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Kitabı oku: «El Salteador», sayfa 3

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Fünftes Capitel.
Dona Flor

Don Inigo hatte Columbus achtzehn Stunden von Santa Fe eingeholt und ihn an den Hof Ferdinands und Isabella’s zurück gebracht.

Der Seefahrer war zögernd und voll Zweifel dahin zurück gekommen, bald aber war die günstige Nachricht, die ihm Don Inigo gebracht und an die er nicht hatte glauben wollen, durch den Mund des Königs und der Königin selbst bestätigt worden.

Dann hatte er alle nöthigen Befehle erhalten und sich nach dem Hafen Palos de Moguer begeben, einem kleinen Orte an der Mündung des Tinto in der Nähe der Stadt Huelva.

Ferdinand hatte gerade diesen Hafen nicht etwa, wie man hätte glauben können, gewählt, weil er am atlantischen Meere sich befand und den Weg abkürzte, sondern weil Palos durch eine gerichtliche Verurtheilung genöthigt war, der Krone zwei vollständig ausgerüstete Caravellen zu liefern.

Ferdinand hatte demnach keine andern Kosten als die dreitausend Kronen.

Wir müssen aber gerecht seyn und erwähnen, daß im Anfange Juni’s Columbus erfuhr, auf den Antrag Isabellas, seiner erklärten Gönnerin, sey ihm ein drittes Schiff bewilligt worden.

Freilich darf auch nicht verschwiegen werden, daß König Ferdinand erfahren hatte, Heinrich VII. lasse dem berühmten Seefahrer, auf Anbringen dessen Bruders Bartolomeo Columbus, alle Vortheile bieten, die ihm Spanien bewilligt habe.

Don Inigo hatte seinen Freund nach Palos begleitet und war dann in Folge eines Briefes, den er erhalten, nach Cordova zurück gekehrt, doch erst nachdem er Columbus das Versprechen abgenommen, Spanien ohne ihn nicht zu verlassen und ihm die Zeit der Abfahrt nach Cordova zu melden.

Columbus verdankte diesem treuen Freunde zu viel, als daß er ihm das hätte abschlagen können. Im Laufe des Juli 1492 zeigte er Don Inigo an, daß er am nächsten 3. August unter Segel zu gehen gedenke.

Am 2. August fand sich der junge Mann ein, betrübter, aber auch entschlossener als je.

Don Inigo begleitete also Columbus bei allen Erfahren dieser ersten Fahrt. Er befand sich aus dem Verdeck am letzten Tage, welcher dem großen Admiral bewilligt war, nämlich in der Nacht vom 11. zum 12. October, als der Matrose im Mastkorbe der Pinta -Land!« rief. Er war der Zweite, welcher die Insel San Salvador unter den staunenden Bewohnern betrat, die schweigend die aus einer unbekannten Welt ankommenden Fremdlinge betrachteten; der Erste war Columbus selbst, welcher sich die Ehre vorbehalten hatte, die Fahne Castiliens auf dem entdeckten Lande aufzupflanzen. Er folgte ihm nach Cuba, nach St. Dominigo, kam im März 1493 mit ihm nach Spanien zurück, segelte im September desselben Jahres zum zweiten Male mit ihm ab, ohne daß die Bitten seiner Tante, der Königin Isabella und des Königs Ferdinand ihn am Hofe zurückzuhalten vermochten, und besuchte mit ihm die kleinen Antillen, d. h. Guadelupe, St. Christoph, die Inseln unter dem Winde. Er kämpfte mit ihm sowohl gegen die Kaziken als die meuterischen Gefährten, und er schien zum zweiten Male mit Columbus, als die Anklagen seiner Feinde denselben nöthigten, sein Vicekönigreich zu verlassen, um sich vor denen zu rechtfertigen, welche er zu den reichsten Fürsten der Welt gemacht hatte. Am 30. Mai 1498 endlich segelte er mit Columbus zum dritten Male ab, aber diesmal kam er nicht nach Spanien zurück. An der andern Küste des Meeres erfuhr er die Ungnade, in die Columbus und dessen Bruder gefallen, ihre Verhaftung und ihren Tod.

Diejenigen in Spanien, welche sich noch erinnerten, daß ein gewisser Don Inigo de Velasco in der Welt sey, erfuhren um das Jahr 1504 oder 1505, er sey in das Innere des neuentdeckten Landes eingedrungen, und am Hofe eines Kaziken empfangen worden, er habe die Tochter desselben geheirathet und als Mitgift für dieselbe das ganze Brautgemach voll Gold erhalten, dann sey sein Schwiegervater gestorben und er, Don Inigo, habe die Krone ausgeschlagen, welche ihm das Volk angeboten, endlich sey auch seine Frau gestorben und habe ihm eine Tochter hinterlassen, die so schön sey, daß er keinen andern Namen gefunden als Dona Flor.

Drei Jahre vor der Zeit, zu der wir nun gelangt sind, gerade da als der König Ferdinand gestorben, der Columbus mit Gefängniß und Noth für das unermeßliche Geschenk belohnt, hatte sich plötzlich das Gerücht verbreitet, Don Inigo Velasco sey in Malaga mit seiner Tochter auf einem ganz mit Gold beladenen Schiff angelangt. Aber die Königin Isabella war todt, Dona Beatrice war todt und ohne Zweifel nahm Niemand mehr an Don Inigo Theil, wie ihm alle Personen gleichgültig waren. Ein einziger seiner Freunde suchte ihn in Malaga auf, ein gewisser Don Ruiz de Torillas. Sie hatten vor fünfundzwanzig Jahren miteinander gegen die Mauren gedient und die Stadt Malaga einnehmen helfen, in der sie nun einander wieder sahen. Dieser Freund wohnte in Granada und forderte ihn auf, seinen Wohnsitz auch daselbst zu nehmen, aber vergebens.

Der zweifache Ruf von Reichthum und Rechtlichkeit welcher Don Inigo auf seinen Reisen begleitet hatte und mit ihm zurückgekommen war, veranlaßte indeß den damals achtzigjährigen Cardinal Ximenes, der nach dem Tode Ferdinands zum Regenten ernannt worden war, ihn zu sich nach Toledo einzuladen, damit er ihm in den Staatsgeschäften beistehe, namentlich in der Frage, welche Verhältnisse der neue König Don Carlos zwischen Spanien und Westindien einrichte.

Da es sich um das Wohl des Landes handelte, zögerte Don Inigo nicht. Er verließ Malaga mit seiner Tochter, kam nach Toledo und theilte in allen überseeischen Angelegenheiten die Regierung des Reiches mit dem Cardinal Ximenes und Adrian von Utrecht, dem ehemaligen Lehrer des Don Carlos, den dieser nach Spanien vorausgeschickt hatte.

Diese drei Männer hatten Spanien ungefähr ein Jahr lang regiert, als man plötzlich vernahm, der König Don Carlos sey in Villa Viciosa, einem kleinen Hafen in Asturien, gelandet und befinde sich auf der Reise nach dem Kloster Tordesillas, wo nach dem Tode Philipps des Schönen, seines Vaters, der am 25. September 1506 gestorben, seine Mutter Johanna sich aufhielt.

Nach dieser Nachricht hatte nichts Don Inigo de Velasco in Toledo zurückzuhalten vermocht. Er behauptete, seit der Ankunft des Königs in Spanien sey ein Regentschaftsrath unnöthig, verabschiedete sich von seinen beiden Collegen, was diese auch thaten, ihn davon abzubringen, und kehrte mit seiner Tochter in sein Paradies Malaga zurück.

Hier glaubte er ruhig und allen Augen verborgen zu leben, als plötzlich zu Anfange des Juni 1519 ein Bote des Königs bei ihm erschien, ihm meldete, der König beabsichtige die Städte des südlichen Spaniens, Cordova, Sevilla, Granada, zu besuchen und ihn aufforderte denselben in der legten Stadt zu erwarten.

Der Bote übergab ihm ein Pergament mit dem königlichen Siegel, welches ihn zum Oberrichter ernannte.

Diese Ernennung sey, schrieb ihm der König eigenhändig, eine Huldigung, welche der Cardinal Ximenes auf seinem Sterbebette, so wie Adrian von Utrecht nicht blos den Kenntnissen Don Inigo’s, sondern auch der hohen und strengen Rechtlichkeit dargebracht, die Niemand in Spanien bestreite.

So ungern auch Don Inigo de Velasco sein Paradies in Malaga verließ, machte er doch Vorbereitungen zu der Reise und an dem festgesetzten Tage brach er mit Dona Flor auf. Ohne daß er es wußte, eilte ihm Don Ramiro d’Avila voraus, ein leidenschaftlicher Verehrer der schönen Dona Flor, welcher er auch nicht ganz gleichgültig zu seyn hoffte, wie er nach einigen Blicken schloß, welche durch eine Jalousie hindurch gewechselt worden waren.

Ueberdies war er von drei Dienern begleitet, von denen der eine, wie wir schon sagten, den Vortrab bildete, während die beiden andern den Zug deckten.

Eine solche und selbst eine noch stärkere Bedeckung war gar nicht nutzlos, wenn man den im Lande umlaufenden Gerüchten glaubte. Die Wege sollten durch Räuber unsicher gemacht werden, die unter einem neuen Führer von bis dahin unerhörter Keckheit seit einem Jahre eine solche Kühnheit entwickelten, daß dieser Führer mit zehn, zwölf oder fünfzehn Mann mehr als einmal Ausflüge bis an die Thore von Malaga und auf der andern Seite bis Granada gemacht.

Niemand wußte, woher dieser Räuberhauptmann gekommen, und Niemand vermochte zu sagen, wer er sey. Sein Taufname wie sein Familienname war unbekannt, ja er hatte nicht einmal einen Beinamen angenommen, wie es sonst Leute dieser Art gewöhnlich thun. Man nannte ihn einfach el Salteador, das heißt: den Räuber.

Die Erzählungen von dem geheimnißvollen Landstraßenhelden waren, wie man spricht, nicht ohne Einfluß auf die Vorsichtsmaßregeln Don Inigo’s gewesen und als die kleine Carawane vor der jungen Zigeunerin erschien, sah sie ganz aus wie Reisende, die einen Angriff fürchten und auf eine Vertheidigung vorbereitet sind.

Vielleicht fragt man, warum Don Inigo, da der Weg über das Gebirge so unsicher seyn sollte und er seine Tochter Dona Flor so sehr liebte, gerade diese Straße eingeschlagen, statt einen Umweg zu machen, oder warum er nicht wenigstens eine stärkere Bedeckung mit sich genommen.

Darauf antworten wir: Don Inigo hatte zweimal, kurz vorher, mit seiner Tochter denselben Weg über das Gebirge gemacht, ohne daß ihm ein Unfall begegnet war, und zweitens ist es eine unbestreitbare Wahrheit, daß der Mensch an die Gefahren sich gewöhnt und mit ihnen endlich vertraut wird.

Wie vielen Gefahren aller Art hatte Don Inigo in seinem abenteuerreichen Leben getrotzt! – Gefahren im Kriege gegen die Mauren, Gefahren zur See auf seinen Fahrten, Gefahren der Meuterei am Bord, Gefahren des Mordes unter den wilden Bewohnern der neuen Welt. . . Was waren in Vergleich damit die, welchen man sich mitten in Spanien, auf einer Strecke von kaum zwanzig Stunden zwischen Malaga und Granada aussetzte.

Don Inigo verachtete solche Gefahr.

Unvorsichtig aber war es, mit einem solchen Schatz von Jugend und Schönheit wie Dona Flor in das Gebirge sich zu wagen.

Der Ruf von wunderbarer Schönheit, welcher Dona Flor aus der neuen Welt in die alte vorhergegangen, hatte nicht übertrieben. Dona Flor würde in ihrem sechzehnten Jahre, in dem sie stand, die übertriebensten Vergleiche, welche die spanischen und selbst die arabischen Dichter hätten erfinden können, weit hinter sich zurückgelassen haben, denn sie besaß den Glanz der Blume und das Sammtweiche der Frucht, die Anmuth der Sterblichen und die Würde der Göttin. Wie man an der jungen Zigeunerin, die sie mit unbefangener Bewunderung näher kommen sah, die Mischung des arabischen und des spanischen Volkes erkannte, so konnte man in Dona Flor nicht blos das Eigenthümliche zweier herrlicher Stämme, sondern das Reinste und Edelste dieser Stämme finden. Das Kind Mexico’s und Spaniens hatte die schöne matte Hautfarbe, die herrlichen Arme, die reizenden Hände, die bewundernswürdigen Füße der Andalusierinnen, mit den dunkeln Wimpern, den Sammtaugen, dem langen üppigen Hals und dem schmiegsamen Wuchs der Indianerinnen, der Töchter der Sonne.

Ihr Anzug schien darauf berechnet zu seyn, die herrlichen Formen und das reizende Gesicht der schönen Reisenden geltend zu machen. Er bestand in einem himmelblauen seidenen Kleide, das von Silber und in zartem Rosenroth schimmerte und von oben bis unten mit Perlen zusammengehalten wurde, von denen eine jede eine Grafenkrone zu schmücken werth war. Dieses Kleid hob den Oberkörper mit den Oberarmen hervor, wie es die spanische Tracht im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts that, von den Ellenbogen an erweiterten sich die Aermel und hingen dann offen hinunter, so daß sie unter Spitzen von Murcia die Hände und Vorderarme bloß ließen, welche der Sonne Murica’s widerstanden hatten und also die Sonne Spaniens nicht zu fürchten brauchten, jetzt überdies von einem weiten Mantel von weißer, feiner, seidenweicher Wolle umhüllt waren, welcher seinem unteren Theile nach Aehnlichkeit mit dem mexicanischen Mantel hatte, durch die Capuze aber, unter welcher das Gesicht des Mädchens sich barg, dem arabischen Burnuß glich.

Don Inigo und Dona Flor ritten aus ihren Maulthieren, welche scharlachrothe Wellenbüschel auf dem Kopfe trugen, in raschem, wenn auch nicht besorgten Trabe dahin, und Dona Flor schien an Reisen über Gebirge und an das abenteuerreiche Leben jener Zeit eben so gewöhnt zu seyn wie ihr Vater.

Der vorausreitende Diener schien indeß minder ruhig zu seyn als seine Gebieter, denn als er die junge Zigeunerin erblickte, hielt er an, um sie zu befragen und Don Inigo langte mit seiner Tochter an, als der vorsichtige Diener sich erkundigte, ob seine Gebieter mit Sicherheit in der kleinen Venta einkehren könnten, die sie jetzt nicht mehr erblickten, da sie sich tief im Thale befunden, die sie aber oben auf dem Berge vor sich gesehen hatten.

Als Don Inigo nebst Dona Flor anlangten, war die Besorgniß des Dieners durch die ausweichenden und fast spöttischen Antworten des Zigeunermädchens eher erhöht als vermindert worden, das wohl sitzen blieb und weiter spann, als aber die Herrschaft ankam, aufstand, ihre Spinngeräthschaften hinlegte, über den Bach sprang wie eine Gazelle und sich an den Rand des Weges stellte, während ihre neugierige Ziege in drei oder vier Sätzen von der Höhe herunter kam und die Reisenden mit ihren großen und klugen Augen ansah.

»Seht da das schöne blind, Vater,« sagte Dona Flor, indem sie den Alten anhielt und das Mädchen mit derselben Bewunderung ansah, welche sie selbst erregte.

Don Inigo nickte bejahend.

»Wollen wir mit ihr sprechen?« fragte Dona Flor weiter.

»Thue es, mein Kind, wenn Du willst.«

»Wie heißt Du, schönes Mädchen?« fragte Dona Flor.

Die Christen nennen mich Ginesta, die Morisken Aise, denn ich habe zwei Namen, einen von Mohamed, einen von Jesus Christus.

Als das Mädchen den Namen des Erlösers aussprach, bekreuzigte sie sich – ein Beweis, daß sie Christin war.

»Wir sind gute Katholiken und werden Dich Ginesta nennen,« sagte Dona Flor lächelnd.

»Nennt mich wie Ihr wollt,« entgegnete die Zigeunerin; »aus eurem schönen Munde, von eurer lieblichen Stimme wird mir mein Name immer schön klingen.«

»Nun, Flor,« sagte Don Inigo, »wenn Dir Jemand gesagt hätte, Du würdest in dieser Wildniß der Nymphe Schmeichelei finden, würdest Du ihn als Lügner verspottet haben, nicht wahr? er hätte aber doch die Wahrheit gesagt.«

»Ich schmeichle nicht, ich bewundere,« sagte die Zigeunerin.

Dona Flor lächelte und erröthete zugleich und um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, fragte sie:

»Was antwortetest Du Nuñez, schönes Kind?«

»Erkundigt Euch zuerst was er mich fragte.«

»Nun, was fragte er?«

»Er war besorgt wegen des Weges, erkundigte sich ob derselbe sicher und die Venta gut sey.«

»Und Du antwortest ihm . . .?«

»Ich sang ihm zur Antwort das Lied des Reisenden.«

»Wie lautet dies?«

»Hört zu.«

Und wie ein Vogel singt, das heißt, ohne Anstrengung und nach einer Melodie, die eine einfache Modulation der gewöhnlichen Stimme zu seyn schien, sang die Zigeunerin folgende Strophe eines andalusischen Liedchens:

 
Ist der Himmel klar,
Gib wohl Acht!
Ist die Straße sicher,
Sieh Dich vor,
Und die Jungfrau mit den blauen Augen
Möge Dich behüten.
Lebe wohl, Wanderer, lebe wohl,
Ziehe in Frieden mit Gott!
 

»Das sagtest Du dem Nuñez, schönes Kind,« fuhr Dona Flor fort; »was sagst Du uns?«

»Euch, schöne Señora,« antwortete die Zigeunerin, »Euch werde ich die Wahrheit sagen, denn Ihr seyd die Erste aus der Stadt, die freundlich und ohne Verachtung mit mir gesprochen hat.«

Sie trat noch zwei Schritte näher, legte ihre rechte Hand auf den Hals des Maulthieres, den Zeigefinger der Linken auf ihre Lippen und sagte:

»Reiset nicht weiter.«

»Nicht weiter?«

»Kehrt um.«

»Du spottest unser, Mädchen,« sagte der Vater.

»Gott ist mein Zeuge, daß ich Euch den Rath gebe, den ich meinem Vater und meiner Schwester geben würde.«

»Willst Du mit zweien unserer Diener nach Alama zurückkehren, mein Kind?« fragte Don Inigo.

»Und Ihr, Vater?« antwortete Dona Flor.

»Ich werde mit dem dritten meinen Weg fortsetzen, denn der König trifft morgen in Granada ein. Er hat mir befohlen, heute dort zu seyn und ich werde den König nicht warten lassen.

»Ich trenne mich nicht von Euch, theurer Vater.«

»So reite voran, Nuñez.«

Don Inigo nahm aus seiner Tasche eine Börse und reichte sie dem Mädchen, dieses aber machte eine Geberde wie eine Königin und antwortete:

»Keine Börse ist so reich, daß sie den Rath bezahlen konnte, welchen ich Dir gegeben habe, »Herr Reisender; behalte deine Börse, sie wird da willkommen seyn, wohin Du gelangst.«

Da nahm Dona Flor die Agrafe von ihrem Kleide, winkte dem Mädchen noch näher zu kommen und fragte:

»Wirst Du dies annehmen?«

»Von wem?« fragte dagegen die Zigeunerin ernst.

»Von einer Freundin.«

»Ach, ja.«

Sie hielt ihren Hals nahe an Dona Flor, die der Zigeunerin die Agrafe daran befestigte und flüchtig mit den Lippen die Stirn des schönen Mädchen berührte, während ihr Vater, der als guter Christ eine solche Vertraulichkeit mit einer Halbungläubigen nicht geduldet haben würde, dem Nuñez weitere Befehle ertheilte.

»Komm,« sagte Don Inigo.

»Ich komme schon,« antwortete Dona Flor, indem sie ihren Plan zur Rechten des Vaters nahm, der seinen Weg fortsetzte und seinen drei Dienern zurief:

»Seid auf eurer Hut!«

Die Zigeunerin blieb unbeweglich, mit gesenktem Kopfe stehen, blickte aber doch dem schönen Mädchen nach, das sie Freundin genannt hatte, und murmelte die letzten Verse ihres Liebchens:

 
Lebe wohl, Wanderer, lebe wohl,
Ziehe in Frieden mit Gott!
 

Sie sah ihnen also mit sichtbarer und wachsender Angst nach, bis sie Alle, »Herr und Diener, hinter der kleinen Höhe verschwunden waren, welche der Horizont begrenzte. Dann bückte sie sich und horchte.

So vergingen fünf Minuten, in denen die Lippen der Zigeunerin mechanisch wiederholten:

 
Lebe wohl, Wanderer, lebe wohl,
Ziehe in Frieden mit Gott!
 

Mit einem Male hörte sie den Knall mehrerer Flinten, drohende Rufe und Jammerlaute und endlich erschien, an der Achsel blutend, einer der beiden Diener wiederum oben auf der Höhe, tief auf sein Pferd gebückt, dem er beide Sporen in die Weichen drückte, und wie ein Blitz schoß er an dem Mädchen vorüber, während er rief: »Hilfe! Hilfe! Mörder!«

Die Zigeunerin stand einen Augenblick unentschlossen da, bald aber schien sie mit sich einig geworden zu seyn, nahm ihren Rocken, lief so rasch den Berg hinan, daß die Ziege kaum folgen konnte, und erreichte endlich den Gipfel eines Felsens, der das ganze Thal überschaute. Hier winkte sie mit ihrer buntfarbigen Schärpe und rief dreimal mit aller Kraft ihrer Brust:

»Fernand! Fernand! Fernand!

Sechstes Capitel.
In der Venta »zum Maurenkönig.«

Selbst wenn wir so schnell dem Orte zueilten, wo der Vorfall geschehen war, von dem wir hörten, wie der Diener Don Inigo‘s sich davon entfernte; selbst wenn wir in so raschen Sprüngen liefen, wie die Zigeunerin mit ihrer Ziege auf die Felsenspitze kletterte, auf dem sie mit ihrem Gürtel winkte, wir würden zu spät kommen, um dem Unglücke beizuwohnen, welches den schmalen Pfad zur Venta mit Blut befleckt hatte. Wir würden weiter nichts sehen, als den Leichnam des Nuñez und das todte Pferd desselben, welche den Weg versperrten, während der schwer verwundete Torribio eines der Grabkreuze zu erreichen suchte, an das er sich fast sterbend lehnte.

Don Inigo und dessen Tochter sind in der Venta verschwunden, deren Thor sich hinter ihnen und der Räuberschaar geschlossen hatte, welche sie gefangen hinweggeführt.

Wir haben als Romanschreiber indeß die Macht wie Mephistopheles die Wände durchsichtig zu machen, oder wie Asmodi die Dächer abzuheben, und so werden wir in unserm Reiche nichts geschehen lassen, was unsern Lesern unbekannt bleibt. Wir berühren mit unserer Feder das Thor der Venta, das sich wie von einem Zauberstabe öffnen wird, und sagen:

»Sehet da!«

Der Hof der Venta bot auf den ersten Blick Spuren des Kampfes, der draußen begonnen und drinnen fortgesetzt worden war. Eine Blutspur, die man über zweihundert Schritte verfolgen konnte, ging über die Schwelle an eine Mauerecke, wo ein Räuber, den die Kugel eines Dieners Don Inigo’s getroffen hatte, von Anapola, derselben, welche die Blumen in das Gemach der Reisenden gebracht und von dem Mozuelo gepflegt wurde, welcher das Pferd Don Ramiro’s gehalten.

Das Sammtbarett Don Inigo’s und ein Stück des weißen Mantels Dona Flors lagen auf den Stufen, die von dem Hofe nach der Küche führten und deuteten an, daß der Kampf hier sich erneuert hatte, daß man die Reisenden dahin geschleppt und daß wir sie dort suchen müssen.

Von der Eingangsthür, die sich auf die beiden Stufen öffnete, begann der blumenbestreute Pfad, den der Liebesbote der schönen Dona Flor bereitet hatte; aber die Blumen waren zertreten, bestaubt und von Blutstropfen befleckt, die hier und da, bald auf einer Rose, bald auf einer Lilie, wie flüssige Rubinen glänzten und zitterten.

Die Thür, welche die Küche von dem Gemache trennte, wo in Folge der Fürsorge Don Ramiro’s für die zwei Reisenden gedeckt war und wo man den Wohlgeruch noch empfand, stand jetzt offen und war von den Leuten des Wirthes gefüllt, verkleideten Banditen, welche die auf der Straße stets zu unterstützen bereit waren, und heraus drangen drohende und klagende Töne, Schreien und Fluchen.

Hier setzte sich die schreckliche Scene fort, hier sollte sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach entwickeln, wie die junge Zigeunerin vermutlich in voraus gefürchtet hatte, als sie den Reisenden den Rath gab, umzukehren.

Wenn man die lebendige Mauer beseitigen und sich einen Weg in das Gemach hinein bahnen konnte, sah man Folgendes:

Don Inigo war auf den Fußboden niedergeworfen und versuchte sich noch immer mit einem nutzlosen Degenstücke zu vertheidigen, nachdem er, ehe das Schwert ihm zerbrochen, zwei Banditen verwundet hatte, deren Blut denn die gestreuten Blumen hier und da gefärbt.

Drei Männer vermochten kaum ihn zu halten, obwohl ihm einer das Knie auf die Brust drückte und ihm das catalonische Messer an die Kehle hielt.

Die beiden andern durchsuchten seine Kleider, wahrscheinlich weniger um ihn zu berauben, als ihm die vielleicht noch verborgenen Waffen abzunehmen.

Zwei Schritte von ihm lehnte Dona Flor mit aufgelöstem Haar an der Wand. Die Capuze ihres Mantels war zerrissen und die kostbaren Perlenknöpfe hatte man abgezerrt.

Trotz dieser unwürdigen Behandlung hatte man das Mädchen aus leicht zu errathenden Gründen mehr geschont als den Alten.

Dona Flor war, wie gesagt, von glänzender Schönheit und der Hauptmann der Bande, der Held der Geschichte, galt für einen Mann, dessen Galanterie unter solchen Umständen vielleicht noch schrecklicher war, als die unbarmherzigste Grausamkeit.

Uebrigens sah sie herrlich aus, wie sie dastand, den Kopf an die weiße Wand gelehnt, mit den prächtigen Augen, die unter den langen Sammtwimpern weit öfter Blitze des Zornes und des Unwillens schleuderten, als schüchterne Blicke der Bitte und der Furcht leuchten ließen.

Ihre Arme hingen weiß und bloß matt herab – denn bei dem Abzerren der kostbaren Agrafen hatte man die Aermel zerrissen. – Kein Wort, keine Klage, kein Wehelaut war über ihre Lippen gekommen, seit sie angehalten wurden; das Klagen, das Wimmern rührte von den beiden Banditen her, welche Don Inigo verwundet hatte.

Ohne Zweifel glaubte das schöne schuldlose Mädchen jetzt nur einer Todesgefahr ausgesetzt zu seyn und dieser Gefahr gegenüber zu klagen und zu bitten, hielt sie einer edlen Spanierin für unwürdig.

Die Banditen, welche überzeugt waren, daß sie ihnen nicht entgehen konnte und ihr ziemlich alle ihre Kostbarkeiten abgenommen hatten, standen im Kreise um die schöne Reisende und betrachteten sie mit Blicken und Lachen, vor denen sie die Augen niedergeschlagen haben würde, wenn nicht diese Augen durch die Mauern hindurch den unsichtbaren Gott gesucht hätten, den allein sie um Hilfe anzuflehen sich herbei ließ.

Vielleicht dachte Dona Flor an den schönen Jüngling, den sie seit einem Jahre um ihr Fenster schweifen sah, sobald der Abend nahte, und der in der Nacht durch die Stäbe ihres Fensters die schönsten Blumen Andalusiens auf ihren Balcon streuete.

Wenn sie aber auch schwieg, wie wir sagten, so schrie und fluchte man um so mehr um ihren Vater her.

»Elende!« rief der alte Mann. »Tödtet mich, ermordet mich, aber ich sage Euch, eine Stunde vor Alama habe ich Soldaten gesehen, deren Führer ich kenne. Er weiß, daß ich gereiset bin; er weiß, daß ich auf Befehl des Königs Don Carlos nach Granada ging, und wenn er erfährt, daß ich nicht angekommen bin, wird er vermuthen, daß ich ermordet wurde, und dann habt Ihr es nicht mit einem sechzigjährigen Manne und einem fünfzehnjährigen Mädchen zu thun und wir werden sehen, Ihr Banditen, ob Ihr vor den Soldaten des Königs, Mann gegen Mann, so großen Muth habt, wie hier zwanzig gegen Einen.«

»Mögen die Soldaten des Königs kommen,« sagte Einer der Räuber; »wir kennen sie, wir haben sie gestern vorüberziehen sehen; wir haben eine gute unterirdische Feste mit Ausgängen im Gebirge.«

»Wer sagt Dir dann auch, daß wir Dich ermorden wollen?« fiel ein Anderer ein.

»Wenn Du das glaubst, irrst Du Dich; wir morden nur die armen Teufel, bei denen nichts zu holen ist; edle Herren, die wie Du Lösegeld zahlen können, behandeln wir sehr aufmerksam und den Beweis siehst Du daran, Undankbarer, daß wir Dir durchaus nichts zu Leide thaten, obgleich Du um Dich hiebst und zwei der Unserigen verwundetest.«

Da klang eine Stimme, gleich der eines Engels, unter die rauhen drohenden hinein. Dona Flor sprach zum ersten Male.

»Wenn es sich nur um ein Lösegeld handelt, so soll es bezahlt werden. Bestimmt ein fürstliches und es wird Euch werden.«

»Bei dem heiligen Jakob, darauf rechnen wir auch, schönes Kind, und darum wünschten wir, daß der würdige Herr, euer Vater, sich ein wenig beruhige. Geschäfte sind Geschäfte und die macht man mit Reden ab; durch Schlagen werden sie verwickelt. Sehet, da verwickelt sie euer Vater wieder.

Don Inigo versuchte wirklich von neuem sich zu vertheidigen und verwundete mit dem Schwertstücke, das man ihm nicht hatte entreißen können, so fest hielt er es, einen der Räuber, die ihn hielten, im Gesicht.

»Bei dem Leibe Christi!« rief der, welcher dem Alten das Messer an die Kehle hielt, noch einen Versuch und Ihr habt über euer Lösegeld nicht mit uns, sondern mit Gott zu verhandeln, Mann.«

»Vater!« sagte das Mädchen erschrocken und trat einen Schritt näher.

»Ja,« sagte einer der Räuber, »hört auf das schöne Mädchen, sie spricht goldene Worte und ihr Mund ist wie der jener arabischen Prinzessin, der jedesmal, wenn er sich öffnete, mit jedem Worte eine Perle oder einen Diamanten fallen ließ. Verhaltet Euch ruhig, Mann; gebt euer Wort, nicht entfliehen zu wollen und unserem Freunde, dem Wirthe, einen Geleitsbrief, damit er nach Malaga geben kann, ohne von der Behörde etwas fürchten zu müssen; da wird ihm euer Intendant tausend, zwei, dreitausend Kronen, je nach eurer Freigebigkeit übergeben und nach der Rückkehr des Wirthes, nach der Ankunft des Geldes, seyd Ihr frei. Wenn er nicht zurückkommt, bürgt Ihr natürlich für ihn, Zahn um Zahn, Auge um Auge, Leib um Leib.«

»Vater, Vater, hört was die Männer sagen,« bat die Tochter nochmals, »und gefährdet euer kostbares Leben nicht um einige Säcke Gold.«

»Hört, hört, Herr Fürst, denn Fürst müßt Ihr seyn, wenn nicht Vicekönig, wenn nicht gar König oder Kaiser, da das schöne Mädchen so leichthin von den Schätzen dieser Erde spricht.«

»Und,« fragte der Alte, der sich zum ersten Male zur Erörterung mit Feinden herabließ, welche er bis dahin nur geschmäht oder bekämpft hatte, »was wird mit uns in dieser Mördergrube, während euer würdiger Genosse, der Wirth, mit einem Briefe von mir zu meinem Intendanten geht?«

»Mördergrube? Hörst Du, Calabazas, wie man die Venta »zum Maurenkönige« behandelt? Eine Mördergrube! Komm her und weise dem würdigen Hidalgo seinen Irrthum nach.«

»Was mit Euch geschehen wird,« antwortete ein Anderer, ohne Calabazas die Zeit zu lassen, die Ehre seiner Venta zu vertheidigen, »ist sehr einfach und wir wollen Dir es sagen. Zuerst verlangen wir dein Edelmannswort nicht zu entfliehen.«

»Ein Edelmann gibt Räubern nie sein Ehrenwort.«

»Vater, ein Edelmann gibt sein Wort Gott,« sagte! Dona Flor.

»So höre doch nur einmal was das schöne Kind sagt, denn die Weisheit des Himmels spricht aus diesem Munde.«

»Nun und wenn ich mein Wort gegeben hätte, angenommen ich gäbe es.«

»Dann lassen wir Dich zunächst nicht aus den Augen.«

»Nach meinem Ehrenwerte wolltet Ihr mich nicht weiter reisen lassen?«

»O,« entgegnete der Bandit, »wir leben nicht mehr in der Zeit, als die Juden von Burgos dem Cid tausend Mark Gold aus einen Kasten voll Erde liehen; wir sehen vorher hinein, nicht wie die würdigen Israeliten erst nach Auszahlung der tausend Mark.«

»Elende!« murmelte Don Inigo.

»Vater,« fuhr Dona Flor fort, die noch immer den Alten zu beruhigen suchte, »Vater um Gottes willen!«

»Und wenn Ihr mich nicht aus den Augen lasset. . .«

»Wir befestigen Dich mit einer haltbaren Kette an diesen eisernen Ring.«

Bei diesen Worten zeigte der Bandit auf einen in der Wand festgemachten eisernen Ring, der allerdings zu solchem Zwecke angebracht zu seyn schien.

»Wie einen Sclaven an die Kette legen!« sagte der Alte.

Bei dieser Drohung, die allen Stolz in ihm aufregte, versuchte und bewirkte er eine so gewaltige und so rasche Bewegung, daß er den Banditen, der ihm das Knie aus, die Brust gesetzt hatte, drei Schritte von sich schleuderte und sich drohend auf ein Knie aufrichtete.

Aber wie ein Felsen die Wogen zurückwirft, um von ihnen dann bedeckt zu werden, stürzten sich augenblicklich fünf oder sechs Banditen auf Don Inigo und entrissen ihm den Schwertgriff mit noch etwa zehn Zoll Klinge, den er festgehalten hatte, während der Mann mit dem Messer, im Aerger darüber, durch einen Greis hinweggeschleudert worden zu seyn, mit geschwungener Waffe zurückkam und schwur die letzte Minute des Gefangenen sey gekommen.

Als die Klinge des Dolchmessers blitzte, stieß Dona Flor einen gräßlichen Schrei aus und eilte auf ihren Vater zu.

Ein Bandit aber hielt Dona Flor zurück, ein Anderer faßte die Hand seines Gefährten.

»Vicente! Vicente!« rief er auf die Gefahr hin, daß das drohende Messer sich gegen ihn wende, »was willst Du thun?«