Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 10
Neunzehntes Capitel.
Der Kampf
Ginesta war bereits aus dem Wege nach dem Gebirge.
Wir wollen ihr vorauseilen und zusehen was nach ihrer Entfernung in der Grotte geschehen ist.
Fernand hatte dem Mädchen so lange als möglich nachgesehen und sich erst allein gefühlt, als sie gänzlich seinen Blicken entschwunden.
Da hatte er wieder nach dem Waldbrande gesehen. Die Flamme bedeckte das ganze Gebirge mit ihrem Glutmeere. Das Geschrei der Thiere war in dem Feuer und dem Rauche erstickt, und man hörte nun nichts mehr als das Knistern und Prasseln des Brandes, in welches sich für Fernand das brausende Rauschen des Wasserfalles mischte.
Das Schauspiel war großartig, aber wie glänzend und herrlich auch ein Schauspiel ist, es ermüdet endlich. Nero, der so lange gewünscht hatte Rom brennen zu sehen, wendete endlich das geblendete Auge von der brennenden Stadt ab.
So kehrte auch Don Fernand in seine Grotte zurück und legte sich sinnend auf sein Lager von Farnkraut.
Womit beschäftigten sich seine Gedanken?
Er würde es selbst kaum haben sagen können. Mit der schönen Dona Flor, die er wie ein leuchtendes Meteor hatte erscheinen sehen und die er zu retten vermocht?
Mit der sanften schönen Ginesta, welcher er durch den Wald gefolgt war, wie eine verschlagene Schifferin, die am Boote einem Sterne folgte, und die ihn in ihrer Schwäche rettete?
Womit sich aber auch seine Gedanken beschäftigten, er schlief endlich so ruhig ein, als ob nicht seinetwegen das Feuer auf dem Gebirge wüthe in einem Umkreise von fünf bis sechs Stunden.
Kurz vor Tagesanbruch wurde er endlich durch ein seltsames Geräusch geweckt, welches aus dem Innern des Berges zu kommen schien. Er schlug die Augen auf und horchte.
Es ließ sich in einer Entfernung von einigen Fuß ein andauerndes kräftiges Kratzen hören, als ob Jemand in der Erde eifrig arbeite.
Für Don Fernand unterlag es keinem Zweifel mehr: seine Feinde hatten sein Versteck entdeckt und da sie ihn von vorn her nicht angreifen konnten, gruben sie in dem Berge, um auf unterirdischem Wege zu ihm zu gelangen.
Fernand stand auf und untersuchte sein Gewehr; die Lunte war in gutem Zustande und außer der Patrone, die sich im Rohre befand, besaß er noch zwanzig bis fünfundzwanzig andere. Sollte sein Schießbedarf erschöpft werden, so hatte er sein Pyrenäen Messer, auf das er sich mehr verließ und auch mehr verlassen konnte als auf irgend ein Schießgewehr.
Er nahm für jeden Fall seine Muskete zur Hand und hielt das Ohr an die Wand der Grotte.
Der Gräber schien Fortschritte zu machen, wenn auch nicht sehr schnell; nach einigen Stunden in solchem Eifer fortgesetzter Arbeit mußte er offenbar in die Grotte hereindringen.
Mit Tagesanbruch hörte das Geräusch auf.
Der Gräber ruhte wahrscheinlich aus.
Warum lösete ihn denn kein Anderer ab?
Das konnte Fernand sich nicht erklären, und er strengte sich auch nicht besonders an, die Auflösung eines Räthsels zu finden, da er sich sagte, es würde ein Augenblick kommen, in dem das Geheimniß ihm enthüllt sey und er müsse diesen Augenblick geduldig erwarten.
Er hatte auch verschiedene Gründe geduldig zu warten.
Erstlich fürchtete er nicht vor fünf oder sechs Tagen Hunger zu leiden. Ginesta hatte ihm, wie man sich erinnert, Lebensmittel zur Verfügung gestellt. An diese Lebensmittel ging er etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang und an dem Eifer, den er dabei zeigte, konnte man recht deutlich sehen, daß seine gefährliche Lage auf seinen Appetit durchaus keinen Einfluß gehabt habe.
Er hatte ja auch eine zweifache Hoffnung, aus dieser Lage heraus zu kommen; er hatte das Anerbieten Don Inigo’s und das Versprechen Ginesta’s.
Allerdings rechnete er weniger auf das Ansehen der jungen Zigeunerin trotz allem, was er von ihrer Geschichte und der ihrer Mutter erfahren hatte, als auf das des Vaters der Dona Flor.
Auch ist das Herz des Menschen undankbar, vielleicht hätte Don Fernando in der Stimmung, in welcher er sich befand, eine solche Wohlthat lieber aus der Hand Don Inigo‘s als aus jener Ginesta‘s angenommen.
Er hatte nach dem Gefühle, das ihm Don Inigo eingeflößt, auf die Stärke desjenigen geschlossen, das er selbst in dem edlen Greise erregt.
Es lag etwas Seltsames, etwas gleich der Stimme des Blutes, zwischen den beiden Männern.
Don Fernand wurde von diesen Gedanken durch das Geräusch abgelenkt, das er schon früher gehört hatte.
Er hielt das Ohr wieder an die Wand der Grotte und das Licht, das der Tag auch dem Verstande des Menschen bringt, der durch die Nacht immer verdunkelt wird wie die Natur, bestärkte ihn in dem Gedanken, daß Jemand einen Weg grabe, um zu ihm zu gelangen.
Wenn der Gräber sein Ziel erreichte, das heißt in die Grotte hereindrang, mußte Don Fernand einen ungleichen Kampf bestehen, in welchem ihm kaum Aussicht auf Rettung blieb.
Sollte es also nicht besser seyn in der Nacht ein Entkommen zu versuchen, und in dem Dunkel, bei seiner Ortskenntniß, einen andern Theil des Gebirges zu erreichen? Das Feuer hatte aber an der fast senkrecht aufsteigenden Felsenwand geleckt; hatte es die Myrrhen und Lianen, die in einzelnen Ritzen wuchsen, nicht verzehrt und so jede Stütze der Füße, jeder Halt der Hände entfernt?
Don Fernand bog sich aus der Grotte hinaus, um zu sehen, ob der Weg noch gangbar sey, auf welchem Ginesta vor dem Brande sich entfernt.
Während er so aufmerksam umherblickte, fiel ein Schuß und etwa einen halben Fuß weit von der Stelle, wo er seine Hand hatte, schlug eine Kugel auf.
Don Fernand blickte empor. Drei Soldaten, die auf der Spitze eines Felsens standen, zeigten sich ihn einander und ein weißes Rauchwölkchen über ihnen deutete an, daß der Schuß von ihnen gekommen.
Der Salteador war entdeckt, aber nicht der Mann, der auf eine solche Aufforderung nicht antwortete.
Er nahm seine Muskete, legte aus den der drei Soldaten an, welcher die Waffe wieder lud, und folglich zuerst geschossen hatte.
Der Schuß knallte, der Soldat breitete die Arme aus, ließ die Waffe fallen, die ihm einen so schlechten Dienst geleistet hatte, und stürzte kopfüber an dem Felsenhange herunter.
Es folgte lautes Geschrei.
Es unterlag keinem Zweifel mehr, daß der Gesuchte gefunden sey.
Fernand trat zurück, um wieder zu laden, und mit dem frischgeladenen Gewehre erschien er dann von neuem an der Oeffnung der Grotte.
Aber die beiden Gefährten dessen, welchen er niedergeschossen hatte, waren verschwunden, und soweit sein Auge reichte, d. h. in dem weiten Umkreise, den die Grotte über- schaut, erblickte er nichts.
Nur Steinstücke, die von dem Felsen oben herabrollten, deuteten an, daß die Soldaten über dem Salteador sich sammelten.
Das Graben in der Höhle dauerte ununterbrochen fort.
Es unterlag keinem Zweifel, daß der Salteador, da er entdeckt, auf jede mögliche Weise angegriffen werden würde.
Er bereitete also seinerseits alle Vertheidigungsmittel vor, überzeugte sich, daß sein baskischer Dolch leicht aus der Scheide gehe, das Zündpulver in der Pfanne seines Gewehres sey, und setzte sich aus das Farrenkrautbett, von wo er das was hinter ihm vorbereitet wurde, hören und was draußen geschah, sehen konnte.
Nach etwa einer halben Stunde glaubte er zu bemerken, daß ein Schatten zwischen ihm und dein äußern Lichte, ein dunkler Körper am Eingange der Grotte an einem Stricke schwebe.
Da die Soldaten zu der Grotte nicht herbsteigen konnten, so ließen sie einen Mann in vollständiger Rüstung an einem Stricke hinab.
Er war fast ganz durch einen kugelfesten Schild gedeckt und für das Unternehmen durch den Preis von tausend Philippsdor gewonnen, welcher dem versprochen war, welcher den Salteador todt oder lebendig einliefere.
In dem Augenblicke aber, als der Soldat beinahe den Felsen unten erreichte, füllte ein Schuß die Grotte mit Knall und Rauch.
Die Kugel, welche nicht im Stande war den Schild und die Rüstung zu durchdringen, hatte den Strick zerschnitten, an welchem der Mann hing.
Der Soldat stürzte zerschmettert in den Abgrund.
Drei Versuche dieser Art wurden gemacht und alle drei hatten ein ähnliches Schicksal.
Jedesmal stieg ein gräßlicher Schrei aus der Tiefe herauf und gleich einem Echo antwortete ihm ein anderer Schrei oben auf dem Berge.
Nach diesem dreifachen tödtlichen Versuche meinten die Belagerer wahrscheinlich, sie müßten auf eine andere Angriffsweise sinnen, denn es folgte tiefe Stille und der Salteador sah Niemanden wieder erscheinen.
Der unterirdische Arbeiter freilich war ununterbrochen thätig und die Mine rückte rasch vor.
Don Fernand hielt fortwährend das Ohr an die Wand und so sah er die Nacht kommen.
Die Nacht bedrohte ihn mit einem doppelten Angriff.
Im Dunkel gelang es den Soldaten vielleicht den Felsen zu ersteigen. Wenigstens war der Minirer so nahe, daß er vor einer Stunde sich durchgearbeitet haben mußte.
Uebrigens sagte dem Salteador das geübte Ohr, daß in der Erde nur Einer arbeite.
Mit einiger Verwunderung bemerkte Fernand, daß er nicht hacken oder graben härte; es war ein ununterbrochenes Kratzen, als ob der Arbeiter kein anderes Werkzeug habe als seine Hände.
Das Geräusch kam näher und näher.
Der Salteador legte das Ohr nochmals an die Wand, der Minirer war so nahe, daß man sein starkes rasches Athmen hören konnte.
Fernand horchte aufmerksamer als je. Ein Lächeln blitzte über sein Gesicht.
Er verließ den hintern Theil der Grotte, trat bis an den glatten Rand des Felsens vor, bog sich über den Abgrund, um sich zu überzeugen, daß ihn von außen keine Gefahr bedrohe.
Alles war ruhig; die Nacht lag dunkel und stumm über dem Gebirge. Die Soldaten hatten offenbar jeden Angriff in der Hoffnung aufgegeben, den Salteador durch Hunger zu fangen.
»O,« murmelte er, »laßt mir nur eine halbe Stunde, und ich schenke dem König Don Carlos die Begnadigung, um die man ihn jetzt für mich bittet.«
Dann kehrte er in die Tiefe der Höhle zurück, nahm seinen baskischen Dolch zur Hand und begann seinerseits die Erde aufzugraben, dem entgegen, der schon arbeitete.
Sie kamen einander schnell nahe. Nach etwa zwanzig Minuten stürzte die schwache Scheidewand ein, die sie noch von einander trennte, und Fernand sah, wie er es offenbar erwartete, in der Oeffnung den Kopf eines Bären, auf die beiden riesigen Tagen gestützt, erscheinen.
Das Thier athmete und das Athmen glich einem Brüllen.
Dieses wohlbekannte Geräusch hatte dem muthigen Jäger das Wild verrathen.
Auf dieses Athmen hatte Fernand seinen Fluchtplan gebaut.
Er hatte sich gesagt, die Höhle des Bären grenze ohne Zweifel an die Grotte an.
Diese Höhle werde ihm einen nicht bewachten Ausgang gewähren.
Er sah nun das Ungethüm lächelnd an und sagte:
»Ach, ich kenne dich, alter Bär von Malhacen; deiner Fahrt folgte ich als Ginesta mich rief; du brummtest als ich aus den Baum steigen wollte; du wirst mir gutwillig oder nicht einen Abzug frei lassen. Mache Platz!«
Bei diesen Worten stieß er den Dolch in die Schnauze des Bären.
Das Blut spritzte heraus; das Thier brüllte vor Schmerz, kroch rücklings in seine Höhle und machte so die Oeffnung frei.
Der Salteador schlüpfte durch die Oeffnung hindurch, wie eine Schlange und war etwa vier Fuß weit von dem, Bären in dessen eigener Höhle. Das Thier versperrte ihm nur den Weg.
»Ja, ja,« sagte Fernand, sich weiß es wohl, daß nur Einer von uns hinaus kommt. Es fragt sich wer.«
Der Bär antwortete mit drohendem Brummen, als habe er die Worte seines Gegners verstanden.
Dann folgte eine Pause, in welcher die beiden Gegner einander mit den Augen maßen.
Die des Thieres glichen glühenden Kohlen.
Weder der Eine noch der Andere rührte sich; jeder schien eine falsche Bewegung des Andern benützen zu wollen.
Der Mensch ermüdete zuerst.
Fernand suchte in der ausgescharrten Erde einen Stein und der Zufall begünstigte ihn. Er fand einen ziemlich großen ganz in der Nähe.
Die beiden glühenden Augen dienten ihm als Zielpunkt und der Stein, von der Größe eines Pflastersteines, flog von kräftiger Hand geschleudert an den Kopf des Thieres.
Einem Stier würde der Schädel zertrümmert worden seyn.
Der Bär senkte sich auf die Knie und Fernand sah, eine kurze Zeit lang den zweifachen Blitz der Augen unter, den geschlossenen Lidern verschwinden.
Dann schien er sich zum Angriffe zu entschließen und mit grauenhaftem Brummen richtete er sich auf den Hinterbeinen auf.
»Ah,« sagte Fernand, der ihm näher trat, »du entschließest dich endlich?«
Er setzte dabei das Heft seines Dolches auf seine Brust, während er die Spitze gegen den Feind kehrte.
»Komm, Camerad,« sagte er, »umarmen wir uns.«
Die Umarmung war schrecklich. Fernand fühlte die Klauen des Bären sich in das Fleisch seiner Schultern drücken, der Bär dagegen fühlte, daß die Spitze des Dolches Fernands ihm bis ans Herz drang.
Mensch und Thier stürzten miteinander nieder und der Bär benetzte den Boden mit seinem Blute.
Zwanzigstes Capitel.
Die Gastfreiheit
Gegen Abend erschien Ginesta wieder in dem Gebirge.
Ehe wir ihr dahin folgen, dürfte es gut seyn, wenn wir einen Besuch in dem Hause des Don Ruiz de Torillas machen und zwar mit dem Oberrichter von Andalusien.
Der Leser erinnert sich vielleicht der wenigen Worte, welche der König zu Don Inigo sagte, als er mit Ginesta aus dem Mirador der Königin kam. Ohne darnach zu fragen, durch welches Mittel die Zigeunerin die Begnadigung erlangt habe, welche ihm von Don Ruiz abgeschlagen worden war, war Don Inigo sofort nach dem Hause des Don Ruiz gegangen, der an dem Bivaramblaplatze in der Nähe des Thores von Granada stand.
Man erinnert sich ferner, daß der Oberrichter so lange in Granada bleiben sollte, als der König selbst in der Hauptstadt der ehemaligen maurischen Könige verweilen würde, und daß er es für eine Beleidigung seines alten Freundes gehalten hatte, nicht sogleich zu ihm zu gehen und ihn ungastliche Aufnahme zu ersuchen.
Er hatte deshalb, wie wir gehört, auf dem Platze der Algires zu Don Ruiz gesagt, er sey in dem Hause desselben erschienen.
Dona Mercedes war eben allein, denn Don Ruiz wartete, wie wir wissen, aus die Ankunft des Königs.
Dona Mercedes, trotz ihren vierzig Jahren noch immer schön, hatte den Ruf einer Matrone aus der alten Zeit; ihr Leben war, wie Alle sagten, rein und fleckenlos vergangen, und Niemanden in ganz Granada wäre es in den Sinn gekommen auch nur einen Schatten von Verdacht aus die Gemalin des Don Ruiz fallen zu lassen.
Als sie Don Inigo erblickte, unterdrückte sie einen Aufschrei und stand auf; ihr gewöhnlich bleiches Gesicht überzog eine plötzliche Flammenröthe, die indeß schnell erlosch wie der Schein eines Blitzes, um noch tiefere Blässe zurückzulassen. Und seltsam, als ob dieser Eindruck, den Dona Mercedes empfand, auch auf Don Inigo gewirkt hätte, erst nach ziemlich langem Schweigen, in welchem Dona Flor verwundert ihren Vater und Mercedes anblickte, fand Don Inigo die Sprache wieder.
»Señora,« sagte er, »ich werde einige Tage in Granada verbringen und zwar zum ersten Male seit meiner Rückkehr aus der neuen Welt. Da würde ich es denn für unverantwortlich gegen einen alten Freund halten, wenn ich in dein Wirthshause oder bei einem andern Bekannten abstiege.«
»Señor,« antwortete Mercedes mit niedergeschlagenen Augen und mit einer Stimme, deren Bewegung sie vergebens zu beherrschen versuchte, »Ihr habt Recht und wenn Ihr anders handeltet, würde Don Ruiz gewiß sagen, er oder seine Frau haben gegen die Freundschaft gehandelt; da er es nun sicherlich nicht gethan hat, würde er mich, wie ein Richter den Angeklagten, fragen, ob ich mir etwas habe zu Schulden kommen lassen.«
»Das, Señora,« antwortete Don Inigo ebenfalls mit niedergeschlagenen Augen, »ist, außer dem natürlichen Wunsche einen alten Freund wieder zu sehen, der wirkliche Grund, der mich zu Euch führt.« Und er betonte die legten Worte besonders.
»Bleibt hier, antwortete Dona Mercedes, »mit Dona Flor, der ich mit Freuden Mutterliebe schenken würde, wenn sie mich einen Augenblick glauben ließe, sie sey meine Tochter. Ich werde dafür sorgen, daß die Aufnahme, die Ihr in dem Hause meines Gemales findet, Euer so würdig sey, als es unser Zustand erlaubt, in den unser Haus durch die Freigiebigkeit des Don Ruiz gekommen ist.«
Dona Mercedes verbeugte sich vor Don Inigo und dessen Tochter und ging hinaus.
Dona Mercedes deutete mit dem Ausdruck »Freigebigkeit des Don Ruiz« auf das was dieser selbst dem Könige von der Armuth gesagt, zu welcher er herabgestiegen, nachdem er den, Blutpreis an die Familien der beiden durch seinen Sohn getödteten Alguazils und für die Schwester Don Alvars die Mitgift an das Kloster bezahlt.
Diese Freigebigkeit war um so seltsamer, besonders aber um so lobenswerther, als Don Ruiz, wie wir wissen, nicht eben viel väterliche Liebe für den Sohn empfunden hatte.
Hinter Dona Mercedes war ein alter Diener des Hauses eingetreten, der auf einem Teller von vergoldetem Kupfer mit arabischen Verzierungen Gebäck, Obst und Wein trug.
Der Oberrichter wies den Teller mit einer Handbewegung von sich, Dona Flor aber brach mit der Naschhaftigkeit der Vögel und Kinder, die immer bereit und geneigt sind, das Dargebotene zu kosten, einen rothen Granatapfel auf und benetzte ihre Lippen, die wo möglich noch röther und frischer waren, als der Saft jenes Apfels, mit dem flüssigen Golde, das man Xereswein nennt.
Nach einer Viertelstunde kam Dona Mercedes zurück, oder öffnete vielmehr die Thür und forderte ihre Gäste auf ihr zu folgen.
Ihr Zimmer war das der Dona Flor, das ihres Gatten jenes des Don Inigo geworden.
Weder Don Inigo noch Dona Flor kamen auf den Gedanken, sich wegen der Störung zu entschuldigen, welche sie in dem Hause des Don Ruiz verursachten, denn die Gastfreundschaft hatte ihre Gesetze, welche von dem beobachtet wurden, der sie gewährte, wie von jenem, der sie empfing. Dona Flor und Don Inigo würden ganz ebenso gehandelt haben, wenn sie Don Ruiz und Dona Mercedes bei sich aufgenommen hätten.
Beide, Don Inigo und Dona Flor, begaben sich in die ihnen zugewiesenen Zimmer und Inigo legte die Reisekleidung ab und andere an, um dem Könige entgegenzugehen.
Wir sahen ihn im Gefolge des Königs und haben ihn zurückbegleitet in das Haus des Freundes.
Don Ruiz seinerseits kam so betrübt zurück, daß die Gattin, die ihn erscheinen sah, ihm nicht entgegen zu treten wagte; sie zog sich vielmehr in ihr Zimmer zurück, das sie sich ausersehen hatte, und überließ es dem alten Diener, den Herrn von dem Vorgange im Hause zu unterrichten und ihn in das ihm vorläufig bestimmte Zimmer zu begleiten.
Der König hatte Don Ruiz in so strenger Weise an den Oberrichter gewiesen, daß er auch sogar von dem Einflusse Don Inigo’s wenig für die Begnadigung seines Sohnes erwartete. Er brauchte das kalte unbewegliche Gesicht des jungen Königs nur anzusehen, um den unerschütterlichen Willen zu erkennen, der unter dieser Marmorstirn lag; darum wunderte er sich auch nicht über das lange Ausbleiben seines Gastes, dagegen staunte er sehr, als Dona Flor mit strahlendem Gesicht plötzlich die Thür der beiden Zimmer öffnete und der Dona Mercedes wie Don Ruiz zurief:
»Komm, kommt! Mein Vater meldet, daß der König Don Carlos den Don Fernand begnadigt hat.«
»Gute Nachrichten! Gute Nachrichten!« rief Don Inigo, als er das Ehepaar erblickte. »Lasset die Thür offen, denn das Glück folgt mir.«
»Es wird um so willkommner in diesem Hause seyn,« antwortete Don Ruiz, »da es sich lange in demselben nicht gezeigt hat.«
»Die Barmherzigkeit des Herrn ist groß,« antwortete Mercedes fromm, »und läge ich auf meinem Sterbebette, ohne daß der Gast, den Ihr ankündiget, erschienen sey, ich würde doch noch immer hoffen, daß er sich einfinde, ehe ich den letzten Seufzer aufgäbe.«
Don Inigo erzählte sodann das seltsame Begebniß ausführlich, wie der König sein Gesuch streng abgewiesen habe und wie die Bitte ohne Zweifel der Zigeunerin gewährt worden sey.
Dona Mercedes, für deren Mutterherz nichts, was ihren Sohn betraf, gleichgültig war und die noch nicht wußte, was ihr Gatte durch Don Inigo erfahren hatte, nämlich daß dieser nebst seiner Tochter durch den Salteador angehalten worden, fragte zunächst wer die Zigeunerin sey.
Dona Flor ergriff da ihre Hand, gab der edlen Dame den Namen, nach dem sie sich gesehnt zu haben schien, und sagte:
»Komm: mit mir, Mutter.«
Sie führte Dona Mercedes in ihr Zimmer.
Um nun so viel als möglich das Schmerzliche zu mildern, was in der Erzählung liegen mußte, welche sie hören sollte, ließ sich Dona Flor vor der Mutter Don Fernands auf die Knie nieder, stützte beide Ellbogen auf die Knie derselben, blickte ihr in die Augen, faltete die Hände und erzählte so schonend als möglich; was ihr und ihrem Vater in der Venta zum Maurenkönig widerfahren war.
Dona Mercedes hörte fast athemlos, mit halb geöffnetem Munde, bebend bei jedem Worte, bald in Angst und bald in Freude, die Erzählung an, und dankte endlich Gott inbrünstig, als sie erfahren, daß der schreckliche Salteador, den man ihr so oft als blutdürstigen Mörder geschildert hatte, weil man nicht wußte, daß sie die Mutter desselben sey, sie dankte Gott, daß der Salteador freundlich gegen Don Inigo und dessen Tochter gewesen.
Von diesem Augenblicke an entstand innige Zuneigung für Dona Flor in dem Herzen der Mercedes, denn die Mutterliebe ist ein so wunderbar unerschöpflicher Schatz, daß sie dem Sohne diese Liebe ganz und gar geben kann und doch noch Mittel findet, auch die zu lieben, die ihn lieben.
Dona Flor ihrerseits war heiter und voll Liebe für die Mutter Don Fernands und schmiegte sich an dieselbe, als sey sie ihre eigene Mutter, während die beiden alten Herren unter den Bäumen vor dem Hause auf und ab gingen und ernst von der Zukunft sprachen, welche Spanien von dem jungen Könige mit dem blonden Haar und rothen Bart zu erwarten habe, welcher den castilianischen und aragonischen Königen, seinen Vorgängern, so wenig gleiche.