Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 2
Drittes Capitel.
Don Inigo Velasco de Haro
Da sich das schöne Mädchen mit der Ziege in einem Thaleinschnitte befand, so konnte sie den jungen Herrn in die Venta nicht hinein und nicht wieder herausreiten sehen, aber mit Aufmerksamkeit schien sie aufzuhorchen, ob nicht ein Geräusch von dem was geschehe zu ihr gelange. Mehrmals schlug sie die schönen Augen fragend nach dem Himmel auf und sie schien sich zu wundern, daß dem Erscheinen des jungen schönen reichen Herrn kein außerordentliches Ereigniß folge.
Da sie ihren Platz nicht verlassen und das Gespräch des Reisenden mit dem Wirthe nicht gehört hatte, so wußte sie natürlich nicht, welchem ganz selbstsüchtigen Umstande von Seiten der Freunde der Venta der Liebesbote der schönen Dona Flor sein Entkommen verdankte.
In dem Augenblicke übrigens, als Don Ramiro d’Avila alle Vorbereitungen getroffen hatte, die Venta »zum Maurenkönige« zur Aufnahme des Don Inigo Velasco und dessen Tochter würdig zu machen, aus dem Hofe sprengte und seinen Weg nach Granada fortsetzte, zeigte sich den Augen der Zigeunerin der Vortrab der Carawane, die der elegante Reisemarschall angekündigt hatte.
Diese Carawane zerfiel in drei gesonderte Haufen.
Der erste, welcher den Vortrab bildete und wie gesagt, am westlichen Abhange des Berges sich zu zeigen begann, bestand aus einem einzigen Manne, der zur Dienerschaft des Don Inigo Velasco gehörte. Wie aber die Campieri Siciliens, die in Friedenszeiten Diener sind, in der Stunde der Gefahr Krieger werden, so trug auch dieser Mann in einem Anzuge, der halb militärisch, halb Livrée war, ein langes Schwert an der Seite, saß kerzengerade auf dem Pferde und seine Flinte mit der brennenden Lunte, die er auf das Knie gelegt hatte, ließ keinen Zweifel über, daß die Carawane im Falle des Angriffs sich vertheidigen wolle.
Das Hauptcorps, welches etwa dreißig Schritte hinter ihm folgte, bestand aus einem Manne von sechzig bis fünfundsechszig Jahren und einem Mädchen von sechzehn oder achtzehn.
In gleicher Entfernung hinter ihnen kam der Nachtrab, bestehend aus zwei Dienern mit dem Schwert an der Seite und der rauchenden Luntenflinte auf dem Knie.
Im Ganzen also fünf Personen.
Da die Dienerschaft nur eine untergeordnete Rolle in; dieser Geschichte zu spielen hat, während dem Vater und der Tochter die Hauptrollen zufallen, wird man uns erlauben, die Herren Nuñez, Camacho und Torribio weiter nicht zu beachten, unsere Aufmerksamkeit dagegen ausschließlich dem Don Inigo Velasco de Haro und der Dona Flor, seiner Tochter, zuzuwenden.
Don Inigo Velasco war, wie gesagt, sechzig bis fünfundsechzig Jahre alt, doch sah er körperlich noch jung aus, so daß man ihn einen Greis nicht wohl nennen konnte.
Sein kaum ergrauender Bart, sein nur leicht mit Winterschnee bedecktes Haar, das er nach der Mode Philipps des Schönen und Ferdinands des Katholischen lang trug, zeigten höchstens ein Alter von fünfzig oder fünfundfünfzig Jahren.
Gleichwohl hatte ihn das Unglück betroffen, wie alle, die eine ruhmreiche Jugend gehabt, daß er sein Alter nicht verbergen konnte, weil er mehr als einmal und zu verschiedenen Zeiten seine Spur tief in die Geschichte seines Vaterlandes eingedrückt hatte. Als Erbe eines der berühmtesten Namen und einer der reichsten Familien Ostindiens, gedrängt zur Luft von Abenteuern durch die Liebe zu einem Mädchen, das er nicht heirathen konnte, weil der Vater der Dona Mercedes da Mendo – so hieß diese Königin der Schönheit – der Feind des seinigen war und Beide einander ewigen Haß geschworen hatten, hatte Don Inigo Velasco in seinem dreißigsten Jahre die Theorien und Pläne des Christoph Columbus unterstützt, denn sein Lehrer war der Pater Marchena gewesen, einer der ersten Geistlichen, die aus die Gefahr hin mit der heiligen Schrift in Widerspruch zu gerathen, nach der Darlegung jenes genuesischen Seefahrers zugaben, daß die Erde doch wohl rund seyn könne.
Man weiß, was am Hofe der katholischen Könige der geniale Mann leiden mußte, den die mindest Uebelwollenden der Räthe Isabella’s und Ferdinands als Wahnwitzigen und Träumer behandelten, als er seiner Heimat Genua vergebens seinen Plan vorgelegt hatte, durch eine Fahrt nach Westen das Reich Cathays wiederzufinden, das sein Vorgänger Marco Polo bemerklich gemacht, als er von Juan II. abgewiesen war, der insgeheim durch einen Schiffer die Unternehmung versuchen ließ, die man öffentlich als unsinnig behandeln, und endlich bei dem Könige Ferdinand von Aragonien und der Königin Isabella von Castilien erschien, um Spanien nicht eine Stadt, nicht eine Provinz, nicht ein Land, sondern eine Welt anzubieten.
Acht Jahre vergingen mit fruchtlosen Schritten und Bitten.
Zum Glück für den großen Genuesen fügte es die Vorsehung, daß in dem Augenblicke, als Christoph Columbus seine Fahrt unternehmen wollte, in dem Augenblicke als das Reich der Kalifen in Spanien mit seiner letzten Schutzwehr fiel, sich der Neffe einer der geliebtesten Freundinnen der Könige auf das Leidenschaftlichste in ein Mädchen verliebte, obgleich er nicht die geringste Hoffnung hatte sie zu heirathen.
Kleine Ursachen, große Wirkungen.
Mag uns die Liebe vergeben, daß wir sie unter die kleinen Ursachen zählen.
Die Ursache, ob klein oder groß, hatte eine unermeßliche Wirkung.
Den Namen des Neffen kennen wir bereits; es war Don Inigo Velasco Graf von Haro.
Die Tante war Beatrice, Marchesa de Moya, und die Königin hatte keine liebere Freundin, keine innigere Vertraute.
Velasco nun hatte den festen Vorsatz gefaßt seinem Leben ein Ende zu machen und er wurde nur darum nicht, zehnmal getödtet, weil der Tod vor ihm zurückwich wie vor allen entschlossenen Herzen. In den Kriegen, welche die katholischen Könige gegen die Mauren führten, hatte er stets in der vordersten Reihe gekämpft; er war bei der Erstürmung der Festen Ilosa und Moclin gewesen, jener so wichtigen Bürgen der königlichen Stadt, die matt die Augen Granadas genannt; er hatte sich bei der Belagerung von Velez befunden, als der Zagal Abdallah dieselbe aufzuheben versuchte und mit ungeheuerem Verluste zurückgeschlagen wurde; er war bei der Einnahme von Gibaltar gewesen, als die Stadt Ibrahims mit Sturm genommen und geplündert wurde; er hatte sich endlich unter den Mauern der Hauptstadt Boabdils befunden, als die katholischen Könige, nachdem sie eine Stadt des Reiches nach der andern genommen, die belagerte Stadt mit einer neuen Stadt einschlossen, mit Häusern, Kirchen und Wäldern, die sie Santa Fe nannten zum Zeichen ihrer Hoffnung und ihres Gelübdes, die Belagerung Granada‘s nicht aufzugeben, bevor Granada sich ergeben.
Granada ergab sich am 25. November 1491, im Jahre 897 der Hedschira, am 22. Tage des Mondes Moharrem.
Für Columbus, der seit acht Jahren wartete, war dies der Augenblick, sein Gesuch zu erneuern. Der König Ferdinand und die Königin Isabella hatten das Werk vollendet, das war vor sieben Jahrhunderten begonnen worden.
Die Ungläubigen waren in Spanien überwunden.
Columbus gab als Hauptzweck seiner Unternehmung die Belehrung der Ungläubigen in der Neuen Welt an.
Um diesen Zweck zu erreichen, verlangte er nur hundert Mann und dreitausend Kronenthaler.
Neben dem religiösen Zwecke machte er als auf das materielle Resultat, auf unerschöpfliche Goldlager und unschätzbare Diamantengruben aufmerksam. Was also konnte den habsüchtigen Ferdinand und die fromme Isabella abhalten ein Unternehmen zu wagen, das in weltlicher und kirchlicher Hinsicht aller Berechnung nach eine glückliche Speculation seyn müßte, sobald das Daseyn jener unbekannten Welt gegeben war?
Wir wollen es sagen, was sie abhielt.
Christoph Columbus, der gleich im voraus die Belohnung nach der Größe des Dienstes bemaß, verlangte den Rang eines Admirals der spanischen Flotte, den Titel eines Vicekönigs aller Länder, die er entdecken würde, den zehnten Theil des Gewinnes von dem Unternehmen und die Vererbung der ihm ertheilten Würden auf seine männlichen Nachkommen.
Diese Forderungen erschienen um so übertriebener, als Christoph Columbus, obwohl er von einer der angesehensten Familien Piacenzas abstammen wollte, obwohl er der Königin Isabella schrieb, er würde nicht der erste Admiral in seiner Familie seyn, wenn er zum Admiral ernannt würde, keinen Nachweis über seinen Adel hatte beibringen können und am Hofe sich das Gerücht verbreitete, er sey nichts als der Sohn eines Webers in Logoreo oder Nervi.
Seine Forderungen hatten demnach den Unwillen des Erzbischofs von Granada, Ferdinand von Talavera, errregt, der von den katholischen Majestäten beauftragt worden war, den Antrag des genuesischen Schiffers zu prüfen, wie man am Hofe Christoph Columbus allgemein nannte.
Namentlich dieser zehnte Theil des Gewinnes, welcher genau der Abgabe gleichkam, welche die Kirche unter dem Namen des Zehent erhob, verletzte das Gewissen des Don Ferdinand von Talavera.
Der arme Christoph Columbus hatte Unglück, denn seine drei anderen Forderungen: zum Range eines Admirals erhoben zu werden, den Titel eines Vicekönigs zu erhalten und diesen Titel wie in einer königlichen oder fürstlichen Familie zu vererben, verletzten den Stolz Ferdinands und Isabella’s, da die Herrscher damals noch nicht daran gewöhnt waren, einen Privatmann als ihres Gleichen zu behandeln, und Columbus, so arm und unbekannt er war, so stolz sprach, als trage er auf seinem Haupte bereits die doppelte goldene Krone Guacanagaris und Montezumas!
Die Folge davon war gewesen, daß nach einer lebhaften Erörterung in dem geheimen Rathe, in welchem Columbus nur zwei Vertheidiger hatte, Don Luys de San-Angel, den Einnehmer der Kirchenabgaben von Aragonien und Don Alonso de Qiuntatille, den Finanzdirector Castiliens, der Antrag definitiv verworfen wurde, zur großen Befriedigung Ferdinands, des Mannes des Zweifels, und zur großen Betrübniß der Königin Isabella, der Frau der Poesie und des Glaubens.
Die Feinde des Christoph Columbus, und er hatte; deren viele am Hofe, hielten die Entscheidung für unwiderruflich und glaubten für immer von dem lächerlichen Träumer befreit zu seyn, neben dessen versprochenen Diensten alle bereits geleisteten klein und unbedeutend erscheinen mußten.
Aber sie hatten ohne Don Inigo de Velasco und ohne dessen Tante, die Marquise Beatrice von Moya gerechnet.
Am Tage nach dem, an welchem die Ablehnung der katholischen Majestät dem Columbus durch den Erzbischof Don Ferdinand von Talavera mitgetheilt worden war, trat Dona Beatrice in das Betgemach der Königin und bat die selbe mit merklich bewegter Stimme um eine Audienz für ihren Neffen.
Isabella staunte über das verlegene Aussehen ihrer Freundin und sah sie einen Augenblick an, dann fragte sie mit jenem sanften Tone, der ihr den Vertrauten gegenüber gewöhnlich war:
»Was sagst Du, meine Tochter?«
»Meine Tochter« war eine freundschaftliche Benennung, welche sie meist ihren besonderen Freundinnen gab, ohne sie jedoch sehr zu verschwenden.
»Ich sage Ew. Hoheit, mein Neffe, Don Inigo Velasco, habe die Ehre Euch um eine Abschiedsaudienz zu bittend.«
»Don Inigo Velasco?« wiederholte Isabella, die sich offenbar auf die Person zu besinnen suchte. »Ist er nicht der junge Capitän, der sich in unserem letzten Kriege bei der Erstürmung von Ilosa und Moclin, bei der Belagerung von Velez, bei der Einnahme von Gibalfaro und sonst noch auszeichnete?«
»Er ist‘s,« entgegnete Dona Beatrice erfreut und stolz darauf, daß der Name ihres Neffen solche Erinnerungen, in dem Herzen der Königin weckte. »Ja, ja, Hoheit, er ist‘s.«
»Und er reiset fort?« fragte Isabella.
»Ja, Hoheit.«
»Eine lange Reise?«
»Ich fürchte es.«
»Verläßt er Spanien?«
»Ich glaube es. Er sagt, er habe im Dienste Ew. Hoheit nichts mehr zu thun.
»Wohin geht er?«
»Die Königin wird ihm gnädig erlauben, selbst darauf zu antworten.«
»Sage ihm, er möge eintreten.«
Während die Marquise, die ihren Neffen selbst einführen wollte, nach der Thür ging, setzte sich die Königin Isabella und nähte, mehr um die Hände zu beschäftigen, als um wirklich zu arbeiten, ein Fähnchen, das sie zu Ehren der Jungfrau stickte, deren Einflusse sie die glückliche Uebergabe Granada’s zuschrieb, welche bekanntlich auf Capitulation und ohne Blutvergießen erfolgt war.
Einen Augenblick darauf öffnete sich die Thür wieder, der junge Mann trat ein an der Hand der Dona Beatrice und einige Schritte von der Königin blieb er mit dem Hute in der Hand ehrerbietig stehen.
Viertes Capitel.
Isabella und Ferdinand
Don Inigo Velasco war zur Zeit der Einnahme von Granada ein schöner junger Mann von dreißig bis zweiunddreißig Jahren, mit großen schwarzen Augen und langem schwarzen Haar. Sein Gesicht trug einen tiefen Eindruck von jener Schwermuth, welche das Daseyn einer unglücklichen Liebe verräth und folglich jederzeit eine mächtige Empfehlung bei einer Frau ist, wäre diese Frau auch Königin.
Eine damals kaum geheilte Wunde, deren Narbe sich aber in den ersten Runzeln des Alters verloren hatte, zog über seine Stirn eine röthliche Furche und war ein Zeugniß davon, daß er die Mauren ganz in der Nähe angegriffen, deren krummer Säbel diese blutige Spur auf seiner Stirn zurückgelassen hatte.
Die Königin hatte zwar schon oftmals von ihm sprechen hören, als von einem schönen Manne wie als von einem schönen Krieger, erblickte aber Don Inigo das erste Mal und sah ihn mit der doppelten Theilnahme an, die zuerst dem Neffen ihrer besten Freundin, dann aber auch dem Ritter galt, welcher so tapfer für die Sache seines Gottes und seiner Fürsten gekämpft.
»Ihr seyd Don Inigo de Velasco?« fragte Isabella nach kurzer aufmerksamer Betrachtung, während welcher die tiefste Stille in dem Betgemach herrschte, wo sich indeß wohl zwölf Personen näher oder weiter von ihm entfernt, sitzend oder stehend befanden, je nach der Vertraulichkeit, mit welcher sie beehrt wurden, oder nach dem Range, den sie einnahmen.
»Ja, Hohet,« antwortete Don Inigo.
»Ich hielt Euch für einen rico hombre«.
»Der bin ich auch, Hoheit.«
»Warum bleibt Ihr dann nicht bedeckt vor uns?«
»Weil meine Ehrerbietung vor der Dame mir die Ausübung des Rechtes untersagt, an welches die Königin gnädig mich erinnert.«
Isabella lächelte und nannte ihn nun Du, wie es damals die Könige und Königinnen von Castilien thaten und noch jetzt thun, denen gegenüber, welche in unserer Zeit Granden von Spanien heißen und damals ricos hombres hießen.
»Du willst also reisen, Don Inigo?« fragte sie.
»Ja, Hoheit,« antwortete der junge Mann.
»Warum?«
Belasco schwieg.
»Es scheint mir doch,« fuhr Isabella fort, »als eigneten sich viele Stellen an meinem Hofe für einen jungen Mann deines Alters und einen Sieger von deinem Verdienste.«
»Ihr täuscht Euch über mein Alter, Hoheit,« antwortete Don Inigo, der traurig das Haupt schüttelte; »ich bin alt.«
»Du?« sagte die Königin erstaunt.
»Ja, denn wie viele Jahre man auch zählen mag, man ist alt, sobald man alle Illusionen verloren hat und den Namen Sieger, den Ihr mir wie einem Cid beizulegen die Gnade habt, würde ich bald verlieren, da Ihr nach der Uebergabe Granada‘s und dem Falle des letzten Maurenkönigs, Abul Abdallah, keine Feinde mehr in eurem Reiche zu besiegen habt.«
Der junge Mann sprach diese Worte in so tieftraurigem Tone, daß die Königin ihn verwundert ansah und Dona Beatrice, welcher ohne Zweifel der Liebeskummer ihres Neffen bekannt war, eine Thräne abwischte, die still über ihre Wange rann.
»Und wohin willst Du gehen?« fragte die Königin weiter.
»Nach Frankreich, Hoheit.«
Isabella runzelte leicht die Stirn.
»Hm Euch,« fuhr sie fort, ohne weiter Du zu sagen, »König Carl VIII. zur Hochzeit mit der Erbin der Bretagne geladen, oder Euch aufgefordert, Dienst in dem Heere zu nehmen, das er, wie man sagt, aufstellte, um Italien zu erobern?«
»Ich kenne den König Carl VIII. Nicht,« antwortete Don Inigo, »und welchen Antrag er mir auch machte, in seinem Heere zu dienen, ich würde ihn ablehnen, denn ich müßte sicherlich gegen meine vielgeliebte Souveränin dienen.«
»Und was treibt Dich nach Frankreich, wenn Du nicht einen Herrn suchen willst, der Dir besser zusage als wir?«
»Ich begleite einen Freund, den Ihr fortgetrieben habt.«
»Wer ist er?«
»Christoph Columbus, Hoheit.«
Es trat eine Pause ein, in welcher man das leichte Knarren der Thür zum Cabinet des Königs hörte, die halb geöffnet wurde.
»Gott verhüte es, wir haben euren Freund nicht fortgetrieben, Don Inigo,« entgegnete Isabella in einer Trauer, die sie nun nicht von sich abweisen konnte; »aber unser Rath hat die Bedingungen, welche der Genueser gestellt, für so übertrieben erklärt, daß wir sie nicht annehmen können, ohne gegen die Achtung zu verstoßen, die wir uns selbst und unsern beiden Kronen schuldig sind. Wenn euer Freund, Don Christobal, einige Nachgiebigkeit gezeigt hätte, würde die Ausführung eines Planes, dessen Mißlingen er sich selbst zuzuschreiben hat, durch den guten Willen des Königs Ferdinand und das Interesse, das ich daran nehme, leicht geworden seyn.«
Isabella schwieg und wartete auf die Antwort Don Inigo’s, aber dieser antwortete nicht.
»Abgesehen übrigens davon,« fuhr sie fort, »daß die Theorie des Genuesen über die runde Gestalt der Erde mit den Worten der heiligen Schrift nicht wohl übereinstimmt, wisset Ihr, daß die gelehrtesten Männer des Reiches Christoph Columbus als einen Träumer behandeln.«
»Lieber seinen Hoffnungen zu entsagen, als seiner Würde,« entgegnete der Neffe der Beatrice, »sieht einem Träumer nicht ähnlich. Columbus unterhandelt um ein Reich, das, wie er meint, zehnmal größer ist, als Spanien und seine Forderungen entsprechen dieser Größe. . . Ich begreife das.«
»Neffe!« flüsterte Beatrice.
»Sollte ich unwillkürlich gegen die der Königin gebührende Ehrfurcht gehandelt haben?« fragte Don Inigo; »das würde mich tief betrüben.«
»Nein, mein Kind, nein,« entgegnete Isabella lebhaft. Als sie einen Augenblick nachgedacht hatte, fragte sie Don Inigo: .
»Du meinst also, es liege etwa Ernsthaftes, Mögliches. Wirkliches den Träumen des Seefahrers zu Grunde?«
»Ich bin zu unwissend, um Ew. Hoheit im Namen der Wissenschaft darauf Antwort geben zu können, aber im Namen des Glaubens antworte ich: Die Ueberzeugung Christophs hat auch mich überzeugt und wie Ew. Hoheit das Gelübde thaten, Santa Fe nicht zu verlassen, bevor Granada erobert sey, so habe ich gelobt, Columbus nicht zu verlassen, bis er den Boden jener neuen Welt betreten, die Ew. Hoheit ausgeschlagen hat.«
»Aber,« sagte Isabella, welche zu scherzen versuchte, obgleich ihr die Worte des jungen Mannes, wenn nicht die Lust dazu, doch die Fähigkeit benommen hatten, »da Du so großen Glauben auf die Wissenschaft des Genuesen hast und er nur zwei Caravellen, hundert Matrosen und dreitausend Kronen für sein Unternehmen braucht, warum hast, Du nicht von deinem Vermögen, das dreimal so groß ist, die beiden Caravellen bauen lassen, die hundert Matrosen in Dienst genommen und die dreitausend Kronen vorgeschossen? Da Columbus in diesem Falle Niemanden Schuldner gewesen, hätte er König seines erträumten Reiches seyn und Dich zum Vicekönig ernennen können.«
»Ich habe es ihm angeboten, Hoheit,« antwortete Don Inigo ernst, »nicht in Hoffnung aus so hohen Lohn, denn ich bin nicht ehrgeizig, aber Columbus bat mein Anerbieten abgelehnt.«
»Columbus hat die Ausführung eines Planes abgelehnt, mit dem er sich seit zwanzig Jahren trägt?« fragte Isabella; »Kind, das werde ich Dir nie glauben.«
»Und doch ist es die Wahrheit, Hoheit,« antwortete Don Inigo mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung.
»Und welchen Grund gab er bei seiner Ablehnung an?«
»Er sagte, zur Weihe eines solchen Unternehmens gehöre der Name und der Schutz eines großen Königs und da er es nicht unter der portugiesischen, nicht unter der spanischen Flagge ausführen könne, wolle er versuchen, ob es Carl VIII. unter den Schutz der drei Lilien Frankreichs stellen wolle.«
»Der Genuese ist nach Frankreich gereist? Der Genuese will seinen Plan dem Könige Carl VIII. vorlegen? Wisset Ihr das gewiß, Señor Inigo?« fragte Ferdinand von Aragonien, der plötzlich hereintrat und sich in das Gespräch mischte, aus das er seit einigen Augenblicken gehört hatte.
Alle Anwesenden drehten sich bei diesem unerwarteten Eintreten um und gaben ihre Ueberraschung wenigstens durch eine Geberde zu erkennen.
Nur Don Inigo, als habe er die Bewegung der Thür gehört und geahnt wer sie öffne, äußerte nur Ehrerbietung, indem er sich vor dem König verbeugte, wie vorher vor der Königin. Nun setzte er seinen Hut auf, als wolle er das ihm zustehende Recht üben, bedeckt vor dem Könige von Aragonien zu bleiben. Fast in demselben Augenblicke jedoch nahm er ihn wiederum ab, indem er sich gegen Isabella wendete von der, als seiner alleinigen Souveränin, er seine Entlassung zu erwarten schien.
Diese bebte übrigens vor Freude als sie sah, wie begierig der sonst so gelassene Ferdinand die für Spanien so demüthigende Nachricht anhörte, Columbus wolle die Gunst – und den Schutz eines andern Fürsten suchen.
Da Don Inigo auf die Frage Ferdinands nicht antwortete, so sagte sie zu dem jungen Manne:
»Hörst Du, was der König von Aragonien fragt? Er fragt Dich, ob es wahr sey, daß der Genuese nach Frankreich abgereist und ob er wirklich dem König Carl VIII. seine Dienste anbieten wolle.
»Ich habe diesen Morgen Christoph Columbus an dem Thore von Bara verlassen, Hoheit; er schlug den Weg nach der Küste ein, um in Alicante, in Valencia oder Barcellona eine Gelegenheit zu suchen nach der Provence zu fahren.«
»Und dann?« fragte Ferdinand.
»Dann, Sire,« antwortete Don Inigo, »dann kam ich hierher, um die Königin um die Erlaubniß zu bitten dem großen Manne zu folgen, mich mit ihm einzuschiffen und sein gutes oder böses Geschick zu theilen.«
»Du wolltest Dich also zu ihm begeben?«
»Sobald ich die Erlaubniß meiner gnädigen Königin erhalten,« antwortete Don Inigo.
»Er verläßt uns wahrscheinlich betrübt über den schlechten Erfolg seines Gesuches.«
»Er verläßt Spanien mit stolz erhobenem Haupt und heiterem Gesicht, Hoheit, denn wenn auch Bedauern und getäuschte Erwartung auf seinem Herzen ruhen, ist sein Herz doch groß genug, diese doppelte Last zu tragen.«
Ferdinand schwieg einen Augenblick vor dieser stolzen Antwort, dann strich er mit der Hand über die nachdenklich gewordene Stirn und flüsterte seufzend:
»Ich fürchte, meine Räthe sind mit ihrer abweisenden Antwort gegen diesen Mann zu voreilig gewesen; was sagt Ihr, Señora?«
Gleich bei den ersten Worten, welche der König gesprochen hatte, war Isabella aufgestanden und zu ihm gegangen. Mit gefaltenen Händen sagte sie:
»Herr, ich habe mich dem Beschlusse des Rathes unterworfen, weil ich glaubte, dieser Beschluß sey von Euch ausgegangen; wenn ich mich aber täuschte, wenn Ihr noch einigen Antheil an dem Manne nehmt, der solche Hingabe erwecken kann und solche Begeisterung erregt, so solltet Ihr nur eurem Geiste und eurer Hochherzigkeit folgen.«
»Glaubt Ihr, Don Inigo,« fragte Ferdinand und jedes Wort fiel wie ein Tropfen eiskalten Wassers auf Isabellens Herz, »glaubt Ihr, daß Columbus, angenommen er entdecke das gesuchte Land, in demselben so viel Gewürze, Edelsteine und Gold finden würde, um die ungeheuern Kosten einer solchen Unternehmung zu decken?«
Isabella trat der Schweiß auf die Stirn; sie empfand was die poetischen Herzen empfinden, wenn eine Person, die Anspruch aus ihre Liebe und Achtung hat, einmal in einer Sprache spricht, welche mit ihrem hohen Range nicht übereinstimmt.
Sie hatte nicht den Muth zu antworten, Don Inigo antwortete für sie:
»Ew. Hoheit finden die Kosten ungeheuer, welche zwei Caravellen mit hundert Mann verursachen würden. Die dreitausend Kronen sind eine Summe, welche einige Herren im Dienste Ew. Hoheit mehr als einmal in einer Nacht im Spiel und in Thorheiten vergeudet haben.«
»Wenn es sich nur um das Geld handelte,« setzte Isabella hinzu, »so würde ich es herbeischaffen.«
»Ihr? Woher?« fragte Ferdinand.
»Aus der Casse des Schatzmeisters Castiliens hoffentlich,« antwortete Isabella, »und wenn sie nicht einmal diese kleine Summe enthielte, wäre ich wohl geneigt, lieber meine eigenen Juwelen zu verpfänden oder zu verkaufen, als Columbus einem andern Könige, einer andern Nation den Plan bringen zu sehen, der, wenn er gelingt, das Land, welches Columbus begünstigt, zu dem reichsten und mächtigsten der Welt machen wird.«
Ferdinand murmelte etwas, das weder Billigung noch Mißbilligung zu seyn schien, die Marquise Moya gab ihre Bewunderung laut zu erkennen und Don Inigo ließ sich auf ein Knie vor der Königin nieder.
»Was thut Ihr, Don Inigo?« fragte die Königin lächelnd.
»Ich verehre meine Königin, wie sie es verdient,« sagte der junge Mann, »und warte auf ihren Befehl, sofort auszubrechen, um Christoph Columbus nach Santa Fe zurück zu bringen.«
Isabella sah den König von Aragonien bittend an; aber der kalte und kluge Staatsmann ließ sich nicht zu Regungen der Begeisterung hinreißen, welche er kaum Jünglingen und Frauen gestattete und die, seiner Meinung nach, stets in gebührender Entfernung von dem Geiste der Minister und dem Herzen der Könige gehalten werden müssen.
»Heißt den jungen Mann aufstehen, Señora,« sagte er, »und sprecht mit mir über diese wichtige Angelegenheit.«
Isabella nahm seinen Arm und beide verließen zwar das Betgemach nicht, traten aber in die Brüstung eines Fensters, auf welchem in bunten Farben die Himmelfahrt der Jungfrau dargestellt war.
Der junge Mann erhob die Hände zu dem Bilde der Madonna und sprach:
»Heilige Mutter Gottes, erleuchte das Herz des Königs mit dem Lichte, das auf deinem Haupte strahlt.«
Ohne Zweifel wurde das Gebet Don Inigo’s erhört, denn man sah unter den dringenden Bitten Isabellens allmälig das Eis Ferdinands schmelzen. Ein Zeichen mit dem Kopfe deutete seine Zustimmung an und er sagte laut:
»Es geschehe nach eurem Wunsche, theure Isabella.«
Die Brust aller Anwesenden machte sich durch einen Seufzer der Befriedigung Luft.
»Steigt nun zu Pferd, junger Mann,« fuhr Don Fernand fort, »und sagt dem eigensinnigen Genueser, da er nicht nachgeben wolle, müßten wohl die Könige nachgeben.«
»Also, Hoheit? fragte Don Inigo, der nicht nur die Genehmigung des Königs, sondern auch die der Königin haben wollte.
»Wir willigen in Alles,« sagte Isabella, »und euer Freund Columbus kann zurück kommen, ohne neue Schwierigkeiten zu fürchten.«
»Es ist wahr, Hoheit, ich habe recht gehört?« fragte Don Inigo.
»Hier meine Hand,« antwortete Isabella.
Der junge Mann beugte sich über diese königliche Hand, die er ehrfurchtsvoll mit seinen Lippen berührte, dann entfernte er sich rasch aus dem Gemache und rief:
»Mein Pferd! Mein Pferd!« Fünf Minuten später vernahm man auf dem Pflaster des Hofes den Galopp des Pferdes Don Inigo’s, der sich bald in der Ferne verlor.