Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 15
Neuntes Capitel.
Die Beichte
Bei diesem ersten Bekenntnisse athmete der König freier auf.
»Ich bin bereit zu hören,« sagte er mit seiner kurzen gebieterischen Stimme.
»Sire,« flüsterte Mercedes, »ich will Dinge erzählen, die schwer über die Lippen eines Weibes gehen, obgleich ich bei weitem nicht so schuldig bin, als es aus den ersten Blick erscheinen mag. Seyd mindestens, ich bitte Euch, in Worten nachsichtig gegen mich, sonst würde ich die Kraft verlieren, fortzufahren.«
»Sprecht ohne Besorgniß, Dona Mercedes,« antwortete Don Carlos in einem etwas gemilderten Tone, »und kein Geheimniß, das einem Priester anvertraut worden, soll gewissenhafter gewahrt seyn als das, welches Ihr eurem Könige anvertraut.«
»Sire ich danke Euch,« antwortete Mercedes.
Darauf strich sie mit der Hand über die Stirn, nicht um alle ihre Gedanken zu sammeln, denn man sah es wohl, daß alle diese Erinnerungen ihr bereits gegenwärtig waren, sondern um den Angstschweiß abzuwischen, der in großen Perlen darauf stand.
»Sire,« begann sie sodann, »ich war mit dem Sohne eines Freundes meines Vaters erzogen worden, wie man einen Bruder mit einer Schwester erzieht, ohne daß es uns jemals in den Sinn kam, daß es in der Welt andere Gefühle gebe als Geschwisterliebe, als ein Streit um Mein und Dein die beiden Freunde veruneinigte, die man für unzertrennlich gehalten hatte.
»Das war noch nicht Alles. Es folgte eine Geldvorderung. Wer Recht, wer Unrecht hatte, ich weiß es nicht, so viel aber weiß ich, daß mein Vater die geforderte Summe bezahlte und dann Sevilla verließ, wo er gewohnt hatte, um sich nach Cordova zu begeben und nicht mehr in derselben Stadt mit dem Manne zu seyn, der sein Freund gewesen und sein Todfeind geworden war.
»Dieser Bruch zwischen den Vätern trennte die Kinder.
»Ich war damals kaum dreizehn Jahre alt; der, welchen ich meinen Bruder nannte, stand in dem siebzehnten. Niemals hatten wir einander gesagt, daß wir einander liebten, vielleicht hatten wir nie daran gedacht, bis die unerwartete Trennung, die plötzlich beschlossen und ausgeführt wurde, uns einen hellen Blick in unser Herz gestattete.
»Etwas in uns weinte laut und blutete stark – jene Freundschaft, die Liebe geworden war und die plötzlich in den Händen unserer Eltern zerbrach.
»Waren sie darum besorgt? Wußten sie, wie weh sie uns thaten? Ich glaube, es kam ihnen gar nicht in den Sinn, aber hätten sie auch daran gedacht, ich glaube, ihr Haß war so gewaltig geworden, daß sie sich nicht im mindesten um den Einfluß kümmerten, den er auf unsere Liebe haben könnte.
»Unsere beiden Familien waren also getrennt, nicht blos durch den Haß, sondern auch durch die Entfernung. Wir aber schwuren einander in einem letzten Beisammenseyn, daß nichts uns trennen solle.
»Und was hatten wir arme Kinder, die neben einander aufgewachsen waren, mit dem Hasse unserer Eltern zu schaffen? Zehn Jahre lang hatte man uns täglich eingeprägt und empfohlen: liebet einander; waren wir nicht zu entschuldigen, daß wir nicht gehorchten, als man uns nun plötzlich sagte: hasset einander?«
Mercedes schien, ehe sie weiter fortfahre, auf ein ermuthigendes Wort des Königs zu warten, aber dieser antwortete: »Ich weiß noch nicht was Liebe ist, da ich noch nie geliebt, Señora.«
»Dann,« fuhr Mercedes niedergeschlagen fort, »bin ich sehr unglücklich, denn Ihr werdet das nicht verstehen, was ich nun zu erzählen habe.«
»Entschuldigt, Señora, denn ich bin Richter, da ich von meiner Kindheit an König gewesen bin, und ich weiß was Gerechtigkeit ist.«
Mercedes fuhr fort: »Wir hielten Wort; die Abwesenheit selbst begünstigte unsere Liebe, die übrigens unseren Eltern unbekannt war. Das Haus meines Vaters in Cordova stand an dem Guadalquivir; mein Zimmer, das entlegenste im Hause, sah durch ein vergittertes Fenster auf diesen Fluß. Mein Geliebter kaufte ein Boot, verließ dreimal monatlich Sevilla unter dem Vorwande, in der Sierra zu jagen, und wiederholte mir als Fischer verkleidet, daß er mich liebe, und nahm aus meinem Munde die Versicherung in Empfang, daß ich ihn ebenfalls ewig lieben werde.
»Anfangs hatten wir gehofft, der Haß zwischen unseren Familien werde sich beruhigen, aber er steigerte sich nur mehr.
»Mein Geliebter ließ nichts unversucht, um mich zu bewegen, mit ihm zu entfliehen.
»Ich widerstand.
»Da erfaßte ihn finstere Verzweiflung; unser nächtlicher Verkehr, sonst sein Glück, genügte ihm nicht mehr.
»Der Krieg zwischen den Christen und den Mauren entbrannte hitziger als je.
»Eines Abends zeigte er mir an, daß er des Lebens überdrüssig sey und den Tod suchen wolle.
»Ich weinte, aber ich gab nicht nach. Er reiste ab.
»Ein Jahr lang sah ich ihn nicht mehr; aber in diesem Jahre klang der Ruf von seinen Thaten so laut zu mir, daß, hätte ich ihn noch mehr lieben können, meine Liebe durch seinen Muth und seine Gefahren gesteigert worden wäre.
»Diese Nachrichten kamen uns meist durch einen jungen Mann zu, der mit ihm die Kämpfe gekämpft hatte, von denen er erzählte. Dieser junge Mann, sein Waffengefährte, war der Sohn eines Freundes meines Vaters und hieß Don Ruiz de Torillas.«
Der König hörte die Erzählung mit finsterem Auge, stumm und unbeweglich wie ein Marmorbild an. Dona Mercedes wagte die Augen zu ihm zu erheben, um wo möglich in seinen Augen zu erkennen, ob sie ihre Erzählung abkürzen oder ausdehnen müsse.
Don Carlos verstand diese stumme Frage.
»Fahret fort,« sagte er.
»Die Aufmerksamkeit, welche ich den Erzählungen des Don Ruiz schenkte, und die Eile, in welcher ich erschien, wenn man seine Ankunft meldete, brachten ihn wahrscheinlich zu dem Glauben, diese Theilnahme gelte ihm selbst, während sie sich doch ausschließlich dem zuwendete, welcher abwesend war; auch wurden seine Besuche häufiger und seine Augen begannen mir die Geheimnisse seines Herzens zu vertrauen.
»Da erschien ich nicht mehr, wenn Don Ruiz kam, wie schwer es mir auch wurde, nichts mehr von dem zu hören, dem alle meine Gedanken galten und der alle meine Freude mit sich genommen hatte.
»Uebrigens hörten seine Besuche bald auf, da das Heer, zu dem er gehörte, Granada belagerte.
»Eines Tages erfuhren wir, Granada sey genommen.
»Das war eine große Freude für uns als Christen, da nun die Hauptstadt der Mauren sich in den Händen des katholischen Königs befand; bei mir aber verschleierte alle Trauer jede Freude und mein Vater erhielt die Nachricht unter neuem Kummer.
»Der Rest unseres Vermögens rührte von der ersten Frau meines Vaters her. Dies Vermögen gehörte einem Sohne, einem Abenteurer, den man für todt hielt, und den ich kaum kannte, obgleich ich seine Schwester war.
»Er erschien und verlangte sein Erbe.
»Mein Vater forderte nur die nöthige Zeit, um ihm Rechnung abzulegen; freilich theilte er mir zugleich mit, daß wir nach Herausgabe dieses Vermögens ganz arm seyn würden.
»Ich hielt diesen Augenblick für günstig und wagte einige Worte über den ehemaligen Freund, mit dem er gebrochen hatte; aber bei meinen ersten Worten schon blitzten seine Augen.
»Ich schwieg.
»Der Haß erneuerte sich bei ihm mit jedem neuen Schmerze.
»Ich konnte nicht daran denken, auf diesen Gegenstand je wieder zurückzukommen.
»In der Nacht nach diesem Tage konnte ich nicht schlafen und befand mich auf dem Balcon über dem Flusse. Das Gitter an diesem Fenster stand offen, denn mir war es als könne ich durch die Gitter hindurch nicht vollkommen frei athmen.
»Der geschmolzene Schnee hatte den Guadalquivir angeschwellt, der seine Fluten unter mir hinwälzte. Ich blickte auf den Himmel hinauf und schaute den Wolken nach, die der Wind vor sich hertrieb und zwanzigmal in einer Viertelstunde zu andern Gestaltungen formte, als ich plötzlich in dem Dunkel auf dem Flusse ein Boot mit einem einzigen Fischer herbeikommen sah. Ich trat zurück, um nicht gesehen zu werden, mit der Absicht aber, meinen Platz wieder einzunehmen, sobald der Fischer vorüber seyn würde, aber plötzlich erschien ein Schatten und ein Mann schwang sich auf den Balcon; ich schrie vor Schrecken laut auf, aber eine wohlbekannte Stimme antwortete mir:
»Ich bin es, Mercedes Still!«
»Er war es wirklich . . . Ich hätte wohl fliehen sollen, aber es kam mir gar nicht in den Sinn; ich sank halb ohnmächtig in seine Arme. Als ich wieder zu mir kam . . . ah, Sire, gehörte ich mir nicht mehr an.
»Der Unglückliche war nicht gekommen, um ein Verbrechen zu begehen; er war gekommen, um mich zum letzten Male zu sehen und mir Lebewohl zu sagen; er unternahm mit dem Genueser Columbus eine Entdeckungsreise. Er hatte mich von weitem schon auf dem Balcone gesehen, und mein Zurücktreten sein Erscheinen erleichtert. Niemals noch hatte er,das Gitter vor dem Fenster offen gesunden; zum ersten Male betrat er mein Zimmer.
»Er erneuerte seine dringenden Bitten, um mich zu bestimmen ihm zu folgen; wenn ich ihn auf dem abenteuerlichen Unternehmen begleiten wollte, dem er sich anzuschließen entschlossen war, versprach er Columbus zu vermögen mich in Männerkleidern aufzunehmen; wenn ich irgend einen Ort vorziehe, so sey ihm alles recht, sobald ich nur bei ihm bleibe. Er sey reich, sagte er, unabhängig, wir liebten einander, wir würden überall glücklich seyn.
»Ich schlug es ab.
»Vor Tagesanbruch entfernte er sich. Wir sagten einander Lebewohl auf immer, wir glaubten wenigstens einander nicht wieder zu sehen. Er wollte sich zu Columbus begeben, der im nächsten Monate in See zu gehen gedachte.
»Bald bemerkte ich, daß wir vollständig unglücklich waren: ich fühlte, daß ich Mutter werden solle.
»Ich meldete ihm schriftlich diese traurige Nachricht, wünschte und fürchtete zugleich, daß er bereits abgereiset sey und wartete in Einsamkeit und Thränen was Gott über mich beschließen werde.
»Einst in der Nacht, als ich glaubte, er schwimme mit Columbus schon der unbekannten Welt zu, weil ich keine Antwort von ihm erhalten hatte, vernahm ich unter meinem Fenster das Zeichen, das mir seine Anwesenheit meldete.
»Ich glaubte mich getäuscht zu haben und harrte zitternd des Weiteren.
»Das Zeichen wurde wiederholt.
»Ich gestehe, daß ich in unaussprechlicher Freude nach dem Fenster eilte und dasselbe öffnete.
»Er befand sich unten in dem Boote und streckte mit die Arme entgegen. Die Abfahrt des Columbus war verzögert worden und der Geliebte hatte einen Theil Spaniens durchreiset, um mich zum letzten Male zu sehen oder mich mit sich zu nehmen.
»Ach, gerade unser Unglück steigerte seine Hoffnung, daß ich einwilligen würde ihm zu folgen.
»Ich widerstand auch diesmal. – Ich war der letzte Trost, die einzige Gefährtin meines Vaters, der arm geworden. Ich hatte mir vorgenommen ihm alles zu gestehen, mich seinem Zorne auszusetzen, aber nicht ihn zu verlassen.
»Ach, Sire, es war dies eine schreckliche Nacht, die allein dadurch erträglich wurde, daß sie sich nicht erneuern konnte.
»Die Abfahrt des Columbus sollte am dritten August erfolgen. Nur durch ein Wunder von Schnelligkeit war der Geliebte zu mir gelangt, nur durch ein neues Wunder konnte er zu rechter Zeit zurückkehren.
»Ach, Sire, ich kann es Euch nicht sagen, wie er mich diese Nacht über mit Bitten und Veschwörungen bestürmte. Zwanzig Mal stieg er in sein Boot hinab und kam wieder auf den Balcon herauf; das letzte Mal umfaßte er mich mit seinen Armen und wollte mich mit Gewalt fortziehen. Ich schrie, ich rief. Man hörte, daß Jemand aufstand und zu mir kam; er mußte nun fliehen, oder sich entdecken lassen.
»Er sprang zum letzten Male in sein Boot, ich aber sank ohnmächtig nieder, als sein Herz von meinem Herzen sich losriß.
»Am Boden, in Ohnmacht, fand mich Beatrix.«
Fast so gewaltig erschüttert, ebenfalls fast ohnmächtig wie in jener schrecklichen Nacht, rang Mercedes die Hände, schluchzte laut und sank auf den Stuhl zurück, obgleich sie noch immer auf den Knieen lag.
»Sammelt Euch, Señora,« sagte Don Carlos ernst und kalt; »ich habe die ganze Nacht Zeit Euch anzuhören.«
Zehntes Capitel.
Die Beichte.
(Fortsetzung.)
Es folgte eine kurze Pause, in welcher matt nur das Schluchzen der Dona Mercedes hörte. Don Carlos stand so unbeweglich da, daß man ihn hätte für eine Bildsäule halten können und beherrschte sich so vollkommen, daß man ihn nicht einmal athmen hörte.
»Er entfernte sich,« stammelte Mercedes.
Und mit diesen Worten schien ihre Seele entweichen zu wollen.
»Drei Tage darauf,« fuhr sie fort, »kam der Freund meines Vaters, Don Francisco de Torillas.
»Er bat ihn um eine geheime Unterredung, da er, wie er sagte, über eine Sache von der größten Wichtigkeit sich mit ihm zu berathen habe.
»Die beiden Männer schlossen sich ein und mein Vater verbot jede Störung.
»Don Francisco war gekommen, um in seinem und seines Sohnes Namen meinen Vater um meine Hand zu bitten.
»Sein Sohn liebe mich sehr und habe ihm erklärt, er könne ohne mich nicht leben.
»Meinen; Vater konnte nichts glücklicher machen als diese Eröffnung.
»Nur ein Bedenken hegte er.
»Kennst Du den Zustand meines Vermögens?« fragte er seinen Freund.
»Nein, aber auf das Vermögen kommt nichts an.«
»Ich bin völlig verarmt,« fuhr mein Vater fort.
»Um so besser,« antwortete sein Freund.
»Wie so um so besser?«
»Ich bin reich für Dich und für mich, und so hoch Du auch den Schatz halten magst, den Du uns gibst, ich kann ihn bezahlen.«
»Mein Vater reichte Don Francisco die Hand und sagte: »Ich ermächtige Don Ruiz sich meiner Tochter vorzustellen; bringt er die Einwilligung der Mercedes, so gehört ihm das Mädchen.«
»Ich hatte drei schreckliche Tage verbracht. Mein Vater, welcher die Ursache meines Leidens nicht ahnte, hatte jeden Tag sich nach meinem Befinden erkundigt.
»Zehn Minuten nach dem Fortgange Don Francisco’s war er wieder bei mir und erzählte mir was geschehen war.
»Eine Viertelstunde vorher hätte ich es für unmöglich gehalten, daß mein Unglück noch größer werde; jetzt erkannte ich, daß ich mich geirrt.
»Als mein Vater mich verließ, kündigte er mir für den nächsten Tag den Besuch des Don Ruiz an.
»Ich hatte nicht den Muth gehabt, in seiner Gegenwart ihm zu antworten; als er fort war, sank ich wie vernichtet zusammen.
»Allmälig jedoch erholte ich mich und konnte meine Lage überblicken, die mir als ein Gespenst der Zukunft erschien.
»Das schrecklichste dabei war, daß ich mein Geheimniß in mir verschließen mußte. Ach, hätte ich es irgend Jemanden anvertrauen können, ich glaube, ich würde weniger gelitten haben.
»Die Nacht kam. Ich schickte Beatrix fort, wie sehr sie auch bat, bei mir bleiben zu dürfen.
»In der Einsamkeit hatte ich wenigstens Thränen.
»Ach, Sire, sie flossen reichlich diese Thränen, die längst schon hätten versiegt seyn müssen, wenn Gott der Herr nicht so barmherzig wäre, ihre Quelle nie vertrocknen zu lassen.
»Sobald die Nacht auf die Erde herabgesunken war und Stille sich verbreitet hatte, stellte ich mich auf den Balcon, wo ich so glücklich und so unglücklich gewesen war.
»Es war mir, als müsse er kommen.
»Ach, nie hatte ich ihn so aus tiefster Tiefe meines Herzens sehnsüchtig herbeigewünscht.
»Wäre es diesmal gekommen, diesmal würde ich seinen Bitten, ihm zu folgen, nicht widerstanden haben; wohin er mich hätte führen wollen, ich wäre mit ihm gegangen.
»Es erschien ein Boot; ein Mann ruderte singend den Fluß hinaus.
»Es war nicht seine Stimme; er würde still gekommen seyn; gleichwohl gab ich mich der süßen Hoffnung hin, ich breitete meine Arme aus und rief: »Komm! komm! Komm!«
»Das Boot schwamm vorüber. Ohne Zweifel begriff der Fischer die Stimme nicht, die im Dunkel ihn rief, das Mädchen nicht, das in der Finsterniß sich mit ausgebreiteten Armen zu ihm neigte.
»Wohl aber ahnte er, daß irgend ein Schmerz wach sey in der Nacht, denn ehe er an mein Fenster gelangte, stellte er seinen Gesang ein und erst als er vorüber war, setzte er ihn fort.
»Das Boot verschwand; ich blieb allein; um mich her breitete sich die belebte Stille aus, in welcher man das Athmen der Natur zu hören glaubt.
»Im Wasser spiegelte sich der Sternenhimmel; ich schwebte gleichsam mitten in der Luft; diese Leere zog mich lockend an und erregte eine Art Schwindel in mir. Ich war so unglücklich, daß ich an das Sterben dachte. Von dem Gedanken bis zur Ausführung ist nur ein Schritt und – er war so leicht; drei Fuß unter mir erwartete mich der Tod mit offenen Armen.
»Ich fühlte bereits, daß mein Kopf sich nach vorne neige, daß mein Körper sich über den Balcon beuge, daß meine Füße sogar bereits den festen Boden verließen.
»Da dachte ich plötzlich an mein Kind.
»Gab ich mir den Tod, so beging ich nicht nur einen Selbstmord, sondern einen Mord an einem andern Wesen.
»Ich hielt mich an dem Balcone fest, ich trat zurück, ich schloß das Gitterfenster und warf den Schlüssel in den Fluß, um nicht etwa einer verzweiflungsvollen Versuchung zu unterliegen, und begab mich rücklings zu meinem Bette.
»Die Stunden vergingen, so langsam sie auch, so schmerzenreich sie waren.
»Ich sah den Morgen dämmert; ich hörte allmälig alle Stimmen des Tages erwachen. Beatrix öffnete meine Thür und trat herein.
»Das alltägliche Leben begann wiederum.
»Um elf Uhr Vormittags meldete mir Beatrix Don Ruiz.
»Er kam im Auftrage meines Vaters.
»Mein Entschluß stand fest; ich ließ ihn eintreten.
»Er sah schüchtern und doch hoffnungstrahlend aus.
»Mein Vater hatte ihm gesagt, er zweifle ganz und gar nicht, daß sein Antrag werde günstig aufgenommen werden.
»Als aber seine Blicke mich bemerkten, als er mich so bleich und kalt sah, begann er ebenfalls zu zittern und zu erblassen.
»Ich erhob die Augen zu ihm und wartete.
»Die Stimme versagte ihm, er begann zweimal mir zu sagen, was ihn zu mit führe.
»In dem Maße wie er weiter sprach, erkannte er, daß seine Worte an der Diamantmauer zerschellten, die mein Herz umhüllte.
»Endlich sagte er, daß er mich seit langer Zeit liebe, daß unsere Verheirathung zwischen meinem und seinem Vater verabredet sey und daß nur noch meine Zustimmung fehle, um ihn zu dem glücklichsten Menschen in der Welt zu machen.
»Señor,« antwortete ich ihm mit fester Stimme, denn meine Antwort war schon seit langer Zeit vorbereitet, »ich kann die Ehre nicht annehmen, die Ihr mir erzeigen wollen.«
»Er erbleichte noch mehr.
»Mein Gott, warum nicht?« fragte er.
»Ich liebe einen Andern und nach sieben Monaten werde ich Mutter seyn.«
»Er wankte und wäre beinahe gefallen.
»Es lag etwas Verzweiflungsvolles in dem Geständnisse, das ich einem Manne machte, den ich kaum fünf- oder sechsmal gesehen hatte und den ich nicht einmal um Geheimhaltung ersuchte, als verstehe sich das von selbst, weil ich ganz seiner Ehrenhaftigkeit vertraue.
»Er verbeugte sich vor mir, küßte den Saum meines Kleides und ging hinweg, ohne etwas Anderes zu sagen, als die Worte: »Gott schütze Euch!«
»Ich war wiederum allein.
»Jeden Augenblick erwartete ich meinen Vater erscheinen zu sehen und ich zitterte bei dem Gedanken, ihm eine Erklärung geben zu müssen, aber zu meinem großen Erstaunen erwähnte er nichts.
»Zur Mittagszeit ließ ich ihm sagen, er möge mir erlauben, in meinem Zimmer zu essen, da ich etwas unwohl sey.
»Die Erlaubniß wurde mir ohne Weigern ertheilt.
»Es vergingen drei Tage.
»Am dritten Tage meldete mir Beatrix, wie sie es schon einmal gethan hatte, Don Ruiz.
»Wie das erste Mal befahl ich ihn eintreten zu lassen. Die Art, wie er mich nach unserer letzten Unterredung verlassen, hatte einen tiefen Eindruck auf mich gemacht; es lag etwas Erhabenes in der Schonung, welche er einem armen gefallenen Mädchen geschenkt hatte.
»Er trat ein und blieb an der Thür stehen.
»Tretet näher, Don Ruiz,« sagte ich zu ihm.
»Mein Erscheinen setzt Euch in Verwunderung und ist Euch lästig?« fragte er.
»Weder das Eine noch das Andere,« antwortete ich, »denn ich fühle, daß ich in Euch einen Freund habe.«
»Ihr irrt darin auch nicht,« sagte er dagegen, »und doch hätte ich Euch gern meinen Anblick erspart, wenn derselbe nicht nöthig gewesen wäre zu eurer Ruhe.«
»Erklärt mir das, Señor Don Ruiz.«
»Ich konnte eurem Vater nicht sagen, Ihr hättet mein Anerbieten zurückgewiesen, denn er würde von Euch eine Erklärung verlangt haben und Ihr würdet die Erklärung, die Ihr mir gegeben, ihm vorbehalten haben, nicht wahr?«
»Ganz gewiß; lieber würde ich sterben.«
»Ihr sehet also ein, daß ich handeln mußte, wie ich gethan.«
»Und was habt Ihr gethan?«
»Ich sagte, Ihr hättet um einige Tage Bedenkzeit gebeten und wünschtet diese Tage in stillem Nachdenken zu verbringen.«
»So verdanke ich Euch meine Rahe?«
»Er verbeugte sich.
»Indeß kommt alles darauf an,« fuhr er fort, »ob Ihr mich wahrhaft für euren Freund haltet.«
»Ich reichte ihm die Hand.
»Ja, ja, für meinen wahren Freund, glaube ich,« antwortete ich.
»In diesem Falle antwortet mir eben so bestimmt und ohne Zögern wie das erste Mal.«
»Fragt.«
»Habt Ihr Hoffnung die Gattin dessen zu werden, den Ihr liebt?«
»Das ist unmöglich.«
»So ist er todt?« fragte Don Ruiz.
»Er lebt.«
»Ein Blitz der Freude, der in seinen Augen geleuchtet hatte, erlosch wieder.
»Weiter wollte ich nichts wissen,« sagte er.
»Er verbeugte sich von neuem und ging seufzend hinweg.
»Wiederum vergingen drei Tage.
»In diesen drei Tagen verließ ich mein Zimmer nicht und außer Beatrix kam Niemand in dasselbe, nicht einmal mein Vater.
»Am vierten Tage ließ Don Ruiz sich von neuem anmelden.
»Ich erwartete ihn fast; ich fürchtete seinen Anblick nicht mehr; er war mein einziger Vertrauter und ich fühlte wohl, daß er die Wahrheit gesagt, als er mich versichert, er sey in aller Aufrichtigkeit mein Freund.
»Er trat ehrerbietig ein wie gewöhnlich und erst auf meinen Wink kam er näher zu mir heran.
»Ich reichte ihm die Hand, die er ergriff und leise mit seinen Lippen berührte.
»Nach einer kurzen Pause, in welcher er sein Auge mit inniger Theilnahme auf mir ruhen ließ, sagte er:
»Ich habe keinen Augenblick aufgehört über eure Lage nachzudenken; sie ist allerdings schrecklich.«
»Ich seufzte.
»Wir können eure Antwort nicht auf immer hinausschieben, wie bereitwillig ich auch bin Euch zu dienen.«
»Leider!« sagte ich.
»Ich würde gern sagen, ich selbst ziehe meine Bewerbung zurück; recht gern würde ich die Schande auf mich nehmen und die Leute glauben lassen, die Verarmung eures Vaters habe meine Gesinnungen gegen Euch abgekühlt; aber was würde Euch das nützen? Es brächte Euch einen Aufschub von zwei oder drei Monaten.«
Ich brach in Thränen aus, denn alles was er sagte war leider nur zu wahr.
»Früher oder später,« fuhr er fort, »muß euer Vater euern Zustand erfahren, muß die Welt ihn kennen lernen und dann . . .« leiser schloß er: »dann seyd Ihr entehrt.«
»Aber was soll ich thun?« fragte ich in Verzweiflung.
»Einen Mann heirathen, der Euch so ergeben ist, um vor den Augen der Welt euer Gatte, Euch gegenüber nur ein Bruder zu seyn.«
Ich schüttelte den Kopf und flüsterte:
»Wo könnte ich einen solchen Mann finden?«
»Ich wollte ihn Euch darbringen, Mercedes; habe ich Euch nicht gesagt, daß ich Euch liebe?«
»Ihr liebt mich, aber . . .«
»Wenn ich liebe, Mercedes, liebe ich mit allem mächtigen Gefühle nicht nur des Herzens, sondern der ganzen Seele und zu diesem Gefühle gehört auch die Hingebung und Aufopferung.«
Ich richtete den Kopf empor und trat fast entsetzt zurück.
Ich konnte mir nicht denken, daß die Aufopferung so weit gehen könne.
»Ich werde euer Bruder seyn, wiederholte er, »aber euer Kind soll das meinige seyn und darauf gebe ich Euch mein Edelmannswort – niemals soll zwischen uns darüber ein Wort gewechselt werden.«
Ich sah ihn zweifelnd und zögernd an.
»Ist das nicht besser?« fragte er, »als daß Ihr Euch von diesem Fenster aus hinunter in den Fluß stürzet, der an eurem Hause hinfließt?«
Ich stand einen Augenblick stumm da, dann sank ich auf meine Knie nieder.
»Mein Bruder,« sagte ich, »habt Mitleid mit eurer Frau und rettet die Ehre meines Vaters!«
Er hob mich auf, küßte mir die Hand und ging hinaus.
Vierzehn Tage nachher war ich die Gattin des Don Ruiz.
Don Ruiz hatte sein Wort redlich gehalten, aber die Natur versagte dieser Täuschung die Mitwirkung und obgleich Don Ruiz für Don Fernand stets väterlich gesorgt, hat doch Don Fernand gegen ihn niemals kindliche Liebe empfunden.
»Nun wisset Ihr Alles.«
»Bis auf den Namen des wirklichen Vaters,« sagte der König; »diesen werdet Ihr mir noch nennen.«
»Don Inigo Velasco,« stammelte Mercedes mit niedergeschlagenen Augen.
»Nun weiß ich was ich wissen wollte,« sagte der König.
Ernst und finster ging er hinweg, ließ die Frau auf den Knieen liegen und murmelte:
»Ich wußte es wohl, es ist nicht möglich, daß ein Sohn seinen Vater in das Angesicht schlage.«