Kitabı oku: «Die Holländerin», sayfa 11
– Dieses Kind weiß nicht, was es spricht, antwortete Euphrasia, die anfing ängstlich zu werden; der Brief ist gefunden, und das ist die Hauptsache. Mit diesen Worten näherte sie sich der Thür, Tristan aber trat ihr in den Weg und verhinderte sie, das Zimmer zu verlassen.
– Verzeihung, Madame, sprach er, wenn ich mich Ihrer Entfernung widersetze; Sie haben die Anklage gehört, Sie müssen nun auch die Wahrheit hören. Das Kind sah seine Mutter an und wußte nicht mehr, was es beginnen sollte.
– Dieser erbrochene Brief ist in dem Koffer gefunden, den ich zu meiner Abreise vorbereitete, sprach Tristan weiter, und er kann nur von dem hineingelegt sein, der ihn erbrochen und gewußt hat, was er enthält. Dieser Knabe konnte nur dann in mein Zimmer gehen, wenn man es ihm gesagt, denn er würde überall, nur dort nicht gesucht haben. Herr Van-Dick, wollten Sie die Güte haben und das Kind fragen, wer ihm gesagt, bis in mein Zimmer zu dringen und den Brief dort zu suchen.
– Antworte, sprach Herr Van-Dick zu seinem Sohne in einem Tone, der ihn mahnte, nicht zu lügen. Die ernste Wendung der Sache hatte den Kaufmann tief bewegt.
– Mama hat es mir gesagt, antwortete das Kind. Man denke ich den Eindruck, den diese Worte hervorbrachten. Niemand gedachte indes der Freundin, die Euphrasia eingeladen hatte, um Zeugin von Tristan’s Diebstahl zu sein.
– Er lügt! rief die Mutter.
– Schweigen Sie, Madame, sprach Herr Van-Dick in einem befehlenden Tone. Ist das alles, was Dir Deine Mutter gesagt hat? fragte er den Knaben. Sprich die Wahrheit, oder ich jage Dich zum Hause hinaus!
– Mama, antwortete schluchzend das Kind, hat mich zuerst mit dem Briefe fortgeschickt, um ihn in Herrn Tristan’s Koffer zu legen, dann hat sie mir gesagt, ich solle den Brief wieder holen, wenn sie es bei Tische verlangte, und dann sagen, wo ich ihn gefunden hätte.
Madame Van-Dick wurde bleich wie eine Todte und schwieg.
– Hast Du nicht gelogen? fragte der Vater sein Kind.
– Nein, Papa, ich schwöre es,
– Gut, fuhr der Kaufmann fort, indem er aufstand, gehen Sie auf Ihr Zimmer, Madame; ich werde unsere Angelegenheiten in Ordnung bringen und heute noch verlassen Sie mein Haus, denn ich dulde keine Diebin unter meinem Dache.
Madame Van-Dick entfernte sich.
Herr Van-Dick, der an heftige Aufregung nicht gewöhnt war, trocknete den Schweiß, der in dicken Tropfen von seiner Stirn rann.
– Sie sehen wohl ein, wandte sich Tristan zu dem schweißtriefenden Holländer, daß ich unter diesen Umständen nicht anders handeln konnte. So lange mir nur Eigensinn unbedeutende Possen zu spielen suchte, habe ich geschwiegen, aber jetzt —
– Jetzt haben Sie recht gethan, mein Freund, antwortete Herr Van-Dick, indem er ihm die Hand reichte, denn Sie haben nur Ihre Pflicht gethan. Alles übrige ist meine Sache.
Die Freundin, am ganzen Körper zitternd, war auf einen Stuhl gesunken und wußte nicht, welchen Ton sie bei der Sache anstimmen sollte.
Mit Thränen in den Augen und fast krank über das Geschehene, kehrte Tristan in ein Zimmer zurück. Als er allein war, entschlüpfte seinen Lippen unwillkührlich Louise’s Name.
5
Als unser Held ein wenig ruhiger geworden war, erinnerte er sich des Herrn Mametin, den ihm die Vorsehung einige Tage zuvor so wunderbar auf seinem Lebenswege entgegengeführt hatte. Inbrünstig dankte er der göttlichen Schickung, die sich einer so gnädig annahm; er gab sich indeß das feste Versprechen, daß dies der letzte Versuch sein solle, den er gegen das Schicksal unternähme und daß er, wenn auch dieser endete wie alle andern, die er begonnen, sein Leben von sich werfen wolle.
Nachdem er alle seine Habseligkeiten sorgfältig zusammengepackt, nahm er Abschied von dem Zimmer, in welchem er glücklich zu leben gehofft hatte, und ging zu Herrn Van-Dick hinab. Er traf den Kaufmann in seinem Zimmer und zwar so beschäftigt mit Briefschreiben, daß er das Oeffnen der Thür nicht gewahrte. Tristan näherte sich Herrn Van-Dick, und als er ihm zur Seite stand und sah, daß er immer noch mit großer Aufmerksamkeit fortarbeitete, sprach er zu ihm:
– Ich werde mich zurückziehen, wenn ich störe.
– Ah, Sie sind da, bester Tristan! Ich habe Ihren Eintritt nicht bemerkt, verzeihen Sie. Nun, was sagen Sie zu den saubern Geschichten?
– Ich habe keine Meinung darüber.
– Ich hielt zwar meine Frau zu sehr viel Dingen fähig, aber zu diesem nicht.
– Man muß ihr verzeihen. Der Zorn ist ein schlechter Rathgeber und Madame Van-Dick ist genug bestraft. Ich verzeihe ihr von ganzem Herzen.
– Hat sie mit Ihnen gesprochen?
– Nein, ich habe sie nicht gesehen.
– Beruhigen Sie sich, es soll Ihnen nichts mehr geschehen.
– Davon bin ich überzeugt.
– Sie wird das Haus verlassen, sprach Herr Van-Dick in einem Tone, der verrieth, daß sein Entschluß schon schwankte.
– Sie wird hier bleiben.
– Sie können aber nicht länger mit ihr leben.
– Das ist mir völlig klar.
– Nun?
– Es steht mir nicht das Recht zu, nachdem ich, wenn auch ohne meine Schuld, bereits so viel Uneinigkeit angestiftet, ferner noch die Saat der Zwietracht in ein Haus zu säen, das mich so gastfreundlich, wenigstens von Ihrer Seite, mein bester Herr Van-Dick, aufgenommen hat. Ich werde Madame Van-Dick weichen.
– Wohin gehen Sie?
– Zu dem Doctor Mametin.
– Sie haben Recht, lieber Tristan, ich an Ihrer Stelle würde auch nicht anders handeln. Madame Mametin ist eine liebenswürdige Frau und der Doctor ein Mann, der mehr vermag, als ich. Gehen Sie dann in Gottes Namen zu ihm.
– Sie billigen also meine Absicht?
– Vollkommen.
– Darf ich hoffen, Herr Van-Dick, daß mich bei dem Scheiden aus Ihrem Hause Ihre Achtung begleitet?
– Meine Achtung und Freundschaft!
– Und wenn wir uns einst begegnen sollten —
– Werde ich Ihnen die Hand reichen, wie jetzt. Ich hoffe, Sie und der gute Doctor werden mich recht oft besuchen. Doch darf ich Ihnen jetzt einen Rath ertheilen?
– Reden Sie, Herr Van-Dick.
– Wohnen Sie nicht in demselben Hause, das Herr Mametin bewohnt, es ist für irgend einen stets lästig. Wenn Sie meinem Rathe Gehör geben, so miethen Sie sich ein Haus allein.
– Den Plan habe ich bereits gefaßt, wenn nicht ein Haus, doch wenigstens ein Zimmer.
– Miethen Sie das kleine Haus, das dem Herrn Mametin’s gegenüber liegt und in diesem Augenblicke frei steht, Sie werden es um einen billigen Preis erhalten.
– Sie haben Recht; doch jetzt bitte ich Sie um einen Dienst. Herr Van-Dick legte die Hand an den Schlüssel seiner Kasse.
– Alles was Sie wollen, bester Freund.
Tristan erröthete und hielt die Hand des Kaufmanns zurück.
– Danke, sprach er, es handelt sich um etwas anderes.
– Warum nicht um dieses?
– Weil ich dessen nicht bedarf.
– Reden Sie offen, Sie können mir dieses Geld später zurückzahlen.
– Danke tausendmal, mein bester Herr Van-Dick, ich habe, was ich gebrauche.
– Nach Gefallen, doch vergessen Sie nicht, daß meine Freundschaft und meine Kasse stets zu Ihrer Verfügung stehen. Doch nun zur Sache.
– Sie wissen, daß ich mit Wilhelm stets in einem guten Einverständnisse fand.
– Ja.
– Er ist ein braver junger Mann, dessen Freundschaft mir werth ist.
– Ganz recht.
– Wollten Sie nun die Güte haben und ihn bei seiner Rückkehr auf Ihr Wort und auf das meinige versichern, daß er mir nichts vorzuwerfen hat, und daß ich stets glücklich sein werde, ihn zu sehen.
– Sind Sie böse mit einander?
– Ja.
– Seit wann?
– Seit gestern.
– Wie können Sie das wissen?
– Er hat es mir geschrieben.
– Und weshalb?
– Ich weiß es nicht.
– Meine Frau wird ihm geschrieben haben.
– Glauben Sie? Was kann sie mir aber aufgebürdet haben?
– Daß Sie ihr den Hof machen, wie sie auch mir gesagt hat.
– Aber ich begreife nur nicht, fuhr Tristan fort, der sich stellen wollte, als wüßte er von Wilhelm’s und Euphrasia’s Verhältnisse nichts, oder die Absicht hatte, von Herrn Van-Dick zu hören, daß er darum wüßte, ich begreife nicht, was ihn die Sache angehen kann.
Herr Van-Dick sah Tristan von der Seite an und sprach in einem Tone, der sich nicht beschreiben läßt:
– Einfaltspinsel!
Tristan mußte lächeln.
– Doch eins noch möchte ich wissen, da wir gerade allein sind, sprach Herr Van-Dick. Sind Sie gern hier gewesen? Reden Sie offen.
– Sehr gern.
– War Ihnen das Leben, das ich Ihnen bot, angenehm genug?
– Ja.
– Und gedachten Sie längere Zeit bei uns zu bleiben?
– Wenn es möglich gewesen wäre, immer.
– Warum haben Sie sich dann mit meiner Frau entzweit?
– Nicht ich habe mich mit ihr, sie hat sich mit mir entzweit.
– Aber warum? Was haben Sie ihr gethan?
– Wollen Sie es wissen?
– Ja.
– Im Ernst?
– Im vollen Ernst.
– Nun, mein bester Herr Van-Dick – aber ich weiß wirklich nicht, wie ich beginnen soll.
– Reden Sie offen; oder wollen Sie, daß ich Ihnen helfe?
– Das wäre mir lieb.
– Meine Frau hat Ihnen als Einleitung erzählt, daß man sie gegen ihren Geschmack verheirathet habe?
– Ja.
– Sie hat Ihnen gesagt, daß sie unglücklich ist?
– Fast dasselbe.
– Sie hat Sie über Ihr Leben befragt?
– Ganz recht.
– Sie hat Sie ferner gefragt, ob Sie in Ihrem Leben schon verliebt gewesen?
– Trifft alles zu.
– Und was haben Sie ihr darauf geantwortet?
– Daß ich es gewesen, aber nie mehr sein würde.
– Unkluger Mensch, das ist es ja eben, was hier alles verdirbt! Hat sie Ihnen nach Wilhelm’s Abreise ihre Liebe gestanden?
– Ja.
– Und was haben Sie ihr geantwortet?
– Daß ich sie nicht lieben könnte, ohne Freundschaft und Dankbarkeit zu verletzen.
– Gut. Und an dieser Idee haben Sie festgehalten?
– Ja.
– Und nun staunen Sie über das, was geschehen?
– Nein.
– Was habe ich Ihnen auf der Reise von Mailand nach Amsterdam gesagt?
– Ich erinnere mich dessen nicht mehr, antwortete Tristan, der das volle Geständniß des Kaufmanns erlangen wollte.
– Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie nur unter der Bedingung bei mir bleiben könnten, wenn meine Frau Sie lieben würde.
– Ich erinnere mich.
– Sie hätten sich auch erinnern sollen, daß ich Ihnen den Rath gegeben, alles aufzubieten, um zu diesem Resultate zu gelangen.
– Wohl wahr.
– Sie haben es nicht erlangt, und deshalb müssen wir uns trennen, so leid es mir auch thut.
– Es gab nur ein Mittel, die Gunst Ihrer Frau zu erlangen.
– Und welches?
– Ich mußte ihr Liebhaber werden, da ich das Ding doch einmal bei seinem Namen nennen muß.
– Gut, dieses Mittel hätten Sie aus Freundschaft für mich, um bleiben zu können, anwenden sollen.
– Dann hätte ich Sie aber betrogen.
– Glauben Sie denn, daß ich einen solchen Betrug nicht lieber gehabt hätte, als die ewigen Zänkereien? Wie oft habe ich Ihnen gesagt, daß mir meine regelmäßigen Mahlzeiten, meine Ruhe und mein häuslicher Frieden über alles gehen. Wilhelm hat mich besser verstanden.
– Was wollen Sie damit sagen?
– Ich will damit sagen, daß seit der Zeit, die er im Hause lebt, nicht der vierte Theil des Streites vorgefallen ist, als seit der kurzen Zeit, die Sie hier sind.
– Das kommt daher, weil er das Mittel angewendet hat —
– Das Ihnen meine Frau vorgeschlagen hat.
– Sind Sie ihm deshalb nicht böse?
– O durchaus nicht! Was wäre ohne ihn aus mir wohl geworden? Verdanke ich diesem lieben Wilhelm nicht mein ganzes Glück?
– Nun, dann zittern Sie für dieses Glück.
– Warum?
– Weil Ihre Frau ihn nicht mehr liebt.
– Seit wann?
– Seit sie mich liebt.
– O, da kennen Sie meine liebe Frau schlecht. Sie sind böse mit Wilhelm?
– Ja.
– Wie Sie mir vorhin sagten, trägt Euphrasia die Schuld daran?
– Sie haben Recht.
– Will sie denn mit Wilhelm bleiben, wie sie früher war? O, Sie Thor!
– Das ist recht.
– Sie thaten Unrecht, es zu verweigern.
– Ich hatte es versprochen.
– Wem? Wilhelm?
– Ja.
– Dann kann ich Sie nur beklagen, mein armer Tristan. Aber seien Sie ruhig, ich werde Wilhelm enttäuschen und er wird mir glauben. Zum Teufel, warum wollen Sie uns verlassen?
– Ich muß.
– Nun, so wünsche ich Ihnen so viel Glück, als Sie verdienen.
Die beiden Männer umarmten sich.
– Erlauben Sie, daß ich meine Koffer bis diesen Abend hier lassen kann? fuhr Tristan fort.
– So lange Sie wollen.
– Ich werde jetzt das Haus in Augenschein nehmen, sprach unser Held und schritt der Thür zu.
– Daran thun Sie wohl, sprach Herr Van-Dick, der ihn begleitete.
– Und von dort werde ich zu Herrn Mametin gehen.
– Dann kommen Sie sobald als möglich zurück und sagen mir, was er beschlossen hat.
In diesem Augenblicke öffnete Herr Van-Dick die Thür, welche auf die Straße führte.
– Nehmen Sie noch einmal meinen herzlichsten Dank, mein bester Herr Van-Dick. Tristan drückte noch einmal die Hand seines gastlichen Freundes und stieg die Stufen der Steintreppe hinab.
– Man sage mir ja nicht, daß es dergleichen Ehemänner nicht gäbe, dachte Tristan, indem er sich entfernte. Wie wäre Herr Van-Dick mit einer solchen Frau wohl zu beklagen, wenn er nicht so wäre!
– Man sage mir ja nicht, sprach Herr Van-Dick zu sich selbst, indem er sich an sein Bureau setzte, daß es keine brave Leute mehr giebt! Tristan ist ein braver junger Mann, und er hat Recht, wenn er sein Wort hält, denn für einen Mann, wie er ist, würde meine Frau eine langweilige Geliebte sein.
Ruhig setzte er seine Correspondenz fort.
6
Frei aufathmend, schritt Tristan dem Hause zu, das ihm Herr Van-Dick bezeichnet hatte. Eine alte Frau beaufsichtigte dieses Haus, das der Besitzer mit vollständiger Einrichtung zur Miethe ausbot. Der Preis war sehr mäßig, da es fast auf dem Lande lag. Unserm Tristan gefiel die Wohnung, und da die Alte, welche sie zeigte, von dem Besitzer mit Vollmacht versehen war, so schloß er mit ihr ab, zahlte auf drei Monate den Zins voraus und gab Auftrag, die zurückgelassenen Koffer von Herrn Van-Dick holen zu lassen, wo auch nähere Erkundigungen über ihn einzuziehen seien, wenn es für gut befunden würde. Dann fragte er, ob das Haus, welches gegenüber lag, das des Herrn Mametin sei. Auf die bejahende Antwort der guten Frau schritt Tristan über die Straße und klopfte an dieselbe Thür, an welche zwei Tage zuvor Madame Van-Dick geklopft hatte.
Ein Diener öffnete; er behielt aber die halbgeöffnete Thür in der Hand wie ein Mensch, der antworten will, daß niemand zu Hause sei.
Und in der That, dies war es, was er antwortete, als Tristan fragte:
– Herr Mametin?
– Er ist mit Madame auf dem Lande, fügte der Diener hinzu.
– Wann wird er zurückkehren?
– Wir wissen es nicht.
– Wo ist das Landhaus?
– Eine und eine halbe Meile von hier.
– Trägt man Herrn Mametin die Briefe dorthin?
– Alle zwei Tage.
– Dann werde ich ihm einige Worte schreiben.
Der Diener öffnete die Thür, ließ unsern Freund in den Speisesaal treten und brachte Papier, Feder und Dinte herbei. Tristan ergriff die Feder und begann die erste Zeile zu schreiben. Aber noch hatte er keine vier Worte vollendet, als er einen Papagei fingen hörte:
»Ja, das Gold ist nur Chimäre.«
Der junge Mann zitterte und ward bleich. Er hatte sich nicht getäuscht, es war die Stimme seines Vogels.
Tristan sah sich um, und fürchtend, er habe geträumt, suchte er das ihm bekannte Thier. Es war nicht in dem Speisesaale.
Da sang der Papagei noch einmal und zwar im höchsten Falset:
»Ja, ja, ja, das Gold ist nur Chimäre!«
Tristan folgte der Richtung, welche ihm die Stimme angab, und kam in den Garten, wo er in einem prächtigen Vogelbauer den Papagei erblickte, den er von seiner Mutter erhalten, Louisen hinterlassen und in Mailand wiedergefunden hatte.
Der arme Mensch zitterte am ganzen Körper, denn er war fest überzeugt, daß der Vogel derselbe war; dies bewies aber immer noch nicht, daß er sich bei seiner Frau befand. Konnte er nicht verkauft, verschenkt, oder wohl gar gestohlen sein? Der Diener, welcher diesen ihm unbekannten Mann plötzlich aufstehen, in den Garten laufen und mit dem Papagei sprechen gesehen, glaubte es mit einem Diebe, oder mindestens doch mit einem Verrückten zu thun zu haben; er war daher Tristan gefolgt und harrte, hinter ihm sehend, des Verlaufs dieses Abenteuers. Tristan sah ihn an und wußte nicht, was er ihn fragen sollte.
– Ein schönes Thier, sprach der Domestik, indem er auf den Papagei zeigte, nicht wahr, mein Herr?
– Ja. Wem gehört dieser Vogel?
– Dem Herrn und der Madame Mametin.
– Sind Sie schon lange hier?
– Nein, mein Herr.
– War der Papagei schon in dem Hause, als Sie in den Dienst des Doctors traten?
– Ja.
– Ist Madame Mametin alt?
– O nein. Kennt der Herr sie nicht?
– Nein.
– Madame Mametin ist noch sehr jung.
– Ja, ja, ich erinnere mich, sprach Tristan, der sich von seinem Erstaunen erholte und den Bedienten nicht merken lassen wollte, daß er auf das, wonach er fragte, großes Gewicht legte; ja, sprach er, ich erinnere mich, ist sie nicht brünett?
– Nein, mein Herr, sie ist blond.
– Wissen Sie das genau?
– O sehr genau.
– Nicht stark?
– Ja.
– Mehr klein, als groß?
– Ja.
– Ist die Französin?
– Der Herr kennt sie!
– Und ihr Taufnahme ist?
– Louise.
Tristan zitterte. Er wußte auch weshalb.
– Mein Freund, fuhr Tristan fort, wissen Sie genau, daß Herr und Madame Mametin auf dem Lande sind?
– Ja, mein Herr.
– Und ist der Ort, wo sie sind, nicht weiter, als Sie mir angegeben haben?
– Nein.
– Gut, so werde ich, anstatt zu schreiben, selbst gehen.
Tristan kehrte in den Speisesaal zurück, zerriß den angefangenen Brief, verließ das Haus und trat zu Fuß den Weg an, den ihm der Diener bezeichnet hatte.
Man kann sich leicht denken, mit welchen Empfindungen der arme Tristan seinen Weg verfolgte.
– Was für ein Gesicht soll ich meiner Frau entgegenschneiden, die mich in der andern Welt wähnt, dachte Tristan. Wenigstens muß sie bei dem ersten Anblicke einen nicht unbedeutenden Schrei ausstoßen. Und was wird ihr Mann dazu sagen? Ich frage, was wird ihr Mann dazu sagen, und ich bin der Mann. Ich glaube, ich werde sehr lächerlich aussehen. Soll ich nun als Mann auftreten, der seine Frau sucht, oder soll ich ganz einfach der Einladung des Doctors folgen, und scheinen, als ob ich nichts wüßte?
»Im ersten Falle ist leicht ein Irrthum möglich. Kann Madame Mametin nicht zufällig Louise heißen? Kann sie meinen Papagei nicht zufällig besitzen und doch nicht meine Frau sein? Verhält sich die Sache so, wird Herr Mametin seinen Gärtner, seinen Portier und alle seine Domestiken kommen lassen und ihnen auftragen, mich ganz sanft aus der Thür zu schieben, da ich für die Gastfreundschaft, die er mir bietet, Verwirrung in sein ruhiges Haus bringe. Und doch möchte ich tausend gegen eins wetten, daß Madame Mametin meine Frau ist, denn mir fällt ein, daß mir Herr Van-Dick gesagt, er habe Herrn Mametin in Mailand besucht. Dort habe ich auch meinen Papagei gehört – es ist klar, Louise war in Mailand. Ja, ja, Louise ist meine Frau und keine Macht der Erde soll mich von ihr trennen. Ich werde sehr artig eintreten und sagen, daß ich meine Frau suche. Ich bin doch neugierig, was sie sagen werden. »Mein Gott, was werden sie sagen, fuhr er nach einem Augenblicke der Ueberlegung fort. Da meine Frau in Mailand mich nicht sehen wollte, wird sie es hier noch viel weniger wollen. Ich habe keine Beweise; sie wird mich zur Thür hinauswerfen lassen, wenn sie nachsichtig ist, und mich verhaften lassen, wenn sie es nicht ist. Man wird mir den Prozeß machen, man wird bei dieser Gelegenheit erfahren, daß ich todt bin, man wird mich fragen, mit welchem Rechte ich lebe, und beweise ich, daß ich das Recht habe, lebendig zu sein, wird man entdecken, daß ich Karl getödtet habe und mein Kopf hat die längste Zeit auf seinem Rumpfe gesessen. Meine Frau und ihr Mann werden sich schön ins Fäustchen lachen.
»Je mehr ich darüber nachdenke, sprach Tristan weiter, je mehr entflieht der Zweifel; es ist klar, ich werde Louise dort vorfinden. Herr Mametin ist jedenfalls der Mann, den ich in Mailand in der Loge gesehen habe. Als ich bei Herrn Van-Dick mit ihm sprach, war es mir auch, als ob ich ihn irgendwo gesehen hätte. Aber gut, daß ich daran denke: woher mag wohl diese plötzliche Freundschaft für mich kommen? Sollte Louise meine Anwesenheit in Amsterdam wissen und eine Annäherung wünschen? Sollte sie dieses Mittel erfunden haben? Auf jeden Fall ist es das Beste, nicht mit der Thür in das Haus zu fallen.
Unter diesen Gedanken war unser Held an ein elegantes Gitter gelangt, durch dessen Stäbe man einen reizenden Garten erblickte. Am Ende dieses Gartens erhob sich ein kleines weißes Häuschen, ganz von Weinlaub und Epheu eingehüllt. Merkwürdigerweise glich dieses Haus, wie eine Zwillingsschwester der andern, jenem kleinen Hause, das Tristan einst in Auteuil bewohnt hatte.
Unser Wandersmann zog den Glockenzug. Ein großer Hund schlug an, und der Gärtner öffnete die Pforte.
– Herr Mametin? fragte Tristan.
– Er ist nicht zu Hause; aber Madame ist zu sprechen.
Tristan’s Aufregung verdoppelte sich.
– Will der Herr mit Madame reden? fragte der Gärtner weiter.
– Ja.
– Welchen Namen soll ich melden?
– Madame kennt mich nicht; melden Sie daher ganz einfach einen Herrn, den Herr Mametin hierher beschieden habe.
– Treten Sie gefälligst in den Saal.
Der Gärtner führte den Ankömmling in den Garten und ließ ihn in ein großes, reich ausgestattetes Zimmer des Erdgeschosses eintreten. Das Erste, was unserm Tristan in die Augen fiel, war das Portrait einer Frau.