Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 16
Siebentes Kapitel.
Die Ordination
Robert jagte wie der Wind dahin. Nie spornte ein Bote, der eine schlimme Nachricht zu überbringen hatte, sein Pferd zu größerer Eile an, um keine Minute Zeit zu verlieren, sattelte der junge Mann selbst auf den Poststationen das frische Pferd, welches er besteigen sollte. So kam er, ohne einen Augenblick ausgeruht zu haben, in Paris an und eilte sogleich zu Herrn Morel.
Während dieser Reise geschah in Niort Alles nach Pascals Wunsche.
An dem Tage, wo Robert abreiste, unterhielt sich Felician bis vier Uhr Nachmittags zuerst mit Herrn Maréchal und dann mit seiner Mutter und Schwester. Hierauf zog er sich bis zum folgenden Morgen in seine Zelle zurück, denn bis dahin durfte er einen Besuch mehr empfangen.
Während der Betrachtungen, welche das Herannahen eines Tages, der von so großem Einflusse auf Felicians ganze Zukunft war, nothwendig in ihm erwecken mußte, dankte er Gott für den Entschluß, den er in Betreff Valery’s gefaßt hatte, und in der hehren Frömmigkeit seines Herzens gab er sich schon im Voraus dem heiligen Genusse hin, den er in der schwierigen Bekehrung dieses großen Verbrechers finden würde. Wie mußte es sein Selbstvertrauen und seinen Glauben befestigen, wenn es ihm gelang, dem Lichte der Wahrheit Eingang in diese schwarze Seele zu verschaffen, welche bisher den verderblichsten Leidenschaften und unseligsten Verirrungen gefröhnt hatte! Wenn es ihm gelang, diesen frechen Stolz zu brechen und diesem Lästermunde ein reuevolles Gebet zu entlocken, war es dann nicht ein glänzender Sieg, mit dem er seine heilige Sendung begann?
Wer mit diesem von unerschütterlichen Glauben durchdrungenen und diesem reinen Gewissen in diesem Augenblicke verkehrt hätte, bei würde selbst von einer frommen Begeisterung, einem heißen Drange nach dem Unendlichen und von einem unbeschreiblichen innern Feuer durchdrungen worden sein.
Felician opferte der Religion, der er sich weihte, alle Kräfte, alle Illusionen, alle Gedanken seines jugendlichen Alters. Was die Natur in ein zwanzigjähriges Herz gelegt hat, damit es alle Dinge dieser Welt bewundern, verstehen und lieben könne, bildete in ihm nur eine einzige reine, allmächtige, unwandelbare Liebe. Gott erhob ihn über die Erde und setzte ihn in in unmittelbare Verbindung mit dem Principe der ewigen Wahrheit. Wenn wir nicht fürchteten, um seine reine Begeisterung zu veranschaulichen, uns eines irdischen, fast gottlosen Vergleiches zu bedienen, so würden wir sagen, daß der junge Mann für das Leben, in das er eintrat, schwärmte wie ein achtzehnjähriger Knabe für seinen ersten Liebestraum. Er sah in der Religion eine schöne, aber unkörperliche Gattin, welche nur die Verbindung der Seelen in geheimnißvollen und für gewöhnliche Geister unbewohnbaren Sphären will, und er liebte diese göttliche Braut, die ihm als Mitgift ihre unverletzliche Jungfräulichkeit, ihre unvergängliche Schönheit und ihre unerschütterliche Liebe mitbrachte. Seine übervolle Seele strömte über, sein Gebet wurde zu einem ununterbrochenen Lobgesang, welcher der unversiegbaren Quelle seiner poetischen Begeisterung entstieg. Felician war ein so reines Gemüht, daß man in dem Ausdrucke seines Glückes den Charakter der unbefangenen Heiterkeit der Kinder fand, die nicht, wissen, wie sie ihre innere Freude kundgeben sollen und sie daher durch seinen Gesang ohne Ursache und ohne Zweck an den Tag legen, der ihrem Munde entströmt wie der Nektar einem übervollen Kelche. In der feierlichen Stille des Seminars vernahm man eine Stimme, welche fromme Gebete und heilige Kirchenlieder sang; es war die Stimme Felicians, der seine Zelle mit geistlichen Harmonien erfüllte, gleichsam als wollte er selbst in der Luft, die er einathmete, die Gedanken seiner Seele finden.
Von einer himmlischen Wonne durchschauert, sah er demnach die Stunde herannahen, die ihn für immer mit Gott vereinigen sollte. Aus seinem offenen Fenster von wo er die nächste Umgebung überblickte, sah er das Erwachen der Natur, den stillen und imposanten Ausdruck des Gottes, der sie leitet und den sie vergegenwärtigt. Die mit dein nächtlichen Thaue beladenen Bäume schüttelten glänzende Perlen in die frische Morgenluft hinaus; einige weiße Wölkchen zogen leicht und heiter über das unermeßliche blaue Himmelsgewölbe wie junge Mädchen an einem Feiertage über die Wiese ihres Vaters. Der Rauch der Hütten, der sichtbare Odem der erwachenden Familie, die lieblichen Düfte, welche der Morgenwind von den Hügeln streift, das Geräusch der Thiere, die ihr Tagewerk unter dem Befehle des Menschen beginnen, und der Mensch selbst, der sein Leben jeden Tag unter dem Willen Gottes von Neuem beginnt. Endlich das zahllose Orchester, in welchem jedes lebende Wesen, jedes leblose Ding seine Stimme hat, dies Alles entrollte vor den Augen und vor dem Geiste Felicians eines jener heitern Bilder, bei deren Anblick die Seele einen neuen Aufschwung nimmt und mit der wieder erwachenden Welt neues Leben gewinnt, und dieses Bild spiegelte sich in dem Gebet des jungen.Mannes, dessen Beruf die Natur zum Quelle und das Wohl der Menschheit zum Ziele hatte.
Felicians Seele ward daher durch die Betrachtung der erhabenen Werke Gottes auf den ihm bevorstehenden hochwichtigen Art genügend vorbereitet.
I Um zehn Uhr Morgens wurde er benachrichtigt, daß es Zeit sei, und er begab sich in andächtiger Stimmung nach der Hauptkirche, wo die Ordination stattfinden sollte. —
Wir haben schon gesagt, daß es ein schöner Morgen war.
Das Haus des Herrn hatte der gläubigen Menge alle Thüren geöffnet, und die Glocken läuteten ununterbrochen, um die Getreuen herbeizurufen. Der Weihrauch dampfte, der Altar hatte sein Festgewand angelegt, die Blumen vermischten sich mit den Flammen der Herzen und die Orgel erfüllte die Räume mit ihren gewaltigen Harmonieen.
Im Orchelchore knieeten Madame Pascal und ihre Tochter und betend die Eine für den Sohn, die Andere für den Bruder und für sich;.selbst.
Der Bischof saß im großen Ornate an dem Altare auf einem mit Gold gestickten, samtenen Lehnstuhle, und auf dem Altare stand das geweihte Oel, ein Kelch mit Wein und Wasser, ein Patene mit einer Hostie, die Brotkrume, ein Becken nebst Kanne zum Waschen der Hände, und-Servietten zum Abtrocknen derselben.
Der Archidiakonus trat vor und unter dem tiefsten Schweigen der versammelten Menge rief er mit lauter Stimme:
»Felician Pascal!«
Alle Köpfe streckten sich empor und der junge Mann trat ein. Sein Gesicht strahlte von himmlischer Freude. Er trug das Achseltuch, das Chorhemd, den Gürtel, die Stola und die Armbinde; sein Meßgewand hielt er zusammengelegt unter dem linken Arm zum Zeichen, daß er noch nicht das Recht hatte, es anzulegen, und in der rechten Hand trug er eine Kerze. Er trat vor den Bischof, der ihm freundlich zulächelte und dem Archidiakonus ihn mit den folgenden Worten vorstellte:
»Ehrwürdiger Vater,.die katholische Kirche, unsre heilige Mutter verlangt, daß Sie den hier anwesenden Diakonus zur Priesterwürde erheben.«
»Halten Sie denselben für würdig?«
»So viel wie schwachen Menschen dies zu beurtheilen vermögen, glaube und bezeuge ich, das der ihrer würdig ist.«
»Gott sei gelobt!« Sagte der Bischof, indem er aufstand. Dann sprach er zu der versammelten Menge die gebräuchlichen Worte:
»Meine Brüder, wie für den-Steuermann und den Passagier die nämlichen Gründe zu Befürchtungen und Hoffnungen bestehen, so hat auch ein Jeder das Recht, seine Meinung in einer Angelegenheit abzugeben, an der Alle das nämliche Interesse haben. Die Kirchenväter haben nicht umsonst den Gebrauch eingeführt, daß man das Volk selbst bei der Wahl Derjenigen, denen der Dienst des Alters anvertraut werden soll, zu Rathe zieht, weil Das, was Viele von dem Leben und den Gedanken eines Menschen nicht wissen, vielleicht Andern bekannt ist, und weil man einem Priester, zu dessen Ordination man seine Zustimmung gegeben hat, mehr geneigt ist, zu gehorchen. Der hier anwesende Diakonus verdient wenigstens meinem Ermessen nach, diese Ehre. Da aber Schwachheit und persönliche Freundschaft leicht Einfluß auf die Meinung eines Einzelnen oder einer kleinen Anzahl haben kann, so ist es gut, der Ansicht der Mehrzahl zu folgen. Daher bitte ich Euch, hier offen auszusprechen, was Ihr von den Handlungen, dem Lebenswandel und den Verdiensten des gegenwärtigen Diakonus denket, und vergesset nicht, daß Ihr vielmehr Zeugniß ablegen sollt für die Heiligkeit der Priesterwürde, als auf die Stimme Eurer Zuneigung hören. Wenn also Jemandem Nachtheiliges von ihm bekannt ist, so spreche er es aus im Namen Gottes und zu Nutz und Frommen seines Ruhmes.«
Nicht Eine Stimme wurde laut, aber ein beifälliges Gemurmel durchlief die Versammlung.
Der Bischof wendete sich nun zu Felician und sprach mit lauter Stimme, so daß er von Allen gehört werden konnte:
»Mein geliebter Sohn, Du wünschest zur Würde des Priesteramtes erhoben zu werden; Trachte danach, dieses Amt würdig zu übernehmen und Dich auch ferner desselben würdig zu zeigen. Der Priester soll das Beispiel der Aufopferung geben, er soll segnen, leiten, predigen und taufen. Er muß daher mit großer Gewissenhaftigkeit seinen Pflichten obliegen und darüber wachen, daß die göttliche Weisheit, ein reiner Lebenswandel und die fortwährende strenge Beobachtung der Regeln der Gerechtigkeit ihn seinen Brüdern empfehlen. Als Gott Moses befahl siebzig Männer in Israel zu erwählen, um ihn in seinem Amte zu unterstützen und daß er ihnen das Vermächtniß des heiligen Geistes ertheile, sagte er zu ihm: Du wirst sie daran erkennen, daß sie Greise sind unter dem Volke. – So sollen die Priester gewählt werden, denn sie sollen die Greise des Volkes sein, wenn sie den heiligen Geist, den Urheber der sieben Gaben, unter Beibehaltung des Geistes des Decalogus, und durch Kenntnisse, Arbeit und Sittenreinheit vor dem Alter gereift und tadellos geworden sind. So hat die Kirche einen hehren und unvergänglich Kranz in diesen allenthalben verbreiteten Dienern, welche gleichwohl nur eine einzige Gemeinschaft in Jesu Christo bilden.«
Als Felician diese Worte angehört hatte, knieete er vor dem Bischof nieder, der beide Hände schweigend auf sein Haupt legte, das an die Stola, welche hinten herabhing, über die Schultern zog und sie kreuzförmig auf der Brust des jungen Mannes übereinanderschlug, indem er zu ihm sagte:
»Empfange das Joch des Herrn! Sein Joch ist sanft und leicht.«
»Der Heer sei gelobt flüsterte Felician voll inniger Rührung.
»Und jetzt empfange das Priesterkleid,« fuhr der Bischof fort, indem er dem Neophyten das Meßgewand vom Arme nahen und ihn Damit bekleidete; »Gott wird Dir die christliche Liebe und Vollkommenheit gewähren.«
Nachdem der Bischof hierauf seine Handschuhe ausgezogen und seinen Bischofsring an den Finger gesteckt hatte, nahm er das geweihte Oel, salbte die gefalteten Hände Felicians und sprach:
»Herr, weihe und heilige diese Hände, die wir mit dem heiligen Oel benetzt haben, und mögen sie dann ebenfalls weihen, was sie geweiht haben und segnen, was sie gesegnet haben.«
Nachdem die Weihe der Hände.geschehen war; reichte der Bischof dem Neugeweihten Wasser und Wein, indem fortfuhr:
»Empfange die Macht, mein Sohn, das heilige Meß-Opfer darzubringen und im Namen des Herrn Messe zu lesen, für die Lebenden und für die Todten.«
»Der Herr sei gelobt!« sagte Felician noch einmal, indem er sich erhob und seinen heitern Blick über die ihn umgebende Versammlung schweifen ließ.
»Friede mit Dir!« versetzte der Bischof und schloß den jungen Priester in seine Arme.
In diesem Augenblicke erklangen die Töne der Orgel und der Gesang der Chorknaben zu gleicher Zeit. Die heilige Mutter Kirche zeigte sich in ihrem Festgewande, zur Feier des neuen Sohnes, der ihr zugeführt wurde. Alle Anwesenden fielen auf die Kniee und bald vermischten sich ihre Stimmen mit denen der Chorknaben und des poetischen Instruments.
Während dem nahm die Messe ihren Fortgang und Pascal empfing das heilige Abendmahl.
Nach dem Credo verstummte der Gesang und in dem sich der Bischof von Neuem erhob, sprach er zu dem jungen Priester:
»Wem Du die Sünden erlässest, dem sind sie erlassen und wem Du sie behälest, dem sind sie behalten.«
Dann schlug er das Meßgewand, welches Pascal nach hinter sich zusammenhielt, ganz herab und sprach weiter:
»Der Herr bekleidet Dich mit dem Gewand der Unschuld. – Gieb mir Deine Hand. – Gelobst Du zu glauben was Du liesest?«
»Ja.«
»Zu lehren was Du glaubst?«
»Ja.«
»Und nach dem was Du lehrst zu handeln?«
»Ja.«
Nach einer Pause hob der Bischof wieder an:
»Versprichst Du mir und meinen Nachfolger Achtung und Gehorsam?«
»Ich verspreche es.«
»Gelobst Du Denen zu verzeihen, die Dich beleidigen?«
»Ich gelobe es.«
»Schwörst Du alle irdischen Leidenschaften der Verehrung des Herrn zu opfern?«
»Ich schwöre es.«
»So gehe hin, mein Sohn, Gott geleite Dich. Friede sei Mit Dir.«
»Der Herr sei gelobt!« sagte Felician zum dritten Male, die Augen von heiligen Thränen des Dankes und des Glaubens gefüllt.
Der Gesang hob von Neuem an und die Versammlung begann sich unter dem wohlthuenden Eindrucke dieser imposanten Feierlichkeit zu entfernen.
»Glücklich ist die Mutter dieses Gerechten,« sagten die Mütter, als Felician nach dem Hauptportale der Kirche ging, um einiges Geld unter die Armen zu vertheilen und so sein Amt mit Wohlthun zu beginnen.
Eine Stunde darauf war Felician mit seiner Mutter und Schwester vereinigt, die an seiner Seite gingen und ihm zulächelten wie die beiden Sinnbilder der Hoffnung und des Glaubens.
Noch denselben Abend lehrte er nach Moncontour zurück und am folgenden Morgen begab er sich, ebenfalls in Begleitung seiner Mutter und Blanka’s nach dem Pfarrhause, das er fernerhin bewohnen sollte. Das halbe Dorf war herbeigeströmt, um ihn zu sehen und die Häuser der Straße, durch die ihn sein Weg führte, waren mit Blumen und Guirlanden geschmückt.
»Segnen Sie unser Haus, mein Bruder sprach man allenthalben zu ihm, und junge Mädchen in weißen Kleidern unschuldig wie die Engel, begleiteten den jungen Priester und streuten Rosen- und Lilienblätter vor ihm her. —
»Es lebe Herr Pascal!« riefen die Männer und Alles drängte sich in seine Nähe, um mit ihm zu sprechen und seine Hand zu berühren.
Felician erntete in diesen Aeußerungen die Früchte der Liebe und des Segens, welche das Gute, das man gethan hat, und die Tugenden, die man ausübt, früher oder später im Herzen der Menschen aufkeimen lassen.
»Warum muß ein geheimer Schmerz diese Freude und dieses Glück trüben?« dachte Blanka, der die Frauen die Hände küßten und zu der die kleine Susanne fortwährend sagte:
»Warum ist denn Robert nicht hier, Blanka?«
Am Eingange der Kirche fand Felician den bisherigen Pfarrer, der ihn erwartete und zu ihm sagte, indem er ihn vor allen Leuten umarmte:
»Mein Bruder, ich übergehe meine Heerde Ihrer Leitung und vertraue sie Ihrer Weisheit an. Seit zehn Jahren führe ich sie auf dem Wege der Gerechtigkeit und des Glaubens; jetzt will ich anderwärts versuchen, was ich hier versucht habe. Sie haben eine lange Reihe von Jahren vor Sich, benutzen Sie dieselben zum Dienste Gottes. Uebrigens werden Sie in,.Ihrer Gemeinde stets Ohren finden, die bereit sind, Sie zu hören, und Seelen, die bereit sind, Ihnen zu glauben. Es giebt hier weder wissentliche Blindheit noch Faulheit. Der Boden ist rein, bestellen Sie ihn und er wird von selbst Früchte tragen. Leben Sie wohl, mein Bruder, ich verlasse Sie, aber da, wohin ich gehe, werde sich immer für Euch beten. Ich möchte gern Sie Alle noch einmal an meine Brust drücken, aber die lieblichen Kinder, die ich umarme und welche die Engel Eurer Familien sind, werden Euch die Segnungen mittheilen, die ich in dem Kusse ausspreche, den ich ihnen gebe.«
Die kleinen Mädchen, unter ihnen auch Susanne, warfen sich in die Arme des braven Pfarrers und alle wollten den versprochenen Kuß haben.
Es war in der That eine ergreifende Scene, die auch die verstocktesten Herzen rühren mußte.
Die Amtseinsetzung Felicians fand zur Freude aller Bewohner des Dorfes statt.
Diese Freude, mit welcher der neue Pfarrer empfangen wurde, hatte als Undankbarkeit gegen den Scheidenden ausgelegt werden können, wenn dieser seine Pfarrkinder nicht schon auf sein Scheiden vorbereitet und sie durch das Versprechen beruhigt hätte, daß er sie dann und wann besuchen würde.
Das ganze Dorf, mit Pascal an der Spitze, geleitete ihn bis an den Wagen, der ihn hinwegführen sollte.
Am Abend gegen sechs Uhr, als sich Felician endlich einige Augenblicke allein befand, fiel er in dem Zimmer, das er von nun an bis zu seinem Tode bewohnen sollte, auf die Kniee und ließ seinem Herzen alle Gebete, alle Freuden und alle Dankbarkeit entströmen, die sich seit dem Morgen darin aufgehäuft hatten.
Er hatte sich noch nicht wieder erhoben, als an seine Thür geklopft wurde. Er öffnete und sah Blanka eintreten, welche ebenfalls niederknieete und indem sie ihr Gesicht mir beiden Händen bedeckte, zu ihm sagte:
»Willst Du meine Beichte anhören, lieber Bruder?«
»Deine Beichte?« erwiderte Felician lächelnd, indem er seine Schwester aufhob und sie auf die Stirn küßte; »was kann ein Engel wie Du zu beichten haben?«
»Mein guter Bruders,« fuhr Blanka fort, indem sie ihren Kopf an Felicians Brust verbarg, »versprich mir, daß Du mir verzeihen willst.«
»Du erschreckst mich, Kind! So sprich denn, was ist geschehen und was soll ich Dir verzeihen?«
»Vergieb mir, daß ich Dich belogen, oder vielmehr Dir Etwas verheimlicht habe,« erwiderte Blanka mit ängstlicher Miene.«
»Erkläre Dich deutlicher. Du weißt, daß ich Dich liebe und Du kannst Nichts gethan haben, was Dich veranlassen kann, vor mir zu zittern. Sprich, mein Kind, ich höre Dich an.«
»Als ich mich weigerte, Roberts Gattin zu werden, habe ich Dir nicht gesagt, warum ich dies that.«
,Du hast mir gesagt, daß Du ihn nicht liebst; dies war der beste Grund, den Du mir vorführen konntest.«
»Ich hatte aber noch einen zweiten, lieber Bruder.«
»Und der ist?«
»Weil ich einen andern Mann liebe.«
»Du bist in dem Alter, wo das Herz sieh entscheidet, Blanka, und Du kannst nur einen solchen Mann lieben, der Deiner würdig ist; also nenne ihn mir und wenn er dich liebt und es verdient, Dein Gatte zu werden, so soll er es werden.«
»Er liebt Mich, lieber Bruder, er bat es Mir gesagt, Dies ist es, was Du mir verzeihen sollst.«
Hätte Felleisen nur einen Augenblick an seiner Schwester gezweifelt so hätte er an Gott selbst zu zweifeln geglaubt. Hätte ihm Blanka Alles gestanden, was wir wissen, so wäre er vielleicht wahnsinnig geworden, aber er würde es nicht geglaubt haben.
»Weiß die Mutter um diese Liebe?«
»Nein lieber Bruder.«
»Warum hast Du mir nicht eher Etwas davon gesagt?«
»Weil ich so lange warten wollte, bis Du ordinirt warst, damit Du selbst uns verbinden kannst.«
»Du gutes Kind! Bist Du auch überzeugt, daß Du diesen Mann liebst?«
»Ich bin so überzeugt,« antwortete Blanka, indem sie ihr Gesicht mit beiden Händen verbarg.
»Nun so sage mir seinen Namen,« versetzte Felician mit bewegter Stimme.
Blanka zog aus ihrem Busen den Brief hervor, den Friedrich ihr übergeben hatte, und als Felician ihn gelesen hatte, sagte sie zu ihm:
»Der Graf wird sogleich zu Dir kommen, um die in seinem Briefe ausgesprochenen Bitte Dir mündlich zu wiederholen.«
»So kehre zur Mutter zurück, liebe Blanka, und wenn der Graf sich wieder entfernt hat, werde ich zu Euch kommen und Euch mittheilen, was wir verabredet haben. Du wirst also wahrscheinlich eine Gräfin werden; bist Du gewiß, mein Kind, daß nicht Stolz und Eitelkeit Deiner Liebe zum Grunde liegt? bist Du gewiß, daß Robert, der nur den Adel des Herzens besitzt, Dich nicht glücklicher machen würde, als dieser Adel des Namens? Ueberlege dies wohl, nach ist es Zeit.«
»Ich wiederhole Dir, lieber Bruder, daß ich den Grafen liebe, daß ich nur ihm angehören will und darf, und daß es mein Tod wäre, wenn ich nicht seine Gattin würde.«
Bei diesen Worten konnte Blanka ihre Thränen nicht mehr zurückhalten und warf sich von Neuem an die Brust ihres Bruders, der sich natürlich über die Ursache dieser Thränen irrte und daher zu ihr sagte:
»Beruhige Dich, mein Kind, der Graf liebt Dich, da er um Deine Hand anhält. Er soll Dein Gatte werden.«
Blanka dankte ihrem Bruder mit einem Blicke, drückte ihm mit Innigkeit die Hand und kehrte dann mir Gervaise, in deren Begleitung sie gekommen war, durch die um diese Zeit einsame Straße zu ihrer Mutter zurück.
Sie kam sie auch an Roberts Hause vorüber, aus welchem der junge Mann an dem Tage, als Felician nach Niort abreiste, hervorgesprungen war, um sich dem wilden Stiere entgegen zustürzen.
»Der arme Robert!« dachte sie, indem sie das stille Häuschen mit seinen geschlossenen Läden betrachtete. »Er ist fort und ich trage die Schuld, daß sein Haus jetzt leer und verlassen ist. Warum hat er mir das Leben gerettet? Mir wäre besser, wenn ich gestorben wäre, dann würde ich nicht das leiden, was ich jetzt leide.«
Und das liebliche Kind warf ihren thränenfeuchten Blick gleichsam wie einen Kuß, auf das ausgestorbene weiße Häuschen, und setzte dann ihren Weg fort, wobei sie sich noch mehrere Male umwendete.
Pascal war an’s Fenster gegangen, um seiner Schwester nachzusehen.
»Wie kommt es, daß mir so bange ist?« fragte er sich selbst, als er allein war; »warum bin ich unwillkürlich erschrocken, als ich den Brief las, den mir Blanka gab, als hätte er, anstatt eines Glückes, ein Unglück für sie enthalten? Dies ist wieder ein Egoismus des Herzens. So gut wir auch sein mögen, so ist es uns doch ein schmerzliches Gefühl, wenn wir in den Herzen Derer, die uns theuer sind, neue Zuneigungen einen Theil des Platzes beanspruchen sehen, den wir darin einnahmen. Und dann, so lange ich sah, daß Blanka Niemanden liebte, hoffte ich noch, daß sie mit der Zeit Robert lieben würde, meinen unglücklichen Freund, den es tief betrüben wird, wenn er diese Liebe und diese Verbindung erfährt, denn er hegte gewiß im Stillen noch die nämliche Hoffnung wie ich. Aber wie ist diese Liebe in Blanka’s Herz gekommen? wie hat sie erfahren, daß sie sie empfindet und einflößt? Ich habt sie nach dem Allen nicht gefragt und bedurfte es überdies auch einer nähern Mittheilung? Es hatte den Anschein gehabt als hegte ich Mißtrauen gegen sie und ich würde ihr Kummer bereitet haben. Dieses Gefühl ist in ihr erwacht wie bei allen Mädchen. Sie hat den jungen Mann während meiner Abwesenheit kennen lernen, sie haben sich lieb gewonnen und haben es sich in kindlicher Unbefangenheit gesagt, ohne einen andern Vertrauten haben zu wollen als ihre Herzen. Sie haben den Tag gewählt, an welchem ich voll Nachsicht und Freude sein muß, um es mir zu gestehen, sie haben Recht daran gethan. Der arme Robert!«
Felician setzte sich an seinen Tisch, und den Kopf auf die Hand gestützt, las er beim Scheine der Lampe, die sein kleines Zimmer erleuchtete, immer und immer wieder das Billet des Grafen.
»Welche sonderbare Erscheinungen bietet das Leben dar! dachte er dabei, »und wie bald wird das Herz für Eindrücke empfänglich! Es ist mir, als wäre Blanka erst gestern zur Welt gekommen. Ich sehe sie noch mit ihren großen blauen Augen in ihrem Bettchen auf dem Schoße der Mutter liegen. Ihr Blick Verstand noch Nichts Und ihr Mund konnte nicht sprechen, Es scheint, als müßte die Natur, so mächtig sie auch sei, Jahrhunderte dazu bedürfen, um aus einem solchen schwachen Kinde ein vollendetes Weib zu machen. Sechzehn Jahre verfließen und das Werk der Natur ist vollbracht. Alle Dinge des Lebens sind diesem jungen Geiste jetzt verständlich geworden und die nämlichen Leidenschaften, an denen sie einige Jahre früher vorüber gegangen ist, ohne ihre Existenz zu ahnen und welche alle Generationen auf der nämlichen Altersstufe erwarten, dringen auf sie ein und unterwerfen sie ihrem Machtgebot. Jetzt haben die Gedanken dieses Geistes Ein Ziel, die Schläge dieses Herzens Eine Ursache und siehe da, eines Tages kommt dieses jugendliche Wesen, das man noch immer als ein Kind betrachtet hat, und sagt: Ich liebe und es ist mein Tod, wenn ich den Geliebten nicht angehören kann. – O, mein Gott! wenn es Dein Wille ist, ein Glied unsrer Familie durch einen Schmerz zu prüfen, so wähle mich zu dieser Prüfung und bewahre das theure, liebliche Kind, das eben hier war vor jedem Ungemach!«
Als Pascal sich noch mit diesen Gedanken beschäftigte, wurde plötzlich seine Thier geöffnet und Robert stürzte atemlos in’s Zimmer.
»Fräulein Blanka war eben hier?« fragte er hastig.
»Ja, lieber Freund, haben Sie sie gesehen?« versetzte Felician, indem er neben Robert Platz nahm, der, von Müdigkeit erschöpft, in einen Stuhl gesunken war.
»Ich habe sie vorübergehen sehen,« aber sie hat mich nicht bemerkt. Sie glaubt, ich bin nicht Mehr hier und es ist besser, wenn sie immer in diesem Glauben lebt, sie würde mir vielleicht zürnen, daß ich hier geblieben bin. Ueberdies werde ich morgen abreisen.«
»Ich muß Ihnen sagen, Robert, daß mir Blanka eben mitgetheilt hat, warum sie sich geweigert, Ihre Gattin zu werden.«
»Sie liebte mich nicht, das ist der einzige Grund.«
»Nein, sie liebt einen andern Mann, der sie ebenfalls liebt, der um ihre Hand angehalten hat, und den ich vor Ablauf einer Stunde hier erwarte,« entgegnete Felician, indem er Robert den Brief des Grafen reichte.
»Dies war es also, was er an jenem Abende, wo ich ihm begegnete, in Niort wollte,« dachte Robert. »Brauche ich Ihnen zu versichern, mein Bruder,« setzte er laut hinzu, »daß ich Ihrer Fräulein Schwester alles Glück und allen Segen wünsche?«
»Ich bin überzeugt davon, lieber Robert.«
»Jetzt,« fuhr dieser mit bewegter Stimme fort, denn die Kraft seiner Seele war eben so erschöpft wie die seines Körpers, »lassen Sie Sich erzählen, daß ich Ihren Auftrag pünktlich ausgeführt habe.«
»Sie sind also bei Herrn Morel gewesen?«
»Ja.«
»Hat Herr Vettern ihn besucht?«
»Allerdings, und er hat alle Gelder erhoben, die bei ihm deponiert waren. Herr Morel wollte anfangs nicht auf Ihren Brief antworten; als ich ihm aber sagte, er sei von einem Priester und es handle sich um wichtige Angelegenheiten, die einem Mannes Ihres Standes wohl anvertraut werden könnten, machte er keine Schwierigkeiten mehr und gab mir dieses Billet.«
Robert mußte aufstehen und die Hand auf seine Brust legen, denn sein Odem stockte vor Angst und schlimmen Ahnungen. Endlich nahm er den Brief aus der Tasche und reichte ihn Felician.
Kaum hatte dieser die ersten Zeilen gelesen, so wurde leichenblaß.
Robert glaubte einen Augenblick, Felician würde ohnmächtig werden und sprang auf ihn zu, indem er theilnehmend sagte:
»Was ist geschehen, mein Bruder? was bringt Ihnen dieser Brief?«
Roberts Herz klopfte, als wollte es ihm die Brust zersprengen, denn für ihn, der mit gespannter Aufmerksamkeit den Eindruck betrachtet hatte, den der Brief auf den jungen Priester machte, unterlag es keinem Zweifel mehr, daß Valery und Blanka’s Geliebter eine und die nämliche Person waren.
»Nichts, nichts, lieber Freuend,« erwiderte Felician, indem er den Brief wieder zusammenfaltete und sich mit übermenschlicher Anstrengung bestrebte, äußerlich ruhig zu scheinen, »ich danke Ihnen für Ihre Bemühung. Ich erfahre aus diesem Briefe Alles, was ich sie wissen wünschte. Sie sind zwei Tage lang nicht vom Pferde gekommen und müssen sehr ermüdet sein; gehen Sie also und ruhen Sie aus. Ueberdies wissen Sie, daß ich Jemanden erwarte, mit dem ich eine geheime Unterredung haben will. Lassen Sie mich daher allein und besuchen Sie mich morgen wieder. Morgen werde ich Ihrer bedürfen.«
»Nein, ich will und kann Sie nicht verlassen, Felician, denn obgleich Sie Sich bemühen, es mir zu verbergen, so sehe ich doch, daß Sie tief bekümmert sind.«
»Dies bin ich allerdings, aber es wäre ein Verbrechen, wenn ich Ihnen die Ursache dieses Kummers mittheilen wollte. Gehen Sie, lieber Freund, gehen Sie.«
Robert warf sich in Felicians Arme.
In diesem Augenblicke trat Pascals Dienstmädchen ein und sagte:
»Herr Pfarrer, es ist Jemand unten, der mit Ihnen zu sprechen wünscht.«
»Wer ist sein Name?« fragte Felician.
»Der Herr Graf Friedrich von La Marche.«
»Bitte den Herrn, sich zu mir herauf zu bemühen.Leben Sie, wohl, Robert, bis morgen.«
Robert verließ das Zimmer, indem er zu sich sagte:
»O nein! nicht bis morgen, denn ich müsste mich sehr irren, wenn es nicht hier noch Etwas für mich zu thun gäbe.«
Der Graf trat mit einer artigen Verbeugung bei Felician ein.
»Er ist es wirklich!« stammelte der junge Mann und mußte sich an den Tisch anhalten, um nicht zu fallen.