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Kitabı oku: «Die schwarze Tulpe», sayfa 17

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VIII.
Das Aufblühen der Tulpe

Die Nacht war ruhig und angenehm, nur für Cornelius eine jener stürmischen, wo der Mensch von einen besonders wichtigen Gegenstande aufgeregt, von einer Idee verfolgt, wachend und schlafend keine Ruhe findet. Seine ganze gespannte Aufmerksamkeit hatte er auf den Gang und die Kerkerthüre gerichtet, der leiseste Windeshauch däuchte ihm das Rauschen eines Kleides oder Rosas flüchtiger Schritt zu sein. Dann sprang er empor von seinem Lager, eilte zum Gitter, lauschte, horchte, zitternd am ganzen Körper von einer himmlischen Hoffnung durchdrungen und belebt.

»Aber jedes mal gab ihm ein kurzer Aufenthalt die Gewißheit einer neuen Täuschung, trauernd, mit gesenktem Haupte kehrte er dann wieder auf sein Lager zurück. Rosa war gewiß wach, beneidenswerther jedoch, als der arme Gefangene, war ihr das Glück vergönnt, die große schwarze Tulpe bewachen, ihren Lebenslauf verfolgen, die erste Entfaltung der herrlichen Blume begrüßen zu dürfen. Unmittelbar unter ihrem sorgsamen Auge befand sich dies unschätzbare Kleinod, dieses größte Wunder, menschlicher Thätigkeit, diese erhabene Erscheinungen im, Gebiete der Natur. Und sie mußte es auch sein, denn an ihr hervortreten knüpfte sich zugleich die Wirksamkeit einer, der Menge unerklärbaren geistigen Kraft, da sie bis zu diesem Augenblicke für den Gegenstand bloßer Phantasie gehalten, und in den Bereich der Unmöglichkeit gesetzt worden war.

Was mußte aber auch nach diesen Voraussetzungen – die Welt sagen, wenn sich die Nachricht verbreitete: Die große schwarze Tulpe, das für unmöglich gehaltene Phänomen ist entdeckt, sie existirt in ihrer glänzendstens Blüthe und Entfaltung, in größter Vollkommenheit.

Und wer war derjenige, der dies Wunder bewerkstelligte?

Ein gewisser van Baerle, Gefangener auf der Festung Löwenstein.

Man muß sich Baerles leidenschaftliche Hingebung für seine Blumen ganz denken können, um nur halbwegs zu begreifen, daß ihm außer diesem, jeder andere Gegenstand in der Welt kleinlich und unbedeutend vorkam, daß der Wahn, jeder Mensch müsse von gleicher Bewunderung für die Tulpe hingerissen, auch dieselbe Idee haben, sein Inneres erfüllte.

Dann wird auch Niemand zweifeln, daß Cornelius die Tulpe selbst für den hohen Preis seiner Freiheit, an Niemanden abgetreten haben würde.

Der eben erwähnte Tag verschwand ohne irgend einer besondern Vorfallenheit, die Tulpe war wieder vorgeschritten, aber noch immer nicht aufgeblüht.

Endlich kam die Nacht. Die heiß ersehnte Stunde der gewöhnlichen Zusammenkunft schlug, mit ihr erschien auch Rosa.

»Was bringt ihr mir?« rief Cornelius.

»Die besten Nachrichten. Alles geht überraschend schnell und gut von Statten, ich bin ganz gewiß überzeugt, daß Euere Tulpe noch diese Nacht blühen muß.«

»Ja aber wie wird sie blühen, habt Ihr noch gar »kein Zeichen, daß sie schwarz, glänzend schwarz wird?«

»Rabenschwarz.«

»Aber ohne Beimischung einer andern Farbe?«

»Wie ich Euch sage, makellos.«

»Dein Himmel sei Dank. O Rosa, wenn ich Euch erzählen sollte wie ich diese Nacht zugebracht hatte. Ich dachte unaufhörlich an Euch —«

Das Mädchen machte aber eine Miene und Bewegung, die deutlich deren Ungläubigkeit beurkundete.

»Dann dachte ich wieder über alle jene Punkte nach, die wir zur Erreichung eines sicheren Zieles noch zu beobachten haben.«

»Und diese sind?«

»Ich habe in dieser Beziehung einen unumstößlichen Entschluß gefaßt. Sobald nämlich die Tulpe erblüht, und der sichere Beweis vorliegt, daß sie schwarz ohne allen Makel oder eine andere Beimischung ist, habt Ihr Euere erste Sorge dahin zu richten, daß Ihr einen verschwiegenen und zugleich verläßlichen Boten ausfindig macht.«

»Diesen ersten Punkt werde ich ohne allen Zeitverlust und pünktlich nachkommen, denn was den von Euch bezeichneten Boten betrifft, so habe ich bereits einen, Euerem Wunsche entsprechenden gefunden.«

»Aber einen ganz verläßlichen Boten, wie ich sagte.«

»Seid nur beruhigt, ich will selbst für ihn gut stehen; es soll nämlich einer aus der Unzahl meiner Liebhaber gewählt werden.«

»Ihr werdet doch nicht am Ende gar Jakob mit dieser Angelegenheit absenden?«

»Wie kommt Ihr auf diesen so sonderbaren Gedanken, Ihr scheint selbst in einem so ernsthaften Augenblicke scherzen zu wollen. Aber damit ich Euere Neugierde lieber gleich befriedige, so erfahret denn, daß es der Schiffer vom Löwenstein, ein junger, rüstiger und gewandter Bursche sein soll.«

»Wie alt ist er wohl?«

»Fünf bis sechsundzwanzig Jahre.«

»O Himmel!«

»O, beruhigt Euch nur,« lächelte Rosa schelmisch, »um so mehr, wenn Ihr Euch erinnert, daß er noch nicht das vorgeschriebene Alter hat, da Ihr selbst die Jahre sechs- oder achtundzwanzig bestimmtet, und es noch lange hin ist, bis er diese erreicht.«

»Seid Ihr aber auch ganz versichert, daß diesem. Menschen unbedingtes Vertrauen geschenkt werden; kann?«

»Ich kann auf ihn gerade so vertrauen, wie Ihr auf mich, denn, wenn es mein Wunsch wäre, würde er: sich auf einen einzigen Wink von mir, in die Waal; oder Maas stürzen.«

»Nun so will auch ich ihm ganz vertrauen. Wenn, er sich nur halbwegs beeilt, so kann er in längstens zehn Stunden in Harlem sein. Dann seid Ihr so gut und bringt mir Papier und Bleistift, oder noch besser, statt Letzterem, Feder und Tinte. Ich will sogleich schreiben; aber nein, ich darf es nicht thun, denn man könnte meine Schriftzüge erkennen und hinter dieser ganz einfachen und unschuldigen Angelegenheit irgend einen geschickt angelegten Verschwörungsplan vermuthen. Daher werde ich Euch ersuchen, daß Ihr das Geschäft des Schreibens auch noch übernehmt. Ihr berichtet nämlich dem Präsidenten der Gartenbaugesellschaft, daß Ihr im Besitze der bereits aufgeblühten, großen, schwarzen, fleckenlosen.Tulpe seid, und ich bin ganz überzeugt, daß er es nach dieser Anzeige nicht unterlassen wird, allsogleich selbst hierher zu kommen.«

»Wenn der Präsident aber zögern, oder gar nicht kommen sollte?«

»O das ist unmöglich, Ihr kennt ihn nicht, Rosa, Ihr wißt nicht, welches Opfer ein Mitglied unserer Gesellschaft der Tulpe, und besonders ihr, dem Meisterstücke der Schöpfung, zu bringen vermag. Kommen wird er gewiß, davon bin ich ganz überzeugt, aber verzögern könnte er seine Ankunft, das wäre möglich; allein selbst in diesem Falle könnte er seine gewiß flammende Begierde nicht länger als zwei Tage zügeln.«

»Und wenn dies wirklich geschähe?«

»Dann schadet es uns noch immer nicht, da nach zwei Tagen die Tulpe vollkommen entfaltet, in unnachahmlicher Pracht dastehen wird.«

»Was geschieht aber weiter?«

»Der Präsident wird die Blume genau in Augenschein nehmen, dann ein eigenes Protokoll über dieselbe abfassen, Euch ein Duplikat dies es Protokolles übergeben, wogegen Ihr ihm die Tulpe einhändigt, und die ganze Sache ist dann abgethan.«

»Ich werde mich ganz nach Euerer Weisung halten.«

»O Rosa, wenn wir so glücklich wären, die herrliche Blume selbst nach Harlem tragen zu können. Ich würde sie keinen Augenblick aus meinen Händen geben, und selbst dann, wenn ich mich von ihr trennen müßte, wollte ich sie noch ein Mal in Euere lieben Händen legen, als den Sprößling, der nur der zärtlichsten Liebe einer treuen Mutter sein Dasein verdankt. Aber so werden sich andere Augen an der Pracht des erhabenen Bildes laben, werden sie verblühen sehen, und ihrem letzten Hauche folgen können. Aber nochmals bitte ich Euch, meine liebe, theuere, meine unvergleichliche Rosa, lasset die Tulpe Niemanden auf dieser Erde, selbst Euerem Vater nicht sehen, bevor sie der Präsident in Augenschein genommen hat.«

»Ich versprach es Euch ja schon so oft —«

»Ihr werdet auch Euer Versprechen gewiß halten, denn bedenkt nur Rosa, wenn Jemand erführe, daß es die schwarze Tulpe, daß mit ihrem Besitz ein Gewinn von hunderttausend Gulden sei, Ihr wäret allen möglichen Verfolgungen ausgesetzt, man würde sie Euch mit Gewalt rauben.«

»Ach, Ihr habt Recht —«

»Und dann sagtet Ihr mir ja selbst, wie der schändliche Jakob der Blume nachstelle. – Genügt Euch dieser eine Beweis; o Rosa, der Mensch, der so leicht einen Gulden stiehlt, wird mit Gier hunderttausend zu gewinnen suchen.«

»Seid ganz unbesorgt, ich will auf das Aeußerste vorsichtig und aufmerksam sein.«

»Es wäre aber eben so möglich, daß sich die Tulpe:öffnet, während dem Ihr hier bei mir seid.«

»Es kann sehr leicht der Fall sein, um so mehr, da sie mir zur Ausführung einer derartigen Caprice eigensinnig genug zu sein scheint.«

»Und wenn Ihr sie dann bei Euerer Zurückkunft offen findet?«

»Nehmen wir an, es wäre so.«

»O Rosa, dann erinnert Euch auch nur, daß jede verlorene Minute eine Ewigkeit in sich schließt, daß die erste Bedingung zur Erreichung unseres Zieles darin, besteht, den Präsidenten unverzüglich von Allem in Kenntniß zu setzen.«

»Den Präsidenten allein, ich glaube viel mehr Euch noch früher.«

Und dabei seufzte das Mädchen tief und hörbar, wie das Weib, das endlich langsam das unendliche Gebiet einer ihr bisher unbekannten Schwäche begreifen lernt, ohne sich deswegen an sie gewöhnen zu können. Dann sprach sie zu Cornelius:

»Jetzt eile ich wieder hinab auf mein Zimmer und zu Euerer Tulpe, ich will heute die ganze Nacht wachen, und so bald sie erblüht, Euch benachrichtigen. In demselben Augenblicke aber wo ich dies thue, geht auch der Euch bezeichnete Bote von hier nach Harlem ab.«

»O Rosa, Rosa, alle meine Kraft ist gebrochen, Euch den, rettenden Schutzgeist meiner trüben Lebensbahn hat mir Gott gesandt, wie kann ich Ihm, wie kann: ich Euch einst danken. O, ich fühle es jetzt erst, daß kein Wesen auf dieser großen Welt, Euch an Güte, Liebenswürdigkeit und Verstand gleich kommt.«

»Keinem Wesen, o Cornelius, wenn Ihr mich nur mit Euerer schwarzen Tulpe vergleichen wolltet, dann müßte ich gewiß in Euerem Innern das vollkommenste Wesen sein. – Aber das dürfte unmöglich sein, nicht wahr?«

»O mehr, mehr Rosa, ja, was ist selbst die schwarze Tulpe gegen Euch.«

»Lebt nun wohl Cornelius, bald hoffe ich Euch wiederzusehen.«

»Nennt mich nicht mehr Cornelius, liebe Rosa,; in diesem entzückenden Augenblicke sagt mir: Auf Wiedersehen mein Freund!«

»Auf Wiedersehen mein Freund,« lispelte Rosa,« und ein himmlischer Trost spiegelte sich in ihren edlen Zügen.

»O mein Freund —«

»Rosa, theuere innig geliebte Rosa, diesen letzten Trost, diese unendliche Wonne, o gewährt sie mir, sprecht sie aus die wenigen begeisternden Worte —«

»Mein viel geliebter Freund, – ja mein viel geliebter Cornelius,« rief Rosa zitternd, aufgelöst in eine Welt von seligen Empfindungen, wonnetrunken vor Freude, daß die himmlische Macht der Liebe die eisige Rinde des Herzens geschmolzen, und ihr in dem Bewußtsein ihrer Reinheit und Unschuld die Kraft verliehen hatte, das Gefühl einer bisher unbezwingbaren Scham zu bewältigen.«

Aber Cornelius schwieg – auch er fühlte sich dem niedern Erdenballe entrückt, sein Geist, sein Körper erhob sich zu einer höheren Welt, das Blut kreiste rascher, die Pulse schlugen heftiger, alle Fiebern zitterten und bebten, er hatte die unendliche Macht und Tiefe dieses Gefühles bisher noch nicht gekannt.

»Rosa, meine theuere Rosa, »sprach er nach einem längern Stillschweigen, »jetzt bin ich der glücklichste Mensch, den es auf der weiten Erde gibt. – Aber es fehlt mir dennoch Etwas.«

»Was fehlt Euch noch?«

»Euere Wange Rosa, Euere frische, blühende, Euere himmlische Wange. Gutes liebes Mädchen, reicht sie mir, laßt meine Lippen den Kuß der wärmsten heiligen Liebe darauf drücken, aber gestattet es mir selbst, damit ich dieses Glück nicht wieder dem bloßen Zufalle allein und der Ueberraschung verdanken muß.«

Dann seufzte Cornelius.

Aber zugleich drückte er seine Lippen an die Thüre, und hier an diesem kalten, öden eisernen Widerstande begegneten sich, wie bereits früher ein Mal – zwei Lippen, in einem heißen, lang gedehnten Kuße.

War es vielleicht wieder Ueberraschung? Nein, diesmal verlieh die Gewißheit des eigenen Wunsches, der Begegnung jenen himmlischen Reiz, der uns in ein Paradies versetzt, diesmal war es der freie Wille, und nicht jene Ueberraschung, durch welche hundert Jahre danach, Saint Preux den Lippen Juliens begegnete.

Wie lange mag dieser Kuß gewährt haben?

Das wissen wir nicht.

Genug, wenn wir erfahren, daß Rosa nach demselben entfloh.

Wir müssen sagen, entfloh, da ihr Heimgang eher einer Flucht, als sonst etwas Anderem glich.

Aber Cornelius stand noch lange, lange unbeweglich.

Er hatte die Lippen fest an das Gitter gedrückt, und in diesen Lippen hatte sich diesmal sein Herz, seine Seele festgesetzt.

Endlich schwand die Täuschung, die Besinnung kehrte mit einem Gefühl des Glücks und der Freude wider.

Er eilte zum Fenster, er öffnete den kleinen Schuber, er blickte hinaus in die stille Natur, die in die Ruhe der Nacht versenkt, ihm mit Würde und Ernst entgegen lächelte.

Er sog die frische Lust in tiefen Zügen ein, er horchte dem Rauschen der beiden großen Flüsse, die unter dem Hügel in weiten schlangenförmigen Windungen dahin eilten, und wie zwei Silberstreifen erglänzten.

Dann erhob er das noch immer freudestrahlende Auge empor zum Himmel, zu jener großen noch unbekannten Welt, zu dem unerforschten, erhabenen Systeme.

Und als er sich hier ganz in die Unendlichkeit verlor, als er langsam einen Stern nach dem andern emporsteigen und wieder verschwinden sah, als der so eben aufgehende Mond mit seinem bleichen Lichte, der ausgedehnten Landschaft einen magischen Schein verlieh, der von dem klaren Himmel wiederstrahlte – da erfüllte neue Wonne seine Brust, da erwachten all’ die religiösen Grundlagen, die seiner frühesten Jugend als Leiter für die Zukunft, auf der Dornenbahn des Lebens eingeprägt worden waren, seine Seele verlor sich ganz in diese Anschauung, seine Knie brachen zusammen, er sank auf Beide nieder, die Hände gefaltet, im Auge eine perlende Thräne, dankte er dem Allmächtigen im warmen innbrünstigen Gebete:

»Dir, Unendlicher, Dir o Vater, Dir meinem Gott in der Höhe danke ich kniend hier. Du hast mich, geführt auf dem Wege des Schmerzes und der Qual, um mich zu prüfen. Und ich war schwach, verzweifelte an Deiner Allmacht, Deiner Güte, und fiel, statt siegreich mich zu erheben. O Herr, da leuchtete ein Stern der Rettung mir, Deine Gnade sandte ihn dem unmündigen schwachen Kinde, daß es sich erhebe und glaube. Mein trübes umschleiertes Auge ward erhellt, die Wolken theilten sich, und hinter diesen sah ich Dich, den Urquell des Lichtes und der Gnade. Nicht strafend fiel Dein Blick auf den Frevler, der im Staube vernichtet vor Dir lag, nein, mit Vaterhuld lächeltest Du ihm die Vergebung zu.«

»O Herr! ich kenne Dich, und darum liege ich hier vor Deiner Allmacht auf den Knien und danke Dir.«

»Nimm diesen Dank, nimm auch mein gläubiges, Deiner Huld nun ganz vertrauendes Herz mit Gnade auf.«

Dann sank sein Antlitz in die offenen Hände, und so erfüllt von jener unendlichen Kraft, die nur im wahrhaft gläubigen Herzen wohnt, verlor sich seine Seele nochmals in die bessere Welt, eine himmlische Harmonie erklang, der Kerker schwand dahin, der freie Mensch – er fühlte in diesem Augenblicke nur eines Himmels Seligkeit.

Lange Zeit verharrte der Gefangene in dieser Stellung, dann erhob er sich, und trat abermals zum Fenster hin.

Alle seine Sinne waren nur in einem einzigen gesammelt.

In diesem Augenblicke erglänzte ein Meteor im Süden, durchschnitt den ganzen Raum und sank wieder über den Löwenstein hinab.

Cornelius fuhr empor. —

»Allmächtiger,« rief er, »Du sendest meiner Blume eine Seele.«

Und gleichsam, als habe er richtig gerathen, vernahm er in diesem Augenblicke leichte Schritte auf der Treppe, dann das Rauschen eines Kleides, das sich gleich dem Flügelschlage eines Vogels seinem Kerker näherte.

Der Schuber öffnete sich und eine ihm wohlbekannte Stimme lispelte:«

»Mein viel geliebter Cornelius, kommt, eilt schnell herbei.«

Mit einem einzigen Sprunge stand Baerle bei dem Gitter.

»Sie ist offen,« sprach Rosa, »sehr sie selbst an.«

»Was sagt Ihr, ich soll sie selbst sehen?« und gleichzeitig trennte Cornelius seinen Mund von jenem des himmlischem Mädchens.

»Ja, ja, denn um Jemanden eine große Freude zu machen, darf man keine Gefahr scheuen.«

Zugleich hob Rosa eine kleine, bisher verborgene Blendlaterne in die Höhe des Gitters und beleuchtete mit derselben die noch in ihrem Gefäße befindliche, nunmehr vollständig aufgeblühte Tulpe.

Baerle stieß einen Schrei der Ueberraschung sind des Entzückens aus.

»O Gott, o gütiger Vater, mit welchem unerhörten Glücke überschüttest Du den unschuldig Leidenden, Du, der Du vor dem Gitter meines Kerkers zwei so erhabene Blumen erblühen läßt.«

»Gebt ihr einen Kuß, wie ich es so eben that.«

Cornelius befolgte unverzüglich dies Gebot.

Er hielt den Athem an sich, und berührte mit den Lippen die Spitze der Tulpe, in einem so zarten und doch auch feurigen Kuße, wie wohl nie ein Mädchen einen ähnlichen von ihm erhalten haben dürfte.

Die Tulpe war aber auch glänzend, erhaben schön.

»Rosa, Rosa,« sprach Cornelius mit kaum hörbarer, vor Freude zitternder Stimme.

»Rosa, wir haben keine Zeit zu verlieren, der Brief muß unverzüglich geschrieben werden.«

»Das ist schon geschehen.«

»Schon?«

»Während sich die Tulpe öffnete, schrieb ich, um den Boten sogleich absenden zu können, und um mich zu überzeugen, daß der Brief auch recht sei, brachte ich ihn gleich mit. Hier ist der Brief.«

Cornelius übernahm das ihm dargereichte Schreiben. und las:

»Mynherr Präsident,

Ich habe eine schwarze Tulpe die sich bald öffnet. Sobald Sie offen ist, sende einen Boten zu Ihnen, mit dem Wunsch, dass Sie die kommen und die Tulpe empfangen von einer Person die von der Festung Löwenstein kommt. Ich bin die Tochter des Kerkermeisters Gryphus und befinde mich in beinahe gleicher Gefangenschaft, wie die andern hier eingekerkerten Personen, weshalb ich Euch die Blume nicht selbst überbringen kann.

Zugleich wünsche ich, daß sie Rosa Barlaensis genannt werde. Ich habe die Ehre, mich zu unterzeichnen,

Euere

Rosa Gryphus.«

»Der Brief ist ganz recht, meine theuere Rosa, ich selbst hätte ihn nicht besser abfassen und schreiben können. Aber wo ist der Bote?«

»Wie heißt der Präsident?«

»Gebt mir den Brief, Rosa, ich werde die Adresse selbst schreiben. —«

Rosa überreichte nochmals den Brief, und Baerle schrieb mit zitternder Hand: »Dem Mynherr Peter van Systens, Bürgermeister und Präsident der Gartenbaugesellschaft zu Harlem.

»Jetzt eilt aber, eilt Rosa, wir wollen alles der Güte und Gnade Gottes überlassen.

Vierter Band

I.
Der gefährliche Feind

Cornelius schien von einer Ahnung bei seinen letzten Worten geängstigt worden zu sein, denn die jungen Leute hatten es bisher nie noch so nothwendig, den mächtigen Schutz Gottes anzusprechen, als gerade in diesem Augenblicke.

Keiner unserer Leser wird wohl zweifeln, daß unter dieser drohenden Gefahr unser Freund, oder vielmehr unser alter erbitterster Feind, Isaak Boxtel gemeint ist.

Aus Allem wissen wir bereits, daß Boxtel vom Buytenhoff nach dem Löwenstein in die Nähe der Gegenstände seiner Liebe und seines Hasses gewandert war.«

Der erste war die Tulpe, der zweite van Baerle.

Das, was selbst der erfahrenste und geschickteste Tulpenliebhaber nicht geahnt hätte, nämlich: das Bestehen der großen schwarzen Tulpe, das ließ der Neid den furchtbaren Menschen errathen.

Zugleich wissen wir auch, daß es ihm gelungen war, unter dem falschen Namen Jakob, sich des Kerkermeisters Freundschaft, und zugleich eine gastliche Aufnahme im Löwensteine zu erkaufen. Dafür aber überschüttete er aus Dankbarkeit täglich den Alten mit dem besten Wachholderbranntwein, der jemals zu Antwerpen erzeugt wurde.

Durch dieses Verfahren schläferte er dessen Argwohn und Mißtrauen vollkommen ein, um so mehr, da er zugleich die Absicht, Rosa ehelichen zu wollen, stark hervorleuchten ließ.

Dann schmeichelte er der Eigenliebe des Gefangenenwärters, bezüglich der Wichtigkeit seines Amtes. Er schmeichelte ihm besonders dadurch, daß er den gefangenen Baerle mit den schwärzesten Farben ausmalte, und mehr als hundertmal betheuerte, derselbe habe einen Contract mit dem Satan abgeschlossen, um den Statthalter Wilhelm von Oranien ganz sicher zu verderben.

So gelang es ihm auch Anfangs, von Rosa freundlich empfangen und aufgenommen zu werden. Nicht im entferntesten fiel es ihr ein, gegen diesen häßlichen, durch sein Aeußeres schon abstoßenden Menschen eine Neigung zu empfinden, sie war ihm bloß aus Liebe zu ihrem Vater gut, und fand seine Anwesenheit nur um so erwünschter, da ihr diese Gelegenheit bot, Gryphus weniger auf ihre Schritte aufmerksam zu machen.

Wir wissen aber auch, wie dieser Mann sich durch seine Unvorsichtigkeit verrieth, und wie die jungen Leute gegen ihn argwöhnisch und vorsichtig wurden.

Was die Unruhe des Cornelius auf das Höchste trieb, war der Ausbruch des Zornes, den Jakob gegen Gryphus an den Tag legte, als dieser die erste Zwiebelknospe zertreten hatte. Boxtels Wuth hatte damals den höchsten Grad erreicht; um so. mehr, da er in völliger Ungewißheit war, ob der Gefangene noch eine zweite, oder mehrere Knospen besitze.

Um sich hiervon Gewißheit zu verschaffen, und außerdem auch überzeugt, Rosa stehe mit Cornelius, in einer nähern Verbindung, schlich er dem Mädchen in jedem Augenblicke sorgsam spähend nach.

Nur gebrauchte er diesmal, da er seine Nachforschungen selbst in den Gängen des Gebäudes anstellte, eine weit größere Vorsicht. Er entledigte sich seiner Schuhe, und folgte so dem Mädchen, von ihr weder gesehen noch gehört.

Auf diese Art gelang es ihm, lauschend, das ganze Geheimniß zu erfahren, und mit ihm die Gewißheit von der Existenz einer zweiten Zwiebelknospe zu erhalten. Nach dem mißlungenen Versuche im Garten, fühlte er deutlich, daß man mit ihm bloß Komödie gespielt hatte, aber zugleich bemerkte er, wie Rosa ein irdenes Gefäß in ihr Zimmer trug, und sich kurz darauf im Fluße die Hände wusch. An diesen zarten Händen klebten aber noch Theile jener Erde, die Rosa gemischt hatte, und sie zur Erzeugung der Tulpe geeignet machte.

Dann miethete er sich, der Wohnung des Mädchens gerade gegenüber, auf dem Dachboden des dort befindlichen Hauses eine kleine Kammer, und mit Hilfe des Teleskops gelang es ihm, alles im Zimmer Rosas genau beobachten zu können.

Gerade so, wie er dies zu Dortrecht von seinem Verstecke aus, bewerkstelligt hatte.

Nach drei Tagen war er über jeden Zweifel vollständig aufgeklärt.

Schon am frühesten Morgen bemerkte er jeden Tag das bezeichnete irdene Geschirr am Fenster, und zugleich das engelgleiche Köpfchen Rosa’s, das zwischen Weinreben und Geisblatt hindurchlächelte.

Das Mädchen betrachtete aber den Topf gewöhnlich mit einem so ernsten und sorgsamen Blicke, daß dieser dem Beobachter allein, den darin verborgenen Werth verrieth.

Kanten die Nächte, und es hatte den Anschein, daß sie kalt werden dürften, dann zog Rosa den Topf in das Zimmer. Das war leicht erklärbar, sie befolgte Baerles Vorschriften genau, der den Frost als der Blume besonders nachtheilig geschildert hatte.

War die Sonne empfindlich heiß, dann zog Rosa den Topf um die elfte Stunde ebenfalls vom Fensterweg.

Auch das war erklärbar, denn nach der Angabe des Gefangenen, hätte durch eine zu große Hitze die Erde austrocknen können.

Als aber die Knospe langsam erschien, da erkannte Boxtel mit Hilfe seines Fernrohrs Alles, und kaum hatte sich dieselbe einen Zoll über der Erde erhoben, als er auch schon die unumstößliche Gewißheit besaß.

Cornelius hatte also wirklich zwei Zwiebelknospen. Das traurige Ende der ersten war Boxtel bekannt, die zweite sah er nun, der Liebe und Sorgfalt Rosa’s anvertraut.

Das Liebesverhältniß der jungen Leute war ihm mithin auch nicht mehr unbekannt.

Es handelte sich also darum, diese zweite Zwiebel, auf die möglichst geschickte Art und ohne Verdacht zu rauben.

Dies war aber nicht so leicht.

Das Mädchen bewachte die Blume« wie eine Mutter ihr Kind, oder wie die Taube das Nest ihrer Jungen.

Rosa verließ ihr Zimmer jetzt gar nicht mehr. Auch des Abends, was sonst nie der Fall zu sein pflegte, blieb sie in demselben.

Volle sieben Tage lag Boxtel in seinem neuen Observatorium ganz fruchtlos. Rosa entfernte sich nur selten und wenn dies geschah, so waren es nur unbedeutende, kurze Augenblicke.

Der Leser wird sich auf diesen Zeitraum, nämlich jener sieben Tage erinnern, in welchen der unglückliche Cornelius weder von Rosa noch von seiner Tulpe Nachricht erhielt.

Wenn Rosa auf Cornelius wahrscheinlich böse, ihre früheren Abendbesuche nicht wieder fortsetzte, dann war der Diebstahl unendlich schwerer, als Boxtel sich denselben Anfangs dachte.

Wir können ganz einfach Diebstahl sagen, da Boxtel bei diesem Entschlusse stehen geblieben war. Uebrigens konnte ihn ein solcher Schritt auch keiner Gefahr aussetzen, und es lag nicht einmal die Möglichkeit einer Entdeckung vor. Die jungen Leute hatten das Bestehen der Blume vor der ganzen Welt so geheim gehalten, daß Niemand die Existenz derselben ahnte, und außerdem selbst die Gerichte ihm die eigentliche Entdeckung derselben zugestehen mußten. Er war ein bekannter, erfahrener Tulpenzüchter, Rosa ein einfaches, in der Gartenkunst gar nicht bewandertes Mädchen, Cornelius, ein Staatsgefangener, der aus seinem Kerker gar keine Klage vorbringen und keinen Beweis liefern konnte. Außerdem war es Boxtel möglich, die Tulpe selbst vorzuzeigen, was klarer als Alles für ihn sprechen mußte, und so gab er, alle Umstände zusammenfassend, sich der süßen Hoffnung hin, bald im Besitze der ausgeschriebenen hunderttausend Gulden zu sein, und das Wunder aller Blumen unter dem Namen Tulpia nigra Boxtelensis oder Boxtelea in die Welt zu senden. Was die Wahl des einen oder andern Namens betrifft, darüber ging Boxtel vorläufig gleichgültig hinaus.

Der schwierigste Punkt war noch auszuführen: der Diebstahl nämlich. Damit dieser bewerkstelligt werden konnte, mußte Rosa ihr Zimmer verlassen.

Wer beschreibt daher Isaaks oder Jakobs Freude, als er eines Tages bemerkte, daß die Abendbesuche bei dem Gefangenen wieder begannen.

Zuerst benützte er die sich darbietende Gelegenheit dazu, Rosa’s Zimmerthüre zu untersuchen. Diese wurde mittelst eines einfachen Schlosses gut und doppelt versperrt, und das Mädchen besaß ganz allein einen Schlüssel.

Jakob hatte Anfangs die Idee, Rosa den Schlüssel zu entwenden. Allein er ersah bald, daß es nicht so leicht sein dürfte, unbemerkt in den Sack eines aufmerksamen jungen Mädchens zu langen, und dann hätte Rosa auch ganz gewiß den Diebstahl bemerkt, und das Schloß in ihrer Gegenwart unverzüglich umändern lassen. Dadurch wäre also ein ganz nutzloses Verbrechen begangen worden.

Er sann, auf ein anderes und zweckmäßigeres Mittel.

Boxtel versäumte nunmehr keine Gelegenheit, sich jedes wie immer gearteten Schlüssels zu bemeistern, und die ganze Menge dann einzeln, während Rosa’s Abwesenheit zu probieren.

Dieser Versuch gelang so ziemlich gut. Zwei Schlüssel gingen in das Loch, jedoch nur einer davon gestattete eine einmalige Umdrehung. Beim zweiten Male blieb er stecken, und es mußte daher eine kleine Veränderung angebracht werden.

Jakob überdeckte denselben mit dünnem Wachse, und setzte sodann sein Experiment fort.

Das Hinderniß, dem der Schlüssel bei der zweiten Drehung begegnete, drückte sich auf diese Art ganz genau ab.

Nunmehr hatte er nichts anderes zu thun, als die Form des Abdruckes in dem Barte mit einer feinen Feile genau nachzumachen.

Diese Arbeit erforderte zwei volle Tage. Nach Verlauf dieser Zeit war der Schlüssel zubereitet und vollkommen brauchbar.

Die Thüre öffnete sich nach dem hierauf angestellten Versuche ganz leicht, und Boxtel befand sich wenige Augenblicke nachher in Rosa’s Zimmer mit der Tulpe ganz allein.

Machen wir einen Rückblick in die Vergangenheit. Wir beobachten sodann, wie der schreckliche Mann zuerst eine Mauer überstieg, dann durch das offene Fenster in die Trockenkammer des Cornelius van Baerle kletterte, und endlich mittelst eines selbst bereiteten Dietrichs, die Thüre von Rosa’s Zimmer erbrach.

Aus Allem läßt sich ersehen, das der Tulpenenthussiast auf der Bahn des Verbrechens rasch vorwärts eilte. Gegenwärtig befand er sich mit der Tulpe allein.

Als gewöhnlicher Dieb konnte er sie ergreifen und forteilen.

Allein Boxtel war zu sehr überlegt. Er beobachtete die Blume mit Hilfe seiner Blendlaterne ganz genau, und obwohl alle Anzeichen dafür sprachen, daß sie schwarz erblühen werde, so boten ihre bisherigen Fortschritte doch noch keine volle unumstößliche Gewißheit.

Dann wußte er sehr genau, daß, im Falle die Tulpe nicht schwarz und ganz ohne Makel erblühen würde, das ganze Unternehmen bloß ein gemeiner Diebstahl ohne allen Vortheil wäre. Das Gerücht von diesem Diebstahle mußte sich verbreiten; nach den Vorfällen im Garten fiel der erste Verdacht unbedingt auf ihn, und er wäre sodann äußerst unangenehmen Nachforschungen ausgesetzt. Zu dem Allen gesellte sich noch die Wahrscheinlichkeit, daß man genaue Nachsuchungen anstellen, und den geraubten Gegenstand bei ihm finden dürfte.

Wollte er die Blume aber so verbergen, daß sie selbst dem geübtesten Späherauge entging, dann mußte sie, wenn man den Transport noch hinzurechnete, rettungslos zu Grunde gehen.

Alle diese Folgerungen befestigten den Entschluß, die Tulpe erst einen Tag vor oder nach ihrem gänzlichen Aufblühen zu rauben. Dieser Unternehmung lag jetzt, wo Boxtel den Schlüssel zum Zimmer hatte, weiter kein Hinderniß in den Weg. War sie wirklich erblüht und in seinem Besitze, dann reiste er unverzüglich nach Harlem ab, legte sie den Preisrichtern vor,s und erhielt den ausgesetzten Betrag von Einmal hunderttausend Gulden, bevor es noch irgend Jemand möglich war, die Blume zurückzufordern.

Und gerade der, oder die, welche Boxtel anzuklagen versuchten, würden von ihm des Diebstahls beschuldigt werden können.

Der ganze Plan war auf diese Art wohl durchdacht, und in allen seinen Einzelheiten ganz desjenigen würdig, der ihn entworfen hatte.

Alle Tage verfolgte nunmehr Boxtel mit unausgesetztem Eifer den so gefaßten Entschluß, und jene Augenblicke, in denen Rosa sich den entzückenden Gefühlen der ersten heiligen Liebe hingab, benützte er dazu, in das Zimmer zu schleichen und die Fortschritte der Blume zu beobachten.

An jenem Tage, zu dem wir so eben in unserer Erzählung gekommen sind, stand der fürchterliche Feind wie gewöhnlich in seinem Verstecke auf der Lauer. Erhörte, wie Rosa ihr Zimmer verließ , zu dem Gefangenen eilte, staunte aber nicht wenig, als er das Mädchen nach Verlauf einiger Minuten wieder zurückkehren sah.

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
370 s. 1 illüstrasyon
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