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Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 15

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Sechstes Kapitel.
Valery

Felician fiel Maréchal um den Hals und kehrte mit ihm zu Robert zurück, der sich nachdenkend auf eine Bank unter den Bäumen des Klostergartens gesetzt hatte.

»Mein lieber Doctor,« sagte er zu ihm, »ich stelle Ihnen Herrn Robert vor, einen guten Freund von uns, der meiner Mutter, meiner Schwester und mir das Leben gerettet hat, und Ihnen, Robert, stelle ich den Herrn Doctor Maréchal vor, mit dem ich von Madagaskar nach dem Kap gereist bin, ein vortrefflicher Mann, der den Leuten in Folge seines Berufs das Leben rettet, wie Sie aus Edelmuth.«

Robert und der Doctor drückten einander die Hand, und alle Drei setzten sich nebeneinander auf die Bank.

»Jetzt, lieber Doktor, Maréchal sagte Pascal, während Robert seinen Kopf in die Hand stützte und wieder in seine Gedanken versank, »jetzt sagen Sie mir, wie es kommt, daß ich die Freude habe Sie zu sehen?«

»Sie wissen,, daß ich vor drei Monaten wieder in Frankreich angekommen bin?«

»Allerdings weiß ich es; Sie haben sogar die Güte gehabt, meiner Mutter einen Brief von mir zu übersenden.«

»Ich habe sogleich nach meiner Ankunft Melle, wo mein Vater wohnt,wieder verlassen und bin nach Paris gegangen«

»Was wollten Sie denn dort?«

»Um eine Anstellung anhalten, denn ich habe Neigung zu Ihrer ruhigen Lebensweise bekommen. Ich habe die Oceane und die unendlichen Wasserflächen satt. Ich will für die Kranken meiner Gegend das werden, was Sie für die Gläubigen der Ihrigen sind. In unserer Stadt ist ein Hospital und ich habe beim Minister um die Stelle des dirigirenden Arztes bei demselben angehalten.«

»Und Sie haben sie bekommen?«

»Vor acht Tagen. Ich bin sogleich wieder nach Hause gereist, um meinem Vater diese gute Nachricht mitzutheilen, und erfuhr dann, daß in Niort eine Ordination stattfinden sollte, und daß es die Ihrige war. Ich bin daher sogleich wieder aufgebrochen, um dieser Feierlichkeit beizuwohnen und Sie womöglich vorher noch zu sehen. Habe ich nicht recht daran gethan? Sie haben mit so vieler Begeisterung von Ihrer heiligen Laufbahn mit uns gesprochen, daß ich sehen wollte, wie Sie die ersten Schritte auf derselben thun. Uebermorgen reife ich wieder zurück, aber dann werden wir uns öfter sehen, denn Melle ist nicht weit von Moncontour entfernt.«

»Das freut mich außerordentlich, mein lieber Doctor, und ich danke Ihnen herzlich für diesen freundschaftlichen Besuch. Sie sehen, Gott ist gütig und erfüllt die bescheidenen Wünsche der Menschen. Fasse Muth, Robert,« sagte Felician zu diesem; »Du bist ein braver Mensch, laß Dich durch das Glück Anderer trösten.«

»Ist Ihnen denn ein Unglück begegnet, mein Herr?« fragte der Dotter theilnehmend.

»Kein Unglück, sondern ein Schmerz,« antwortete Felician, indem er Roberts Hand vertraulich drückte: dann sagte er zu Maréchal:

»Und was macht unser Kapitain, Herr Durantin, der ein sehr guter Dominospieler war?«

»Er befindet sich wohl, er schickt sich an, nach Rio-Janeiro zu segeln.«

»Mit seinen früheren Officieren?«

»Ja.«

»Sie sind noch immer lustig und munter?«

»Noch immer.«

»Das freut mich. Es ist angenehm zu erfahren, daß sich Menschen, die man gekannt hat, wohl befinden.«

»Erkundigen Sie Sich denn sonst nach Niemandem?«

»Nach wem noch?«

»Es war außer Ihnen noch ein Passagier am Bord des Nicolas.«

»Valery?«

»Ganz recht.«

»Aber was könnten Sie mir von diesem sagen; Sie wissen eben so wenig von ihm als ich. Er ist todt, Gott sei feiner Seele gnädig!«

»Valery befindet sich so wohl, als Sie und ich.«

»Er ist nicht gestorben?« rief Felician mit einem Erstaunen, welches durch die Erinnerung an Valery’s Verbrechen und die Ahnung des Unglücks, das sein böser Charakter noch anrichten konnte, mit einem Gefühle des Entsetzens gemischt wurde; »er ist nicht gestorben, sagen Sie?

»Nein.«

»Ist dies möglich?«

»Es ist die Wahrheit.«

»Als ich aber den Nicolas wieder verlassen wollte, nachdem ich Ihnen den Brief an meine Mutter übergeben hatte, wurde schon die Kanonenkugel in Bereitschaft gebracht, die man ihm an die Füße binden wollte, wenn er in’s Meer geworfen wurde.«

»Das ist wahr, und wir gingen nachher in seine Kajüte, um zu sehen, ob er todt sei, wie ich glaubte, und dann ein Ende mit ihm zu machen. Denken Sie sich nun mein Erstaunen, als ich, anstatt eines Leichnams, einen Mann fand, der aufgestanden war, bleich und abgemagert wie ein Gespenst, und sich mit der einen Hand an seinem Bette anhielt, während er mit der andern einen Gegenstand suchte, auf den er sich stützen konnte, um einen Schritt zu thun, ohne zu fallen! – Ich bin gerettet, Doctor, sagte er, ich fühle es; ich will mit Herrn Pascal sprechen. – Ich erwiderte ihm darauf, daß Sie eben das Schiff verlassen hätten, und zeigte ihm das Boot, auf dem Sie nach dem Lande fuhren. Diese Nachricht stürzte ihn in eine solche Verzweiflung, daß er ohnmächtig wurde. Aber wie er gesagt hatte, er war gerettet. Die Flasche Madera, die er völlig ausgetrunken, hatte eine Entzündung bei ihm erzeugt, welche die erste aufhob. Das Erbrechen stellte sich wieder ein und drei Tage später war Valery auf den Füßen.«

Felician war in tiefes Nachdenken versunken.

»Es ist wahr,« sagte er, »der Unglückliche mußte mich zu sprechen wünschen.«

»Soll ich Ihnen offen meine Meinung sage?« fuhr der Arzt nach einer Pause fort; »ich habe es bedauert, daß dieser Mann nicht gestorben ist.«

»Warum?«

»Weil ich überzeugt bin, daß er ein böser Mensch ist. Er fürchtete sich zu seht vor dem Tode, um ein rechtschaffener Mann zu sein, und die Worte, die er in meiner Gegenwart sprach, als er Ihnen beichten wollte, waren Worte eines mit schweren Verbrechen belasteten Gewissens.«

»Sie irren Sich, lieber Doctor,« erwiderte Felician mit ernster Stimme. »In der Stunde des Todes wird der Geist ängstlicher, gewissenhafter, und übertreibt die Fehler seiner Vergangenheit. Es findet zu gleicher Zeit eine moralische und eine physische Ueberreizung statt, und dies war auch der Fall bei Valery.«

»Sie antworten mir, was Sie mir antworten müssen, mein Bruder. Sie haben Valery’s Beichte gehört und dürfen nichts davon verrathen, dies ist Ihre Pflicht; aber Sie können mich nicht hindern, über diesen Mann eine Meinung zu haben, welche mein Gefühl in mir erzeugt hat, und ich wiederhole es Ihnen, mein erstes Gefühl, als ich ihn gerettet sah, war Bedauern darüber. Der dringende Wunsch, den er sogleich äußerte, Sie zu sprechen, hat mir bewiesen; daß er sich mit seiner Beichte zu sehr beeilt und daß er Ihnen ein fürchterliches Geheimniß anvertraut hatte, das er zurückzunehmen wünschte.«

»Angenommen, daß Valery mir ein Geheimniß anvertraut hätte, so hätte ich es unter dem Siegel der Beichte empfangen, und er hätte also nicht zu fürchten, daß ich eine Sylbe davon verriethe. Nein, ich weiß, warum Herr Valery mit mir zu sprechen wünschte. Ehe er starb hatte er mir sein ganzes Vermögen für die Armen von Nimes, seiner Geburtsstadt, cedirt, und er wollte ohne Zweifel, da er sah, daß er nicht starb, dieses Vermächtniß zurücknehmen.«

»Vielleicht, mein Bruder,« entgegnete der Doktor, den dieser Grund bei weitem nicht überzeugte, der aber nichts Anderes thun konnte, als sich gläubig zu stellen und weitere Aeußerungen zu unterlassen, die unpassend gewesen wären, da Felician sie nicht beantworten konnte.

»Und wo hat Herr Valery Sie Verlassen?« fragte Pascal.

»In Marseille.«

»Was ist denn seitdem aus ihm geworden?«

»Das weiß ich nicht.«

»Glauben Sie, daß er in Frankreich ist?«

»Ja, wenigstens war es seine Absicht, im Lande zu bleiben.«

»Wie könnte ich ihn wohl finden?«

»Erlauben Sie mir, Ihnen einen Rath zu geben. An Ihrer Stelle würde ich, trotz dem. was Sie mit eben gesagt haben, jede Verbindung mit diesem Manne vermeiden.«

»Es ist nicht meine Absicht sie fortzusetzen,« erwiderte Felician mit sanfter Stimme; »denn die Wege, die wir gehen, liegen sehr weit auseinander; er lebt in einer Welt, von der ich morgen völlig geschieden sein werde. Aber wenn er noch in Frankreich ist, muß ich ihm Papiere wieder zustellen, die er mir, als er seinen Tod nahe glaubte, anvertraut hat, und die ihm ohne Zweifel von großem Nutzen sind.«

»Aber wenn dies der Fall ist, warum hat er sie Ihnen bei seiner Zurückkunft nicht wieder abgefordert, da er doch eben so gut wußte als ich, wo er Sie finden konnte? Denn Sie hatten ihm in meiner und des Kapitains Gegenwart gesagt, wo Sie geboren sind, wohin Sie gehen und was Sie in Frankreich thun wollten. Nein, glauben Sie mir, mein Bruder, ich weiß nicht, warum ich Ihnen dies sage, aber kümmern Sie Sich nicht weiter um diesen Menschen. Wie Sie eben bemerkten, die Wege, die Sie beide gehen, dürfen nicht zusammentreffen. Ich, dessen Handwerk es ist, die Menschen sterben zu sehen, beurtheile das Leben der Menschen nach ihrem Tode, und ich wiederhole es Ihnen, der Tod dieses Valery war von der Art, daß er nicht werth ist, daß Sie seinen Namen aussprechen. Dann liegt auch etwas Unheilverkündendes in diesem bleichen Teint, in diesem harten Blick, in diesen beiden Falten, die wie von dem Meisel eines Bildhauers in die Stirn dieses Mannes gegraben sind.«

Bei dieser Schilderung wurde Robert aufmerksam, denn auch er mißtraute einem Manne, der diese beiden Falten an der Stirn hatte.

»Es ist meine Pflicht, Herrn Valery wieder aufzusuchen,« sagte Felician.

»Wenn dies der Fall ist, so ist nichts weiter darüber zu sagen.«

Robert war aufgestanden und ging mit einer gewissen Unruhe auf und ab.

»Aber wo mag er sein?« begann Felician wieder.

»Sagten Sie nicht eben, daß er Ihnen sein Vermögen für die Armen von Nimes vermacht habe?« fragte Robert, indem er stehen blieb.

»Ja.«

»Wie befindet sich dieses Vermögen?«

»In den Händen eines Correspondenten in Paris, eines gewissen Morel.«

»Sie haben an diesen Correspondenten noch nicht geschrieben?«

»Nein, ich wollte dies Alles nach meiner Ordination besorgen.«

»Nun, dann schreiben Sie sogleich an ihn und fragen Sie ihn, wo Valery ist. Er wird ihm ohne Zweifel sogleich Gegenordre wegen dieses Vermächtnisses gegeben haben und Morel wird jedenfalls wissen, wo er sich aufhält.«

»Das ist wahr, warten Sie einen Augenblick. Ich werde Sie bitten, Robert, diesen Brief zu besorgen.«

»Seht gern,« erwiderte dieser, und sobald Felician sich entfernt hatte, näherte er sich dem Arzte und sagte zu ihm:

»Sie scheinen die feste Ueberzeugung zu haben, daß dieser Valery ein böser Mensch ist?«

»Ja, denn zu den Gründen, die ich eben dafür angeführt habe, kommt noch der hinzu, daß Felician, als er nach Valery’s Beichte die Kajüte verließ, ganz verstört war und so tief Odem schöpfte, als wollte er ersticken. Ich gehe noch weiter: es würde mich nicht befremden, wenn dieser Mann ein Verbrechen begangen, und wenn er dieses unserem Freunde gebeichtet hätte. Ich wollte wetten, daß die Papiere, die Felician ihm zurückgeben will, irgend eine Erklärung enthalten, die ihn kompromittieren kann und deren sich unser Freund vielleicht hat bedienen sollen, sei es, um die Justiz über irgend eine dunkle Angelegenheit aufzuklären, bei der er eine Rolle gespielt hat, sei es, um eine unrechtmäßig erworbene Summe zurückzustatten. Mit Einem Worte, ich glaube, daß Felician das Mittel in Händen hat, Valery unglücklich zu machen.«

»Aber wie kommt es denn, daß Valery seit seiner Ankunft in Frankreich nicht alles Mögliche gethan hat, um wieder in den Besitz dieser compromittirenden Papiere zu gelangen, die sich, wie Sie vermuthen, in Felicians Händen befinden?«

»Das verstehe ich auch nicht. Vielleicht fürchtet er sich und hat nach Realisierung seines Vermögens Frankreich wieder verlassen.«

»Wenn er nicht vielleicht ein Mittel gesucht hat, um es Felician unmöglich zu machen ihm zu schaden,« sagte Robert mit zitternder Stimme, welche bewies, daß seine Befürchtungen sich in seinem zu Vorahnungen geneigten Geiste noch mehr befestigten.

»Ja, aber welches Mittel könnte er dazu finden?«

»Was war es für ein Mann?« fragte Robert, ohne, die Frage des Doktors zu beantworten; »ich bitte, schildern Sie ihn mir.«

»Er war lang, mit schwarzem Haar, weißen Zähnen, dickem Barte, bleichem, ziemlich wohlgeformtem Gesicht.«

»Wie alt?«

»Ohngefähr dreißig Jahre.«

»Sie haben Recht, Herr Doctor; es ist vielleicht ein großes Unglück, daß dieser Mann nicht gestorben ist.«

»Warum?«

»Ich kann Ihnen nichts Näheres sagen; aber versprechen Sie mir, gegen Felician nichts von den Befürchtungen zu erwähnen, die ich eben geäußert habe.«

»Ich verspreche es Ihnen.«

»Bei Ihrem Ehrenwort?«

»Bei meinem Ehrenwort.«

»Ich danke Ihnen,« sagte Robert, indem er dem Doktor die Hand drückte. Dann entfernte er sich und ging nach Felicians Zelle.

»Was bedeutet das?« fragte sich der Arzt, indem er ihm nachsah. »Woher rührt die Unruhe dieses jungen Mannes.«

»Er ist’s!« sagte Robert zu sich selbst; »er ist’s!»

Nach Roberts Ueberzeugung war Valery und der Graf von La Marche ein und die nämliche Person; für den rechtschaffenen jungen Mann war der, den Maréchal einen bösen Menschen genannt, der nämliche böse Mensch, der Blanka verführt hatte, und diese Ueberzeugung war nicht allein durch die physische Aehnlichkeit zwischen diesen beiden Männern in ihm entstanden, sondern durch eine jener Ahnungen, die so schnell und so leuchtend wie der Blitz, hinreichendes Licht in den Geist werfen, um ihn plötzlich über die dunkelsten Dinge aufzuklären. Robert, dessen ganzes Leben, dessen einziger Gedanke Blanka war, wurde seit einiger Zeit zu sehr von einer schmerzlichen Besorgniß gequält, als daß er darin nicht die Andeutung einer großen Gefahr erblickt haben sollte, welche am Horizonte der Geliebten emporstieg. Liebende Herzen erkennen in den geringfügigsten Dingen ein Unglück für Die, welche sie lieben, wie der Seemann aus einem leichten Wölkchen, das kein Anderer bemerkt, einen Sturm vorhersieht.

Robert liebte Blanka so wahr und innig, daß Alles, was nur den Anschein eines Unglücks hatte, ihn besorgt um sie machte. Hätte man ihm gesagt, daß zehn Meilen von Niort ein Haus eingestürzt sei, so würde er einen Augenblick gefürchtet haben, Blanka könnte unter diesen Hause begraben worden sein, obgleich er sie kaum zweihundert Schritte von sich entfernt wußte. Roberts Befürchtung aber gründete sich nicht allein auf unbestimmte Indicien, auf wechselseitige Beziehungen, welche die verschiedenartigsten Besorgnisse unter einander haben können, sondern auf eine physische Aehnlichkeit zwischen dem Passagier des Nicolas und dem Verführer Blanka’s, auf die Gleichheit der Gesichtszüge, welche dem Doktor Maréchal beim Anblick Valery’s und ihm selbst beim Anblick des Grafen aufgefallen war.

Aber die Namen waren ja verschieden! Dies war für Robert ein Beweis mehr, denn er war überzeugt, daß ein Mensch, dem darum zu thun ist, gewisse Handlungen seines Lebens zu verbergen, zuerst seinen Namen verändert. Er glaubte daher fest, daß, wenn dies der Fall war, der Familie Felicians und diesem selbst ein noch weit größeres Unglück drohte als Blanka’s Fehltritt und Entehrung. Er mußte daher diesem Unglück entgegengehen und es bekämpfen, ehe.Madame Pascal, Blanka oder ihr Sohn es ahneten; es mußte ihnen, wenn irgend möglich., für immer unbekannt bleiben, sollte es Robert auch das Leben kosten. Dies war ohne Zweifel auch der Wille,Gottes, da er dem jungen Manne im Augenblicke seiner Abreise diesen glücklichen Gedanken eingegeben hatte.

Er konnte sich indessen irren. Es war immerhin möglich, daß dieser Valery und der Graf von La Marche zwei verschiedene Personen waren, Jener konnte den Tod gefürchtet haben, ohne daß er deshalb ein Verbrechen begangen hatte; dieser konnte Blanka wirklich lieben und den aufrichtigen Willen haben, einen durch die Liebe zu entschuldigenden Fehler wieder gut, zu machen. Es giebt viele Leute in der Welt, die sich vor dem Tode fürchteten, und nicht weniger, welche junge Mädchen verführen. Es durfte daher nichts übereilt werden, und ehe Robert etwas that, mußte er seine Vermuthungen durch unwiderlegliche Beweise bekräftigen.

In dieser Absicht begab er sich zu Felician.

Er fand ihn an seinem Arbeitstische, den Kopf auf die eine Hand gestützt und die Feder in der andern, aber nachdenkend anstatt schreibend.

Pascals Gedanken, seitdem er sich wieder in seinem Zimmer befand, waren ohngefähr folgende:

»Ja, dieser Mann ist ein großer Verbrecher gewesen, er hat die menschliche Schlechtigkeit so weit als nur möglich getrieben, er hat das Böse, den Haß und den Mord mit kalter Ueberlegung gethan. Aber darin besteht eben Gottes unerschöpfliche Güte, daß er sich der Bösen erbarmt. Ich bin kein Richter, sondern ein Priester, meine Pflicht ist, zu vergeben und nicht zu strafen, denn ich bin der Diener eines Gottes des Friedens, der Gnade und des Erbarmens, und obgleich er gesagt hat: Wer mit dem Schwerte tödtet, der soll durch das Schwert umkommen, so will ich doch erst mit meinem Gewissen zu Rathe gehen, gehe ich mich zum Werkzeuge der menschlichen Gerechtigkeit aufwerfe. Als Valery mir sein Geständnis ablegte, und mich ermächtigte, es bekannt zu machen, glaubte er schon in der Gemalt des Todes, das heißt außer dem Bereiche der menschlichen Gerechtigkeit zu sein, sonst würde er es mir gewiß nicht anvertraut haben. Da nun der Tod nicht eingetreten ist, da die Ursache des Bekenntnisses aufgehoben worden, so fragt es sich, ob mit der Ursache auch zugleich die Wirkung aufgehoben ist. Da Gott ein Wunder an ihm gethan und es mich wissen läßt, daß er noch lebt, ehe« ich etwas bekannt gemacht habe, so will er ihm offenbar ein Mittel zum Leben gewähren, und dieses,.Mittel ist die Reue. Durch die Reue dieses Mannes wird der menschlichen Rache weit besser Genüge geschehen als durch seinen Tod. Meine Aufgabe ist es jetzt, dies zu versuchen, mich zu bemühen, eine verirrte Seele zum Guten zurückzuführen, ihr beizustehen, das Böse, das sie gethan hat wieder gut zu machen. Wenn in diesem Augenblick ein Unglücklicher, der von der menschlichen Gerechtigkeit verfolgt wird, sei er ein noch so großer Verbrecher, hereinträte und zu mir sagte: Rette mich, mein Bruder! so würde meine Religion mir befehlen, ihn zu retten. Mag es aus Furcht vor dem Tode oder aus irgend einem anderen Gefühl geschehen sein, Valery hat zu mir gesagt: Rette meine Seele, und die Reue ist noch zur rechten Zeit in ihm erwacht, damit er mir dass Bekenntniß seiner Verbrechen ablegen konnte, das ich nach dein strengen Wortlaut meiner Religion anzunehmen nicht berechtigt war. Wohlan, dieser Augenblick der Rue möge die Quelle seiner Erlösung sein. Von heute an will ich vergessen, daß Valery ein großer Verbrecher gewesen ist und will nur den Gedankens im Auge behalten, daß er ein gutes Mensch werden kann. Wenn Valery aufrichtig bereut, wenn er mit seinem vergangenen Leben gebrochen hat und den Wegs des Guten einschlagen will, so mag er leben, bis es Gott gefällt ihn zu sich zu rufen. Hat er dagegen ein neues Verbrechen begangen, und ich sehe, daß das Böse zu tiefe Wurzeln in in ihm geschlagen hat, dann werde ich thun, was ich thun sollte, wenn sein Tod wirklich erfolgt wäre, und werde die menschliche Gerechtigkeit der göttlichen zu Hilfe kommen lassen. So will es mein Gewissen und der Gott der Gerechtigkeit, Gnade und Barmherzigkeit, dem ich angehöre.«

In dem Augenblicke, als Pascal zu diesem christlichen Entschlusse gekommen war, trat Robert bei ihm ein.

Haben Sie den Brief, an Herrn Morel geschrieben, mein Bruder?« fragte er ihn.

»Noch nicht, aber ich will es thun.«

»Dann schreiten Sie ihm, daß er mir die Nachweisungen giebt, um die Sie ihn bitten, da ich, wenn anders Sie nichts dagegen haben, diese Angelegenheit besorgen will.. Dies wird mich ein wenig zerstreuen und Sie werden früher eine Antwort erhalten.«

»Ich will Ihnen die Sache recht gern zur Besorgung übertragen, aber ich sage Ihnen im Voraus, daß Herr Morel die Antwort, um die ich ihn ersuche Ihnen versiegelt einhändigen und Ihnen nichts davon mittheilten wird. Sie werden mir glauben, lieber Robert, daß ich dies nicht aus Mißtrauen gegen Sie thue, im Gegentheil, wenn mein Herz Geheimnisse hätte, so würde ich sie bereitwillig dem Ihrigen anvertrauen; aber Niemand soll, mit meiner Einwilligung wenigstens, erfahren, was aus Herrn Valery geworden ist, ehe ich ihm einige in meinen Händen befindliche Papiere zurückgegeben habe. Ueberdies kann Sie das Schicksal dieses Mannes durchaus nicht interessieren. Sie zürnen mir doch nicht wegen dieser Verschwiegenheit, zu der ich gezwungen bin?«

»Keineswegs, mein Bruders aber geben Sie mir rasch den Brief, denn ich habe Eile, wieder hierher zurückzukehren.«

Felician griff zur Feder und schrieb Folgendes an Herrn Morel:

»Mein Herr!

»Einer Ihrer Klienten, Herr Valery, hat an Bord des Schiffes der Nicolas, das ihn nach Frankreich zurückgebracht hat, einen Augenblick in Lebensgefahr geschwebt. Er hat mir damals Papiere von der größten Wichtigkeit übergeben, unter denen sich auch eine Schenkungsurkunde über sein ganzes Vermögen befindet. Vor Kurzem habe ich nun erfahren, daß Herr Valery wider alles Erwarten gerettet worden und nach Frankreich zurückgekehrt ist. In seinem eigenen Interesse ist es dringend nothwendig, daß ich ihn sehe und spreche. Ich ersuche Sie daher, mir seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort mitzutheilen, wenn Ihnen derselbe bekannt ist, und dem Ueberbringer dieses Ihre gefällige Antwort ohne weitere mündliche Auseinandersetzung versiegelt einzuhändigen.

»Genehmigen Sie die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung.

»Felician Pascal.«

Nachdem Felician diesen Brief versiegelt hatte, übergab er ihn Robert mit den Worten:

»Bei Ihrer Zurückkunft werden Sie mich in Moncontour finden, wohin ich mich unmittelbar nach meiner Ordination begebe. Umarmen Sie mich und reisen Sie glücklich.«

Robert warf sich in Felicians Arme, verließ dann seine Zelle, empfahl Herrn Maréchal noch einmal das unverbrüchlichste stillschweigen und eilte nach der Post, wo er ein Pferd nahm und auf der Straße nach Paris fort sprengte.

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06 aralık 2019
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