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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 9

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Dreizehntes Kapitel
Das Schlafgemach

Obgleich es erst zehn Uhr war, wie Épernon gesagt hatte, herrschte doch schon eine Todesstille im Louvre, kaum hörte man, so wüthend wehte der Wind, den schweren Tritt der Schildwachen und das Knarren der Zugbrücken.

Die nächtlichen Wanderer gelangten wirklich in weniger als fünf Minuten zu den Gebäuden der Rue de l’Astruce, welche diesen Namen selbst seit der Erbauung von Saint-Germain-l‘Auxerrois, beibehalten hatten.

Der Herzog holte einen Schlüssel aus seiner Tasche, stieg einige Stufen hinab, durchschritt einen kleinen Hof und öffnete eine gewölbte Thüre, welche halb von Brombeerstauden und langem Gras versperrt war.

Er folgte ungefähr zehn Schritte einem dunkeln Weg, an dessen Ende er sich in einem inneren Hof befand, hier war in einer Ecke eine steinerne Treppe bemerkbar.

Diese Treppe führte in ein weites Zimmer oder vielmehr in einen ungeheuren Corridor.

Épernon hatte auch den Schlüssel zu diesem Corridor.

Er öffnete sachte die Thüre und machte Heinrich auf die seltsame Einrichtung, aufmerksam, welche, sobald diese Thüre geöffnet war, sogleich ins Auge fiel.

Es waren fünf und vierzig Betten aufgereiht. In jedem Bett lag ein Schläfer.

Der König schaute alle diese Betten, alle diese Schläfer an, wandte sich dann mit einer unruhigen Neugierde gegen den Herzog um und fragte:

»Nun, wer sind alle diese Leute, welche hier schlafen?«

»Leute, welche noch diesen Abend schlafen, morgen aber nicht mehr schlafen werden, als es ihre Reihe erlaubt.«

»Und warum werden sie nicht mehr schlafen?«

»Damit Eure Majestät schlafen kann.«

»Erkläre Dich; diese Leute sind also insgesamt Freunde?«

»Durch mich erwählt, ausgelesen wie das Korn auf der Tenne; unerschütterliche Wachen, die Eure Majestät nicht mehr als ihr Schatten verlassen werden, lauter Edelleute, welche, weil sie das Recht haben, überallhin zu gehen, wohin Eure Majestät geht, auf eine Degenlänge Niemand Euch nähern lassen werden.«

»Du hast dies erfunden, Épernon?«

»Ei! mein Gott, ja, ich ganz allein, Sire.«

»Man wird darüber lachen.«

»Nein, man wird Furcht darüber haben.«

»Sie sind schrecklich, Deine Edelleute?«

»Sire, es ist eine Meute, die Ihr auf jedes Wild, das Euch beliebt, hetzen werdet, und die, da sie nur Euch kennt, nur mit Eurer Majestät in Verbindung steht, sich nur an Euch wenden wird, um das Licht, die Wärme, das Leben zu erhalten.«

»Aber das wird mich zu Grunde richten.«

»Richtet sich ein König je zu Grunde?«

»Ich kann schon die Schweizer nicht bezahlen.«

»Schaut diese Ankömmlinge wohl an, und sagt mir, ob sie wie Leute aussehen, welche große Ausgaben fordern?«

Der König warf einen Blick auf diesen langen Schlafsaal, der eine ziemlich bemerkenswerthe Ansicht selbst für einen König bot, welcher an schöne architekturale Einrichtungen gewöhnt war.

Dieser lange Saal war von einem Verschlag durchschnitten, an dem der Erbauer fünf und vierzig Allkoven angebracht hatte, welche wie eben so viele Kapellen neben einander lagen, und auf den Gang ausmündeten, an dessen einem Ende der König und Épernon standen.

Eine Thüre in jedem von diesen Alkoven gewährte den Zugang in eine Art von Loge unmittelbar daneben.

Folge von dieser geistreichen Eintheilung war, daß jeder Edelmann sein öffentliches Leben und sein abgeschlossenes Leben hatte.

Oeffentlich erschien er in dem Alkoven.

In Familie verbarg er sich in seiner Loge.

Die Thüre von jeder dieser Logen ging auf einen Balcon, der an der ganzen Länge des Hauses hinlief.

Der König begriff diese seinen Unterscheidungen nicht sogleich.

»Warum zeigt Ihr mir sie Alle so in ihren Betten schlafend?« fragte der König.

»Sire, weil ich gedacht habe, die Inspection wäre so leichter von Eurer Majestät vorzunehmen. Jeder von diesen Alkoven hat eine Nummer und diese Nummer läßt sich auf seinen Bewohner übertragen. Somit wird jeder von diesen Bewohnern nach dem Bedürfniß ein Mann oder eine Zahl sein.«

»Das ist gut ersonnen,« sagte der König, »besonderes wenn wir allein den Schlüssel dieser Arithmetik bewahren. Aber die Unglücklichen werden ersticken, wenn sie beständig in dieser Keuche leben sollen.«

»Wünscht es Eure Majestät, so wird sie mit mir umhergehen und die Wohnung jedes Einzelnen besichtigen.«

»Gottes Tod! welch eine Geräthekammer hast Du mir machen lassen, Épernon!« sagte der König, indem er die mit dem Besitz der Schläfer beladenen Stühle betrachtete. »Wenn ich die Fetzen dieser Bursche darin einschließe, wird Paris viel lachen.«

»Es ist wahr,« antwortete der Herzog, »meine Fünf und Vierzig sind nicht sehr kostbar gekleidet; doch, Sire, wenn sie Alle Herzöge und Pairs gewesen wären…«

»Ja, ich begreife,« sprach der König lächelnd, »sie würden mich bedeutend mehr kosten.«

»Das ist es, Sire.«

»Wie viel werden sie mich kosten? laßt hören. Das wird mich vielleicht bestimmen, denn in der That, das Aussehen ist nicht sehr Appetit erregend.«

»Sire, ich weiß, sie sind ein wenig mager und gebräunt von der Sonne, die in unseren südlichen Provinzen glüht, aber ich war auch mager und sonnverbrannt, wie sie, als ich nach Paris kam, und sie werden fett werden und sich bleichen wie ich.«

»Hm!« machte Heinrich und warf einen schiefen Blick auf Épernon.

Dann nach einer Pause sagte der König:

»Weißt Du, daß Deine Edelleute schnarchen wie Domsänger?«

»Sire, man darf sie nicht hiernach beurtheilen, sie haben sehr gut zu Nacht gespeist.«

»Sieh, hier ist Einer, der ganz laut träumt,« sagte der König neugierig horchend.

Den Kopf und die Arme aus dem Bett hängend, den Mund halb geschlossen, seufzte wirklich einer von den Edelleuten einige Worte mit einem schwermüthigen Lächeln.

Der König näherte sich ihm auf den Fußspitzen.

»Wenn Ihr eine Frau seid,« sagte er, »flieht, flieht!«

»Ah! Ah!« sprach Heinrich, »dieser ist galant.«

»Was denkt Ihr von ihm, Sire?«

»Sein Gesicht gefällt mir ziemlich gut.«

Épernon näherte seine Fackel dem Alkoven.

»Er hat auch weiße Hände und einen gut gekämmten Bart.«

»Es ist der Sire Ernauton von Carmainges, ein hübscher Junge, der es weit bringen wird.«

»Der arme Teufel hat dort eine angefangene Liebschaft zurückgelassen.«

»Um keine andere Liebe mehr zu haben, als die zu seinem König. Sire; wir werden ihm für sein Opfer Rechnung tragen.«

»Oh! Oh! da kommt eine seltsame Gestalt hinter Deinem Sire. Wie nennst Du ihn?«

»Ernauton von Carmainges.«

»Ah! Pest, was für ein Hemd hat Nummer 34. Man sollte glauben, es wäre ein Büßersack.«

»Das ist Herr von Chalabre; wenn er Eure Majestät zu Grunde richtet, so wird es nicht geschehen, ohne daß er sich ein wenig dabei bereichert.«

»Und das andere düstere Gesicht, das nicht aussieht, als träumte es von der Liebe?«

»Welche Nummer, Sire?«

»Nummer 12.«

»Ein feiner Degen, ein ehernes Herz, ein Mann von Mitteln, Herr von Sainte-Maline, Sire.«

»Ah! wenn ich bedenke… weißt Du, daß Du da einen guten Gedanken gehabt hast?«

»Ich glaube wohl; beurtheilt ein wenige welche Wirkung diese meine Hofhunde hervorbringen müssen, welche Eure Majestät nicht mehr verlassen werden, als der Schatten den Körper, diese Molosser, die man nirgends gesehen hat und die sich bei der ersten Gelegenheit auf eine Weise zeigen werden, welche uns Ehre macht.«

»Ja, ja, Du hast Recht, es ist ein guter Gedanke. Aber warte doch.«

»Was?«

»Ich denke, sie werden mir in diesem Aufzug nicht wie mein Schatten folgen. Mein Körper hat eine gute Form, und sein Schatten, oder vielmehr seine Schatten sollen ihm keine Schande machen.«

»Ah! Sire, wir kommen auf die Zifferfrage zurück.«

»Gedachtest Du sie zu umgehen?«

»Nein, denn es ist bei allen Dingen die Grundfrage; aber in Beziehung auf diese Ziffer habe ich auch einen Gedanken.«

»Épernon! Épernon!«

»Was wollt Ihr, Sire? Das Verlangen, Eurer Majestät zu gefallen, verdoppelt meine Einbildungskraft.«

»So sprich doch Deinen Gedanken aus.«

»Nun wohl! wenn es von mir abhängen würde, fände jeder von diesen Edelleuten morgen früh auf dem Stuhle, der seine Kleidungsstücke trägt, eine Börse mit tausend Thalern… zu Bezahlung des ersten Semesters.«

»Tausend Thaler für das erste Semester, sechs tausend Livres jährlich! Geht doch, Herzog. Ihr seid ein Narr. Ein ganzes Regiment würde nicht so viel kosten.«

»Ihr vergeßt, Sire, daß sie die Schatten Eurer Majestät zu werden bestimmt sind; und Ihr habt selbst den Wunsch ausgesprochen, Eure Schatten mögen gut gekleidet sein. Jeder wird sich also von diesen tausend Thalern auf eine Weise zu kleiden und zu bewaffnete haben, die Euch Ehre macht. Und auf das Wort Ehre laßt den Gascognern den Zügel ein wenig lose. Fünfzehn hundert Livres für die Equipirung angenommen, so wäre dies also viertausend fünfhundert Livres für das erste Jahr, dreitausend für das zweite und die anderen.«

»Das ist annehmbarer.«

»Und Eure Majestät willigt ein?«

»Es hat nur eine Schwierigkeit. Herzog.«

»Welche?«

»Den Mangel an Geld.«

»Den Mangel an Geld?«

»Bei Gott! Du mußt besser als irgend Jemand wissen, daß der Grund, den ich Dir hier angebe; kein schlechter Grund ist, Du, der Du Dir noch nicht einmal hast können Deine Steuer bezahlen lassen.«

»Sire, ich habe ein Mittel gefunden.«

»Mir Geld zu verschaffen?«

»Für Eure Leibwache, ja.«

»Ein Knauserstückchen,« dachte der König, Épernon von der Seite anschauend.

Dann sprach er laut:

»Laß Dein Mittel hören.«

»Man hat gerade heute vor sechs Monaten ein Edict über die Abgaben von Wildbret und Fischen einregistriert.«

»Das ist möglich.«

»Die Bezahlung des ersten Semesters hat fünfundsechzig tausend Thaler abgeworfen, die der Staatsschatzmeister diesen Morgen einkassiren wollte, doch ich sagte ihm, er möge nichts thun, so daß er, statt es in den Schatz fließen zu lassen, das Steuergeld Eurer Majestät zur Verfügung hält.«

»Ich bestimmte es zu Kriegen, Herzog.«

»Gerade das ist es, Sire, die erste Bedingung des Krieges ist, Menschen zu haben; das erste Interesse des Königreichs ist die Vertheidigung und Sicherheit des Königs; wenn man die Leibwache des Königs besoldet, erfüllt man alle diese Bedingungen.«

»Der Grund ist nicht schlecht; doch Deiner Rechnung nach sehe ich nur fünf und vierzig tausend Thaler verwendet. es werden mir also zwanzig tausend für meine Regimenter bleiben.«

»Verzeiht, Sire, ich habe, mit Vorbehalt der Billigung Eurer Majestät, über diese zwanzig tausend Thaler verfügt.«

»Ah! Du hast darüber verfügt.«

»Ja, Sire, es wird eine Abschlagszahlung an meiner Steuer sein.«

»Ich wußte das,« sagte der König, »Du gibst mir eine Leibwache, um zu Deinem Gelde zu kommen.«

»Ah! Sire!«

»Aber warum gerade die Zahl fünf und vierzig?« fragte der König zu einem andern Gedanken übergehend.

»Höret, Sire. Die Zahl drei ist eine Urzahl und göttlich. Mehr noch, sie ist bequem. Wenn zum Beispiel ein Reiter drei Pferde hat, ist er nie zu Fuß; das zweite ersetzt das erste, wenn dieses müde ist, und dann bleibt noch ein drittes, um im Falle einer Verwundung oder Krankheit für das erste einzutreten. Ihr werdet also immer dreimal fünfzehn Edelleute haben. Fünfzehn im Dienst, dreißig, welche ausruhen. Jeder Dienst wird zwölf Stunden dauern. Und während dieser zwölf Stunden habt Ihr immer fünf rechts, fünf links. Zwei vorne und drei hinten. Mit einer solchen Wache komme man und wage es ein wenig, Euch anzugreifen.«

»Bei Gottes Tod! das ist geschickt combinirt, Herzog, und ich mache Dir mein Compliment.«

»Schaut sie an, Sire, sie werden wahrhaftig eine gute Wirkung hervorbringen.«

»Ja, gekleidet werden sie nicht übel sein.«

»Glaubt Ihr nun, daß ich das Recht habe, von den Gefahren zu sprechen, die Euch bedrohen?«

»Ich sage nicht nein.«

»Ich hatte also Recht.«

»Es mag sein.«

»Herr von Joyeuse hätte diesen Gedanken nicht gehabt!«

»Épernon! Épernon! es ist nicht liebreich, Schlimmes von Abwesenden zu sagen.«

»Parfandious! Ihr sagt viel Schlimmes von den Anwesenden. Sire.«

»Ah! Joyeuse begleitet mich immer. Er war mit mir heute auf der Grève.«

»Nun, ich war hier, Sire, und Eure Majestät sieht, daß ich meine Zeit nicht verloren habe.«

»Ich danke Lavalette.«

»Ah! Sire,« sagte Épernon, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte, »ich wollte Eure Majestät um etwas bitten.«

»Es wunderte mich in der That sehr, Herzog, daß Du mich um nichts batest.«

»Eure Majestät ist heute bitter, Sire.«

»Ei! nein, Du begreifst nicht, mein Freund.« sprach der König, bei dem der Spott die Rache befriedigt hatte, »oder Du begreifst vielmehr schlecht; ich sagte, da Du mir einen Dienst geleistet, so habest Du das Recht, Dir etwas von mir zu erbitten; bitte also.«

»Das ist etwas Anderes, Sire. Uebrigens ist das, was ich mir von Eurer Majestät erbitte, eine Stelle.«

»Eine Stelle! Du, der General-Oberste der Infanterie willst noch eine Stelle; sie wird Dich erdrücken.«

»Ich bin stark wie Simson für den Dienst Eurer Majestät; für Eurer Majestät Dienst würde ich den, Himmel und die Erde tragen.«

»Bitte also,« sprach der König seufzend.«

»Ich wünsche, daß Eure Majestät mir das Commando dieser fünf und vierzig Edelleute übertrage.«

»Wie,« erwiederte der König erstaunt, »Du willst vor mir, hinter mir marschiren? Du willst Dich in diesem Maße aufopfern, Du willst Kapitän der Garden sein?«

»Nein, nein, Sire!«

»Nun. was willst Du denn?« sprich.

»Ich will, daß diese Garden, meine Landsleute, mein Commando besser verstehen, als das von jedem Andern; doch ich will ihnen weder vorausmarschiren, noch folgen. Ich werde einen Beiständigen haben.«

»Darunter steckt wieder etwas,« dachte Heinrich den Kopf schüttelnd, »dieser verteufelte Mensch gibt immer, um zu erhalten.«

Dann sprach er laut:

»Gut. Du sollst das Commando haben.«

»Geheim?«

»Ja. Doch wer wird officiell der Anführer meiner Fünf und Vierzig sein?«

»Der kleine Loignac.«

»Ah! desto besser.«

»Er ist Eurer Majestät genehm?»

»Vollkommen.«

»Ist das nun abgemacht, Sire?«

»Ja, aber…«

»Aber?«

»Welche Rolle spielt, er bei Dir, dieser Loignac?«

»Er ist mein Épernon, Sire.«

»Er kostest Dich also viel?« brummelte der König.

»Was sagt Eure Majestät?«

»Ich sage, ich willige ein.«

»Ich gehe zum Staatszahlmeister, um die fünf und vierzig Börsen zu holen.«

»Diesen Abend?«

»Müssen sie nicht unsere Leute morgen auf ihren Stühlen finden?«

»Das ist richtig. Gehe; ich kehre in meine Wohnung zurück.«

»Zufrieden, Sire?«

»Ziemlich.«

»In jedem Fall gut bewacht.«

»Ja, durch Leute, die mit geschlossenen Fäusten schlafen.«

»Sie werden morgen wachen, Sire.«

Épernon führte Heinrich bis zur Thüre der Gallerie zurück und verließ ihn, indem er zu sich selbst sagte:

»Wenn ich nicht König bin, so habe ich wenigstens Leibwachen wie ein König, und diese kosten mich nichts… Parfandious!«

Vierzehntes Kapitel
Der Schatten von Chicot

Der König täuschte sich, wie wir vorhin sagten, nie über seine Freunde. Er kannte ihre Fehler und ihre guten Eigenschaften. und er las, der König der Erde, eben so scharf in der tiefsten Tiefe ihres Herzens. als es der König des Himmels thun konnte.

Er hatte, sogleich begriffen, worauf Épernon abzielte, doch da er nichts für das, was er geben würde, zu erhalten erwartete, und im Gegentheil fünf und vierzig Trabanten für fünf und sechzig tausend Thaler erhielt, so erschien ihm der Gedanke des Gascogners als ein Fund.

Und dann war es eine Neuigkeit. Ein armer König von Frankreich ist nicht immer üppig mit dieser Waare versehen, welche sogar für seine Unterthanen selten ist. König Heinrich III. besonders, der, wenn er seine Prozessionen gemacht, seine Hunde gekämmt, seine Todtenköpfe aufgereiht, und die von ihm beliebte Anzahl von Seufzern ausgestoßen, nichts mehr zu thun hatte.

Die von Épernon errichtete Leibwache gefiel also dem König, besonders weil man davon sprechen würde, und weil er folglich auf den Gesichtern etwas Anderes lesen könnte, als was er in den zehn Jahren seit seiner Rückkehr aus Polen sah.

Allmälig und je mehr er sich dem Zimmer näherte, wo ihn der Huissier erwartete, den dieser nächtliche und ungewöhnliche Ausgang nicht wenig neugierig machte, entwickelte Heinrich sich selbst die Vortheile der Anstalt der Fünf und Vierzig, und er durchblickte halb, wie alle schwache und geschwächte Geister, die Ideen, welche Épernon in dem Gespräch, das er mit ihm gepflogen, ins Licht gesetzt hatte.

»Diese Leute,« dachte der König, »werden ohne Zweifel brav und sehr ergeben sein. Einige haben einnehmende Gesichter. Andere widerwärtige Physiognomien; es werden, Gott sei Dank! Leute für Jedermanns Geschmack darunter sein… und dann ist es etwas Schönes um ein Gefolge von fünf und vierzig Schwertern, welche stets bereit sind, aus der Scheide zu fahren!«

Dieses letzte Kettenglied seines Gedankens, das sich der Erinnerung an die anderen ihm so ergebenen Schwerter anfügte, deren Verlust er so bitter laut, und noch viel bitterer leise beklagte, brachte Heinrich zu der tiefen Traurigkeit, in welche er so oft verfiel in der Zeit, zu der wir gelangt sind, so daß man hätte sagen können, es wäre sein gewöhnlicher Zustand. Die so harten Zeiten, die so boshaften Menschen, die auf der Stirne der Könige so sehr wankenden Kronen machten es ihm abermals zum ungeheuren Bedürfniß, zu sterben oder sich zu erheitern, um einen Augenblick aus der Krankheit hervorzugehen, welche die Engländer, unsere Meister in der Schwermuth, schon damals mit dem Namen Spleen getauft hatten.

Er suchte mit den Augen Joyeuse, und da er ihn nirgends fand, fragte er nach ihm.«

»Der Herr Herzog ist noch nicht zurückgekehrt,« sagte der Huissier.

»Es ist gut… Ruft meinen Kammerdiener und entfernt Euch.«

»Sire, das Gemach Eurer Majestät ist bereit und Ihre Majestät die Königin hat nach den Befehlen des Königs fragen lassen.«

Heinrich spielte den Tauben.

»Soll man Ihrer Majestät melden, sie möge das Kopfkissen legen?« fragte schüchtern der Huissier.

»Nein, nein,« erwiederte Heinrich. »Ich habe meine Andachten, ich habe meine Arbeiten, und dann bin ich leidend und werde allein schlafen.«

Der Huissier verbeugte sich.

»Hört,« sagte Heinrich ihn zurückrufend, »bringt der Königin diese Confituren aus dem Orient, sie bereiten Schlaf.«

Und er übergab dem Huissier seine Confectbüchse.

Der König trat in sein Gemach, das die Bedienten wirklich zubereitet hatten.

Als Heinrich hier war, warf er einen Blick auf alle die ausgesuchten, umständlichen, kleinlichen Nebendinge und Beigaben jener ausschweifenden Toiletten, die er kurz zuvor noch machte, um der schönste Mann der Christenheit zu sein, da er nicht der größte König derselben sein konnte.

Aber nichts sprach ihm zu Gunsten dieser Zwangsarbeit, in die er sich sonst so muthig fügte. Alles, was er einst vom Weibe in dieser Hermaphroditen-Organisation hatte, war verschwunden. Heinrich war wie jene alten Coquetten, welche ihren Spiegel gegen ein Meßbuch vertauscht haben; er fühlte beinahe einen Abscheu vor den Dingen, die er einst so sehr geliebt.

Parfumirte und gesalbte Handschuhe, Masken von feiner Leinwand mit Teigen überstrichen, chemische Combinationen, um die Haare zu kräuseln, den Bart zu schwärzen, die Ohren roth und die Augen glänzend zu machen, dies Alles vernachläßigte er schon seit längerer Zeit.

»Mein Bett,« sagte er mit einem Seufzer.

Zwei Diener entkleideten ihn, zogen ihm Unterhosen von schöner friesischer Leinwand an, hoben ihn vorsichtig auf und schoben ihn zwischen seine Leinenlaken.

»Der Vorleser Seiner Majestät!« rief eine Stimme.

Denn Heinrich, der Mann der langen und grausamen Schlaflosigkeiten, ließ sich zuweilen durch eine Vorlesung einschläfern, und man bedurfte sogar des Polnischen, um dieses Wunder zu bewirken, während ihm einst, nämlich ursprünglich, das Französische genügte.

»Nein. Niemand,« sagte Heinrich, »keinen Vorleser, oder er mag in seinem Zimmer für mich Gebete lesen; nur Herrn von Joyeuse, wenn er zurückkommt, führt zu mir.«

»Aber, wenn er spät kommt, Sire?«

»Ach! er kommt immer spät nach Hause, doch zu welcher Stunde er auch kommen mag, führt ihn zu mir, hört Ihr?«

Die Diener löschten die Kerzen aus und zündeten beim Feuer eine Lampe mit Essenzen an, welche blasse und bläuliche Flammen gaben… eine Art von phantasmagorischer Unterhaltung, die der König seit der Rückkehr seiner Grabgedanken besonders liebte; dann verließen sie auf den Fußspitzen das schweigsame Gemach.

Brav im Angesicht einer wirklichen Gefahr, hatte Heinrich jede Angst, jede Schwäche der Weiber und der Kinder. Er fürchtete die Erscheinungen, es graute ihm vor Gespenstern, und dennoch hegte er das Gefühl, daß er sich weniger langweile, wenn er Furcht habe. In dieser Hinsicht war er jenem Gefangenen ähnlich, der, überdrüssig der Unthätigkeit einer langen Kerkerhaft, denjenigen, weiche ihm ankündigten, er habe die Folter auszustehen, antwortete:

»Gut, damit werde ich immer einen Augenblick hinbringen.«

Während er indessen den Reflexen seiner Lampe auf der Wand folgte, während er mit dem Blick die dunkelsten Winkel seines Zimmers sondirte, während er das geringste Geräusch aufzufassen suchte, das den geheimnißvollen Eintritt eines Schattens hätte verkündigen können, verschleierten sich die Augen von Heinrich, der durch das Schauspiel am Tage und durch den Verlauf des Abends ermüdet war, und bald entschlummerte er in dieser Stille und Einsamkeit.

Doch die Ruhe von Heinrich dauerte nicht lange: untergraben durch das dumpfe Fieber, das in ihm das Leben im Schlafe, wie im Wachen abnutzte, glaubte er Geräusch in seinem Zimmer zu hören und erwachte.

»Joyeuse, bist Du es?« fragte er.

Niemand antwortete.

Die Flammen der blauen Lampe waren schwächer geworden sie sandten nach dem Plafond von geschnitztem Eichenholz nur noch einen bleichen Kreis, der die goldenen Zierrathen grün färbte.

»Allein, abermals allein,« murmelte der König. »Ah! der Prophet hat Recht: »»Majestät müßte immer seufzen.«« Es wäre besser gewesen wenn er gesagt hätte: Sie seufzt immer.«

Dann nach einer Pause von einem Augenblick sprach er in Form eines Gebets:

»Mein Gott, gib mir die Kraft, stets in meinem Leben allein zu sein, wie ich nach meinem Tode allein sein werde.«

»Ei! ei! allein nach Deinem Tode, das ist nicht sicher,« erwiederte eine scharfe Stimme, welche wie ein metallisches Zusammenstoßen einige Schritte vom Bett klang, »und für was hältst Du die Würmer?«

Erschrocken setzte sich Heinrich auf und befragte ängstlich jedes Geräthe des Zimmers.

»Oh! ich kenne diese Stimme,« murmelte er.

»Das ist ein Glück,« versetzte die Stimme.

Ein kalter Schweiß floß über die Stirne des Königs und er seufzte:

»Man sollte glauben, es wäre die Stimme von Chicot.«

»Du brennst, Heinrich. Du brennst,« antwortete die Stimme.

Nun erblickte Heinrich, der mit einem Bein aus dem Bette fuhr, in einiger Entfernung vom Kamin in demselben Lehnstuhl, den er eine Stunde zuvor Épernon bezeichnet hatte, einen Kopf, auf den das Feuer einen von jenen rothgelben Reflexen warf, welche allein auf den Gründen von Rembrandt eine Person erleuchten, die man beim ersten Anblick zu bemerken Mühe hat.

Dieser Reflex stieg auf den Arm des Lehnstuhles herab, worauf der Arm der Person gestützt war, dann auf ihr knochiges, hervorspringendes Knie, und endlich auf die Fußbiege, weiche einen rechten Winkel mit einem nervigen, magern und übermäßig langen Bein bildete.

»Gott beschütze mich!« rief Heinrich, »es ist der Schatten von Chicot.«

»Ah! mein armer Henriquet,« sagte die Stimme, »Du bist also immer noch so einfältig?«

»Was soll das bedeuten?«

»Die Schatten sprechen nicht, Schwachkopf, denn sie haben keinen Körper und folglich keine Zungen,« erwiederte die im Lehnstuhl sitzende Gestalt.

»Dann bist Du wirklich Chicot?« rief der König trunken vor Freude.

»Ich will in dieser Hinsicht nichts entscheiden: wir werden später sehen, was ich bin, wir werden sehen.«

»Wie, Du bist also nicht todt, mein armer Chicot?«

»Gut nun schreist Du wie ein Adler; doch, im Gegentheil, ich bin todt, hundertmal todt.«

»Chicot, mein einziger Freund!«

»Du hast wenigstens den Vortheil vor mir, daß Du immer dasselbe sagst. Pest! Du hast Dich nicht verändert«

»Aber, Du, Du,« entgegnete der König traurig, »hast Du Dich verändert?«

»Ich hoffe wohl.«

»Chicot, mein Freund,« sagte der König, indem er seine beiden Füße auf den Boden setzte, »sprich, warum hast Du mich verlassen?«

»Weil ich todt bin.«

»Aber Du sagtest so eben, Du wärest es nicht.«

»Und ich wiederhole es.«

»Was soll dieser Widerspruch heißen?«

»Dieser Widerspruch soll heißen, daß ich für die Einen todt und für die Andern lebendig bin.«

»Und was bist Du für mich?«

»Für Dich bin ich todt.«

»Warum für mich todt?«

»Das ist leicht zu begreifen. Höre wohl.«

»Ja.«

»Du bist nicht Herr bei Dir.«

»Wie?«

»Du vermagst nichts für diejenigen, welche Dir dienen.«

»Herr Chicot!«

»Aergere Dich nicht, oder ich ärgere mich.«

»Ja, Du hast Recht,« sprach der König, zitternd vor Angst, der Schatten könnte verschwinden, »sprich, mein Freund, sprich.«

»Nun wohl! ich hatte ein kleines Geschäft mit Herrn von Mayenne abzumachen, erinnerst Du Dich?«

»Vollkommen.«

»Ich mache es ab. Gut! Ich prügle diesen Kapitän ohne Gleichen, sehr gut. Er läßt mich suchen, um mich zu hängen, und Du, auf den ich rechnete, um mich gegen diesen Helden zu vertheidigen, verlässest mich, statt mich zu beschützen; statt ihm den Garaus zu machen, versöhnst Du Dich mit ihm. Was habe ich sodann gethan? ich habe mich für todt erklärt und durch die Vermittelung meines Freundes Gorenflot beerdigt, so daß seit jener Zeit Herr von Mayenne der mich suchte, mich nicht mehr sucht.«

»Du hast einen gräulichen Muth gehabt, Chicot; sprich, wußtest Du nicht, welchen Schmerz mir Dein Tod verursachen würde?«

»Ja, das ist muthig, aber durchaus nicht gräulich. Ich habe nie so ruhig gelebt, als seitdem die ganze Weit überzeugt ist, ich lebe nicht mehr.«

»Chicot, Chicot, mein Freund!« rief der König, »Du erschreckst mich, mein Kopf geräth in Verwirrung.«

»Ah, bah! das bemerkst Du erst heute?«

»Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«

»An etwas mußt Du Dich, bei Gott! doch halten, oder glaubst Du, laß hören?«

»Ich glaube, daß Du gestorben bist und zurückkehrst.«

»Dann lüge ich; Du bist artig.«

»Du verbirgst mir wenigstens einen Theil der Wahrheit; doch sogleich wirst Du mir, wie die Gespenster des Alterthums, furchtbare Dinge sagen.«

»Ah! was das betrifft, ich sage nicht nein. Halte Dich bereit, armer König.«

»Ja, ja,« sprach Heinrich, »gestehe, daß Du ein durch den Herrn auferweckter Schatten bist?«

»Ich werde zugestehen, was Du willst.«

»Wie wärest Du sonst durch diese bewachten Gänge hierher gekommen? Wie würdest Du bei mir in meinem Zimmer sein? Der Erste der Beste findet also jetzt Eintritt in den Louvre! So bewacht man also den König?«

Und ganz sich dem schwindelartigen Schrecken überlassend, der ihn ergriffen hatte, warf sich Heinrich in sein Bett zurück und wollte sich mit seinen Leinenlaken bedecken.

»La! La! La!« sagte Chicot mit einem Tone, der einiges Mitleid und viel Sympathie verbarg, »erhitze Dich nicht, Du brauchst mich nur zu berühren, um Dich zu überzeugen.«

»Du bist also kein Bote der Rache?«

»Alle Wetter! habe ich Hörner wie Satan, oder ein flammendes Schwert wie der Erzengel Michael?«

»Wie bist Du denn hereingekommen?«

»Du kamst auch so eben zurück.«

»Allerdings.«

»Nun, begreifst Du, daß ich immer noch meinen Schlüssel habe, den welchen Du mir gegeben hast, und den ich an meinen Hals hing, um Deine Kammerherrn wüthend zu machen, die nur das Recht hatten, sich ihn Hinten anzuhängen. Mit diesem Schlüssel kommt man herein und ich bin hereingekommen.«

»Durch die geheime Thüre?«

»Ganz gewiß.«

»Doch warum bist Du eher heute nie gestern gekommen?«

»Ah! es ist wahr, das ist die Frage. Nun, Du sollst es erfahren.«

Heinrich streifte seine Leinenlaken zurück und sprach mit demselben Tone der Naivetät, den ein Kind angenommen hättet:

»Chicot, ich bitte Dich, sage mir nichts Unangenehmes, oh! wenn Du wüßtest, welches Vergnügen es mir macht, Deine Stimme zu hören!«

»Ich werde Dir ganz einfach die Wahrheit sagen. Schlimm genug, wenn Dir die Wahrheit unangenehm ist.«

»Nicht wahr, Deine Furcht vor Herrn von Mayenne ist nicht so ernst?«

»Im Gegentheil, sehr ernst. Du verstehst, Herr von Mayenne hat mir fünfzig Stockprügel geben lassen; ich habe mir Genugtuung genommen und ihm hundert der Hiebe mit der Degenscheide aufgemessen; nimm an, daß zwei Hiebe mit der Degenscheide so viel werth sind, als ein Stockprügel, so sind wir quitt. Nimm an, daß ein Schlag mit der Degenscheide so viel werth ist, als ein Stockprügel, dies kann die Ansicht von Herrn von Mayenne sein, so ist er mir noch fünfzig Schläge mit dem Stock oder der Degenscheide schuldig; ich fürchte aber nichts so sehr, als die Schulden dieser Art, und ich wäre auch nicht hierhergekommen, so sehr Du meiner bedürfen möchtest, hätte ich nicht gewußt, daß Herr von Mayenne sich in Soissons befindet.«

»Nun wohl! Chicot, da sich die Sache so verhält, so nehme ich Dich unter meinen Schutz, und ich will…«

»Was willst Du? Nimm Dich in Acht. Henriquet, so oft Du die Worte: »Ich will!,« aussprichst, bist Du bereit, eine Albernheit zu sagen.«

»Ich will, daß Du auferstehst, daß Du an den hellen Tag trittst.«

»Ich sagte es wohl.«

»Ich werde Dich vertheidigen.«

»Gut.«

»Chicot, ich verpfände Dir mein königliches Wort.«

»Basta! ich habe etwas Besseres.«

»Was hast Du?«

»Ich habe mein Loch und bleibe darin.«

»Ich werde es Dir verbieten,« rief energisch der König, indem er sich auf die Stufe seines Bettes stellte.

»Heinrich,« sagte Chicot, »Du wirst den Schnupfen bekommen; ich bitte Dich, lege Dich wieder nieder.«

»Du hast Recht, Du bringst mich aber auch in Verzweiflung,« versetzte der König, während er sich wieder in seine Tücher steckte. »Wie! wenn ich, Heinrich von Valois, König von Frankreich, finde, daß ich genug Schweizer, Schottländer, französische Leibwachen und Edelleute zu meiner Vertheidigung habe, findet sich Herr Chicot nicht zufrieden und in Sicherheit?«

»Höre… Wie hast Du gesagt? Du habest Schweizer?«

»Ja, befehligt von Tocquenot.«

»Gut… Du habest Schottländer?«

»Ja, befehligt von Larchant.«

»Sehr gut… Du habest französische Leibwachen?«

»Befehligt von Crillon.«

»Vortrefflich. Und hernach?«

»Hernach? Ich weiß nicht, ob ich Dir das sagen soll?«

»Sage es nicht. Wer fragt Dich danach?«

»Und hernach, eine Neuigkeit, Chicot.«

»Gut Neuigkeit?«

»Denke Dir fünf und vierzig brave Edelleute…«

»Fünf und vierzig? Wie sagst Du das?«

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