöne Austern schon in Versuchung geführt hatten.
Die gewöhnliche Kraftbrühe, das treue Stärkungsmittel des Monarchen, wurde auch vernachlässigt; vergebens öffnete sie ihre großen Augen in ihrer goldenen Schaale, ihre bettelnden Augen erlangten durchaus nichts von Seiner Majestät.
Der König begann den Angriff mit der Bisque von jungen Rebhühnern.
Er war bei seinem vierten Mund voll, als ein leichter Tritt hinter ihm den Boden streifte, ein Stuhl auf seinen Röllchen krachte, und eine wohlbekannte Stimme mit scharfem Tone forderte:
»Ein Gedeck.«
Der König wandte sich um und rief:
»Chicot!«
»In Person.«
Und seinen alten Gewohnheiten getreu, die ihm keine Abwesenheit raubte, streckte sich Chicot in seinem Stuhle aus, nahm einen Teller, eine Gabel, und fing an von der Platte mit Austern, sie mit Citronensaft besprengend, ohne ein Wort beizufügen, die größten und fettesten zu erheben.
»Du hier, Du zurückgekehrt!« rief Heinrich.
»Stille!« winkte Chicot, der den Mund voll hatte mit der Hand.
Und er benutzte den Ausruf des Königs, um die Rebhühner an sich zu ziehen.
»Halt, Chicot, das ist meine Platte!« rief Heinrich und streckte die Hand aus, um die Bisque zurückzuhalten.
Chicot theilte brüderlich mit seinem Fürsten und gab ihm die Hälfte zurück.
Dann goß er sich Wein ein, ging von der Bisque zu einer Platte Thunfisch über, von dem Thunfisch zu forcirten Krebsen, verschlang in Form einer Quittung und am Schlusse von Allem die königliche Kraftbrühe, stieß einen Seufzer aus und sprach:
»Ich habe keinen Hunger mehr.«
»Bei Gottes Tod! ich hoffe wohl, Chicot.«
»Ah! guten Morgen, mein König, wie geht es Dir? Ich finde, Du siehst diesen Morgen ganz munter aus.«
»Nicht wahr, Chicot?«
»Ein reizendes Färbchen. Ist es von Dir?«
»Bei Gott!«
»Dann mache ich Dir mein Compliment.«
»Es ist wahr, ich fühle mich diesen Morgen äußerst heiter gestimmt.«
»Desto besser, mein König, desto besser. Ah! doch Dein Frühstück ist damit nicht zu Ende, es bleiben Dir wohl noch einige kleine Leckerbissen.«
»Hier sind Kirschen von den Damen von Montmartre eingemacht.«
»Sie sind zu sehr gezuckert.«
»Nüsse, mit Korinthen gefüllt.«
»Pfui! man hat die Kerne in den Weinbeeren gelassen.«
»Du bist mit nichts zufrieden.«
»Bei meinem Ehrenwort, es artet auch Alles aus, selbst die Köche, und man lebt immer schlechter an Deinem Hof.«
»Sollte man an dem Hofe des Könige von Navarra besser leben?« fragte Heinrich lachend.
»Ei, ei! ich sage nicht nein.«
»Dann gehen dort große Veränderungen vor.«
»Ah! was das betrifft, Du kannst es gar nicht glauben, Henriquet.«
»Erzähle mir ein wenig von Deiner Reise, das wird mich zerstreuen.«
»Sehr gern, ich bin nur zu diesem Behufe gekommen. Wo soll ich anfangen?«
»Beim Anfang. Wie hast Du die Reise gemacht?«
»Oh! ein wahrer Spaziergang.«
»Du hast keine Unannehmlichkeiten auf dem Wege gehabt?«
»Ich habe eine wahre Feenreise gemach.«
»Kein schlimmen Zusammentreffen?«
»Stille doch, würde man es wagen, einen Botschafter Seiner allerchristlichsten Majestät schief anzuschauen? Du verleumdest Deine Unterthanen, mein Sohn.«
»Ich sagte das,« erwiederte der König, geschmeichelt durch die Ruhe, die in seinem Reiche herrschte, »ich sagte das, weil Du, der Du keinen officiellen, ja nicht einmal einen scheinbaren Charakter hattest, Gefahr laufen konntest.«
»Ich sage Dir, Henriquet, Du hast das reizendste Königreich der Welt; die Reisenden werden gratis gespeist, man beherbergt sie um der Liebe Gottes willen, sie gehen nur auf Blumen, und was die Fahrgeleise betrifft, so sind sie mit goldbefranstem Sammet tapeziert; das ist in der That unglaublich.«
»Du bist also zufrieden, Chicot?«
»Entzückt.«
»Ja, ja, meine Polizei ist vortrefflich beschaffen.«
»Vortrefflich! man muß ihr Gerechtigkeit widerfahren lassen.«
»Und die Straße ist sicher?«
»Wie die des Paradieses: man begegnet nur kleinen Engeln, welche Loblieder auf den König singend vorüberziehen.«
»Chicot, wir kehren zum Virgil zurück.«
»Zu welcher Stelle des Virgil?«
»Zu den Bukoliken. O fortunatos nimium!«
»Ah! sehr gut, doch wozu diese Ausnahme zu Gunsten der Landleute, mein Sohn?«
»Ach! weil es nicht dasselbe bei den Städten ist.«
»Es ist wahr, Heinrich; die Städte sind ein Mittelpunkt der Verderbniß.«
»Urtheile selbst: Du hast fünfhundert Meilen gemacht, ohne auf ein Hinderniß zu stoßen.«
»Ich sage Dir, es ging auf Röllchen.«
»Ich dagegen begebe mich nur nach Vincennes, was drei Viertelmeilen entfernt ist.«
»Nun?«
»Es fehlte nicht viel, daß ich ermordet worden wäre.«
»Ah bah!« machte Chicot.
»Ich werde Dir das erzählen, mein Freund; ich bin eben im Begriff, einen umständlichen Bericht darüber drucken zu lassen; ohne meine Fünf und Vierzig wäre ich todt.«
»Wahrhaftig! und wo ist das vorgefallen?«
»Du meinst, wo es hätte vorfallen sollen?«
»Ja.«
»Bei Bel-Esbat.«
»Beim Kloster unseres Freundes Gorenflot?«
»Ganz richtig.«
»Und wie hat sich unser Freund bei dieser Sache benommen?«
»Vortrefflich, wie immer, Chicot; ich weiß nicht, ob er etwas hatte sagen hören; doch statt zu schnarchen, wie es um diese Stunde alle unsere Taugenichtse von Mönchen machen, stand er auf seinem Balcon während sein ganzes Kloster die Straße besetzt hielt.«
»Und er hat sonst nichts gethan?«
»Wer?«
»Dom Modeste.«
»Er hat mich mit einer Majestät gesegnet, welche nur ihm eigenthümlich ist, Chicot.«
»Und seine Mönche?«
»Haben aus vollem Halse: Es lebe der König! gerufen.«
»Und Du hast nichts Anderes bemerkt?«
»Was denn?«
»Daß sie irgend eine Waffe unter ihrem Küraß trugen.«
»Sie waren vollkommen gerüstet, Chicot; daran erkannte ich die Vorsicht des würdigen Priors, und ich sprach zu mir: dieser Mensch wußte Alles, doch er sagte nichts, er verlangte nichts, er kam nicht am andern Tag wie Epernon und sagte zu mir: Sire, dafür daß ich dem König das Leben gerettet.«
»Oh! was das betrifft, hierzu war er unfähig; überdies können seine Hände nicht in Eure Taschen hinein.«
»Chicot, keine Scherze, über Dom Modeste, es ist einer der größten Männer, welche meine Regierung verherrlichen werden, und ich erkläre Dir, daß ich ihm bei der ersten Gelegenheit ein Bisthum geben lasse.«
»Und daran wirst Du wohl thun, mein König.«
»Bemerke Eines, Chicot,« sprach der König, indem er seine tiefe Miene annahm, »die Leute der Elite, wenn sie aus den Reihen den Volkes hervorgehen, sind vollkommen; wir Edelleute, siehst Du, wir empfangen in unserem Blut gewisse Racetugenden und Racelaster, welche geschichtliche Specialitäten aus uns machen. So sind die Valois fein, scharfsichtig, brav, aber träge; die Lothringer sind ehrsüchtig und geizig, mit Ideen der Intrigue, der Bewegung; die Bourbonen sind sinnlich und vorsichtig, aber ohne Ideen, ohne Kraft; ohne Willen; sieh nur Heinrich. Wenn die Natur dagegen einen im Nichts geborenen Menschen knetet, so wendet sie nur ihren feinsten Thon an; so ist Dein Gorenflot vollkommen.«
»Findest Du?«
»Ja, gelehrt, bescheiden, schlau, muthig; man kann aus ihm Alles machen, was man will, einen Minister, einen Feldherrn, einen Papst.«
»Halt, halt, Sire,« erwiederte Chicot: »wenn Euch der brave Mann hörte, so würde er vor Hochmuth bersten, denn er ist sehr hochmüthig, der Prior Dom Modeste, was Ihr auch sagen möget.«
»Du bist eifersüchtig auf ihn, Chicot!«
»Ich? Gott behüte mich; die Eifersucht! pfui, welch eine gemeine Leidenschaft!«
»Oh! ich bin gerecht, der Adel des Blutes verblendet mich nicht; stemmata, quid faciunt?«
»Bravo! und Du sagtest also, mein König, Du wärest beinahe ermordet worden?«
»Ja.«
»Durch wen?«
»Durch die Ligue, bei Gott.«
»Wie befindet sie sich, die Ligue?«
»Immer gleich.«
»Das heißt immer besser; sie wird fett, Henriquet, sie wird fett.«
»Oh! oh! die politischen Körper, welche zu früh fett werden, leben nicht lang, es ist wie bei den Kindern, Chicot.«
»Du bist also zufrieden, mein Sohn?«
»Allerdings.«
»Du findest Dich im Paradies?«
»Ja, Chicot, diesen Morgen, und es gewährt mir ein großen Vergnügen, Dich mitten in meiner Freude kommen zu sehen, denn ich erschaue in Dir einen Zuwachs derselben.«
»Habemus consulem factum, wie Cato sagte.«
»Nicht wahr, Du bringst gute Nachrichten, mein Kind?«
»Ich glaube wohl.«
»Und Du läßt mich schmachten, Du Leckermaul?«
»Wo soll ich anfangen, mein König.«
»Ich habe Dir schon gesagt, beim Anfang, aber Du schweifst immer wieder ab.«
»Soll ich von meiner Abreise ausgehen?«
»Nein, Deine Reise war vortrefflich, wie Du mir sagtest, nicht wahr?«
»Du siehst wohl, daß ich ganz zurückkehre, wie mir scheint.«
»Ja, erzähle mir also von Deiner Ankunft in Navarra.«
»Gut.«
»Was trieb Heinrich, als Du ankamst?«
»Liebe.«
»Mit Margot?«
»Oh! nein.«
»Das hätte mich gewundert; er ist also seiner Frau immer noch untreu, der Ruchlose, untreu einer Tochter von Frankreich; zum Glück gibt sie es ihm zurück. Und wer war die Nebenbuhlerin von Margot bei Deiner Ankunft.«
»Fosseuse.«
»Eine Montmorency. Ah! das ist nicht schlecht für diesen Bären von Bearn. Man sprach hier von einer Bauerndirne, von einem Gärtnermädchen, von einer Bürgerstochter.«
»Oh! das ist Alles alt.«
»Margot ist also betrogen?«
»So viel, als es eine Frau sein kann.«
»Und sie ist wüthend darüber?«
»Ganz toll.«
»Und sie rächt sich?«
»Ich glaube wohl.«
Heinrich rieb sich die Hände mit unsäglicher Freude.
»Was wird sie machen?« rief er lachend: »wird sie Himmel und Erde in Bewegung setzen, Spanien auf Navarra, Artois und Flandern auf Spanien werfen? Wird sie ein wenig ihren kleinen Bruder Henriquet gegen ihren kleinen Gatten Henriot zu Hilfe rufen?«
»Es ist wohl möglich.«
»Du hast sie gesehen?«
»Ja.«
»Und was that sie in dem Augenblick, wo Du sie verließest?«
»Oh! das würdest Du nicht errathen.«
»Sie schickte sich an, einen andern Liebhaber zu nehmen?«
»Sie schickte sich an, weise Frau zu werden.«
»Wie! was soll diese Phrase, oder vielmehr diese antifranzösische Wortversetzung bedeuten? Es ist eine Zweideutigkeit, Chicot, hüte Dich vor Zweideutigkeiten.«
»Nein, mein König, nein. Pest! wir sind ein wenig zu sehr Grammatiker, um Zweideutigkeiten zu machen, zu zart, um ungereimtes Zeug zu schwatzen, und zu wahrheitsliebend, um dem Worte weise durch Umdrehung eine andere Bedeutung zu geben! Nein, nein, mein König, ich wollte weise Frau im gewerblichen Sinne sagen.18
»Obstetrix?«
»Obstetrix, ja, mein König; Juno Lucina, wenn Du lieber willst.«
»Herr Chicot!«
»Oh! rolle Deine Augen, so lange es Dir beliebt; ich sage, daß Deine Schwester, als ich abreiste, im Begriff war, eine Entbindung vorzunehmen.«
»Für eigene Rechnung?« rief Heinrich erbleichend; »sollte Margot Kinder haben?«
»Nein, für Rechnung ihren Gemahls; Du weißt wohl, daß die letzten Valois die Tugend der Fruchtbarkeit nicht besitzen. Pest! das ist nicht wie bei den Bourbonen.«
»Margot accouchirt also im Activum?«
»Im vollständigsten Activum.«
»Wen accouchirt sie?«
»Fräulein Fosseuse.«
»Meiner Treue, das begreife ich nicht,« sagte der König.
»Ich auch nicht,« erwiederte Chicot; »doch ich habe mich nicht anheischig gemacht, Dir Licht in der Sache zu geben, ich habe mich nur anheischig gemacht, Dir zu sagen, wie die Dinge stehen.«
»Vielleicht hat sie nur ihre Person vertheidigend zu dieser Demüthigung eingewilligt.«
»Sicherlich hat ein Kampf stattgefunden; doch sobald ein Kampf stattfand, war der eine oder der andere Theil der unterliegende; sieh das Beispiel von Hercules mit Anteus, sieh Jacob mit dem Engel, nun! Deine Schwester war minder stark als Heinrich, das ist es nur.«
»In der That, das freut mich.«
»Schlechter Bruder.«
»Sie müssen sich gegenseitig verwünschen?«
»Ich glaube, daß sie sich im Grunde nicht anbeten.«
»Aber scheinbar?«
»Sind sie die besten Freunde der Welt.«
»Ja; doch an einem schönen Morgen wird sie eine neue Liebe völlig entzweien.«
»Diese neue Liebe ist gekommen, Heinrich.«
»Bah!«
»Bei meiner Ehre; doch soll ich Dir sagen, was ich befürchte?«
»Sprich.«
»Ich befürchte, diese neue Liebe wird sie versöhnen, statt sie zu entzweien.«
»Es besteht also eine neue Liebe?«
»Ei! mein Gott, ja.«
»Des Bearners?«
»Des Bearners.«
»Für wen?«
»Warte doch; nicht wahr, Du willst Alles wissend?«
»Ja, erzähle, Chicot, Du erzählst sehr gut.«
»Ich danke, mein Sohn, wenn Du Alles wissen willst, muß ich zum Anfang zurückgehen.«
»Gehe zurück, doch sprich geschwinde.«
»Du hattest einen harten Brief an den Bearner geschrieben.«
»Woher weißt Du das?«
»Bei Gott! ich habe ihn gelesen.«
»Was sagst Du dazu?«
»War er nicht zart in seinem Verfahren, so war er doch wenigstens schlau seiner Sprache nach.«
»Er sollte sie entzweien.«
»Ja, wenn Heinrich und Margot gewöhnliche Gatten, bürgerliche Eheleute gewesen wären.«
»Was willst Du damit sagen?«
»Ich will damit sagen, daß der Bearner nicht dumm war.«
»Oh!«
»Und daß er errathen hat.«
»Was errathen?«
»Du wollest ihn mit seiner Frau entzweien.«
»Das war klar.«
»Ja, aber minder klar war der Zweck, in dem Du sie entzweien wolltest.«
»Ah! Teufel, der Zweck.«
»Ja, dieser verdammte Bearner ließ sich einfallen zu glauben, Da hättest, indem Du ihn mit seiner Frau entzweitest, keinen andern Zweck als den, Deiner Schwester die Mitgift, die Du ihr schuldig bist, nicht zu bezahlen.«
»Oho!«
»Mein Gott, ja, das setzte sich dieser Teufels-Bearner in den Kopf.«
»Fahre fort, Chicot, fahre fort,« rief der König allmälig düster werdend.
»Nun wohl, kaum hatte er dies errathen, als er wurde, was Du in diesem Augenblick wirst, traurig und schwermüthig.«
»Weiter Chicot, weiter.«
»Das entzog ihn dann seiner Zerstreuung, und er liebte die Fosseuse beinahe nicht mehr.«