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Kitabı oku: «Die Zwillingsschwestern von Machecoul», sayfa 46

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IX.
Was in zwei unbewohnten Häusern geschah

Maître Jacques hatte sich in seinen Vermuthungen nicht getäuscht; Jean Oullier war nicht todt.

Courtin hatte ihn zwar gut getroffen, die Kugel war ihm in die Brust gedrungen, und als die Witwe Picaut, deren Wagen der Maire und sein Helfershelfer gehört hatten, an den Ort der That gekommen war, hatte sie den alten Vendéer für todt gehalten.

Die brave Bäuerin wollte nicht, daß der Leichnam eines Mannes, den ihr Ehegatte, trotz der politischen Meinungsverschiedenheit, sehr geschätzt hatte, die Beute der Raubvögel und Wölfe werde, legte ihn auf den Wagen, uni ihn in ihr Haus zu bringen und ihm ein christliches Begräbniß zu bereiten.

Aber statt ihn unter der mitgebrachten Streu zu verbergen, legte sie ihn darauf, und einige ihr begegnende Bauern konnten den blutigen Körper des Waldhüters sehen und betasten. So verbreitete sich das Gerücht von dem Tode Oullier’s, und so kam es auch dem Marquis und seinen Töchtern zu Ohren. So war auch Courtin getäuscht wurden.

Die Witwe Picaut brachte den ihrer Meinung nach leblosen Körper Oullier’s in das Haus, welches sie bei Lebzeiten ihres Mannes bewohnt, aber einige Zeit nach dessen Tode verlassen hatte, um in dem Wirthshause zu St. Philibert bei ihrer Mutter zu wohnen. Dieses Haus war sowohl der Pfarrgemeinde Machecoul, zu welcher Jean Oullier gehörte, als auch der Heide, wo sie ihn gefunden, bedeutend näher als das Wirthshaus, wo sie ihn, hätte er gelebt, versteckt haben würde.

Als der kleine Wagen an dem uns bekannten Kreuzwege war, begegnete er einem Reiter, der nach Machecoul ritt.

Als dieser Reiter, der kein Anderer war, als der Doctor Roger von Légé, von einigen neugierig nachlaufenden Bauernjungen erfuhr, daß Jean Oullier zum Tode getroffen auf dem Wagen liege, begleitete er ihn bis zum Hause.

Die Witwe legte Jean Oullier auf dasselbe Todtenbett, wo der unglückliche Graf von Bonneville neben Pascal Picaut gelegen.

Während sie sich anschickte, ihm die letzte Ehre zu erweisen, während sie das Gesicht des Vendéers von Blut und Staub reinigte, bemerkte sie den Arzt.

»Ah, lieber Herr Roger,« sagte sie, »der arme Jean braucht Ihre Hilfe nicht mehr. Es ist wirklich recht schade um ihn: es gibt ja so viele nichtsnutzige Menschen auf der Welt, daß man wirklich Ursache hat einen vor der Zeit scheidenden braven Mann zu beweinen.«

Der Arzt ließ sich von der Witwe erzählen, was sie von dem Tode des Vendéers wußte. Die Anwesenheit ihrer Schwägerin und der Weiber und Kinder, die dem Wagen gefolgt waren, verhinderte die Witwe zu erzählen, wie sie noch vor einigen Stunden mit Jean Oullier gesprochen, wie sie, als sie mit dem Wagen gekommen, einen Schuß und die Fußtritte davonlaufender Männer gehört habe, und daher vermuthete, daß Jean Oullier ermordet worden sey; sie sagte ihm nur, daß sie den Leichnam auf dem Wege gefunden.

»Armer, braver Mann!« sagte der Doctor. »Im Grunde ist ein Soldatentod noch besser als das Schicksal, das ihn erwartet haben würde, wenn er gelebt hätte. Er war stark compromittirt, man hätte ihn sammt den Andern gewiß in die Kerker des Mont St. Michel geschickt.«

Bei diesen Worten trat der Arzt auf Jean Oullier zu und faßte seinen Arm und drückte seine Hand an"s Herz.

Der Arzt stutzte, als die kalte starre Hand mit dem warmen Körper in Berührung kam.

»Was gibt’s?« fragte die Witwe.

»Nicht,« antwortete der Doctor, »der Mann ist todt, und wir können nichts thun, als ihm die letzte Ehre erweisen.«

»Wozu war’s denn nöthig,« sagte die Frau Josephs keifend, »diesen Todten hierher zu bringen? Wir können uns nun auf einen zweiten Besuch der Blauen gefaßt machen, und aus dem ersten Besuch können wir schließen, was wir zu erwarten haben.«

»Was kann Euch daran liegen?« erwiderte die Witwe Picaut, »Ihr wohnt ja nicht mehr im Hause.«

»Wir sind fortgezogen,« antwortete Josephs Frau, »weil wir fürchten, die Blauen anzulocken und unsere geringe Habe zu verlieren.«

»Ihr solltet ihn besichtigen lassen, ehe er begraben wird,« sagte der Arzt, »und wenn’s Euch Mühe macht, so will ich ihn in das Haus des Marquis von Souday bringen lassen.«

Dann benutzte er einen Moment, wo ihm die Witwe Picaut nahe kam, und flüsterte ihr zu:

»Schickt die Leute fort.«

Dies war ganz leicht, denn es war fast Mitternacht.

Als der Doktor mit ihr allein war, sagte er zu ihr:

»Jean Oullier ist nicht todt.«

»Wie, er ist nicht todt?«

»Nein, ich habe es vor den andern Leuten verschwiegen, um die Gewißheit zu haben, daß er ungehindert gepflegt werden kann, und dies ist, die Hauptsache.«

»Gott erhöre Sie,« antwortete die brave Frau erfreut, »ich werde gewiß alles thun, was ich kann, ihn zu retten, denn ich werde nie vergessen, daß mein Mann sein Freund war; ich werde nicht vergessen, daß er die Kugel eines Meuchlers von mir abgewendet, obgleich ich damals den Seinen Schaden that.«

Die Witwe schloß nun sorgfältig die Fensterläden und die Thür der Hütte, machte Feuer und stellte Wasser auf, und während der Doctor die Wunde untersuchte, wünschte sie einigen verspäteten Gevatterinnen gute Nacht und that, als ob sie nach St. Philibert gehen wollte. Aber sie ging seitwärts in den Wald und kam durch den Garten zurück.

Die Frau und die Kinder ihres Schwagers hatten sich offenbar wieder an den Ort begeben, wo sie sich verborgen hielten, während Joseph Picaut in der uns bekannten Rolle als Parteigänger thätig war.

Sie kam durch die Hofthür zurück.

Der Arzt hatte inzwischen den Verwundeten verbunden und die Anzeichen des Lebens wurden immer deutlicher. Man fühlte nicht mehr bloß das Herz, sondern auch den Puls schlagen, man konnte seinen Athem fühlen, wenn man die Hand vor seinen Mund hielt.

Die Witwe vernahm alles dies mit großer Freude.

»Glauben Sie, daß Sie ihn retten werden,« fragte sie.

»Sein Leben ist in Gottes Hand,« antwortete der Arzt, »ich kann nur sagen, daß kein Hauptorgan verletzt ist. Aber der Blutverlust ist sehr groß und überdies war es mir nicht möglich, die Kugel herauszuziehen.«

»Aber,« entgegnete die Witwe »es soll ja Leute geben, die mit einer Kugel im Körper geheilt sind und lange gelebt haben.«

»Es ist sehr möglich,« antwortete der Arzt. »Aber was wollt Ihr jetzt mit ihm machen?«

»Ich hatte die Absicht, ihn nach St. Philibert zu bringen und dort bis zu seinem Tode oder bis zu seiner Genesung zu verstecken.«

»Das ist jetzt nicht gut möglich,« erwiderte der Arzt, »er hat seine wahrscheinliche Rettung nur dem geronnenen Blute zu danken, und jede Erschütterung könnte ihm den Tod bringen. Ueberdies gehen in einem Wirthshause zu viele Leute aus und ein, und seine Anwesenheit läßt sich nicht geheimhalten.«

»Mein Gott! glauben Sie denn, daß man ihn in diesem Zustande verhaften würde?«

»Man würde ihn wohl nicht in’s Gefängniß setzen, aber man würde ihn in ein Hospital und nach seiner Genesung in einen Kerker bringen, wo er eine entehrende Strafe, vielleicht ein Todesurtheil zu erwarten hätte. Jean Oullier ist zwar nur geringen Standes, aber er hat großen Einfluß auf das Volk, er hat von der Regierung keine Schonung zu erwarten. Warum vertraut Ihr Euch eurer Schwägerin nicht an? sie bekennt sich ja zu derselben Meinung wie Jean Oullier.«

»Sie haben ja gehört, was sie sagte.«

»Ja, und ich sehe wohl ein, daß Ihr kein Vertrauen in ihr Mitleid setzt. Und sie sollte doch barmherzig gegen ihren Nächsten seyn, denn ihrem Manne würde es noch schlimmer ergehen, wenn er den Blauen in die Hände fiele.«

»Ich weiß es wohl,« seufzte die Witwe, »er hätte den Tod zu erwarten.«

»Könnt Ihr ihn hier verbergen?« fragte der Arzt.

»Ja wohl, hier würde er mehr in Sicherheit seyn als anderswo, weil man dieses Haus für unbewohnt hält. Aber wer soll ihn pflegen?«

»Jean Oullier ist nicht verzärtelt,« erwiderte der Arzt, »in zwei bis drei Tagen, wenn das Fieber nachgelassen hat, kann er den Tag über leicht allein bleiben. Ich werde ihn jede Nacht besuchen.«

»Gut, und ich will so lange bei ihm bleiben, wie ich kann, ohne Verdacht zu erregen.«

Die Witwe brachte den Verwundeten mit Hilfe des Doctors in den an die Stube stoßenden Stall, verriegelte sorgfältig die Hausthür und legte ihre Matratze auf einen Strohsack. Als sich der Arzt entfernt hatte, warf sie sich neben dem Verwundeten auf ein Bündel Stroh und wartete auf ein Lebenszeichen.

Am andern Morgen zeigte sie sich in St. Philibert und auf die Frage, was aus Jean Oullier geworden sey, antwortete sie, daß sie den Rath ihrer Schwester befolgt und den Leichnam auf die Heide getragen habe.

In der Nacht begab sie sich wieder zu dem Verwundeten.

So bewachte sie ihn drei Tage und drei Nächte im Stalle, das mindeste Geräusch vermeidend, und obschon Jean Oullier noch bewußtlos war, so rieth ihr doch der Arzt, jeden Morgen nach Hause zu gehen und Abends wieder zu kommen.

Die Wunde Oullier’s war so gefährlich, daß er fast vierzehn Tage zwischen Leben und Tod schwebte, und erst als die Kraft der Natur die Entzündung überwand, erklärte der Arzt zur großen Freude der Witwe, daß er für das Leben des Vendéers bürgen könne. Sie pflegte ihn mit verdoppelter Sorgfalt und wachte jede Nacht bei ihm. Der Verwundete war noch so schwach, daß er kaum einige Worte zu sprechen vermochte, aber sein Zustand besserte sich doch mit jedem Tage. Als er allmälig wieder zu Kräften kam, dachte er mit Besorgniß an die ihm theuren Personen, und auf sein dringendes Bitten erkundigte sich die Witwe bei den royalistischen Reisenden, die in dem Wirthshause ihrer Mutter einkehrten, nach dem Marquis von Souday, nach Bertha und Mary, ja selbst nach Michel, der dem alten Vendéer lieb geworden war. Bald konnte sie dem Kranken die Versicherung geben, daß Alle lebten und frei waren, und sie erzählte ihm, daß der Marquis von Souday im Touvoiswalde sey, daß sich Bertha und Michel in Courtins Hause versteckt hielten und daß Mary sich wahrscheinlich in Nantes befinde.

Kaum hatte die Witwe den Namen des Maire von La Logerie genannt, so veränderte sich plötzlich das Gesicht des Verwundeten. Er strich mit der Hand über die Stirn, als ob er seine Gedanken klar machen wollte, und zum ersten Male richtete er sich auf.

Freundschaft und zärtliche Besorgniß waren sein erstes Gefühl gewesen, aber nach und nach bekam der Haß die Oberhand und die sich aufdrängenden Rachegedanken weckten ihn aus seiner Betäubung. Zu ihrem großen Schrecken hörte die Witwe Picaut, daß Jean Oullier dieselben Worte wiederholte, die er in seinen Fieberphantasien gesprochen hatte: er nannte Courtin einen Verräther, einen feigen Meuchler; er sprach von fabelhaften Summen, die der Preis des Verbrechens wären, und dabei war er höchst aufgeregt, seine Augen sprühten Feuer. Endlich beschwor er die Witwe mit bebender Stimme Bertha zu holen.

Die Witwe, die darin eine Wiederkehr der Fieberphantasien zu erkennen glaubte, war sehr unruhig, denn der Arzt hatte seinen nächsten Besuch erst auf die folgende Nacht zugesagt. Sie versprach indeß den Wunsch des Verwundeten zu erfüllen.

Jean Oullier, etwas beruhigt, sank erschöpft auf sein Lager zurück und schlief ein. Die Witwe, die neben ihm auf der Streu saß, begann auch einzuschlummern, als sie plötzlich auf dem Hof ein ungewohntes Geräusch zu hören glaubte.

Sie lauschte und hörte Fußtritte auf dem Steinpflaster, das den mit Dünger bedeckten Hof der beiden Häuser umgab.

Bald darauf wurde die Thür ihrer Wohnung geöffnet und eine Stimme rief:

»Hierher! Hierher!«

Sie erkannte die Stimme ihres Schwagers und die Fußtritte wandten sich zu Josephs Wohnung.

Die Witwe Picaut wußte, daß das Haus ihres Schwagers unbewohnt war. Der nächtliche Besuch reizte daher ihre Neugierde; sie vermuthete, daß der Chouan etwas im Schilde führe und beschloß zu lauschen.

Sie hob einen Schieber auf, so daß die Oeffnung zum Vorschein kam, durch welche die Kühe, als noch welche da waren, den Kopf steckten, um von dem Fußboden der Stube ihr Futter zu fressen. Durch diese Oeffnung schlüpfte sie in die Stube und stieg vorsichtig die Leiter hinauf, auf welcher der Graf von Bonneville den Tod gefunden hatte. Als sie auf dem über beide Häuser sich erstreckenden Dachboden war, hielt sie das Ohr auf die Bretter über der Stube ihres Schwagers und lauschte.

Es war bereits ein Gespräch im Gange.

»Du hast die Summe wirklich gesehen?« sagte eine Stimme, die ihr nicht ganz unbekannt war.

»So wie ich Euch sehe,« antwortete Joseph Picaut, »sie war in Banknoten, aber er verlangte Gold.«

»Desto besser; denn die Banknoten sind auf dem Lande schwer anzubringen.«

»Ich sage Euch ja, daß er Gold bekommen wird.«

»Wie wollen sie sich treffen?«

»In St. Philibert, morgen Abend. Ihr habt Zeit eure Leute in Bereitschaft zu halten.«

»Bist Du toll? Wie viel sind’s denn?«

»Zwei: Mein Gaudieb und sein Helfershelfer.«

»Also Zwei gegen Zwei – das ist Kriegsbrauch, wie Georges Cadoudal, glorreichen Andenkens, zu sagen pflegte.«

»Aber Ihr habt nur noch eine Hand, Maître Jacques —«

»Das thut nichts, wenn sie nur was taugt. Ich nehme den Stärkeren.«

»Halt! das ist gegen die Abrede.«

»Wie soll?«

»Ich behalte den Maire für mich.«

»Du machst große Ansprüche.«

»O der Schurke! er soll mir die Leiden bezahlen, die ich durch seine Schuld ertragen habe!«

»Wenn sie wirklich die Summe haben, die Du sagst, so kannst Du Dich schon entschädigen, wenn man Dich auch wie einen Neger verkauft hätte. Fünfundzwanzigtausend Francs! so viel bist Du nicht werth, Freundchen.«

»Das ist möglich; aber ich will mich auch rächen, und ich habe schon lange einen Zorn auf den verdammten Pataud. Er ist die Ursache —«

»Wovon?«

»Es ist genug – ich weiß schon was ich meine.«

Die Witwe wußte wohl, was Joseph sagen wollte: der Chouan dachte an den Tod ihres unglücklichen Mannes, und sie schauderte.

»Gut, Du sollst ihn haben,« sagte Maître Jacques. »Aber ehe wir’s unternehmen, mußt Du mir schwören, daß Du mir die Wahrheit gesagt hast, daß es wirklich Staatsgelder sind, die wir den beiden Patauds abjagen wollen; denn sonst könnte ich mich nicht darauf einlassen.«

»Glaubt Ihr denn, der Mann sey so reich, aus eigenen Mitteln solche Geschenke zu machen? Und es ist nur eine Abschlagzahlung, ich habe es recht gut verstanden.«

»>Und Du konntest nicht ermitteln, wofür so viel Geld bezahlt wird?«

»Nein,« aber ich vermuthe es.«

»So sprich.«

»Ich glaube, daß wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn wir die Erde von diesen beiden Schurken befreien. Es ist nicht bloß Privatrache, sondern auch ein politischer Hauptstreich. Aber morgen werde ich mehr erfahren, und ich werde es Euch sagen.«

»Sacredié!« sagte Maître Jacques, »Du machst mir den Mund wässerig. Ich werde ihm ebenfalls Daumschrauben ansetzen.«

»Glaubt Ihr denn, daß er Euch sein Geheimniß sagen wird?«

»Er wird’s gewiß thun, wenn er mein Gefangener ist.«

»Er ist ein Schlaukopf.«

»Wie, Du bist doch aus der alten Zeit und weißt nicht, daß es Mittel gibt, dem Hartnäckigsten die Zunge zu lösen?« sagte Maître Jacques mit unheimlichem Lächeln.

»O ja, wenn das Feuer an den Tatzen brennt, wird die Zunge gelöst,« erwiderte Joseph. »Ihr habt Recht, ich kann mich damit noch besser rächen.«

»Wir bringen dann wenigstens heraus, wie und warum die Regierung dem Maire die kleinen Abschlagzahlungen von fünfzigtausend Francs schickt. Das ist vielleicht noch besser als das Gold, das wir einstecken werden.«

»O! das Gold hat auch seinen Werth, zumal wenn, man wie wir zum zweiten Mal sündigt und in Gefahr ist, seinen Kopf auf dem Bouffai-Platze zu lassen. Mit meinem Antheil, nämlich mit fünfundzwanzigtausend Francs, kann ich überall leben.«

»Thue was Du willst. Aber wo sind deine Leute zu treffen?«

»Im Wirthshause zu St. Philibert.«

»Nun, dann geht’s ja ganz leicht. Das Wirthshaus gehört deiner Schwägerin; sie bekommt ihren Antheil, so bleibt’s in der Familie.«

»O nein, nicht im Hause,« erwiderte Joseph, »sie gehört nicht zu uns, und überdies sprechen wir nicht zusammen seit —«

»Seit wann?«

»Seit dem Tode meines Bruders – da Du es wissen willst.«

»Es ist also wirklich wahr, was die Leute sagen: wenn Du auch das Messer nicht geführt, so hast Du doch wenigstens das Licht gehalten?«

»Wer sagt das?« fuhr Joseph Picaut auf. »Nennt mir den Schuft, Maître Jacques, und ich will ihn in Stücke schlagen,« wie diesen Schämel.«

Joseph sprang auf, ergriff seinen Stuhl und zerschmetterte ihn auf dem Herde.

»Beruhige Dich doch! Was kümmert’s mich?« erwiderte Maître Jacques. »Du weißt wohl, daß ich mich nie in Familienangelegenheiten menge, wir haben mit unsern Angelegenheiten genug zu thun. Du sagtest also —«

»Ich sagte: nicht bei meiner Schwägerin.«

»Dann muß es auf freiem Felde geschehen; aber wo? Denn sie werden gewiß auf verschiedenen Wegen ankommen.«

»Ja, aber sie werden zusammen fortgehen. Um nach Hause zurückzukehren, wird der Maire bis Tiercet auf der Landstraße bleiben.«

»Dann verstecken wir uns an der Landstraße im Schilfrohr. Es ist ein guter Hinterhalt, ich habe dort schon mehr als einen Handstreich ausgeführt.«

»Gut. Wo treffen wir uns? Ich ziehe in aller Frühe vor Tagesanbruch von hier fort,« sagte Joseph.

»Wir treffen uns am Kreuzwege von Raisons, im Walde bei Machecoul,« erwiderte der Bandenführer.

Joseph versprach sich an dein bezeichneten Orte einzufinden. Die Witwe hörte, daß er dem Badenführer ein Nachtquartier anbot; aber der alte Chouan, der in allen Wäldern des Bezirks seine Schlupfwinkel hatte, gab diesen Nachtquartieren, wenn auch nicht wegen der Bequemlichkeit, doch wegen der Sicherheit, den Vorzug vor allen Häusern der Welt. Er ging also fort, und in Josephs Wohnung wurde wieder Alles still.

Die Witwe ging vorsichtig wieder in den Stall hinunter. Jean Oullier schlief fest. Sie wollte ihn nicht wecken. Es war schon spät, sie durfte nicht länger verweilen. Sie legte Alles zurecht was der Vendéer den folgenden Tag nöthig hatte, und entfernte sich wie gewöhnlich durch das Stallfenster.

Die Witwe Picaut haßte ihren Schwager, weil sie überzeugt war, daß er der Ermordung Pascal’s nicht fremd sey, und der Wunsch, sich zu rächen, wurde in ihrer Verlassenheit immer ungestümer. Sie erblickte in der Entdeckung einer neuen Unthat Josephs eine Fügung der Vorsehung und glaubte, durch die Verhinderung des Verbrechens nicht nur ihren Haß zu befriedigen, sondern auch ein gutes Werk zu thun, denn die von den beiden Chouans erkorenen Opfer mußten ihr als völlig schuldlos erscheinen. Um wo möglich auch ihre eigenen Zwecke zu fördern, verzichtete sie auf ihren ersten Gedanken, Maître Jacques und Joseph entweder der Justiz oder den von ihnen erkornen Opfern anzuzeigen, und beschloß selbst und ganz allein als Vermittlerin zwischen der Vorsehung und den Opfern des beabsichtigten Verbrechens aufzutreten.

X.
Wo Courtin endlich seine fünfzigtausend France mit den Fingern berührt

Aus dem Briefe Petit-Pierre’s an Bertha hatte Courtin nur erfahren, daß Petit-Pierre in Nantes war und Bertha daselbst erwartete. Aber von seinem Aufenthaltsorte und von den Mitteln, zu ihm zu gelangen, war keine Rede. Einen wichtigen Anhaltspunkt hatte Courtin: das Gartenhaus mit den zwei Eingängen.

Anfangs faßte er den Entschluß, Bertha zu belauschen und zu verfolgen, wenn sie sich nach Nantes begeben würde.

Dabei würde ihm, wie er meinte, der Schmerz und die Befangenheit Bertha’s über Michels wahre Gefühle, die er ihr verrathen wollte, gut zu statten kommen. Aber er hegte bereits einige Zweifel an der Wirksamkeit der bis dahin angewandten Mittel, er sah ein, daß die letzte Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg verloren wäre, wenn sein schlau angelegter Plan noch einmal durch Zufall oder durch die Wachsamkeit seiner erkornen Opfer vereitelt würde. Er beschloß ein anderes Mittel zu versuchen und angriffsweise zu verfahren. Sein Hauptaugenmerk war auf das Haus mit den zwei Ausgängen gerichtet. War es bewohnt? Wer wohnte darin? War es nicht möglich, durch einen Bewohner zu Petit-Pierre zu gelangen? Diese Fragen legte er sich vor.

Um diese Fragen zu lösen, mußte er in Nantes bleiben. Er verzichtete auf die Rückkehr nach dem Meierhofe; denn wahrscheinlich war Bertha wieder dort, um mit Michel zusammenzutreffen, und es war kaum zu bezweifeln, daß sie ihn dort erwarten würde.

Maître Courtin entschloß sich daher kurz. Am andern Morgen um zehn Uhr klopfte er an die geheimnißvolle Gartenpforte, aber nicht in der Nebengasse, wo er ein Zeichen gemacht hatte, sondern an der andern Seite. Er folgte dabei dem Beispiele Michel’s, und überdies wollte er sich überzeugen, ob die beiden Pforten zu einem und demselben Hause führten.

Als der Thürhüter durch eine kleine vergitterte Oeffnung gesehen hatte« daß der Besucher allein war« machte er die Pforte etwa eine Hand breit auf.

»Wo kommt Ihr her?« fragte der Thürhüter.

»Von Touvois,« antwortete Courtin, etwas verblüfft durch die unerwartete Frage.

»Wir erwarten Niemand von dort,« antwortete der Andere und wollte die Thür zuschlagen.

Aber Courtin hielt die Thür fest. Er merkte, daß man nur auf ein gewisses Losungswort Einlaß bekam. Er dachte an die Worte, deren sich Michel bedient hatte, um im Gasthause die beiden Pferde zu bekommen.

»Wartet doch,« sagte er zu dem Wächter, »ich sagte, daß ich von Touvois komme, um Euch auf die Probe zu stellen – man kann nicht zu vorsichtig seyn. Ich komme nicht von Touvois, sondern aus dem Süden.«

»Und wohin wollt Ihr?« fragte der Andere weiter, ohne die Thür einen Zoll breit zu öffnen.

»Wohin denn sonst als nach Rosny?«

»Das lasse ich gelten,« antwortete der Diener. »Ihr müßt wissen, daß man hier nicht eingelassen wird, wenn man sich nicht zu erkennen gibt.«

Er führte nun den Maire von La Logerie in eine kleine Stube und bot ihm einen Stuhl.

»Monsieur ist für den Augenblick nicht zu sprechen,« setzte er hinzu, »ich führe Euch zu ihm, sobald er die Person, die in seinem Cabinet ist, entlassen hat. Setzt Euch doch —«

Courtin war weiter vorwärts gedrängt worden, als er gewünscht und beabsichtigt hatte. Er hatte gehofft, das Haus sey von einem untergeordneten Agenten bewohnt, von welchem er durch List oder Bestechung die nöthigen Nachweisungen zu erhalten gedachte. Als aber der Diener versprach, ihn zu seinem Herrn zu führen, wurde die Sache bedenklich, und es mußte eine den Umständen angemessene Fabel ersonnen werden. Der Maire von La Logerie hielt es auch für gerathen, sich aller weiteren Fragen zu enthalten, denn die düsteren, strengen Gesichtszüge des Dieners verriethen einen jener eingefleischten Fanatiker, die sich noch jetzt auf der celtischen Halbinsel finden.

Courtin sah sogleich, was für eine Rolle er zu spielen hatte.

»Ja,« sagte er mit demüthiger Haltung, »ich will warten bis Monsieur fertig ist, und die Zeit des Wartens mit Gebet heiligen. Ist es erlaubt, eines von diesen Andachtsbüchern zu nehmen?« setzte er, auf eine kleine Büchersammlung zeigend, hinzu.

»Rühret diese Bücher nicht an, wenn Ihr eine solche Absicht habt,« antwortete der Bretagner, »denn es sind profane Bücher. Ich will Euch mein Gebetbuch leihen,« setzte er hinzu und zog ein schmutziges und zerlesenes Büchlein aus der Tasche seiner mit Schnüren besetzten Jacke.

Dabei bemerkte Courtin die Kolben von zwei im Gürtel steckenden Pistolen. Er wünschte sich Glück, daß er keinen Versuch gewagt hatte, die Treue des Bretagners auf die Probe zu stellen, denn dieser würde eine solche Zumuthung wahrscheinlich sehr übel aufgenommen haben.

»Ich danke,« sagte er, indem er das Büchlein nahm, und kniete mit so andächtiger Miene nieder, daß der sehr erbaute Bretagner den Hut abnahm, ein Kreuz schlug und die Thür sanft zumachte, um den frommen Mann in seiner Andacht nicht zu stören.

Sobald sich Courtin allein sah, fühlte er das Bedürfniß, die Stube genau in Augenschein zu nehmen. Aber er hütete sich wohl, einen solchen Fehler zu machen: er dachte, man könne ihn durch das Schlüsselloch beobachten. Er bezwang daher seine Neugierde und blieb in seiner andächtigen Stellung; zugleich aber sah er sich verstohlen um. Er befand sich in einem etwa zwölf Fuß ins Gevierte haltenden Stäbchen, das durch eine zweite Thür mit einem andern Zimmer in Verbindung stand. Die Meubles waren von einfachem Nußbaumholz; das Fenster ging in den Hof und die unteren Scheiben waren mit feinem grün angestrichenem Draht vergittert, so daß man von draußen nicht erkennen konnte, wer sich in diesem Theile des Hauses befand.

Er lauschte, ob er kein Geräusch hören würde; aber man hatte wahrscheinlich gute Vorkehrungen getroffen, denn obgleich Courtin abwechselnd an dem Camin, vor welchem er kniete, und an der Verbindungsthür lauschte, vernahm er keinen Laut.

Aber während er mit erheuchelter Andacht den Kopf neigte, bemerkte er im Camin. mitten unter den ausgelöschten Kohlen einige zerknitterte Papiere, die zum Verbrennen bestimmt waren. Diese Papiere reizten seine Neugierde. Er ließ den Arm hängen, streckte ihn langsam aus, nahm die Papiere und faltete sie, ohne seine Stellung zu verändern, auseinander.

Er hatte einige Zettel, die kein Interesse für ihn hatten, wieder auf den Caminherd geworfen, als er auf einem Stück Papier, welches nur unbedeutende Notizen enthielt, einige fein und zierlich geschriebene Zeilen bemerkte, die ihm auffielen. Er las folgende Worte:

»Wenn man Sie beunruhigt, so kommen Sie sogleich. Unser Freund läßt Ihnen sagen, daß in unserm Versteck ein Zimmer zu Ihrer Verfügung steht.«

Die Unterschrift: M.v.S. bedeutete offenbar Mary von Souday.

Courtin steckte dieses Billet in die Tasche; der arglistige Bauer sah sogleich ein, daß er einen großen Nutzen daraus ziehen konnte.

Er fand noch einige ziemlich bedeutende Rechnungen; der Bewohner des Hauses war also höchst wahrscheinlich der Rechnungsführer Petit-Pierre’s.

In diesem Augenblick hörte man draußen Stimmen und Fußtritte. Courtin wandte sich rasch vom Camin ab und näherte sich dem Fenster.

Durch das Fenster bemerkte er einen Mann, den der Bediente an die Thür begleitete. Der Mann trug einen leeren Geldsack, den er zusammenlegte und in die Tasche steckte.

Courtin konnte anfangs nur den Rücken des Mannes sehen,« aber als dieser aus der Gartenthür treten wollte, drehte er sich, und Courtin erkannte Maître Loriot.

»Aha! der steckt auch darunter!« sagte er, »und er bringt Geld. Es war wirklich ein gescheider Gedanke, hierher zu kommen.«

Courtin nahm seinen Platz vor dem Camin wieder ein, denn er ahnte, daß die Stunde seiner Audienz gekommen war.

Als der Diener die Thür öffnete, schien Courtin so in Gedanken vertieft, daß er sich gar nicht umsah.

Der Bretagner trat auf ihn zu, klopfte ihn auf die Schultern und forderte ihn auf, mit ihm zu gehen. Courtin gehorchte, nachdem er ein Kreuz geschlagen.

Man führte ihn in das Zimmer in welchem Pascal, den jungen Baron La Logerie am ersten Abend, empfangen hatte. Pascal war indeß mit wichtigeren Dingen beschäftigt als damals. Vor ihm stand ein mit Papieren bedeckter Tisch und Courtin glaubte Goldstücke unter einem Haufen offener Briefe schimmern zu sehen.

Pascal bemerkte den Blick, den der Bauer auf das Gold warf; er schöpfte anfangs keinen Verdacht, denn Landleute pflegen Gold und Silber immer mit neugierigem Erstaunen zu betrachten. Diese Neugier durfte indeß nicht weiter gehen; der Herr vom Hause gab sich, das Ansehen, als ob er etwas in der Schublade suchte und warf dieweil herabhängende grüne Tischdecke über die Papiere. Dann wandte er sich zu Courtin und fragte mit einiger Härte:

»Was wollt Ihr?«

»Ich habe eine Bestellung zu machen,« antwortete Courtin.

»Wer schickt Euch?«

»Herr von La Logerie.«

»So? Ihr gehört unserem jungen Freunde.«

»Ich bin sein Pächter und Vertrauensmann.«

»Was habt Ihr mir zu sagen?«

»Ich weiß nicht, ob ich es darf,« erwiderte Courtin dreist.

»Wie so?«

»Zu Ihnen schickt mich der Herr Baron nicht.«

»Zu wem denn?« erwiderte Pascal, dessen Stirn sich verfinsterte.«

»Zu einer andern Person, zu der Sie mich führen sollen.«

»Ich weiß nicht, was Ihr meint,« antwortete Pascal, ohne seinen Unwillen über die vermeinte Unbesonnenheit Michel’s zu verbergen.

Courtin sah ein, daß er sich etwas übereilt hatte; aber ein schneller Rückzug wäre jetzt gefährlich gewesen,

»Wollt Ihr mir euren Auftrag sagen oder nicht?« versetzte Pascal. »Ich habe keine Zeit zu verlieren.«

»Ich weiß wahrhaftig nicht, lieber Herr,« sagte Courtin, »ich würde für meinen Herrn durchs Feuer gehen. Wenn er zu mir sagt: Thue dies, thue das, so halte ich mich an seinen Befehl. An Sie lautet mein Auftrag nicht.«

»Wie heißt Ihr, mein braver Mann?«

»Courtin, zu dienen.«

»In welcher Gemeinde wohnt Ihr?«

»In La Logerie.«

Pascal zog sein Taschenbuch hervor und blätterte einige Augenblicke darin; dann sah er Courtin forschend und mißtrauisch an.

»Ihr seid Maire?« fragte er.

»Ja, seit 1830 – aber ichs habe es nur auf den ausdrücklichen Wunsch der Frau Baronin angenommen.«

»Hat Euch Herr von La Logerie nur einen mündlichen Auftrag gegeben?«

»Ich habe auch einen kleinen Brief, aber nicht an die fragliche Person.«

»Darf ich den kleinen Brief sehen?«

»Ja wohl, er ist nicht gesiegelt und folglich steht auch kein Geheimniß darin.«

Courtin gab dem Chouan den Zettel den ihm Michel anvertraut hatte und worin Petit-Pierre Bertha ersuchte nach Nantes zu kommen.

»Wie kommt es, daß dieses Billet noch in euern Händen ist?« fragte Pascal, »mich dünkt, daß es vor mehr als vierundzwanzig Stunden geschrieben ist.«

»Man kann, nicht Alles auf einmal thun; ich gehe erst jetzt nach Hause, wo ich die Person, an die das Billet ist, treffen soll.«

Pascal, der den Namen Courtin nicht unter den eifrigen Royalisten gefunden hatte, ließ den Maire von La Logerie nicht aus den Augen. Dieser trug den Blödsinn zur Schau, der bei dem Capitän des »Jeune Charles« einen so guten Erfolg gehabt hatte.

»Ich kann Euch keinen Andern nennen, der eure Bestellung annehmen könnte,« sagte Pascal. »Redet, wenn Ihr’s für angemessen haltet; wenn nicht, so geht wieder zu euerm Herrn und sagt ihm, er möge selbst kommen.«

»Das werde ich bleiben lassen, mein lieber Herr,« antwortete Courtin, »mein Herr ist zum Tode verurtheilt, und ich werde mich hüten, ihn wieder nach Nantes zu bringen. Er ist bei uns sicherer. Ich will Ihnen Alles sagen. Der Herr Baron wird mich auszanken, aber es ist mir lieber, als sein Leben in Gefahr zu bringen.«

Dieser naive Ausdruck treuer Ergebenheit söhnte Pascal einigermaßen mit Courtin aus, der durch seine ersten Antworten Verdacht erregt hatte.