Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 8
»Wenn Ihr diese Dinge nicht wißt, Ihr, die Ihr hier lebt, wie sollten wir sie wissen, die in Lothringen leben und unsere ganze Zeit damit hinbringen, Daß wir auf den Straßen umherlaufen, um die zwei Enden des Kreises, den man die Union nennt, zu vereinigen.
»Und wie kamen diese Leute?«
»Die Einen zu Fuß, die Andern zu Pferde, die Einen allein, die Andern mit Lackeien.«
»Sind es Leute des Königs?«
»Drei oder vier sahen aus wie Bettler.«-
»Sind es Kriegsleute?«
»Sie hatten zu sechs nur zwei Degen.«
»Es sind Fremde.«
»Ich halte sie für Gascogner.«
»Oh!« machten einige Stimmen mit dem Ausdruck der Verachtung.«
»Gleichviel,« sprach Bussy, »sie müssen unsere Aufmerksamkeit erregen, und wenn es Türken wären. Man wird sich nach ihnen erkundigen: Herr Poulain, das ist Eure Sache. Doch dies Alles sagt uns nichts über die Angelegenheiten der Ligue.«
»Es ist ein neuer Plan im Werke,« erwiederte Mayneville. »Ihr werdet morgen erfahren, daß Salcède, der uns schon verrathen hatte und uns noch mehr verrathen sollte, nicht nur nicht gesprochen, sondern sogar auf dem Schaffot auf Veranlassung der Herzogin zurückgenommen hat, welche, im Gefolge von einem jener Kartenträger durch das Thor gelangt, den Muth hatte, bis zum Blutgerüste vorzudringen, auf die Gefahr tausendmal erdrückt, und sich dem Verurtheilten zu zeigen, auf die Gefahr, erkannt zu werden. In diesem Augenblick hielt Salcède in seiner Versuchung zu gestehen an; einen Augenblick nachher hemmte ihn unser braver Henker in seiner Reue. Ihr habt also nichts von Seiten unserer Unternehmungen in Flandern zu befürchten. Das furchtbare Geheimniß ist in ein Grab hinabgerollt.«
Diese letzte Phrase näherte die Liguisten Herrn von Mayneville.
Briquet errieth ihre Freude aus ihren Bewegungen.
Diese Freude beunruhigte ungemein den würdigen Bürger, welcher plötzlich einen Entschluß zu fassen schien.
Er ließ sich oben von seinem Trichter auf das Pflaster des Hofes hinabgleiten und wandte sich nach dem Thore wo ihm der Pförtner auf den Ausspruch der zwei Worte Lothringen und Parma, Ausgang gewährte.
Sobald Meister Robert Briquet auf der Straße war, athmete er so geräuschvoll, daß man begriff, er habe seit langer Zeit den Athem zurückgehalten.
Die Berathung dauerte immer noch fort; die Geschichte lehrt uns, was dabei vorging.
Herr von Mayneville brachte von Seiten der Guisen den künftigen Insurgenten von Paris den ganzen Plan des Aufstandes.
Es handelte sich um nichts Geringeres, als alle wichtige Personen, von denen man wußte, daß sie beim König in Gunst standen, zu ermorden, mit dem Ausruf: »Es lebe die Messe! Tod den Politikern!« die Straße zu durchlaufen und so eine neue Bartholomäusnacht mit den Trümmern der alten zu entflammen; nur vermischte man bei dieser die schlimm denkenden Katholiken mit den Hugenotten aller Art.
Indem man so handelte, diente man zwei Göttern: demjenigen, welcher im Himmel herrscht, und dem, welcher in Frankreich herrschen sollte:
Dem Ewigen und Herrn von Guise.
Zwölftes Kapitel
Das Gemach Seiner Majestät Heinrich III. im Louvre
In jenem großen Gemache im Louvre, in das wir schon so oft mit unseren Lesern eingetreten sind, und wo wir den armen König Heinrich III. so lange und so grausame Stunden haben hinbringen sehen, finden wir ihn abermals, nicht mehr als König, nicht mehr als Herrn, sondern niedergeschlagen, bleich, unruhig, und ganz und gar der Verfolgung aller Schatten preisgegeben, welche bei ihm die Erinnerung unablässig unter diesen erhabenen Gewölben hervorruft.
Heinrich war sehr verändert seit dem unseligen Tode seiner Freunde, den wir anderswo erzählt haben… Diese Trauer war über sein Haupt wie ein verheerender Sturm hingegangen… und der arme König, der, beständig sich erinnernd, daß er ein Mensch, seine Stärke und sein Vertrauen nur in Privatneigungen gesetzt, hatte sich jeder Stärke und jedes Vertrauens durch den neidischen Tod berauben sehen und war so dem furchtbaren Augenblick zuvorgekommen, wo die Könige allein… ohne Freunde… ohne Wachen… und ohne Krone zu Gott gehen.
Heinrich III. war grausam heimgesucht worden. Alles was er liebte, war nach und nach um ihn her gefallen. Nachdem Schomberg, Quelus und Maugiron im Duell durch Livarot und Antraguet getödtet worden, wurde Saint-Mégrin durch Herrn von Mayenne ermordet: die Wunden waren offen und blutig geblieben… Seine Zuneigung für seine neuen Günstlinge, Épernon und Joyeuse, glich der, die ein Vater nachdem er seine besten Kinder verloren, auf diejenigen überträgt, welche ihm noch bleiben; während er die Fehler der letzteren vollkommen kennt, liebt er, schont er, behütet er sie, um dem Tod keine Gewalt über sie zu geben.
Er hatte Épernon mit Gütern überhäuft, und dennoch liebte er ihn nur stellenweise und aus Laune. In gewissen Augenblicken haßte er ihn sogar. Dann geschah es, daß Catharina, diese unbarmherzige Rathgeberin, in der der Geist stets wachte, wie die Lampe im Tabernakel, daß Catharina, selbst in ihrer Jugend zu Thorheiten unfähig, die Stimme des Volkes übernahm, um die Neigungen des Königs zu tadeln.
Nie hätte sie ihm gesagt, wenn sie ihn den Schatz leeren sah, um das Gut Lavalette zu einem Herzogthum zu erheben und es königlich zu vergrößern, nie hätte sie ihm gesagt: »Sire, haßt diese Menschen, die Euch nicht lieben, oder die Euch, was noch schlimmer ist, nur um ihretwillen lieben.« Sah sie aber die Stirne des Königs sich falten, hörte sie ihn in einem Augenblick des Ueberdrusses Épernon des Geizes oder der Feigheit beschuldigen, so fand sie sogleich das unbeugsame Wort, welches alle Klagen des Volkes und des Königthums gegen Épernon zusammenfaßte und eine neue Furche in den königlichen Haß grub.
Als unvollständiger Gascogner, hatte Épernon mit seiner Feinheit und seiner angeborenen Verderbtheit das Maß der königlichen Schwäche genommen; er wußte seinen Ehrgeiz, einen unbestimmten Ehrgeiz, dessen Ziel ihm selbst noch unbekannt war, zu verbergen; nur ersetzte ihm seine Habgier den Compaß, um ihn gegen die entfernte Welt zu lenken, die ihm noch die Horizonte der Zukunft verbargen, und nach dieser Habgier allein steuerte er sich.
War der Schatz zufällig ein wenig voll, so sah man Épernon den Arm gerundet und das Gesicht lachend, auferstehen und sich nähern; war der Schatz leer, so verschwand er mit verächtlicher Lippe und gerunzelter Stirne, um sich entweder in seinem Hotel oder in einem von seinen Schlössern einzuschließen, wo er jammerte und klagte, bis er den armen König wieder bei der Schwäche seines Herzens gepackt und ihm irgend ein neues Geschenk entlockt hatte.
Durch ihn war das Günstlingthum zu einem Gewerbe erhoben worden, zu einem Gewerbe, bei dem er alle nur immer mögliche Revenuen4 ausbeuten. Zuerst gestattete er dem König nicht die geringste Zögerung beim Bezahlen zur Verfallzeit; später, als er Höfling wurde und die launenhaften Nordwinde der königlichen Gunst oft genug wiederkehrten, um sein gascognisches Gehirn zu befestigen, später, sagen wir, ließ er sich herbei, einen Theil von der Arbeit zu übernehmen, nämlich zum Eintreiben der Geldmittel beizutragen, aus denen er seine Beute machen wollte.
Diese Notwendigkeit, das fühlte er wohl, zwang ihn, vom trägen Höfling, was der beste von allen Ständen ist, ein thätiger Höfling zu werden, was man als die schlimmste von allen Lagen betrachten darf. Er beklagte sehr bitter die süße Wonne von Quelus, Schomberg und Maugiron, welche nie von öffentlichen oder Privatangelegenheiten gesprochen und so leicht die Gunst in Geld und das Geld in Vergnügungen verwandelt hatten; aber die Zeiten hatten sich geändert; das eiserne Zeitalter war auf das goldene gefolgt; das Gold kam nicht mehr wie sonst; man mußte zu dem Golde gehen, um es zu nehmen, in den Adern des Volkes wühlen, wie in einer halb versiegten Mine. Épernon schickte sich darein und warf sich in das unentwirrbare Gestrüppe der Administration, verheerte da und dort auf seinem Durchzuge und erpreßte, ohne den Verwünschungen Rechenschaft zu tragen, wenn nur der Lärmen der Goldthaler die Stimme der Kläger bedeckte.
Die rasche und sehr unvollständige Skizze, die wir von dem Charakter von Joyeuse entworfen haben, vermag dem Leser zu zeigen, welcher Unterschied zwischen den beiden Günstlingen stattfand, die sich, wir sagen nicht in die Freundschaft, sondern in die große Portion des Einflusses theilten, den Heinrich immer über Frankreich und über sich selbst diejenigen, welche ihn umgaben, nehmen ließ. Ganz natürlich und ohne darüber nachzudenken, hatte sich Joyeuse der Tradition der Quelus, der Schomberg, der Maugiron und der Saint-Mégrin hingegeben und war ihrer Spur gefolgt; nur waren die seltsamen Gerüchte, welche über die wunderbare Freundschaft im Umlauf gewesen, die der König für die Vorgänger von Joyeuse hegte, mit dieser Freundschaft gestorben; kein ehrloser Flecken beschmutzte die beinahe väterliche Zuneigung von Heinrich für Joyeuse. Aus einer Familie berühmter und redlicher Leute, beobachtete Joyeuse wenigstens öffentlich die Achtung vor dem Königthum und seine Vertraulichkeit überschritt nie gewisse Gränzen. In der Mitte des moralischen Lebens war Joyeuse ein wahrer Freund für Heinrich; aber diese Mitte bot sich selten. Anne war jung, feurig, verliebt, und wenn er verliebt war, selbstsüchtig; es war wenig für ihn, durch den König glücklich zu sein und das Glück zu seiner Quelle zurückgehen zu lassen; es war Alles für ihn, glücklich zu sein, auf welche Weise es auch sein mochte. Brav, schön, reich, glänzte er in diesem dreifachen Reflex, der für junge Stirnen eine Liebesglorie bildete, die Natur hatte Zuviel für Joyeuse gethan, und Heinrich verfluchte zuweilen die Natur, welche ihm, dem König, so wenig für seinen Freund zu thun übrig gelassen.
Heinrich kannte genau diese zwei Männer und liebte sie vielleicht des Contrastes willen. Unter seiner skeptischen und abergläubischen Hülle verbarg Heinrich einen Fond von Philosophie, der sich, ohne Catharina, in einer merkwürdig nützlichen Richtung entwickelt hätte.
Oft verrathen, wurde Heinrich nie getäuscht.
Mit dem vollkommenen Verständniß des Charakters seiner Freunde, mit der tiefen Kenntniß ihrer Fehler und ihrer guten Eigenschaften, dachte er nun, von ihnen entfernt, einsam, traurig, in diesem düsteren Gemache an sie, an sich, an sein Leben, und betrachtete im Schatten diese dunklen Horizonte, welche schon in der Zukunft für viele minder hellsehende Blicke, als die seinigen, gezeichnet waren.
Die Angelegenheit von Salcède hatte ihn sehr trübe gestimmt. Allein zwischen zwei Frauen in einem solchen Augenblick, hatte Heinrich seine Vereinzelung, seine Entblößung gefühlt; die Schwäche von Louise machte ihn traurig; die Stärke von Catharina erschreckte ihn. Heinrich empfand endlich in seinem Inneren jene unbestimmte, ewige Angst, welche die Könige erfaßt, die vom Mißgeschick dazu bezeichnet sind, daß ein Geschlecht in ihnen und mit ihnen erlösche.
In der That bemerken, daß, obgleich man über alle Menschen erhaben ist, diese Größe doch keine feste, unerschütterliche Grundlage hat; fühlen, daß man die Statue ist, die man beweihräuchert, das Ideal, das man anbetet, das aber die Priester und das Volk, die Anbeter und die Diener, je nach ihrem Interesse erheben oder niederbeugen, nach ihrer Laune schwanken machen, ist für einen stolzen Geist das grausamste der Mißgeschicke. Heinrich fühlte dies lebhaft und ärgerte sich, daß er es fühlte.
Und dennoch raffte er sich von Zeit zu Zeit zu der Energie seiner lange in ihm, vor dem Ende seiner Jugend, erloschenen Jugend auf.
»Warum soll ich mich im Ganzen beunruhigen?« sagte er zu sich selbst. »Ich habe keine Kriege mehr durchzukämpfen; Guise ist in Nancy; Heinrich in Pau; der Eine ist genöthigt, seinen Ehrgeiz in sich selbst zu verschließen, der Andere hat nie Ehrgeiz gehabt. Die Geister besänftigen sich, kein Franzose hat im Ernste das unmögliche Unternehmen, den König zu entthronen, im Blick gehalten; die durch die goldene Scheere von Frau von Montpensier versprochene dritte Krone ist nicht mehr als das Wort eines in seiner Eitelkeit verletzten Weibes; meine Mutter allein träumt immer von ihrem Usurpationsgespenst, ohne mir im Ernst den Usurputor zeigen zu können; doch ich, der ich ein Mann bin, der ich trotz meines Kummers ein noch junges Gehirn besitze, ich weiß woran ich mich hinsichtlich der Prätendenten, die sie fürchtet, zu halten habe.
»Ich werde Heinrich von Navarra lächerlich, Guise verhaßt machen, und mit dem Schwerte in der Hand die fremden Bündnisse zerstreuen. Bei Gottes Tod! ich war bei Jarnac und Moncontour nicht mehr werth, als ich heute werth bin.
»Ja,« fuhr Heinrich fort, indem er seinen Kopf auf die Brust fallen ließ, »ja, aber mittlerweile langweile ich mich, und es ist tödtlich, sich zu langweilen. Die Langeweile ist mein einziger, mein wahrer Verschworener, und meine Mutter spricht nie etwas von diesem.
»Ich will doch sehen, ob diesen Abend einer zu mir kommt! Joyeuse versprach mir, frühzeitig zu erscheinen: er belustigt sich, aber wie des Teufels macht er es, um sich zu belustigen? Épernon? Oh! dieser belustigt sich nicht; er schmollt, er hat seine Klauensteuer von fünf und zwanzig tausend Thalern noch nicht erhalten; meiner Treue! er mag nach seinem Belieben schmollen.«
»Sire,« sprach die Stimme des Huissier, »der Herr Herzog von Épernon!«
Alle diejenigen, welche das Aergerliche des Wartens, die Anschuldigungen, die daraus für die erwarteten Personen hervorgehen, sowie die Leichtigkeit kennen, mit der sich die Wolke zerstreut, wenn die Person erscheint, werden den Eifer begreifen, mit dem der König einen Stuhl für den Herzog vorzurücken befahl.
»Ah! guten Abend, Herzog,« sagte er, »ich bin entzückt, Euch zu sehen.«
Épernon verbeugte sich ehrfurchtsvoll.
»Warum habt Ihr diesen Schurken von einem Spanier nicht viertheilen sehen? Ihr wußtet wohl, daß Ihr einen Platz in meiner Loge hattet, da ich es Euch sagen ließ.«
»Sire, ich konnte nicht«
»Ihr konntet nicht?.-
»Nein, Sire, ich hatte Geschäfte.«
»Sollte man nicht in der That glauben, er wäre mein Minister mit seinem ellenlangen Gesichte, und käme, um mir zu melden, eine Steuer sei nicht bezahlt worden,« sagte Heinrich die Achseln zuckend.
»Meiner Treue,« sprach Épernon, die Kugel im Sprunge auffassend, »Eure Majestät hat Recht, die Steuer ist nicht bezahlt worden, und ich habe keinen Thaler mehr.«
»Gut,« machte Heinrich ärgerlich.
»Doch,« fuhr Épernon fort, »es handelt sich nicht um dieses, und ich beeile mich, es Eurer Majestät zu sagen, denn sie könnte glauben, dies seien die Angelegenheiten, mit denen ich mich beschäftige.«
»Laßt Eure Angelegenheiten hören, Herzog.«
»Euere Majestät weiß, was bei der Hinrichtung von Salcède vorgefallen ist?«
»Bei Gott! da ich dabei gewesen bin.«
»Man hat den Verurtheilten zu entführen versucht.«
»Das habe ich nicht gesehen.«
»Dieses Gerücht ist jedoch in der Stadt im Umlauf.«
»Ein Gerücht ohne Ursache und ohne Folge; man hat sich nicht gerührt.«
»Ich glaube, Eure Majestät ist in einem Irrthum begriffen.«
»Worauf gründet Ihr Eure Meinung?«
»Darauf, daß Salcède vor dem Volke in Abrede zog, was er vor den Richtern gesagt hatte.«
»Ah! das wißt Ihr schon, Ihr?«
»Ich suche Alles zu erfahren, was Eure Majestät interessirt.«
»Ich danke; aber worauf zielt Ihr mit diesem Eingang ab?«
»Darauf: ein Mann, der stirbt wie Salcède, ist als sehr guter Diener gestorben, Sire.«
»Nun! und hernach?«
»Der Herr, der solche Diener hat, ist sehr glücklich; das ist das Ganze.«
»Und Du willst sagen, ich habe keine solche Diener, ich, oder deutlicher gesprochen, keine mehr? Du hast Recht, wenn Du das sagen willst.«5
»Das will ich nicht sagen. Eure Majestät fände, sobald es Gelegenheit gäbe, dafür kann ich besser stehen, als irgend Jemand, so treue Diener, als der Herr von Salcède.«
»Der Herr von Salcède, der Herr von Salcède! nennt doch einmal die Dinge bei ihrem Namen! Ihr Leute, die Ihr mich umgebt. Wie heißt er, dieser Herr?«
»Eure Majestät muß es besser wissen als ich, sie, die sich mit Politik beschäftigt.«
»Ich weiß, was ich weiß. Sagt mir, was Ihr wißt.«
»Ich weiß nichts, ich vermuthe nur viele Dinge.«
»Gut,« sprach Heinrich ärgerlich, »nicht wahr, Ihr kommt hierher, um mich zu erschrecken und mir unangenehme Dinge zu sagen? Ich danke, Herzog, daran erkenne ich Euch.«
»Ah! nun mißhandelt mich Eure Majestät,« sagte Épernon.
»Ich glaube, das ist nicht mehr als billig.«
»Nein, Sire. Die Warnung eines ergebenen Mannes kann schlecht angebracht sein, aber dieser Mann thut nichtsdestoweniger seine Pflicht, wenn er die Warnung gibt.«
»Das sind meine Sachen.«
»Ah! sobald es Eure Majestät so nimmt, habt Ihr Recht, Sire, sprechen wir nicht mehr davon.«
Hier trat ein Stillschweigen ein, das der König zuerst brach.
»Höre,« sagte er, »mache mich nicht düster, Herzog. Ich bin schon traurig wie ein ägyptischer Pharao in seiner Pyramide. Erheitere mich!«
»Ah! Sire, die Freude läßt sich nicht befehlen.«
Der König schlug zornig mit der Faust auf den Tisch und rief:
»Ihr seid ein halsstarriger Mensch, ein schlechter Freund, Herzog. Ach! Ach! ich glaubte nicht so viel verloren zu haben, als ich meine früheren Diener verlor.«
»Darf ich es wagen, Eurer Majestät zu bemerken, daß sie die neuen nicht sehr ermuthigt?«
Hier machte der König eine neue Pause, während welcher er statt jeder Antwort diesem Menschen, dessen ganzes Glück er gegründet hatte, mit einem äußerst bezeichnenden Ausdruck anschaute.
Épernon begriff.
»Eure Majestät wirft mir ihre Wohlthaten vor,« sagte er mit dem Tone eines vollendeten Gascogners. »Ich werfe Ihr meine Ergebenheit vor.«
Und der Herzog, der sich noch nicht gesetzt hatte, nahm den Stuhl, den der König für ihn hatte bereitstellen lassen.
»Lavalette, Lavalette,« sprach der König voll Traurigkeit., »Du verwundest mir das Herz, Du, der Du so viel Witz hast, Du, der Du mich durch Deine gute Laune heiter und freudig machen könntest. Gott ist mein Zeuge, daß es nicht meine Absicht gewesen ist, von Quelus zu sprechen, der so brav, von Schomberg, der so gut, von Maugiron, der so kitzelig im Punkte meiner Ehre war. Nein, in jener Zeit gab es sogar Bussy. Bussy, der, wenn Du willst, nicht mir angehörte, den ich mir aber erworben haben würde, hätte ich nicht den Andern Schatten zu machen befürchtet, Bussy, der leider die unwillkührliche Ursache ihres Todes ist! Wohin ist es mit mir gekommen, daß ich sogar den Verlust meiner Feinde beklage! Gewiß waren alle Vier brave Leute. Ei, mein Gott! Ärgere Dich nicht über das, was ich sage. Was willst Du, Lavalette? es liegt nicht in Deinem Temperament, zu jeder Stunde dem nächsten Besten gewaltige Degenstiche zu geben; aber, mein theurer Freund, wenn Du auch kein Wagehals, kein Dreinschläger bist, so bist Du dagegen fein, schlau und zuweilen ein Mann von gutem Rath. Du kennst alle meine Angelegenheiten, wie jener andere demüthigere Freund, mit dem ich nie einen einzigen Augenblick der Langeweile durchzumachen hatte.«
»Von wem spricht Eure Majestät?« fragte der Herzog.
»Du müßtest ihm gleichen, Épernon.«
»Aber ich müßte doch wissen, wen Eure Majestät beklagt?«
»Oh! armer Chicot, wo bist Du?«
Épernon stand ganz gereizt auf.
»Nun! was machst Du?« fragte der König.
»Es scheint, Sire, Eure Majestät schwelgt in der Erinnerung; doch in der That, das ist nicht für Jedermann ein Glück.«
»Und warum dies?«
»Weil mich Eure Majestät vielleicht ohne es zu überlegen, mit Messire Chicot vergleicht und weil ich mich durch diese Vergleichung sehr wenig geschmeichelt fühle.«
»Du hast Unrecht, Épernon. Ich kann mit Chicot nur einen Menschen vergleichen, den ich liebe, und der mich liebt. Er war ein gediegener und geistreicher Diener.«
Heinrich stieß einen Seufzer aus.
»Ich denke, nicht damit ich Meister Chicot gleiche, hat mich Eure Majestät zum Pair und Herzog gemacht,« sagte Épernon.
»Stille, erheben wir keine Gegenbeschuldigung,« sprach der König mit einem so boshaften Lächeln, daß der Gascogner, so fein und so unverschämt er zugleich war, sich unbehaglicher vor diesen schüchternen Sarkasmen fühlte, als er es bei offenem Vorwurf gewesen wäre.
»Chicot liebte mich, und er fehlt mir, das ist Alles, was ich sagen kann.« fuhr Heinrich fort. »Oh! wenn ich bedenke, daß an demselben Platz, wo Du bist, alle diese jungen, schönen, braven und treuen Leute vorübergegangen sind, daß auf dem Lehnstuhl, auf den Du Deinen Hut gelegt hast, Chicot mehr als hundertmal eingeschlafen ist.«
»Das war vielleicht sehr geistreich,« versetzte Épernon, »jedenfalls aber war es sehr wenig ehrfurchtsvoll.«
»Ach!« sprach Heinrich. »dieser theure Freund hat heute nicht mehr Geist als Körper.«
Und er schüttelte traurig seinen Rosenkranz von Todtenköpfen, der ein so düsteres Geklapper hören ließ, als ob er von wirklichen Gebeinen gemacht weite.
»Was ist denn aus Eurem Chicot geworden?« fragte Épernon mit gleichgültigem Tone.
»Er ist todt,« antwortete Heinrich, »todt wie Alles, was mich geliebt hat.«
»Nun, Sire,« sprach der Herzog, »ich glaube in der That, er hat wohl daran gethan, daß er gestorben ist; er alterte, viel weniger indessen, als seine Späße, und man hat mir gesagt, die Nüchternheit sei nicht seine Lieblingstugend gewesen. An was ist der arme Teufel, gestorben, Sire, an der Unverdaulichkeit?«
»Chicot ist vor Kummer gestorben, schlechtes Herz,« erwiederte bitter der König.
»Er hätte Euch zum letzten Male lachen machen sollen.«
»Du täuschest Dich: er wollte mich nicht einmal durch die Ankündigung seiner Krankheit betrüben; weil er wußte. wie sehr ich meine Freunde betraure er, der mich so oft weinen sah.«
»Dann ist sein Schatten zurückgekehrt.«
»Gefiele es Gott, daß ich ihn wiedersehen würde, selbst im Schatten. Nein, sein Freund, der würdige Prior Gorenflot, hat mir diese Kunde mitgetheilt.«
»Gorenflot, wer ist dies?«
»Ein frommer Mann, den ich zum Prior der Jacobiner gemacht habe; er bewohnt das schöne Kloster vor der Porte Saint-Antoine, bei Bel-Esbat.«
»Sehr gut! irgend ein schlechter Prediger, dem Eure Majestät eine Priorei von dreißig tausend Livres gegeben haben wird, ohne daß sie es wagt, ihm das Empfangene vorzurücken.«
»Willst Du nun gottlos werden?«
»Wenn dies Eurer Majestät die Langweile vertreiben könnte, so würde ich es versuchen.«
»Willst Du wohl schweigen, Herzog; Du beleidigst Gott.«
»Chicot war sehr gottlos, und mir scheint, ihm verzieh man.«
»Chicot kam in einer Zeit, wo ich noch über etwas lachen konnte.«
»Dann hat Eure Majestät Unrecht, seinen Verlust zu beklagen.«
»Warum?«
»Wenn sie über nichts mehr lachen kann, so würde ihr Chicot, so heiter er auch war, keine große Unterstützung gewähren.«
»Dieser Mann war zu Allem gut, und ich beklage seinen Verlust nicht allein wegen seines Witzes.«
»Und warum sonst? ich denke, nicht seines Gesichtes wegen, denn er war sehr häßlich, dieser Herr Chicot.«
»Er ertheilte weise Rathschläge.«
»Ah! ich sehe wohl, wenn er noch lebte, würde Eure Majestät einen Siegelbewahrer aus ihm machen, wie sie aus diesem Kuttenmann einen Prior gemacht hat.«
»Stille, Herzog, ich bitte Euch, spottet nicht über diejenigen, welche mir Zuneigung bewiesen haben, und denen ich zugethan war. Seitdem Chicot gestorben, ist er mir heilig wie ein ernster Freund, und wenn ich nicht Lust habe zu lachen, soll Niemand lachen.«
»Es sei, Sire, ich habe so wenig Lust, zu lachen, als Eure Majestät. Doch so eben beklagtet Ihr den Verlust von Chicot wegen seiner guten Laune; eben verlangtet Ihr von mir, daß ich Euch aufheitere, während Ihr nun wünscht, daß ich Euch traurig mache… Parfandious!… Oh! verzeiht, Sire, dieser verdammte Fluch entschlüpft mir immer.«
»Gut, gut, nun bin ich abgekühlt; nun bin ich auf dem Punkte, wo Du mich haben wolltest, als Du das Gespräch mit so düsteren Redensarten begannst. Sage mir nun Deine schlimmen Nachrichten, Épernon; bei dem König findet sich immer die Kraft eines Mannes.«
»Ich bezweifle es nicht, Sire.«
»Und das ist ein Glück, denn schlecht bewacht wie ich bin, wäre ich, wenn ich mich selbst nicht bewachte, zehnmal des Tags gestorben.«
»Was gewissen Leuten, die ich kenne, nicht mißfallen würde.«
»Gegen diese habe ich die Hellebarden meiner Schweizer, Herzog.«
»Das ist sehr ohnmächtig, um aus der Ferne zu treffen.«
»Gegen diejenigen, welche man aus der Ferne treffen muß, habe ich die Musketen meiner Schützen.«
»Das ist unbequem, will man von Nahem treffen; um eine königliche Brust zu beschützen, taugen mehr als Hellebarden und Musketen gute Brüste.«
»Ach, das hatte ich einst,« sagte Heinrich, »und in diesen Brüsten edle Herzen; nie hatte man mich erreicht zur Zeit der lebendigen Wälle, die man Quelus, Schomberg, Saint-Luc, Maugiron und Saint-Mégrin nannte.«
»Das ist es also, was Eure Majestät beklagt?« fragte Épernon, der seine Genugthuung dadurch zu nehmen hoffte, daß er den König bei einem offenen Frevel der Selbstsucht faste.
»Ich beklage die Herzen, welche vor Allem in der Brust dieser Männer schlugen,« erwiederte Heinrich.
»Sire,« sprach Épernon, »wenn ich es wagte, würde ich Eurer Majestät bemerken, daß ich Gascogner, das heißt vorsichtig und gewandt bin; daß ich durch den Geist die Eigenschaften zu ersetzen suche, die mir die Natur versagt hat, mit einem Wort, daß ich Alles thue, was ich kann, das heißt Alles, was ich soll, und daß ich folglich mit Recht sagen kann: Komme was da will.«
»Ah! so ziehst Du Dich heraus; Du trittst ein und nimmst den Mund sehr voll mit wahren oder falschen Gefahren; denen ich preisgegeben sein soll, und wenn es Dir gelungen ist, mich zu erschrecken, so fassest Du Dich in den Worten zusammen: »»Komme was da will.«« Sehr verbunden, Herzog.«
»Eure Majestät will also ein wenig an diese Gefahren glauben?«
»Es sei. Ich werde daran glauben, wenn Du mir beweisest, daß Du sie bekämpfen kannst.«
»Ich glaube, daß ich es kann.«
»Du kannst es?«
»Ja, Sire.«
»Ich weiß wohl, Du hast Mittel – Deine kleinen Mittel, – Du Fuchs.«
»Nicht so klein.«
»Laß hören.«
»Will Eure Majestät die Gnade haben, aufzustehen?«
»Wozu?«
»Um mit mir zu den alten Gebäuden des Louvre zu kommen.«
»Auch der Seite der Rue de l'Astruce.«
»Gerade an den Ort, wo man sich damit beschäftigte, ein Geräthemagazin zu bauen, ein Plan, den man aufgegeben hat, seitdem Eure Majestät kein anderes Geräthe mehr will, als Betpulte und Rosenkränze von Todtenköpfen.«
»Zu dieser Stunde?«
»Es schlägt so eben zehn Uhr im Glockenthurme des Louvre; mir scheint, das ist nicht so spät.«
»Was werde ich in diesen Gebäuden sehen?«
»Ah! bei Gott! wenn ich es Euch sage, so ist dies das Mittel, daß Ihr nicht kommt.«
»Das ist sehr fern von hier, Herzog.«
»Durch die Gallerien gebt man in fünf Minuten dahin, Sire.«
»Épernon, Épernon!«
»Nun, Sire?«
»Wenn das, was Du mich sehen lassen willst, nicht sehr interessant ist, so nimm Dich in Acht.«
»Sire, ich stehe Euch dafür, daß es interessant sein wird.«
»Vorwärts,« sprach der König, indem er sich mit einer gewissen Anstrengung erhob.
Der Herzog nahm seinen Mantel, und reichte dem König seinen Degen; dann ergriff er eine Wachsfackel und schritt in der Gallerie Seiner Allerchristlichsten Majestät voran, die ihm mit schleppendem Gange folgte.