Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 14
Blanka sah schweigend auf die Thür, die sich hinter Robert geschlossen hatte und mußte alle ihre moralische Kraft aufbieten, um ihn nicht abermals Zurückzurufen.
»Er geht und mein Glück mit ihm flüsterte sie vor sich hin. »Ich habe nichts mehr zu erwarten, als ein Leben der Reue und der Thränen; er wird sich gewiß trösten, ich allein werde leiden! Es ist die Buße für meinen Fehltritt!«
»Mutter!« rief sie in das Nebenzimmer. um nicht länger allein zu sein, »Robert ist fort.«
Madame Pascal hörte ihren Ruf nicht, sie war auf ihrem Stuhle eingeschlummert.
Es war eine der großen Lebensfragen Blanka’s zwischen einem schlafenden Kinde und einer schlafenden Mutter entschieden worden.
Blanka drückte einen Kuß auf die Stirn ihrer Mutter, und sie erwachte.
»Du bist allein?« fragte Madame Pascal, als sie die Augen aufschlug und um sich blickte.
»Ja liebe Mutter, Robert ist fort.«
»Der arme junge Manns er liebt Dich aufrichtig, aber da Du ihn nicht liebst, so wollen wir nicht mehr davon sprechen, Dein Glück geht Allem vor. Die Mütter sind in Bezug auf ihre Kinder egoistisch und mir scheint dies ganz natürlich Robert hat Dir das Leben gerettet: verlangte er dafür das meinige, so würde ich es ihm mit Freuden geben, aber das Deinige – dies ist etwas Anderes.«
Fünftes Kapitel.
Ein unerwarteter Besuch
Am Tage nach Empfang von Blanka’s Briefe war Friedrich von seinem Schlosse abgereist. Acht Tage darauf kam er mit den zu seiner Verbindung nöthigen Papieren zurück und schrieb an Herrn von Thonnerins, um ihm seine bevorstehende Ankunft mitzutheilen, denn wir sprechen hier von seiner Vermählung mit Leonie. Er erwartete bei seinem Wiedereintreffen auf dem Schlosse wenigstens einen Brief von Blanka zu finden, aber wir wissen, daß ihm diese nicht ein einziges Mal geschrieben hatte.
Dieses Stillschweigen fiel dem Grafen aus und es schien ihm die ernsthafteste Beachtung zu verdienen. Er beurtheilte die Menschen ein wenig nach sich selbst und da er sich durchaus keine Illusionen über seinen persönlichen Werth machte, so kann man denken, daß er eine ziemlich schlechte Meinung von der gesamten Menschheit hatte.
Friedrich, welcher wußte, durch welche Mittel er Blanka in seine Gewalt bekommen hatte, wozu ihn ein hochwichtiges Interesse bewogen, das der Leser ohne Zweifel schon errathen hat, jedenfalls aber es sehr bald erfahren wird, Friedrich, sagen wir, las in Blanka’s Herzen wie in einem offenen Buche und begann zu fürchten, daß das Erscheinen Roberts alte seine Berechnungen und Combinationen zerstören könnte.
»Man weiß niemals, wie man mit ehrlichen Leuten daran ist,« sagte er zu sich selbst. »Wenn Blanka erkennen sollte, daß sie mich nicht liebt, sondern diesen Robert; wenn sie ihm Alles gestehen und er aus Liebe zu ihr den dichten Schleier, den die Verzeihung beständig in der Hand hält, über Blanka’s Fehler werfen sollte, wie ich es aus Interesse bei Leonie gethan habe, dann wäre mein ganzes Gebäude von Glück und Ehrgeiz zerstört und Gott weiß was dann geschähe. Dies aber darf nicht stattfinden und zu dem Ende muß ich Blanka sprechen.«
Blanka hatte indessen eingesehen, daß sie Roberts Muth ein wenig aufrichten müsse, und hatte daher einen langen Brief an ihn geschrieben, worin sie ihm, so gut als es ihr möglich war, alle Ursachen ihres Fehltritts auseinandersetzte, um ihn in den Augen des Mannes zu entschuldigen, auf dessen Achtung sie den höchsten Werth legte. Es weite eine schöne und interessante Aufgabe den sonderbaren Kampf zu schildern, den Blanka gegen Friedrich bestanden und der mit ihrer Niederlage geendigt hatte, und wir hätten dieser Schilderung gern hier eine Stelle eingeräumt, würden wir nicht, wie Mazeppa von seinem Rosse, von unsrem Gegenstande fortgetragen, ohne daß es uns erlaubt ist, uns bei den Einzelheiten des Weges aufzuhalten.
Blanka weinte heiße Thränen als sie diesen Brief schrieb, die nackte und entsetzliche Wirklichkeit zwischen ihren ehemaligen und ihren gegenwärtigen Träumen, die jetzt auf ewig geschieden waren, wie Zwillingsbrüder, die sich lieben und dies eine unermeßliche Entfernung von einander trennt.
Für Robert war der Brief ein neuer Beweis, daß keine Stimme in Blanka’s Herzen für ihn sprach und daß sie den Mann, dem sie sich hingegeben hatte, nicht allein lieben mußte, sondern daß sie ihn wirklich liebte.
Robert streifte während dem in der Stadt umher, wie ein wandernder Schatten, der den Weg verloren hat, aber nicht aus einem gewissen Kreise treten kann, ohne daß etwas in ihm zerreißt, und-Friedrich schlug die Straße nach Niort ein, wo er gegen neun Uhr Abends ankam.
Er begab sich sogleich nach dem Gasthofe, in welchem Blanka und ihre Mutter abgestiegen waren. In dem Augenblicke, als er die Schwelle überschreiten wollte, bemerkte er auf der Straße eine Gestalt, die ihn sehen aber vielmehr erkennen zu wollen schien.
Eine Straßenlaterne erleuchtete das Gesicht dieser Gestalt und Friedrich erkannte Robert; aber er setzte seinen Weg fort, ohne ihn weiter zu beachten.
»Er ist’s, dachte Robert, »Er will sie hier besuchen. Ach! jetzt sehe ich ein, warum sie meine sofortige Abreise wünschte.«
Der unglückliche junge Mann lehnte sich an die Mauer und weinte wie ein Kind dann ging er traurig und niedergeschlagen ins Freie und setzte sich unter einen Baum, wo er wartete, bis es Tag wurde, denn ehe er abreiste, wollte er Felician noch einmal besuchen, um sich Kraft und Trost bei ihm zu erholen.
Friedrich schellte an der Thür des Gasthofes.
»Geben Sie mir ein Zimmer,« sagte er zu dem öffnenden Kellner, der ihn alsbald mit einem Lichte in der Hand die Treppe hinaufführte.
Seiner Gewohnheit nach beobachtete Friedrich genau die Lokalität des Hauses.
»Was that Robert um diese Zeit auf der Straße?« fragte er sich selbst, und um Alles zu erfahren, was er wissen wollte, sagte er zu dem Kellner:
»Soll hier nicht in den nächsten Tagen in der Kathedrale eine Ordination stattfinden?«
»Ja, mein Herr, übermorgen.«
»Heißt der Priester, welcher ordinirt werben soll, nicht Felician Pascal?«
»Ja, und in Nr. 8 wohnen sogar seine Mutter und seine Schwester.«
Mit diesen Worten zeigte der Kellner in der ersten Etage auf die Thür der Madame Pascal.
»So? die Damen wohnen hier?« fragte der Graf.
»Ja; Sie kennen sie wohl, mein Herr?«
»Nur von Ansehen und dem Namen nach. Welches Zimmer wollen Sie mir geben?«
»Dies steht ganz in Ihrem Belieben.«
»Nun, so geben Sie mir diese beiden,« sagte Friedrich, indem er die über der Wohnung Blanka’s und ihrer Mutter gelegenen Zimmer wählte.
»Ich will sogleich Ihr Bett machen lassen.«
»Thun Sie das; aber sagen Sie mir, wohnt nicht auch ein junger Mann, Namens Robert, in Ihrem Gasthofe?«
»Er ist heut wieder abgereist.«
»Wird er zurückkommen?«
»Ich glaube nicht. Welchen Namen sollen wir ins Fremdenbuch eintragen?«
»Der Graf Friedrich von La Marche. Hier ist übrigens meine Karte.«
Als der Kellner sich entfernt hatte, begann der Graf mit geräuschvollen Schritten im Zimmer umher zu gehen.
Madame Pascal, welche beim Lesen eines Buches eingeschlummert war, erwachte plötzlich von diesem Geräusch über ihrem Kopfe.
Blanka dagegen war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie nichts hörte.
»Wer mag noch so spät oben umher gehen?« sagte Madame Pascal, da die Tritte immer stärker wurden.
»Es ist nicht möglich, bei diesem Lärm zu schlafen; hörst Du nichts, Blanka?«
»O ja, liebe Mutter, ich höre es auch.«
»Es ist unerträglich.«
»Meines Wissens wohnt gar Niemand über uns.«
»Es muß ein Reisender sein, der eben erst angekommen ist.«
»Ja, wahrscheinlich.«
Madame Pascal faßte sich noch einige Augenblicke in Geduld und Blanka versank wieder in ihr Nachsinnen.
Das Gehen dauerte ununterbrochen fort.
Jetzt hörte Madame Pascal den Kellner hinausgehen. Sie öffnete die Thür und rief ihn.
Der Kellner trat ein.
»Wer wohnt denn über uns?« fragte sie ihn.
»Ein Herr, der eben angekommen ist, der Herr Graf von La Marche,« antwortete der Kellner mit Stolz.
»Wie? er ist hier?« rief Blanka erschreckend; »was mag er wollen?«
»Bitten Sie den Herrn Grafen von La. Marche nicht so geräuschvoll in seinem Zimmer auf und ab zu gehen,« sagte Madame Pascal zu dem Kellner.
»Ach, wenn doch Alles recht bald zu Ende wäre!« dachte Blanka; »wenn er meinen Bruder um meine Hand bitten, mich heirathen und weit von hier wegführen könnte!«
Der Kellner ging wieder hinauf zu Friedrich und entledigte sich des erhaltenen Auftrags mit den Worten:
»Herr Graf, Madame und Fräulein Blanka welche unter Ihnen wohnen, lassen Sie ersuchen, ein wenig leiser zu gehen.«
Die Schritte verstummten sogleich.
»Es thut mir leid, daß ich soviel Geräusch gemacht habe, versetzte der Graf; »sind die Damen schon zu Bett gegangen?«.
»Nein, noch nicht.«
»Was thun sie?«
»Die Mutter liest und die Tochter arbeitet.«
»Sagen Sie ihnen, daß ich sie um die Erlaubniß bitten lasse, mich persönlich bei ihnen zu entschuldigen.«
»Es ist nicht der Mühe wert, daß sich der Herr Graf deshalb incommodirt,« sagte Madame Pascal zu dem Kellner, als er ihr den Besuch Friedrichs meldete.
»Es ist ist immer artiger, wenn wir seinen-Besuch annehmen,« bemerkte Blanka. »Sagen Sie dem Herrn Grafen, daß wie ihn erwarten.«
Nach einigen Minuten klopfte Friedrich an die Thür und Madame Pascale öffnete ihm.
Seitdem Blanka den Grafen kannte, hatte sie Zeit und vielfache. Gelegenheit gehabt, sich an mancherlei Gemüthsbewegungen zu gewöhnen, und es war daher nicht sowohl das Unerwartete dieses Besuches und die Anwesenheit ihrer Mutter, was die Schläge ihres Herzens beschleunigte, sondern es war die schmerzliche Ueberzeugung, die sich ihr aufdrang, daß sie diesen Mann, dem sie sich hingegeben, nicht liebte, daß er ihr kein anderes Gesicht als Angst und Reue einflößte und daß ihre zur Nothwendigkeit gewordene Verbindung mit ihm. eine Strafe für sie war.
Blanka war daher auffallend bleich, als der Graf eintrat.
»Ich hatte mich nicht geirrt,« dachte Friedrich, als er ihre Blässe bemerkte, sowie Blanka’s Anstrengungen, sie zu verbergen; »sie ist zu der Einsicht gekommen, daß sie nicht mich, sondern einen Andren liebt, aber sie fürchtet mich noch immer, und dies ist genug.
»Madame,« sagte er zu Madame Pascal, »ich wußte nicht, daß Jemand unter mir wohnte, und noch weniger, daß es die Mutter und die Schwester des Herrn Felician Pascal war.«
Friedrich wendete das richtige Mittel an, um seinen Besuch zu verlängern.
»Kennen, Sie meinen Sohn?« fragte Madame Pascal, indem sie ihn zum Niedersetzen einlud.
»Ja, Madame, aber nur dem Namen, dem Rufe und dem Ansehen nach, denn ich habe nie die Ehre gehabt, mit ihm zu sprechen. Wir sind Nachbarn und ich habe in ganz Moncontour stets seine Tugenden und seine wahre Frömmigkeit rühmen hören.«
»O wie freut es mich, dies zu hören!« erwiderte Madame Pascal, während Blanka, die eine Stickerei zur Hand genommen hatte, hoch erröthete, als sie sah, wie ihre Mutter hintergangen wurde.
»Ich bin sogar nur um Ihres Herrn Sohnes willen nach Niort gekommen, Madame,« fuhr der Graf fort.
»Sie wollen also wahrscheinlich seiner Ordination beiwohnen!«
»Ja, Madame.«
»Es wird eine schöne und erhebende Feierlichkeit werden, nicht wahr?«
»Aber sie wird Sie von einem geliebten Sohne trennen und Ihnen, mein Fräulein,« sagte der Graf zu Blanka, »wird sie eine Stütze und einen Beschützer entreißen.«
»Die kräftigste Stütze und der sicherste Schutz, Herr Graf,« antwortete Blanka, »ist das Gebet eines reinen Herzens und die Fürbitte eines frommen Gemüths bei dem Herrn, und diesen Beistand und Schutz werden wir fernerhin in meinem Bruder finden.«
»Nun wohl, mein Fräulein,« entgegnete der Graf, »ich habe eine Bitte an den frommen jungen Mann und damit ich um so gewisser bin; daß er sie mir gewährt, wünschte ich sie ihm durch Ihre Vermittelung zukommen zu lassen. Wollen Sie mir mit der Bewilligung Ihrer Frau Mutter diese Gefälligkeit erzeigen?«
»Sehr gern, Herr Graf,« erwiderte Blanka; »worin besteht Ihre Bitte? wenn sie gerecht ist, wird mein Bruder sie Ihnen auch gewähren!«
»Sie sollen ihm nur einen Brief übergeben; aber von seiner Antwort hängt mein ganzes Lebensglück ab.«
»Haben Sie den Brief schon bereit?«
»Nein, aber er wird nur wenige Zeilen enthalten und ich bitte um Ihre Erlaubniß, ihn hier schreiben zu dürfen.«
,»Willst Du so gut sein, liebe Mutter, und dem Herrn Grafen Schreibzeug geben?« sagte Blanka.
Madame Pascal stand auf; und ging in’s Nebenzimmer, wo Susanne schlief, um das Gewünschte herbeizuholen.
»Was ist denn geschehen, Blanka?« fragte der Graf mit leiser Stimme, sobald er sich mit Blanka allein befand; »ich habe seit Deiner Abreise nur einen einzigen Brief von Dir erhalten; hast Du denn vergessen, daß ich an Deinen Bruder schreiben muß, daß Du meine Gattin bist., daß ich Dich liebe, daß ein heiliges Band uns verbindet und daß ich Jeden ermorden würde, der es versuchen sollte, dieses Band zu zerreißen?«
»Was meinst Du damit?«
»Ich meine,« antwortete Friedrich in gebieterischem und drohendem Tone, »daß ich bei meiner Ankunft dem Manne hier begegnet bin, der Dir das Leben gerettet und durch den Du mir einmal einen Brief gesandt hast; ich weiß nicht warum, aber ich kann diesen Menschen nicht leiden.«
»Also nichts entgeht ihm!« dachte Blanka. »Du wirst ihn nicht wieder sehen,« setzte sie laut hinzu, »er ist im Begriff, unsre Gegend zu verlassen.«
»Das ist mit lieb. Ich will jetzt an Deinen Bruder schreiben und bei ihm um Deine Hand anhalten. Uebermorgen nach der Ceremonie übergiebst Du ihm meinen Brief und zugleich bei seiner Ankunft in Moncontour werde ich mir seine Antwort mündlich erbitten und dann alles Weitere mit ihm besprechen. Doch still, Deine Mutter kommt.«
In diesem Augenblicke kam Madame Pascal in der That zurück und brachte die zum Schreiben nöthigen Materialien.
Friedrich dankte ihr und schrieb dann folgende Zeilen, indem er sich so setzte, daß Blanka sie lesen konnte:
»Mein Herr!
»Ich heiße Graf Friedrich von la- Marche,, ich bin reich, ich liebe Ihre Fräulein Schwester und glaube auch von ihr geliebt zu werden.
»Ich nehme mir daher die Freiheit, Sie um ihre Hand zu bitten.
»Genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.
»Graf Friedrich von La Marche«
»Er ist wirklich ein rechtlicher Mann,« sagte Blanka mit einer gewissen Muthlosigkeit zu sich selbst, »und er liebt mich.«
Sie ergab sich in ihr Schicksal.
Wer hätte dem armen Kinde vor zwei Monaten gesagt, daß sie einst der Resignation bedürfen würde, um die Gattin des Mannes zu werden, ohne dessen Namen ihr das Leben nur noch Schande und Reue bieten konnte!
Dies waren Blanka’s Gedanken, während Friedrich den ein Felician geschriebenen Brief zusammenfaltete Versiegelte und ihn ihr dann einhändigte. Als dies geschehen war, entfernte er sich mit nochmaligen Entschuldigungen wegen der verursachten Störung.
Ein neuer Beweis für die Richtigkeit dessen, was wir über Blanka gesagt haben, ist, daß sie sich, seitdem sie Robert liebte, fest vorgenommen hatte, dem Grafen nicht eher wieder anzugehören, als bis die menschlichen Gesetze es ihr zur Pflicht machten. Welcher Mittel und Wege sich der Graf auch bedient hätte, er würde jetzt nie wieder eine Zusammenkunft von ihr erlangt haben, wie sie ihm früher so viele gewährt hatte. Dies kam daher, weil Blanka ein reines Gefühl in ihrem Herzen trug, das sie nicht. beflecken wollte, weil die Liebe bei den Frauen eine neue und stärkere Schamhaftigkeit erweckt, die ihrer selbst sicherer ist als die erste, dieser leichte und durchsichtige Schleier, welcher die Jungfrau, in der die erste Gluth der Sinnlichkeit erwacht, kaum zu bedecken, viel weniger zu vertheidigen vermag.
Mit Staunen und Entsetzen fragte sich das arme Kind, wie es gekommen war, daß sie sich dem Willen Friedrichs gefügt hatte, und schob die ganze Schuld auf das Verhängniß.
Dies ist der allgemeine Name mit dem die Menschen alle ihre Leidenschaften ihre Fehler und ihre Verirrungen bezeichnen, wenn die Zeit der Strafe gekommen ist.
Wir glauben nicht, daß es einen größeren Schmerz für ein Mädchen geben kann, als die zu späte Einsicht, daß sie sich getäuscht und sich ohne Liebe hingegeben hat, besonders wenn dazu noch die Ueberzeugung kommt, daß sie einen andren Mann als den, dem sie angehört und für immer angehören muß, wirklich liebt.
In diesem Falle befand sich Blanka, und Jedermann wird daraus ermessen können, welche Qualen sie litt.
Friedrichs Besuch in Niort hatte keinen andren Zweck gehabt, als den einer kurzen Unterredung mit Blanka, und er reiste daher noch in derselben Nacht wieder ab.
Als er sich entfernt hatte, ging Blanka in das Zimmer, wo Susanne schlief, und schloß sich hier ein, denn der Anblick des lieben Kindes erinnerte sie lebhafter an Robert. So war die Kleine, ohne zu wissen und ohne etwas davon zu verstehen, die Vertraute und der momentane Trost der bekümmerten Blanka geworden. Da ihre Liebe der Liebe Roberts nicht entgegengehen durfte, so übertrug sie dieselbe auf Susannen. Dieses Kind war der Boden, auf dem sich ihre reine Zuneigung begegnete, und Blanka konnte die Schwester mit allem Feuer ihrer Gefühle für den Bruder umarmen.
»Ja, ich will Dich lieben, mein gutes Kind,« sagte sie, indem sie die schlafende Susanne in ihre Arme nahm und sie mit Küssen und Thränen bedeckte; »ich bin es, die Dir Deinen Bruder, Deinen einzigen Versorger nimmt, ich bin die Ursache seiner Entfernung, aber ich will Dir eine so zärtliche Mutter sein, daß Dein jugendliches Herz sich bis zu dem Tage gedulden wird, an welchem Robert, von seiner unmöglichen Liebe geheilt, zurückkommt.«
Die sanften Athemzüge des Kindes waren die einzige Antwort auf diese stummen Bekenntnisse und Betheuerungen. Blanka ergoß in sie, wie in ein reines Gefäß, die Ueberfülle ihrer Empfindungen, aber wie das Gefäß, so wußte auch Susanne nicht, daß sie etwas enthielt und ob dieses Etwas Honig oder Gift war.
Von allen diesen moralischen Erschütterungen und Bewegungen hatte Felician keine Ahnung.
Glücklich, stolz, von Gott erleuchtet und das Herz gleich einem Tempel allen reinen Strahlen und einer frommen Begeisterung geöffnet, sollte er endlich das Ziel seiner gottesfürchtigen Träume erreichen und von der Höhe seines Glaubens erschien ihm die Welt nur wie eine große Familie, von welcher er einigen Gliedern das tägliche Brot der Seele reichen sollte. Er war durchdrungen von christlicher Liebe und fühlte sein Herz weit und stark genug, um das ganze Menschengeschlecht darin aufzunehmen. Wie die riesigen Bäume, denen Wipfel von den Sängern des Frühlings bewohnt sind und jeden Morgen die ersten Strahlen der Sonne erblicken, sah er die irdischen Leidenschaften nicht mehr, gleich giftigen Schlangen, welche die Erde verbirgt, unter den Schatten seiner strahlenden Laubkrone schleichen und den Stamm mit ihrem giftigen Zahne verwundern um ihn zu fällen.
Der Tag, bei dessen ersten Strahlen Robert seit dem Abend vorher in der einsamen Gegend umher irrte, war daher der letzte, an welchem Felician sich selbst angehörte, denn folgenden Tage sollte er die unauflöslichen Gelübde aussprechen.
Diesen letzten Tag wollte er gern seiner, Mutter und Schwester widmen; die beiden Damen sollten daher um zehn Uhr zu ihm kommen und ihn nicht eher wieder verlassen, als um vier Uhr, denn von dieser Stunde an bis zum folgenden Morgen durfte er mit Niemandem sprechen und sich nur allein mit Gebet und frommen Betrachtungen beschäftigen.
Robert wußte dies und da er fürchtete, daß es Blanka unangenehm sein würde, wenn er bei Felician mit ihr zusammenträfe, ging er schon bei Anbruch des Tages zu diesem und fand ihn im Garten des Seminars in einem Buche lesend.
»Nun, mein Bruder,« redete ihn Felician an, indem er seine Hand ergriff, »Du leidest noch immer?«
»Ja,. ich bin sehr unglücklich!« erwiderte Robert, und zugleich warf er sich in Pascals Arme und seine Thränen brachen hervor.
»Sei stark, lieber Freunds der Schmerz ist eine Prüfung, aus welcher der Geist reiner hervorgeht, und der Herr hat Tröstungen in seinen stets offenen Händen. Meine Schwester ist die Ursache Deines Leidens, Robert; verzeihe ihr und verzeihe mir.«
»Ach ich verzeihe ihr und Sie, Felician, segne ich!«
»Ich hatte gehofft, Euch zusammen vereinigt zu sehen und daß Du mich bei ihr ersetzen würdest. Sie will es nicht und wir müssen den Willen ihres Herzens achten. Das Herz ist das Einzige, was uns wirklich gehört und worüber keine menschliche Macht uns zu verfügen zwingen kann. Was willst Du thun?«
»Ich will fort von hier.«
»Und Susanne?«
»Lasse ich bei Ihrer Mutter, Felician. Sie nähert sich dem Alter, wo ich ihr nicht mehr nützen kann und ihr sogar im Wege sein würde. Ihre Mutter und Ihre Schwester werden es besser verstehen, sie zu lieben, als ich. Ich brauche nichts; ich will das Häuschen, das ich bewohne, und ein Stück Land, das wir noch besitzen, verkaufen und dadurch eine Summe von vierzigtausend Franken realisieren. Diese werde ich Ihnen übergeben; sie wird Susannens Mitgift bilden, wenn sie sich dereinst verheirathet. Möge sie dann Niemandem das Leid bereiten, welches die Trennung von ihr mir verursacht!«
»Man wird von der Liebe geheilt, Robert. Wenn ich dies nicht glaubte, würde ich zu Dir sagen: Bleibt bei mir und widme dem Dienste Gottes Deine trostlose Seele. Aber vielleicht würdest Du später, wenn die Wunde Deines Herzens sich wieder geschlossen hat, Dich wieder nach der Welt zurücksehnen, die Du auf immer verlassen hättest, und die einen Balsam für die Wunden hat, die sie schlägt. Nur mit einem inneren Berufe, nicht aus Verzweiflung muß man dem Herrn dienen, bekämpfte also Deinen Schmerz mit den Kräften, die in Dir liegen, und wenn Du später einsiehst, daß Deine Bemühungen vergeblich sind, dann wird es noch immer Zeit sein zu uns zu kommen. Gott wird immer da sein.«
Die beiden jungen Männer umarmten sich mit Herzlichkeit.
»Ich danke Ihnen für diese tröstenden Worte, Felician,« sagte Robert; »Sie haben Recht, und auch ich möchte Gott nicht ein Herz darbringen, in dem noch etwas von irdischen Leidenschaften zurückgeblieben wäre. Aber ich werde ihn aus Herzensgrunde bitten, daß er Die, welche die Ursache meiner Leiden ist, glücklich macht, und ihr Glück wird meine Heilung sein.«
In diesem Augenblicke trat ein junger Seminarist zu Felician und sagte zu ihm:
»Ein Herr wünscht Sie zu sprechen und hat mir diese Karte übergeben.«
Pascal warf einen Blick auf die Karte und las:
»Maréchal, Arzt am Bord des Nikolas.«
»Gewiß will ich ihn sprechen,« rief er dann, und nachdem er Robert einen Wink gegeben hatte, sich nicht zu entfernen, eilte er dann dem Doktor entgegen.