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Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 14

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Siebentes Capitel.
Der Verfolgte

Don Inigo stand kaum einige Minuten da, als ihm vorkam, als lauft das Volk neugierig und schnell nach dem Thore von Granada zu.

Anfangs sah er den Leuten mit dem unbestimmten Blicke eines Mannes nach, den ernstere Dinge beschäftigen; als aber die Bewegung stärker wurde, mußte er ihr wohl größere Aufmerksamkeit schenken und erkundigte sich.

Da erfuhr er, ein Mann, gegen den ein Haftbefehl erlassen worden« weigere sich zu ergeben, habe sich in den Thurm der Vela geflüchtet und vertheidige sich erbittert gegen seine Angreifer.

Natürlich vermuthete Don Inigo sofort, der Mann sey Don Fernando. Ohne einen Augenblick zu verlieren, schloß er sich der Menge an. Je weiter man den Weg zur Albambra hinaufkam, um so zahlreicher und lärmender wurde die Menge; mit Mühe gelangte endlich Don Inigo auf den Platz las Algives.

Wie ein wild aufgewühltes tosendes Meer belagerte das Volk den Vela-Thurm.

Von Zeit zu Zeit machte die Menge Platz und ließ einen Verwundeten durch, der sich mit der Hand auf der 60 Wunde entfernte, oder einen Todten, den man hinweg trug.

Der Oberrichter erkundigte sich und erfuhr, was wir erzählen wollen.

Ein junger Mann, der von fünf oder sechs Andern verfolgt worden, war des Fliehens müde gewesen, hatte sich in den Thurm geflüchtet und da seine Verfolget erwartet.

Der Kampf hatte mit mörderischer Erbitterung begonnen und der Flüchtige hätte vielleicht seine sechs Verfolger überwunden, wenn er allein mit ihnen zu thun gehabt, aber auf das Rufen der Angreifenden, auf das Schwertgeklirr, auf die Ausforderungen und Drohungen war die Wache herbeigekommen und hatte sich den Angreifenden angeschlossen, als sie erfahren, daß der sich Vertheidigende auf den Befehl des Königs selbst verhaftet werben solle.

Nun hatte ein verzweiflungsvoller Kampf begonnen.

Don Fernand (denn er war es) hatte sich auf die schmale Wendeltreppe geflüchtet, welche durch zwei Stockwerke hinauf auf die Plattform führte. Da war die Vertheidigung leicht für ihn gewesen; er hatte von Stufe zu Stufe gekämpft und auf jeder Stufe war ein Angreifer gefallen.

Eine Stunde bereits dauerte der Kampf, als Don Inigo erschien. Er trat bebend hinzu, bewahrte aber doch noch einige Hoffnung, daß der Flüchtling vielleicht nicht Fernand sey. Leider dauerte diese Hoffnung nicht lange.

Kaum hatte er den Thurm betreten, als man Fernand oben rufen hörte:

»Kommt, so kommt doch, ihr Feiglinge! Ich bin allein gegen Euch alle. Ich weiß wohl, daß ich mein Leben hier lassen muß, aber für den Preis, um den ich es verkaufen will, seyd Ihr noch nicht zahlreich genug.«

Er war es wirklich.

Er konnte, wie er selbst gesagt, dem Tode unmöglich entgehen.

Wenn es dagegen Don Inigo gelang ihn zu verhaften, so blieb doch immer noch die Möglichkeit der Rettung.

Don Inigo beschloß also zunächst den Kampf enden zu lassen.

»Haltet ein!« rief er den Angreifenden zu. »Ich bin Don Inigo, Oberrichter von Andalusien, und komme im Auftrage des Königs Don Carlos.«

Aber es war nicht leicht, den Zorn von etwa zwanzig Männern zu beruhigen, die durch einen einzigen in Schach gehalten wurden.

»Nieder mit ihm! Nieder mit ihm!« antworteten fünf bis sechs Stimmen, während ein Schmerzensschrei und das Gepolter eines herabstürzenden Körpers andeuteten, daß der Degen Don Fernands ein neues Opfer gefällt habe.

»Hört Ihr mich nicht?« rief Don Inigo mit kräftiger Stimme; »ich sage Euch, daß ich der Oberrichter bin und im Namen des Königs erscheine«

»Nein. Der König mag uns selbst Gerechtigkeit handhaben lassen.«

»Seht Euch vor, seht Euch vor!« fuhr Don Inigo fort, der gern den Zorn der Angreifer von dem Verfolgten ab und auf sich selbst lenkte.

»Was wollet Ihr denn?« fragten mehre Stimmen.

»Ihr sollt mich vorüber lassen.«

»Warum?«

»Um den Degen des Ungehorsamen zu holen.«

»Das möchte ein sehenswerthes Schauspiel seyn,« meinten Einige; »lasset ihn durch.«

»Nun?» fragte oben Don Fernand; »Ihr zögert? Ihr weicht zurück? Elende, erbärmliche Memmen!«

Ein neuer Schmerzenslaut verkündete, daß der Degen Fernands eine neue Wunde gemacht.

Darauf entstand neuer Tumult und man hörte nochmals Stahl gegen Stahl klirren.

»Tödtet ihn nicht! Tödtet ihn nicht« rief Don Inigo in Verzweiflung. »Ich muß ihn lebendig haben.«

»Lebendig?« wiederholte Don Fernand. »Hat Jemand unter Euch gesagt, er wolle mich lebendig fangen?«

»Ja, ich,« antwortete der Oberrichter unten an der Schwelle.

»Ihr? Wer seyd Ihr?« fragte Don Fernand.

»Ich, Don Inigo.«

Ein Schauer lief durch alle Glieder Don Fernands.

»Ach!« flüsterte er, »ich habe deine Stimme erkannt, ehe Du Dich nanntest.« Und laut setzte er hinzu: »Was wollet Ihr von mir? Kommt herauf, aber allein.»

»Lasset mich vorüber,« sagte Don Inigo.

Es lag in dem Tone des Oberrichters etwas so Gebieterisches, daß Alle bei Seite traten und auf der schmalen Treppe sich an die Wand drückten.

Don Inigo stieg eine Stufe nach der andern hinauf, aber fast auf jeder Stufe lag ein Todter oder Verwundeter.

Ueber zehn Todte wohl mußte er hinwegschreiten, ehe er in das erste Stockwerk kam, wo, Don Fernand ihn erwartete.

Der junge Mann hatte seinen linken Arm mit dem Mantel umhüllt, und diesen so zu seinem Schilde gemacht. Sein Anzug war zerrissen und er blutete aus mehren Wunden.

»Nun,« fragte er Don Inigo, »was wollet Ihr von mir? Ihr habt in mir durch ein Wort mehr Furcht erregt als alle diese mit ihren Waffen.»

»Was ich will?« antwortete der Oberrichter, »Ihr sollt mir euren Degen übergeben.«

»Meinen Degen?« wiederholte Fernand lachend.

»Was ich will?« fuhr Don Inigo fort. »Ihr sollet aufhören Euch zu vertheidigen und Euch mir übergeben.«

»Habt Ihr Jemanden versprochen dieses Wunder zu bewirken?«

»Dem Könige.«

»So kehrt zurück zu dem Könige und sagt ihm, Ihr hättet etwas Unmögliches übernommen.«

»Aber, Unsinniger, worauf hoffst Du noch? Was willst Du?«

»Tödtend sterben.«

»So tödtet,« entgegnete der Oberrichter, der auf den jungen Mann zutrat.

Don Fernand machte eine drohende Geberde, dann senkte er den Degen und sagte:

»Mischt Euch lieber gar nicht in diese Sache; lasset sie mich und die Leute ausmachen, die sie unternommen haben; Ihr gewinnt nichts Gutes dabei, ich schwöre es Euch zu und gleichwohl, auf Edelmannswort, würde es mir sehr leid seyn, wenn Euch ein Unglück begegnete.«

Don Inigo trat noch einen Schritt näher.

»Euren Degen!« sagte er.

»Ich habe es Euch bereits gesagt, daß es nutzlos ist ihn zu verlangen; daß es gefährlich ist, mir ihn nehmen zu wollen, werdet Ihr bereits gesehen habend.«

»Euren Degen!s wiederholte Don Inigo noch näher tretend.

»So zieht wenigstens den eurigen,« entgegnete Don Fernand.

»Gott bewahre mich Euch in irgend einer Art zu drohen, Don Fernand; ich will alles nur der Ueberredung verdanken, Euren Degen! Ich bitte darum.«

»Niemals.«

»Ich bitte darum, Don Fernand.«

»Welche unerklärliche Macht übt Ihr auf mich!« sprach der junge Mann weiter. »Aber nein, nein, ich werde Euch meinen Degen nie übergeben.«

Don Inigo streckte die Hand aus.

»Euren Degen!«

Es folgte eine tiefe Stille, in welcher der Oberrichter Don Fernand durch jene geheime Kraft zu bewegen versuchte, die er gleich am ersten Tage ihres Zusammentreffens geltend gemacht hatte.

»Mein Gott,« flüsterte Fernand, »mein eigener Vater vermochte mich nicht zu bestimmen den Degen einzustecken; zwanzig Personen konnten mir ihn nicht entreißen; ich fühle die Kraft in mir wie ein verwundeter Stier, ein ganzes Regiment in Stücke zu zerreißen, und Ihr braucht nur ein Wort zu sagen!«

»Gebt mir den Degen!« wiederholte Don Inigo.

»Aber bedenkt wohl, daß ich mich nur Euch, Euch allein übergebe; daß nur Ihr mir Scheu und Ehrfurcht einflößet; daß ich nur zu euren Füßen, nicht zu den des Königs, diesen vom Heft bis zur Spitze mit Blut gerötheten Degen niederlege.«

Und er legte wirklich ehrfurchtsvoll den Degen vor Don Inigo nieder.

Der Oberrichter hob ihn auf und sagte dabei:

»Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich, der Oberrichter, gern mit Euch, dem Angeklagten, tauschte und weniger Schmerz dann empfinden würde.«

»Was gedenkt Ihr mit mir zu thun?« fragte Don Fernand die Stirne runzelnd.

»Ihr werdet mir euer Wort geben, keinen Fluchtversuch zu machen, in das Gefängniß zu gehen und da auf die Entschließung des Königs zu warten.«

»Ihr habt mein Wort.«

»So folget mir.«

Don Inigo trat darauf an die Treppe und rief hinunter:

»Platz! Und daß Niemand es wage mit einem Worte den Gefangenen zu schmähen; er steht von jetzt an unter dem Schirme meiner Ehre.«

Alle traten zurück und der Oberrichter ging mit Don Fernand auf der blutbesudelten Treppe herab.

An der Thür blickte der junge Mann verächtlich um sich und nun erhoben sich trotz dem Verbote Don Inigo’s drohende Rufe. Don Fernand wurde todtenbleich und griff nach dem Degen eines daliegenden Todten; aber Don Inigo brauchte nur zu erinnern.

»Ich habe euer Wort,« sagte er.

»Und Ihr könnt darauf bauen,« antwortete der Gefangene mit einer Verbeugung.

Und der Eine begab sich nach der Rede, um sich im Gefängniß zu stellen, während der Andere über den Algivesplatz schritt, um zu Don Carlos in die Alhambra zu gehen.

Der König ging erwartungsvoll, in düsterem Schweigen, in dem Saale der zwei Thürme auf und ab, als man ihm den Oberrichter meldete.

Er blieb stehen, richtete das Haupt empor und blickte fest auf die Thür. Don Inigo trat ein.

»Erlaubt, Majestät,« sagte der Oberrichter, »daß ich Euch die Hand küsse.«

»Da Ihr wiederum vor mir erscheint,« sagte Don Carlos, »so ist der Schuldige verhaftet?«

»Ja, Sire.«

»Wo ist er?«

»Er muß in diesem Augenblicke im Gefängnisse seyn.«

»Ihr habt ihn unter guter Bedeckung dahin geschickt?«

»Unter der sichersten, die ich finden konnte, unter der seiner Ehre, Sire.«

»Ihr vertrautet seinem Worte?«

»Ew. Majestät vergißt, daß das Wort eines Edelmannes die festeste Kette ist, mit der matt ihn binden kann.«

»Sehr wohl,« antwortete Don Carlos, »Ihr werdet mich diesen Abend in das Gefängniß begleiten. Ich habe die Anklage des Vaters gehört und will auch die Vertheidigung des Sohnes hören.«

»Was aber könnte zu seiner Vertheidigung ein Sohn vorbringen, der seinen Vater ins Angesicht geschlagen hat!« flüsterte der König.

Achtes Capitel.
Vor der Entwicklung

Der Tag, welcher schon reich an Begebenheiten war, die am nächsten zur Erscheinung kommen sollten, versprach der öffentlichen Neugierde neue Einzelheiten, bevor die Sonne, die hinter den funkelnden Berggipfeln der Sierra Nevada aufgegangen, hinter den dunkeln Höhen der Sierra Morena hinabsinke.

Während Don Inigo sich in den Palast begab, wanderte Don Fernand, wie wir meldeten, seinem Worte gemäß, mit stolz erhobenem Haupte, nicht wie ein Ueberwundener, sondern wie ein Ueberwinder, nach dem Gefängnisse, denn seiner Meinung nach war er nicht überwunden, sondern hatte einem Gefühle nachgegeben, das nicht ohne Reiz für ihn war, obwohl es ihm gebot, seinen Zorn zu opfern und vielleicht sein Leben hinzugeben.

Er ging also nach der Stadt hinab, gefolgt von einer Anzahl derjenigen, welche an dem schrecklichen Kampfe gegen ihn Theil genommen; da aber Don Inigo verboten hatte, den Gefangenen zu schmähen, da lauter noch als dieses Verbot in dem edlen Herzen der Spanier die Bewunderung sprach, welche einem muthigen Volk der Muth stets einflößt, so schienen die, welche ihn begleiteten, obwohl sie von den gewaltigen Hieben sprachen, die empfangen und gegeben worden waren, mehr eine Ehrenwache als eine schimpfliche Bedeckung zu seyn.

Unten an dem Aufwege nach der Alhambra begegnete Fernand zwei verschleierte Damen, die beide stehen blieben und einen freudigen Ausruf der Verwunderung nicht unterdrücken konnten; er selbst blieb auch stehen, einestheils wegen dieses Ausrufes, anderntheils wegen der magnetischen Kraft, die sich in uns regt, wenn wir einer geliebten Person begegnen, ja oft ehe dies geschieht.

Ehe er sich fragte, wer die beiden Damen seyen, zu denen sich sein Herz unwiderstehlich hingezogen fühlte, drückte die eine seine Hände an ihre Lippen, während die andere mit ausgestreckten Armen stehen blieb und seinen Namen stammelte.

»Ginesta! Dona Flor!« flüsterte Fernand abwechselnd, während nach der bekannten Achtung des Volkes vor großem Unglücke die, welche den jungen Mann von dem Algivesplatze begleitet hatten und ihm bis zum Gefängnisse folgen wollten, in gebührender Entfernung stehen blieben, so daß der Gefangene, ohne von ihnen gehört zu werden, mit den beiden Mädchen sprechen könne.

Er zögerte nicht lange. Nur einige Worte wurden zwischen Ginesta und Fernand, nur einige Blicke zwischen ihm und Dona Flor gewechselt.

Dann setzten die Mädchen ihren Gang nach der Alhambra, Don Fernand den Weg nach dem Gefängnisse fort.

Man ahnt wohl, was Ginesta in dem Palaste thun wollte. Nachdem sie durch Dona Flor von der Gefahr benachrichtigt wurde, welcher Don Fernand von neuem ausgesetzt sey, wollte sie zum zweiten Male ihren Einfluß auf Don Carlos versuchen.

Diesmal freilich hatte sie das Pergament nicht mehr, welches ihre Herkunft bescheinigte, eben so wenig die Million, die sie bereits dem Kloster übergeben.

Angenommen also, daß das Gedächtniß des Königs von Spanien so kurz war wie das der Könige meist zu seyn pflegt, so stand sie ihrem Bruder wie allen Andern nur als die arme junge Zigeunerin Ginesta gegenüber.

Aber ihr blieb das Herz, das Herz, aus dem sie Bitten und Thränen genug schöpfen zu können glaubte, um das Herz des Don Carlos zu rühren, so kalt und unzugänglich es auch war.

Nur das Eine fürchtete sie – gar nicht zu dem Könige zu gelangen.

Groß also war ihre Freude, als die Thür vor ihr sich öffnete, sobald sie ihren Namen genannt hatte.

Dona Flor, die auf sie ihre ganze Hoffnung baute, wartete zitternd vor der Thür.

Ginesta folgte ihrem Führer. Dieser öffnete leise die Thür des Zimmers, das in ein Arbeitscabinet umgewandelt war, trat bei Seite, um das Mädchen eintreten zu lassen, und schloß die Thür hinter ihr, ohne sie anzumelden.

Don Carlos ging, die Augen an den Boden geheftet, mit gesenktem Haupte mit großen Schritten auf und ab.

Ginesta ließ sich aus ein Knie nieder und verblieb einige Augenblicke in dieser Stellung, ohne daß der König ihre Anwesenheit zu bemerken schien. Endlich schlug er die Augen auf, sah sie anfangs zerstreut, dann fragend an und fragte dann:

»Wer seyd Ihr?«

»Erkennt Ihr mich nicht wieder, Sire?« antwortete die Zigeunerin. »Dann hin ich allerdings sehr unglücklich.«

Don Carlos schien also dann mit Anstrengung seine Erinnerungen zu sammeln; sein Blick schaute bisweilen leichter in die Zukunft, als in die Vergangenheit.

»Ginesta!« sagte er endlich.

»Ja, ja, Ginesta!« flüsterte das Mädchen, das sich schon freute, wieder erkannt worden zu seyn.

»Weißt Du, daß ich heute oder morgen einen Boten aus Frankfurt erhalten werde, wenn ihn nichts zurückhält?« fragte der König, indem er vor dem Mädchen stehen blieb.

»Welchen Boten?« fragte Ginesta.

»Den Boten, welcher mir melden soll, ob von dieser Stunde an das römische Reich mir angehört oder Franz I.«

»Gebe Gott, daß es Euch angehöre, Sire!« antwortete Ginesta.

»Ach, wenn ich Kaiser bin!« rief Don Carlos aus. »Neapel nehme ich zuerst, das ich dem Papste versprochen, Italien, das ich Frankreich abgetreten habe, Sardinien, das ich . . . «

Er bemerkte, daß er laut die Gedanken aussprach, die ihn beschäftigten, und daß er nicht allein war.

Er strich mit der Hand über die Stirne.

Ginesta benützte diese Pause.

»Wenn Ihr Kaiser seyd, werdet Ihr ihn begnadigen,« sagte sie.

»Wen begnadigen?«

»Ihn, Fernand, den ich liebe, für den ich beten werde bis zum Ende meiner Tage.«

»Den Sohn, der seinen Vater ins Angesicht geschlagen hat?« fragte Don Carlos in rauhem Tone, als wenn die Worte sich sträubten aus seiner Kehle hervorzugehen.

Ginesta senkte das Haupt.

Was konnte sie vor einer solchen Anklage, vor einem solchen Ankläger thun, als sich beugen und weinen?

Sie neigte sich und weinte.

Don Carlos blickte sie eine Seit lang an und es war vielleicht ein Unglück, daß sie nicht auch die Augen zu ihm aufzuheben wagte, denn sie hätte in seinem Blicke sicherlich einen Blitz des Mitleids erkannt, wie schnell er auch wieder erlosch.

»Morgen,« sagte er, »wirst Du nebst Granada meinen Ausspruch über diese Sache erfahren. Bleibe bis dahin im Palaste; der Schuldige mag leben oder sterben, Du brauchst nicht in dein Kloster zurückzukehren.«

Ginesta fühlte, daß jede weitere Bitte ihrerseits nutzlos seyn werde, sie stand also auf und flüsterte:

»König, vergiß nicht, daß ich, wenn auch vor den Menschen eine Fremde, vor Gott deine Schwester bin.«

Don Carlos machte eine Bewegung mit der Hand.

Ginesta ging hinaus.

Dona Flor wartete noch immer vor der Thür.

Ginesta erzählte ihr was zwischen ihr und dem Könige geschehen.

In diesem Augenblicke ging ein Diener vorüber, welcher den Oberrichter zu dem Könige bescheiden sollte.

Die beiden Mädchen folgten dem Diener, denn sie hofften von Don Inigo etwas zu erfahren.

Mercedes kniete unterdeß betend in ihrem Zimmer und wartete in nicht geringerer Angst als Ginesta und Dona Flor.

Sie hatte ihr früheres Zimmer wieder bezogen, das Zimmer, in welchem der geächtete, aber doch freie Fernand sie besucht hatte. Glückliche Zeit! Die arme Mutter! Es war mit ihr so weit gekommen, daß sie jene Zeit der Angst des Grauens und Entsetzens eine glückliche Zeit nannte!

Damals blieb ihr doch wenigstens der Zweifel; jetzt war aller Zweifel geschwunden, fast alle Hoffnung erloschen.

Beatrix und Vincente waren von ihr auf Erkundigungen ausgeschickt worden.

Anfangs hatte sie gehofft, Don Fernand werde das Gebirge wieder erreichen können.

»Ist er erst im Gebirge,« sagte sie sich, »so begibt er sich in irgend einen Hafen und schifft sich nach Afrika oder nach Italien ein.

Sie sah dann freilich ihren Sohn nicht wieder, aber er lebte doch.

Gegen ein Uhr aber erfuhr sie, daß Fernand in dem Algiveshof geblieben sey, weil er unter dem Geschrei seiner Verfolger nicht weiter habe fliehen wollen. Um zwei Uhr wußte sie, daß er in dem Velathurm sich vertheidige und bereits acht oder zehn Personen verwundet oder getödtet habe. Um drei Uhr meldete man ihr, daß er sich an Don Inigo ergeben und sein Ehrenwort verpfändet habe, nicht zu fliehen. Um vier Uhr wußte sie, daß der König dem Oberrichter versprochen habe, ein Urteil nicht zu fällen, bevor er nicht mit dem Schuldigen selbst gesprochen. Um fünf Uhr erfuhr sie, der König habe Ginesta geantwortet, am nächsten Tage werde sie und Granada seinen Ausspruch wissen.

Am nächsten Tage also sollte das Urtheil gefällt werden.

Welches Urtheil?

Abends gelangte ein unbestimmtes, aber schreckliches Gerücht zu ihr.

Man erzählte in der Stadt – aber nichts zeugte für die Wahrheit der König habe den Oberrichter rufen lassen und ihm befohlen, in der Nacht, aus dem Algivesplatze, das Schaffot aufbauen zu lassen.

Für wen konnte das Schaffot bestimmt seyn? Der König hatte die Gefängnisse mit Don Inigo besucht und nur Begnadigungen ausgesprochen.

Für wen also konnte das Schaffot bestimmt seyn außer für Fernand?

War es aber wahr, daß der Befehl gegeben worden?

Vincente unternahm es, darauf eine bestimmte Antwort zu bringen; er wollte die ganze Nacht wachen und auf dem Algivesplatz sollte nichts geschehen, was er nicht erfahre.

Gegen neun Uhr Abends verließ er das Haus, aber schon eine Stunde darauf kam er mit der Meldung zurück, er habe durchaus nicht auf den Algivesplatz gelangen können, da alle Zugänge zu demselben mit Wachen besetzt wären.

Es war also nichts zu thun als zu warten und zu beten.

Dona Mercedes entschloß sich die Nacht im Gebet zu verbringen.

Sie kniete nieder und hörte die Serenos (Nachtwächter) eine Stunde nach der andern ausrufen.

Die heisere Stimme, welche Mitternacht verkündete und die Bewohner von Granada aufforderte ruhig zu schlafen, verklang kaum in der Stille, als Dona Mercedes einen Schlüssel in dem Schlosse der Thüre knirschen zu hören glaubte, durch welche Fernand sonst hereinzuschleichen pflegte.

Sie drehte sich auf ihren Knien herum nach jener Thür zu, sah dieselbe sich öffnen und einen Mann eintreten, dessen Gesicht ein breitkrempiger Hut bedeckte und dessen Gestalt ein großer Mantel umhüllte.

Nur ihr Sohn besaß diesen Schlüssel.

»Fernand! Fernand!« rief sie und eilte dem nächtlichen Gaste entgegen.

Aber plötzlich blieb sie stehen, denn sie erkannte, daß der Mann, welcher in das Zimmer getreten war und die Thür hinter sich geschlossen hatte, um einen Kopf kleiner war als Fernand.

Gleichzeitig nahm der Unbekannte seinen Hut ab und ließ den Mantel fallen.

»Ich bin nicht Fernand,« sagte er.

Mercedes wich einen Schritt zurück.

»Der König!« stammelte sie.

Der Unbekannte schüttelte den Kopf.

»Ich bin nicht der König,« sagte er, »wenigstens hier nicht.«

»Wer seyd Ihr denn?« fragte Mercedes.

»Ein Beichtiger. Auf die Kniee, Weib, und bekennt, daß Ihr einen Gatten hintergangen habt. Ein Sohn kann unmöglich seinen Vater in das Angesicht schlagen.«

Mercedes sank auf ihre Kniee nieder, streckte beide Arme flehentlich nach dem Könige aus und sprach:

»Ach, Sire, Sire, Gott selbst sendet Euch! Höret mich an; ich will Euch Alles sagen.«