Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 51
Er sah Anfangs durch den Spalt eines Vorhangs Ernauton hin und hergehen, der voll Ungeduld zu warten schien.
Dann sah er die Sänfte zurückkehren, Mayneville wegreiten und endlich die Herzogin in das Zimmer treten, wo Ernauton mehr zitterte als athmete.
Ernauton kniete vor der Herzogin nieder, die ihm ihre weiße Hand zu küssen gab.
Dann hob die Herzogin den jungen Mann auf und ließ ihn sich gegenüber an eine zierlich bestellte Tafel sitzen.
»Das ist sonderbar,« sagte Chicot, »das fing wie eine Verschwörung an und endigt wie ein Liebesrendez-vous. – Ja,« fuhr Chicot fort, »doch wer hat dieses Liebesrendez-vous gegeben? – Frau von Montpensier.«
Dann sich durch ein neues Licht erleuchtend, murmelte er:
»Hoho! – Liebe Schwester, ich billige Euren Plan in Beziehung auf die Fünf und Vierzig, nur erlaubt mir, Euch zu sagen, daß Ihr diesen Burschen viel Ehre erweist.«
»Alle Wetter!« rief Chicot, »ich komme auf meinen ersten Gedanken zurück; es ist nicht Liebe, es ist eine Verschwörung. Die Frau Herzogin von Montpensier liebt Herrn Ernauton von Carmainges; überwachen wir die Liebschaft der Frau Herzogin.«
Chicot wachte bis um halb ein Uhr, zu welcher Stunde Ernauton, den Mantel auf der Nase, weglief, während die Frau Herzogin von Montpensier wieder in ihre Sänfte stieg.
»Was ist nun,« murmelte Chicot, indem er seine Treppe hinabging, »was ist nun die Chance eines Todes, welche den Herzog von Guise von dem muthmaßlichen Thronerben befreien soll? Wer sind die Leute, die man für todt hielt, und die noch leben? – Alle Wetter! ich könnte wohl auf der Spur sein.«
Siebzehntes Kapitel
Der Cardinal von Joyeuse
Die Jugend hat gewisse Hartnäckigkeiten im Bösen wie im Guten, welche der Festigkeit der Entschlüsse eines reiferen Alters das Gleichgewicht halten. Zu dem Guten hingezogen, bringen solche Hartnäckigkeiten große Handlungen hervor und verleihen dem Menschen, der im Leben auftritt, eine Bewegung, die ihn auf einem natürlichen Abhang zu irgend einem Heroismus führt.
So wurden Bayard und Duguesclin große Feldherrn, nachdem sie die wunderlichsten und halsstarrigsten Kinder gewesen waren, die man je gesehen hatte; so wurde der Schweinehüter, den die Natur zum Hirten von Montalto gemacht hatte und den sein Genie zu Sixtus V. machte, ein großer Papst, weil er hartnäckig sein Geschäft als Schweinehirt schlecht betrieb.
So entwickelten sich die schlimmsten spartanischen Naturen im Sinne des Heroismus, nachdem sie durch Halsstarrigkeit im Leugnen und durch Grausamkeit begonnen hatten.
Wir haben hier nur das Portrait eines gewöhnlichen Menschen zu entwerfen; obgleich mehr als ein Biograph in Henri Du Bouchage in seinem zwanzigsten Jahre den Stoff zu einem großen Mann gefunden hatte.
Henri war hartnäckig in seiner Liebe und in seiner Weltentsagung; wie es sein Bruder von ihm verlangt, wie es der König gefordert, blieb er einige Tage allein, mit seinem ewigen Gedanken; und als sein Gedanke immer unerschütterlicher geworden war, entschloß er sich eines Morgens, seinen Bruder, den Cardinal, zu besuchen, einen wichtigen Mann, der mit sechs und zwanzig Jahren schon seit zwei Jahren Cardinal und vom Erzbisthum Narbonne zum höchsten Grade kirchlicher Größe durch den Adel seines Geschlechts und durch die Macht seines Geistes übergegangen war.
Franz von Joyeuse, den wir schon in Scene gebracht haben, um den Zweifel von Heinrich von Valois in Beziehung auf Sylla aufzuklären, Franz von Joyeuse, jung und weltlich, schön und geistreich, war einer der merkwürdigsten Männer seiner Zeit. Ehrgeizig von Natur, aber vorsichtig aus Berechnung und in Folge seiner Stellung, konnte Franz von Joyeuse als Wahlspruche »Nichts ist zu viel« annehmen und diesen seinen Wahlspruch rechtfertigen.
Allein vielleicht von allen Hofleuten, und Franz von Joyeuse war Hofmann, hatte sich Franz von Joyeuse zwei Stützen aus zwei Thronen, einem religiösen und einem weltlichen, gemacht, von denen er als französischer Edelmann und als Kirchenfürst abhing. Sixtus beschützte ihn gegen Heinrich III. und Heinrich III. beschützte ihn gegen Sixtus. Er war Italiener in Paris, Pariser in Rom, prächtig und gewandt überall.
Das Schwert von Joyeuse, dem Großadmiral, allein gab dem letzteren mehr Gewicht in der Wagschaale; doch man sah an einem gewissen Lächeln, des Cardinals, daß er, wenn ihm auch die gewichtigen weltlichen Waffen fehlten, die der Arm seines Bruders so gut handhabte, die ihm von dem obersten Haupte der Kirche anvertrauten geistlichen Waffen zu brauchen und sogar zu mißbrauchen wußte.
Der Cardinal Franz von Joyeuse war schnell reich geworden, reich durch sein eigenes Erbe zuerst und sodann durch seine verschiedenen Pfründen. In jener Zeit besaß die Kirche, und sie besaß sogar viel, und wenn ihre Schätze erschöpft waren, so kannte sie die heute vertrockneten Quellen, um sie zu erneuern.
Franz von Joyeuse führte ein prachtvolles Leben. Seinem Bruder den Stolz des militärischen Hauses überlassend, füllte er seine Vorzimmer mit Pfarrern, Bischöfen und Erzbischöfen; er hatte seine Specialität. Einmal Cardinal, nahm er, da er Kirchenfürst war und folglich über seinem Bruder stand, Pagen nach der italienischen Mode und Leibwachen nach der französischer an. Doch diese Leibwachen und diese Pagen waren für ihn ein nur noch größeres Mittel der Freiheit. Oft umgab er mit Leibwachen und Pagen eine große Sänfte, durch deren Vorhänge sein Geheimschreiber seine behandschuhten Finger schauen ließ, während er selbst, verkleidet durch eine Perücke, einen ungeheuren Halskragen und Reiterstiefel, deren Geräusch sein Herz erquickte, in der Stadt umher ritt.
Der Cardinal genoß ein großes Ansehen, denn auf gewissen Höhen wird das menschliche Glück zu absorbiren genötigt, als ob es nur aus hakenförmigen Atomen bestände, jedes andere Glück, sich mit ihm wie Sateliten zu verbinden, und aus diesem Grunde warfen auf ihn der reiche Namen seines Vaters, die neue und unerhörte Erhebung seines Bruders Anne ihren ganzen Glanz. Ueberdies war er, als ob er ängstlich die Vorschrift, sein Leben zu verbergen und seinen Geist zu verbreiten, befolgt hätte, nur von seinen schönen Seiten bekannt, und in seiner Familie sogar galt er für einen sehr großen Mann, ein Glück, das nicht viele mit Ruhm beladene und von einer ganzen Nation gekrönte Kaiser gehabt haben.
Zu diesem Prälaten flüchtete sich der Graf Du Bouchage, nach seiner Erklärung mit seinem Bruder, nach seiner Unterredung mit dem König von Frankreich. Nur ließ er, wie gesagt, einige Tage vergehen, ehe er der Ermahnung seines älteren Bruders und seines Königs gehorchte.
Franz bewohnte ein schönes Haus in der Cité. Der ungeheure Hof dieses Hauses wurde nie leer von Reitern und Sänften; doch der Prälat, dessen Garten an das Ufer des Flusses grenzte, ließ seine Höfe seine Vorzimmer sich mit Höflingen füllen; und da er eine Ausgangsthüre nach dem Ufer hatte, und ein Schiff, das ihn geräuschlos so fern und so sanft, als es ihm beliebte, wegführte, so geschah es oft, daß man vergebens den Prälaten erwartete, dem eine ernste Unpäßlichkeit oder eine strenge Pönitenz zum Vorwand diente, um nicht zu empfangen. Dies war abermals Italien im Schooße der guten Stadt des Königs von Frankreich, es war Venedig zwischen den zwei Armen der Seine.
Franz war stolz, aber keines Wegs eitel; er liebte seine Freunde wie Brüder, und seine Brüder beinahe ebenso sehr als seine Freunde. Fünf Jahre älter als Du Bouchage, sparte er für diesen weder die guten, noch die schlimmen Rathschläge, weder die Börse, noch das Lächeln.
Doch da er das Cardinalsgewand vortrefflich trug, so fand ihn Du Bouchage schön, edel, beinahe furchtbar, so daß er ihn vielleicht mehr verehrte, als den älteren Bruder von Beiden. Unter seinem schönen Panzer und unter den Treffen des blühenden Militär, vertraute Henri zitternd Anne seine Liebe, die er Franz zu beichten nicht gewagt hätte.
Als er sich jedoch nach dem Hotel des Cardinal wandte, war sein Entschluß gefaßt; er wollte zuerst offenherzig zum Beichtiger, und dann zum Freund sprechen.
Er trat in den Hof, aus welchem in demselben Augenblick mehrere Edelleute, müde, sich vergebens die Gunst einer Audienz erbeten zu haben, herauskamen.
Er durchschritt die Vorzimmer, die Säle, die Wohnzimmer. Man hatte ihm wie den Andern gesagt, sein Bruder habe eine Conferenz, doch keinem Bedienten wäre der Gedanke gekommen, eine Thüre vor Du Bouchage zu schließen.
Du Bouchage durchschritt also alle Wohnzimmer und gelangte in den Garten, einen wahren römischen Prälatengarten mit Schatten, Frische und Wohlgerüchen, wie man es heut zu Tage bei der Villa Pamphili oder bei dem Palazzo Borghese findet.
Henri blieb unter einer Baumgruppe stehen; in diesem Augenblick drehte sich das Gitter, das nach dem Ufern des Flusses ging, auf seinen Angeln, und ein Mann trat ein, verborgen unter einem großen braunen Mantel und gefolgt von einem Pagen. Dieser Mann erblickte Henri, der zu sehr in seinen Traum vertieft war, um an ihn zu denken, schlüpfte zwischen den Bäumen durch, und vermied es, von Du Bouchage oder von irgend Jemand gesehen zu werden.
Henri schenkte diesem geheimnißvollen Eintritt keine Aufmerksamkeit, und erst als er sich umwandte, sah er den Mann in den Wohngemächern verschwinden.
Nachdem er zehn Minuten gewartet, trat er ebenfalls hier ein, befragte einen Bedienten, um genau zu erfahren, zu welcher Stunde sein Bruder sichtbar wäre, als ein Lackei, der ihn wohl suchte, auf ihn zutrat, und ihn bat, sich in den Büchersaal begeben zu wollen, wo ihn der Cardinal erwartete.
Henri folgte langsam dieser Einladung, denn er ahnete, einen neuen Kampf: er fand seinen Bruder, den Cardinal, dem ein Kammerdiener ein vielleicht etwas weltliches, aber elegantes besonders bequemes Prälatengewand anzog.
»Guten Morgen, Graf,« sagte der Cardinal, »was für Neuigkeiten bringt Ihr mir, mein Bruder?«
»Vortreffliche Neuigkeiten, was unsere Familie betrifft,« erwiederte Henri. »Anne hat sich, wie Ihr wißt, bei dem Rückzug von Antwerpen mit Ruhm bedeckt und lebt.«
»Und Ihr seid, Gott sei Dank, auch gesund und unversehrt, Henri.?«
»Ja, mein Bruder.«
»Ihr seht,« sprach der Cardinal, »Gott hat seine Absichten mit uns.«
»Mein Bruder, ich bin Gott so dankbar, daß ich den Entschluß gefaßt habe, mich seinem Dienste zu weihen; ich komme daher, um mit Euch ernstlich über diesen Entschluß zu sprechen, der mir reif zu sein scheint, und von dem ich Euch schon ein paar Worte gesagt habe.«
»Ihr denkt immer noch hieran, Du Bouchage?« versetzte der Cardinal, dem zugleich ein leichter Ausruf entschlüpfte, welcher andeutete, Joyeuse würde einen Kampf durchzumachen haben.
»Immer noch, mein Bruder.«
»Das ist aber unmöglich, Henri,« erwiederte der Cardinal, »hat man Euch das nicht schon gesagt?«
»Ich habe nicht auf das gehört, was man mir gesagt, weil eine stärkere Stimme, die in meinem Innern spricht, mich verhindert, irgend ein Wort zu hören, das mich Gott abspänstig machen würde.«
»Mein Bruder,« sagte der Cardinal mit dem ernstesten Tone, »Ihr seid nicht unwissend genug in weltlichen Dingen, um zu glauben, diese Stimme sei wirklich die des Herrn; es ist im Gegentheil, und ich würde es bestätigen, ein ganz weltliches Gefühl, das zu Euch spricht. Gott hat nichts mit dieser Angelegenheit zu schaffen, mißbraucht also nicht seinen heiligen Namen und vermengt besonders nicht die Stimme des Himmels mit der der Erde.«
»Ich vermenge nicht, mein Bruder, ich will nur sagen, etwas Unwiderstehliches ziehe mich zur Einsamkeit und Abgeschiedenheit hin.«
»Ah! so ist es gut, Henri, wir kehren zu dem wahren Worte zurück. Nun wohl, mein Lieber, höret, was zu thun ist, ich will das, was Ihr sagt, berücksichtigend, Euch zum glücklichen Menschen machten.«
»Dank, o Dank, mein Bruder!«
»Höret mich also, Henri Ihr müßt Geld, zwei Stallmeister nehmen und durch ganz Europa reisen, wie es sich für einen Sohn des Hauses, dem wir angehören, ziemt; Ihr werdet ferne Länder sehen, die Tartarei, Rußland sogar, die Lappländer, diese fabelhaften Völker, welche die Sonne nie besucht; Ihr werdet Euch in Eure Gedanken begraben, bis der verzehrende Keim, der in Euch arbeitet, erstickt oder gesättigt ist… Dann werdet, Ihr zu uns zurückkehren.«
Henri, der sich gesetzt hatte, stand ernster auf, als es sein Bruder gewesen war.
»Ihr habt mich nicht verstanden, Monseigneur,« sprach er.
»Verzeiht, Henri, sagtet Ihr nicht Einsamkeit und Abgeschiedenheit?«
»Ja, ich habe das gesagt, doch unter Einsamkeit und Abgeschiedenheit verstand ich das Kloster, mein Bruder; reisen heißt immer noch das Leben genießen, und ich will beinahe den Tod erdulden und, wenn ich ihn nicht erdulde, wenigstens kosten.«
»Erlaubt mir, Euch zu sagen, Henri, daß dies ein alberner Gedanke ist, denn am Ende ist Jeder, der sich absondern will, überall allein. Doch es sei, das Kloster… Nun! ich begreife, daß Ihr zu mir gekommen seid, um mit mir über diesen Plan zu sprechen. Ich kenne sehr gelehrte Benedictiner, sehr geistreiche Augustiner, deren Häuser heiter, blühend, sanft bequem sind. Unter den Arbeiten der Wissenschaft oder der Künste werdet Ihr ein reizendes Jahr in guter Gesellschaft zubringen, was von Wichtigkeit ist, denn man muß in dieser Welt nicht schmutzig werden, und wenn Ihr nach Verlauf dieses Jahres auf Eurem Vorhaben beharrt, nun, mein lieber Henri, so werde ich keinen Widerstand leisten und Euch selbst die Pforte öffnen, die Euch sanft zum ewigen Heile führen soll.«
»Ihr versteht mich offenbar nicht, mein Bruder,« erwiederte Du Bouchage den Kopf schüttelnd, »oder Euer edler Geist will mich vielmehr nicht verstehen; es ist nicht ein heiterer Aufenthalt, eine liebliche Abgeschiedenheit, was ich haben will, sondern eine strenge, schwarze, todte, klösterliche Abgeschlossenheit; es ist meine feste Absicht, mein Gelübde abzulegen, ein Gelübde, das mir als jede Zerstreuung nur ein Grab zu graben, ein langes Gebet zu sprechen übrig läßt.«
Der Cardinal faltete die Stirne und stand von seinem Stuhle auf.
»Ja,« sagte er, »ich hatte Euch vollkommenen verstanden und versuchte es, durch meinen Widerstand ohne Phrasen und ohne Dialektik die Thorheit Eurer Entschlüsse zu bekämpfen; doch Ihr zwingt mich dazu, hört mich also.«
»Ah! mein Bruder,« sprach Henri niedergeschlagen, »versucht es nicht, mich zu überzeugen, das ist unmöglich.«
»Mein Bruder, ich werde zu Euch zuerst im Namen Gottes sprechen, des Gottes, welchen Ihr beleidigt, indem Ihr sagt, dieser ungestüme Entschluß komme von ihm: Gott nimmt keine unüberlegten Opfer an. Ihr seid schwach, da Ihr Euch von dem ersten Schmerz niederbeugen laßt; wie sollte Euch Gott für ein beinahe unwürdiges Opfer, das Ihr ihm bietet, Dank wissen.«
Henri machte eine Bewegung.
»Oh! ich will Euch nicht mehr länger schonen, mein Bruder, Euch, der Ihr keinen von uns schont,« sprach der Cardinal, »Euch, der Ihr den Kummer vergeßt, den Ihr unserem Vater, unserem älteren Bruder, mir bereiten werdet.«
»Verzeiht,« unterbrach ihn Henri, dessen Wangen sich mit Röthe bedeckten, »verzeiht, Monseigneur, ist denn der Dienst Gottes eine so düstere, eine so entehrende Laufbahn, daß eine ganze Familie darüber Trauer anlegt? Ihr, mein Bruder, dessen Portrait ich in diesem Zimmer mit Gold, mit Diamanten, mit Purpur erblicke, seid Ihr nicht die Ehre die Freude unseres Hauses, obgleich Ihr den Dienst Gottes gewählt habt, wie mein ältester Bruder den der Könige der Erde wählte?«
»Kind! Kind!« rief der Cardinal voll Ungeduld, »Ihr werdet mich glauben machen, Euer Kopf habe sich verdreht. Wie! Ihr wollt mein Haus mit einem Kloster vergleichen; meine hundert Diener, meine Jäger, meine Edelleute und meine Leibwache mit der Zelle und dem Besen, was die einzigen Wappen und der einzige Reichthum des Klosters sind! Seid Ihr wahnsinnig? Habt Ihr nicht so eben gesagt, Ihr verwerft den Ueberfluß, der für mich eine Nothwendigkeit ist, die Gemälde, die kostbaren Gefäße, das Gepränge und das Geräusch? Habt Ihr wie ich den Wunsch und die Hoffnung, auf Eure Stirne die Tiara des heiligen Petrus zu setzen! Das ist eine Laufbahn, Henri, dabei strengt man sich an, kämpft man, lebt man; doch Ihr, Ihr wollt die Schaufel des Erdarbeiters, den Spaten des Trapisten, das Grab des Todtengräbers; keine Lust, keine Freude, keine Hoffnung mehr! Und dies Alles, ich erröthe für Euch, der Ihr ein Mann seid, dies Alles, weil Ihr eine Frau liebt, die Euch nicht liebt. In der That, Henri, Ihr thut Eurem Geschlechte Eintrag.«
»Mein Bruder!« rief der junge Mann, bleich und die Augen flammend von einem düsteren Feuer, »wollt Ihr lieber, daß ich mir den Schädel durch einen Pistolenschuß zerschmettern oder die Ehre, einen Degen zu tragen, der ich theilhaftig bin, dazu benutze, daß ich ihn mir durch das Herz stoße? Bei Gott! Monseigneur, Ihr, der Ihr Cardinal und Fürst seid, gebt mir die Absolution für diese Todsünde, und die Sache soll so schnell abgemacht sein, daß Ihr nicht einmal Zeit haben werdet, den häßlichen, unwürdigen Gedanken zu vollenden, den Gedanken, ich entehre mein Geschlecht, was, Gott sei Dank, ein Joyeuse nie thun wird.«
»Auf! auf, Henri!« sprach der Cardinal, indem er seinen Bruder an sich zog und in seinen Armen festhielt, »auf, theures, von Allen geliebtes Kind, vergiß und sei milde gegen diejenigen, welche Dich lieben. Ich bitte Dich als Selbstsüchtiger, höre, wir sind, was selten hienieden vorkommt, Alle glücklich, die einen durch den befriedigten Ehrgeiz, die anderen durch Segnungen aller Art, welche Gott in unserem Dasein erblühen läßt; wirf also nicht, ich flehe Dich an, Henri, das tödtliche Gift der Abgeschiedenheit auf die Freuden Deiner Familie; bedenke, daß unser Vater weinen wird; bedenke, daß wir Alle auf der Stirne den schwarzen Fleck der Trauer tragen werden, die Du uns verursachst. Ich beschwöre Dich, Henri, laß Dich erweichen; das Kloster taugt nicht für Dich. Ich sage nicht, Du werdest dort sterben, denn Du würdest mir hierauf durch ein leider zu verständliches Lächeln antworten, Unglücklicher; nein, ich sage Dir, daß das Kloster unseliger ist als das Grab: das Grab löscht nur das Leben aus, das Kloster löscht den Geist aus; das Kloster beugt die Stirne, statt sie zum Himmel zu erheben, die Feuchtigkeit der Gewölbe geht allmälig in das Blut über und dringt bis in das Mark der Gebeine, um aus dem Eingeschlossenen eine Granitbildsäule mehr in seinem Kloster zu machen. Mein Bruder, mein Bruder, nimm Dich in Acht, wir haben nur wenige Jahre, wir haben nur eine Jugend… Die Jahre der schönen Jugend werden auch vorübergehen, denn Du stehst unter der Herrschaft eines großen Schmerzes, doch mit dreißig Jahren wirst Du Mann werden, der Saft der Reife wird kommen; er wird den Rest des abgenutzten Schmerzes mit fortnehmen, und dann wirst Du wieder aufleben wollen; doch dann wird es zu spät sein, Du wirst trübselig, häßlich, schwächlich sein, Dein Herz wird keine Flamme, Dein Auge wird keine Funken mehr haben; diejenigen, welche Du suchen wirst, werden Dich fliehen wie ein übertünchtes Grab, dessen schwarze Tiefe jeder Blick fürchtet. Henri, ich spreche freundschaftlich, vernünftig mit Dir, höre mich.«
Der junge Mann blieb unbeweglich und schweigsam; der Cardinal hoffte ihn erweicht, in seinem Entschluß erschüttert zu haben.
»Versuche ein anderes Mittel, Henri,« sprach er, »trage den vergifteten Pfeil, den Du in Deinem Herzen schleppst, überallhin, in das Geräusch der Welt, zu den Festen, setze Dich mit ihm zu unsern Gelagen; ahme das verwundete Wildkalb nach, das durch Gebüsch und Gehölze zieht und es so versucht, aus seiner Seite den Pfeil zu reißen, der von den Lefzen seiner Wunde festgehalten wird; zuweilen fällt der Pfeil irgendwo.«
»Mein Bruder, habt Mitleid, dringt nicht länger in mich,« sprach Henri, »was ich mir von Euch erbitte, ist nicht die Laune eines Augenblicks, der Entschluß einer Stunde, es ist die Frucht einer langsamen, schmerzlichen Ueberlegung. Mein Bruder, im Namen des Himmels beschwöre ich Euch, mir die Gnade zu bewilligen, um die ich Euch bitte.«
»Nun! was verlangst Du von mir?«
»Eine Dispensation, Monseigneur?«
»Wozu?«
»Um mein Noviciat abzukürzen.«
»Ah! ich wußte es wohl, Du Bouchage, Du bist weltlich bis in Deinen Rigorismus, armer Freund, Oh! ich weiß, welchen Grund Du mir angeben wirst. Oh! ja, Du bist ein Mensch unserer Welt, Du gleichst jenen jungen Leuten, die sich zu Freiwilligen machen, wohl Feuer, Kugeln, Schwertstreiche wollen, aber sich vor der Arbeit der Laufgräben und dem Kehren der Zelte fürchten. Da gibt es Mittel, Henri, desto besser, desto besser!«
»Die Dispensation, mein Bruder, die Dispensation, auf den Knieen flehe ich Euch darum an.«
»Ich verspreche sie Dir, ich werde nach Rom schreiben. Es braucht einen Monat, bis die Antwort ankommt; doch dagegen versprich mir Eines.«
»Was?«
»Während dieses Monats des Wartens schlage keines von den Vergnügen aus, die sich Dir bieten werden; und wenn Du in einem Monat noch auf Deinem Plane beharrst, so werde ich Dir eigenhändig die Dispensation übergeben. Bist Du nun zufrieden, und hast Du nichts mehr zu verlangen?«
»Nein, mein Bruder, ich danke; doch ein Monat ist so lang, und die Fristen tödten mich.«
»Mein Bruder, wäre es Euch mittlerweile, und um mit Eurer Zerstreuung zu beginnen, gefällig, mit mir zu frühstücken? Ich habe gute Gesellschaft diesen Morgen.«
Und der Prälat lächelte mit einer Miene, um die ihn der weltlichste der Günstlinge von Heinrich III. beneidet hätte.
»Mein Bruder…« erwiederte Du Bouchage sich sträubend.
»Ich nehme keine Entschuldigung an, Ihr habt nur mich hier, da Ihr erst von Flandern kommt, und da, Euer Haus noch nicht eingerichtet sein kann.«
Bei diesen Worten stand der Cardinal auf, zog an einem Thürvorhang, der ein großes, kostbar meublirtes Cabinet schloß, und rief:
»Kommt, Gräfin, und überredet mit mir den Grafen Du Bouchage, bei uns zu bleiben.«
Doch in dem Augenblick, wo der Cardinal den Thürvorhang aufhob, erblickte Henri halb auf Polstern liegend den Pagen, der mit dem Edelmann durch das Gitter am Ufer des Flußes eingetreten war, und in diesem Pagen erkannte er, noch ehe der Prälat sein Geschlecht bezeichnet hatte, eine Frau…
Etwas wie ein plötzlicher Schrecken, eine unüberwindliche Angst erfaßte ihn, und während der weltliche Cardinal in das Cabinet ging, um den schönen Pagen an der Hand herbeizuholen, stürzte Henri Du Bouchage hinaus, so daß das Zimmer völlig leer war, als Franz die in der Hoffnung, ein Herz zur Welt zurückzubringen, lächelnde Dame einführte.
Franz faltete die Stirne, setzte sich an einen mit Papieren und Briefen überladenen Tisch, schrieb hastig ein paar Zeilen und sagte zu dem Pagen:
»Wollt gefälligst läuten, liebe Gräfin, Ihr habt die Glocke bei der Hand.«
Der Page gehorchte.
Ein Kammerdiener erschien.
»Ein Courier steige sogleich zu Pferde und bringe diesen Brief dem Herrn Großadmiral nach Château-Thierry.«