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Kitabı oku: «Jacquot Ohnohr», sayfa 2

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I.
Der Rosafarbene Pavillon

Es war am 17. Junius 1828, als der Fürst Danilo und ich auf dem Schlosse Grubenski ankamen.

Der Fürst Danilo kannte dieses Schloß nicht, da er in St. Petersburg erzogen worden und bei Lebzeiten seines Großvaters, des Fürsten Alexis, der etwa vor zwei Jahren gestorben, nie dorthin gekommen war.

Der Fürst Danilo hatte eben seinen Vater, den Fürsten Boris, verloren und wollte das Schloß Grubenski, wovon er so viel hatte reden hören, mit eigenen Augen sehen.

Wir kamen gegen zehn Uhr Abends an; gleich nach der Ankunft legte sich der Fürst nieder, denn er war sehr ermüdet.

Am folgenden Tage um acht Uhr Morgens ließ er mich in sein Zimmer rufen; ich fand ihn noch im Bette.

»Iwan,« sagte er zu mir, »was ist denn das für ein Geheul, welches ich während der ganzen Nacht gehört habe, und welches mich keine Minute schlafen ließ?«

»Gnädigster Herr,« antwortete ich, »es sind wahrscheinlich die Hunde gewesen, die von ihrem Stalle aus die Nähe eines Wildes gewittert haben.«

»O! o!« rief der Fürst Danilo Borisowitsch, die Augenbrauen zusammenziehend; »ist denn ein Hundestall im Schlosse?«

»Ei ja, mein Fürst,« antwortete ich, indem ich ihm eine angenehme Nachricht mitzutheilen glaubte, »Sie besitzen eine vortreffliche Meute: fünfhundert Windhunde, hundertzwanzig Hühnerhunde und sechzig Windspiele, dazu sind etwa vierzig Hundeaufseher angestellt.«

»Da habe ich also hier zwischen sechs – und siebenhundert Hunde und vierzig Männer, um sie zu bedienen?« rief der Fürst.

»So ist es, gnädigster Herr,« versetzte ich.

»Aber diese verwünschten Thiere,« fuhr der Fürst fort, »müssen in einem Tage so viel Brod fressen, daß man hundertundfünfzig arme Leute einen ganzen Monat damit sättigen könnte.«

»O! mehr, gnädigster Herr!«

»Nun bitte ich Dich, Iwan, es so einzurichten, daß alle diese Hunde gehängt oder ersäuft werden; was diese Hundeaufseher betrifft, die kannst Du ja bei irgend einer anderen Arbeit anstellen; die, welche anderswo Geld verdienen können, entlässest Du; und das Geld, welches zur Erhaltung der Meute nöthig war, wollen wir zur Gründung einer Elementarschule in Makarieff oder Niskevo anwenden.«

»Ich werde Eurer Excellenz gehorchen,« antwortete ich. Und mich verneigend, ging ich, um den Befehl zu geben, daß die sechshundert-achtzig Hunde an demselben Abend ersäuft und gehängt werden sollten, wie es Seine Excellenz zu wünschen geruht hatte.

Aber eine halbe Stunde später, als die Execution eben vor sich gehen sollte, kam ein Greis von einigen sechzig Jahren zu dem Fürsten. Sein Gesicht war runzelig, sein weißes Haar fiel über seine Schultern; er hatte keinen einzigen Zahn mehr, aber seine Augen zeigten einen Glanz, welcher andeutete, daß er noch weit von dem Ende seines Lebens entfernt sei.

Sein Kostüm bestand in einem himbeerfarbigen Sammetrocke mit goldenen Tressen, ledernen Beinkleidern und großen sogenannten französischen Stiefeln.

Sein Rock war in der Taille von einem tscherkessischen Gürtel zusammen gehalten, und ein Jagdmesser hing an seiner Seite.

Er hielt seinen dreieckigen Hut in der Hand.

Obgleich ein wenig hart gegen die Hunde, wie wir gesehen haben, war der Fürst Danilo, der sich zum Philanthropen gebildet hatte, vortrefflich gegen die Menschen.

Er empfing den Greis also mit Freundlichkeit und fragte ihn, wer er sei.

»Eurer Gnaden zu Befehl,« versetzte dieser mit noch fester Stimme, »ich bin ein alter Leibeigener Eurer Excellenz; ich heiße Jacquot Ohnohr und war im Augenblick seines Todes erster Stallmeister des Fürsten Alexis, Ihres Großvaters.«

Ohne Zweifel war der Name Jacquot Ohnohr dem Fürsten Danilo nicht unbekannt; denn er erhob lebhaft die Augen zu der Stelle, wo die Ohren fehlten, deren Abwesenheit dem armen Jacquot den Beinamen zugezogen hatte, unter welchem er bekannt war.

»Sei willkommen, mein Freund,« sagte der Fürst Danilo, »und setze Dich nieder; Du bist vielleicht ermüdet?«

»Danke Ihnen, gnädigster Herr. Es würde nicht passend für mich sein, mich vor Eurer Excellenz niederzusetzen; nein, ich komme nur, mich zu Ihren Füßen zu werfen und Sie anzuflehen, meine Bitte zu erfüllen.«

»Welchen Gegenstand betrifft dieselbe, mein Alter?« fragte Danilo Borisowitsch.

»Man sagt mir, gnädigster Herr, daß Sie geneigen, Ihren fürstlichen Zorn auf uns zu werfen.«

»Was ist Dir, mein armer Jacquot? Solltest Du vielleicht den Verstand verloren haben?«

»Ach! gnädigster Herr, es würde nichts. Erstaunenswerthes sein, beim Anblick einer solchen Unmenschlichkeit den Verstand zu verlieren: sechshundert-achtzig Hunde zu tödten, die Niemandem etwas zu Leide gethan haben! Aber, gnädigster Herr, es ist nicht mehr oder weniger, als die Ermordung der unschuldigen Kinder durch den König Herodes! Wie haben sich diese armen Hunde gegen Eure Excellenz vergangen? Glauben Sie mir, es ist kein Scherz, eine solche Quantität Blut zu vergießen, und obgleich es nur Blut von Thieren ist, werden Sie Gott von diesem Blut Rechenschaft ablegen müssen.«

»Genug, Greis! Ich habe beschlossen, daß es so sein soll; höre also auf —«

Aber der Greis unterbrach kühn seinen Herrn.

»Und warum sollte ich aufhören? Bin ich nicht der einzige Vertheidiger, den der gute Gott diesen armen Thieren gegeben hat? Wenn ich schweige, wer wird für sie sprechen? Ich fahre also fort. Wie können Sie, gnädigster Herr, so grausam sein, diese unglücklichen Hunde niedermetzeln zu lassen, denn diese Meute, von Ihren Vorfahren begründet, bildet einen Theil der Familie, sie ist immer neu und doch immer dieselbe, seit länger als hundert Jahren. Ihr Ruf, nachdem er sich durch ganz Rußland verbreitet, ist nach Frankreich gedrungen, und man hat an den fremden Höfen davon gesprochen; mehrere regierende Fürsten haben an Ihre Vorfahren geschrieben oder schreiben lassen, um von der Race zu haben; und plötzlich wollen Sie ohne irgend einen Grund diese so sehr gerühmte Race vernichten? Woran denken Sie, mein kleiner Vater?« sagte der Greis sich erhitzend; »wenn Sie eine solche Handlung begingen, würden sich die Gebeine Ihrer Väter umdrehen in ihrem Grabe und der Geist des armen Alexis aus seinem Sarge hervorgehen, um einen fleischlosen Arm auszustrecken und Sie zu verfluchen. – Erinnern Sie sich also, mein würdiger und lieber Herr, daß die Meute der Fürsten Grubenski unvermindert existiert und sich immer vermehrt hat, seit der Regierung Peter des Großen, ruhmwürdigen Angedenkens! Aus welchem Grunde wollen Sie denn heute so grausam dagegen verfahren? Vergessen Sie nicht, daß die Niedermetzelung der Strelitzen ein Makel gewesen ist, wovon sich der große Kaiser nur mit großer Mühe hat rein waschen können, und doch waren die Strelitzen strafbar, während die Hunde es nicht sind. Es würde für Sie und für Ihre fürstliche Nachkommenschaft eine ewige Schande, eine unauslöschliche Erniedrigung sein, keine Meute zu haben, ohne die Qualen Ihres eigenen Gewissens zu rechnen, dem Sie durch einen solchen Mord eine große Last aufgeladen. Der Hund, gnädigster Herr, ist auch ein Geschöpf Gottes, und es steht in der heiligen Schrift: Der Gerechte erbarmet sich auch eines Viehes! Wie können nun Sie, mein kleiner Vater, der Sie ein so gutes Gesicht haben, so gegen den Willen Gottes handeln? – Sie sehen, gnädigster Herr, ich habe, um mich vor Ihnen darzustellen, das Kostüm angelegt, welches ich trug, als ich die Ehre hatte, erster Stallmeister des Grafen Alexis, Ihres Großvaters, reichen Angedenkens, zu sein; es hat seit sechs Jahren im Schranke gehangen; ich glaubte es nicht mehr anzulegen, als um darin begraben zu werden; sehen Sie, gnädigster Herr, ich habe auch den tscherkessischen Gürtel umgeschnallt, den er mir drei Tage nach der glücklichen Ankunft Ihrer Mutter im Schlosse schenkte – Sie lagen damals noch in der Wiege, mein kleiner Vater. Drei Tage nach dieser Ankunft, die ein Gegenstand der Furcht für Alle war, und die der Himmel indessen doch segnete, fand eine große Jagd statt. Niemand konnte den Fuchs einholen, als unser Nachbar Iwan Ramiroff, der ihn beinahe erreicht hätte; als ich dies sah, eilte ich zur Verfolgung des bösen Thieres, erreichte es und rettete so die Ehre des Hauses. Jetzt habe ich Alles gesagt; Sie können jetzt nach Ihrem Willen handeln; nur werde ich dieses Zimmer nicht eher verlassen, als bis ich für meine Hunde Gnade erlangt habe.«

»Aber was willst Du denn endlich?« fragte der Fürst, der durch diese lange Vertheidigungsrede einigermaßen erweicht wurde.

»Ich will, mein Fürst, wenn es noch immer Ihr Wille ist, die Hunde hängen und ersäufen zu lassen, daß es vorher Eurer gnädigsten Excellenz gefallen möge, mir den Kopf abzuhauen; dann können Sie nach Gefallen diese unschuldigen Thiere niedermetzeln, und keine Stimme wird sich erheben, um sie zu vertheidigen; aber in diesem Kostüm werde ich mich Ihrem Vater, Ihrem Großvater, Ihren Vorfahren und Ahnen darstellen, ich werde ihnen meine armen erwürgten Hunde zeigen, die sie mit so vieler Sorgfalt aufgezogen und wie ihren Augapfel geschützt. Was werden sie bei diesem Anblick sagen? das frage ich Sie. Ich bin ein Mann von altem Schlage,« sagte der Greis, einen Kopf schüttelnd, »und Ihre Sitten von heute sind mir fremd; lassen Sie mich doch so schnell wie möglich abscheiden, um zu Denen zu kommen, deren Gewohnheiten ich ehrte und die mich liebten, weil ich meine armen Hunde liebte.«

Mehr vermochte der arme Greis nicht.

Der heftigen Aufregung, die ihn aufrecht erhalten hatte, folgte eine vollständige Vernichtung; seine Stimme erlosch, sein Athem wurde kurz, seine Beine zitterten, und er wäre rückwärts niedergefallen, wenn der Fürst ihn nicht aufrecht gehalten hätte.

Man trug ihn bewußtlos fort; aber die warme Vertheidigungsrede des alten Jacquot Ohnohr rettete die Hunde, und die Meute, die später verschwinden sollte, wurde diesmal noch gerettet.

Es wurde die Meute nicht nur erhalten, sondern der Fürst Danilo Borisowitsch faßte eine lebhafte Freundschaft für den alten Jacquot Ohnohr. Er ließ ihn oft zu sich kommen, um ihn über die alten Jahre zu befragen, und so brachten sie zuweilen ganze Stunden zu.

Einmal des Abends nach einer dieser langen Unterredungen mit dem Greife, ließ mich der Fürst rufen, und ich gehorchte sogleich einem Befehl.

Ich fand den Fürsten in heftiger Aufregung.

»Iwan Andreowitsch,« fragte er mich, »bist Du im Stande, einige Stunden mit mir zuzubringen?«

»Ich rechne darauf, mein ganzes Leben mit Ihnen zuzubringen, mein Fürst,« antwortete ich ihm.

»Ja, ja, das ist abgemacht; aber ich meine etwas Anderes. Bist Du im Stande, mir beim Demolieren zu helfen?«

»Was denn zu demolieren?« fragte ich.

»Eine steinerne Mauer zu demolieren oder zu durchbrechen. Jacquot hat mir eben eine sehr seltsame Geschichte erzählt, die unsere Familie und mich besonders interessiert. Sieh, Iwan Andreowitsch, ich möchte nämlich gern genau wissen, ob man mir blauen Dunst vormacht, oder ob man mir die Wahrheit sagt. Ich kann keinen Fremden und besonders keinen meiner Leibeigenen in diese Sache einweihen; schlage es mir also nicht ab, Iwan.«

Ich willigte sogleich ein, wie man sich vorstellen kann, und fragte den Fürsten, was ihm Jacquot erzählt habe.

»Morgen, morgen,« entgegnete mir der Fürst. »Am Ende mag Alles nur eine dumme Geschichte sein; es ist meine Meinung, daß der arme Jacquot Ohnohr zu faseln beginnt; er hat mir Dinge erzählt, die mir unmöglich scheinen. Uebrigens will ich mich selber überzeugen. Morgen also werden wir erfahren, woran wir uns zu halten haben; ich rechne auf Dich, Iwan.«

Ich erneuerte dem Fürsten das Versprechen, ihm am folgenden Tage in Allem behilflich zu sein, was er unternehmen würde. Darauf begann der Fürst mit mir über den Ertrag der Güter, über die Feldarbeiten und den Holzschlag zu sprechen; aber während er sich mit mir über diese Dinge unterredete, war er offenbar mit einem anderen Gegenstande beschäftigt; er hörte Nichts von dem, was ich ihm sagte, und seine Worte hatten so wenig Zusammenhang, daß ich sie kaum verstand.

»Auf morgen,« sagte er endlich aufstehend und mir die Hand reichend.

»Morgen wie heute werde ich zu Eurer Excellenz Befehl stehen.«

Ich gestehe, daß das Geheimnißvolle dieses Ereignisses so meinen Geist in Anspruch genommen und meine Einbildungskraft erregt hatte, daß ich in der Nacht nicht schlief. Kaum zeigten sich die ersten Strahlen des Tages, als der Fürst mich rufen ließ.

»Du bist bereit, nicht wahr?« sagte er zu mir, als er mich in sein Cabinet eintreten sah. »Ich bin auch bereit. Wir wollen also gehen.«

Und mir das Beispiel gebend, ging er voran die Treppe hinunter, nachdem er befohlen hatte, daß während seiner Abwesenheit. Niemand in den Garten gehen solle, selbst nicht Jacquot Ohnohr.

Wir gingen durch einen großen Theil des Parks, überschritten die beiden kleinen Brücken, die über den künstlichen Fluß führten, und näherten uns dem rosenfarbigen Pavillon.

In dem Vorzimmer des Pavillon fanden wir zwei Hauen, einige Wachskerzen, eine Kiste von schwarzem Holz von mittler Größe.

Alle diese Gegenstände hatte der Fürst vor unserer Ankunft selber dorthin getragen.

Der Pavillon bestand aus fünf oder sechs Zimmern; nachdem er drei davon durchschritten hatte, blieb der Fürst stehen, schlug mit der Brechstange, die er in der Hand hielt, gegen die Mauer und sagte:

»Hier ist es.«

Gleich darauf machten wir uns ans Werk, und nach Verlauf von anderthalb Stunden zeigte die Mauer eine Oeffnung, die so groß war, daß ein Mann hinein konnte. Der Fürst zündete zwei Wachskerzen an, gab mir eine davon, und wir traten in dieses dunkle und von allen Seiten fest eingemauerte Gemach.

Der Geruch, der aus dieser Grabhöhle hervorkam, hätte mich beinahe vor der Oeffnung zurückgehalten; da ich indessen den Fürsten hatte hineingehen sehen, so folgte ich ihm.

Aber kaum war ich eingetreten, als ich fühlte, wie meine Haare sich auf meinem Kopfe emporrichteten; es war nicht nur ein Leichengeruch, der mir in die Nase drang. Unter Trümmern von halb vermoderten Möbeln lag ein menschliches Skelett am Boden. Bei diesem Anblick bekreuzte sich der Fürst und sagte: »Herr, sei der Seele Deiner Dienerin gnädig! Denn vielleicht ist sie in Verzweiflung gestorben!«

Dann wendete er sich zu mir, nachdem er einige Augenblicke geschwiegen.

»Der Greis hat nicht gelogen,« sagte er.

»Was ist dies?« fragte ich, als ich mich ein wenig von der heftigen Gemüthsbewegung erholt hatte.

»Es sind die Sünden der alten Jahre, mein lieber Andreowitsch. Ich will Dir dies Alles einst erzählen; aber in diesem Augenblicke würde mir die Sache unmöglich sein; hilf mir nur, dies da auflesen.«

Und er gab mir das Beispiel, indem er ehrerbietig die zu seinen Füßen liegenden Knochen auflas; ich half ihm dabei, indem ich mir die äußerste Gewalt anthat. Wir legten alle diese Ueberreste in die mitgebrachte Kiste; der Fürst verschloß sie und steckte den Schlüssel in die Tasche.

Indem wir diese sterblichen Ueberreste auflasen, fanden wir unter ihnen ein Paar diamantene Ohrringe, die Ueberreste eines Perlenhalsbandes, einen goldenen Trauring, etwas Metalldraht und einige Reste Fischbein, woran noch halb vermoderte Lappen Seidenzeug hingen, deren Farbe man unmöglich unterscheiden konnte.

Der Fürst hob sorgfältig die Ohrringe, die Ueberreste des Halsbandes und den Trauring auf; wir trugen die Kiste weg, und von Anstrengung und Gemüthsbewegung ermattet, kehrten wir in das Schloß zurück.

»Laß sogleich fünfzig Arbeiter mit Brechstangen und Hauen herbeikommen,« sagte der Fürst zu dem Schloßvogt, der über den Hof ging.

Ich begab mich in meine Wohnung, um mich zu waschen und meine Kleider zu wechseln.

Als ich zu dem Fürsten zurückkehren wollte, fand ich ihn nicht in dem Cabinet, worin er sich gewöhnlich aufhielt.

»Wo ist der Fürst?« fragte ich einen Kammerdiener.

»Er ist in der Galerie der Portraits,« antwortete mir dieser.

Ich begab mich dorthin und fand ihn auch wirklich noch ganz mit Staub und Mörtel bedeckt – kurz, noch in demselben Zustande, wie er aus dem rosenfarbigen Pavillon gegangen war. Er betrachtete in tiefem Schweigen und mit der vollständigsten Unbeweglichkeit ein weibliches Portrait, dessen Gesicht vermöge einer Laune der alten Besitzer des Schlosses mit einer ungeheuren Lage von schwarzer Farbe bedeckt war.

Die Kiste, welche die Gebeine enthielt, stand auf dem Fußboden gerade unter dem Portrait.

Ich sah den Fürsten an – er weinte still.

Darauf sagte man ihm, daß die Arbeiter gekommen wären.

Er trocknete sein ganz mit Thränen benetztes Gesicht ab und gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen.

Der Fürst führte die Arbeiter zu dem rosenfarbigen Pavillon, zeigte ihnen denselben und befahl, ihn bis auf den Grund abzubrechen und die Materialien zu der Kirche zu Niskevo zu tragen, die er gerade in dem Augenblicke bauen ließ. Ehe er aber die Arbeiter anfangen ließ, wollte er noch einmal selber in dieses Grabgemach eintreten, um die Gegenstände, die sich dort finden möchten, in Augenschein zu nehmen.

An einer der Wände befand sich eine mit einer Spitze eingegrabene Inschrift, wovon ich nur lesen konnte, was ich hier mittheile:

»1807 – den 14. October.«

»Lebewohl, mein vielgeliebter Boris! Deine liebe Varvara . . . . hier durch die Grausamkeit Deines . . . .«

»Eine Haue! Eine Haue!« rief der Fürst.

Ich gab ihm mit zitternder Hand eine Haue, denn der Name Boris war der seines Vaters, und dieser Vorname Varvara, der seiner Mutter. Er nahm die Haue, zerschmetterte den Stein, der die Inschrift trug, und rief den Arbeitern zu:

»Brecht ab! Zerstört und vernichtet! Und vor dem Abend muß dieser Pavillon dem Boden gleich gemacht sein!«

Am Abend war der Pavillon bis auf den Grund abgetragen.

Am folgenden Morgen bei Tagesanbruch erwartete uns ein Wagen des Fürsten am Thore des Schlosses, wir stiegen ein und nahmen die Kiste mit den Gebeinen, gleich einem Sarge in ein schwarzes Tuch mit einem silbernen Kreuze eingehüllt, mit uns.

»Zum Kloster von Makarieff!« sagte der Fürst zu dem Kutscher.

Dort angekommen, fanden wir die Mönche im Hofe versammelt; man setzte die Kiste in dem Gewölbe der Fürsten Grubenski bei, dann waren wir bei einer Trauermesse für die Ruhe der Seele der Fürstin Varvara zugegen.

An demselben Abend reiste der Fürst Danilo Borisowitsch, der Letzte des Stammes der Fürsten Grubenski, nach Petersburg ab, nahm mich allein mit und gab allen seinen Leuten Abschied und Freiheit.

Drei Jahre später starb er und vergaß in seinem Testamente weder mich, noch Jacquot Ohnohr.

Das Gerücht von unserer geheimnißvollen Arbeit und von dem Abtragen des rosenfarbigen Pavillons verbreitete sich schnell im Volk. Da man uns eine schwarze Kiste aus dem Pavillon hatte tragen sehen, so erzählte man, daß der Fürst dort einen mit Gold und Edelsteinen angefüllten Koffer gefunden habe; um diesen Glauben zu bestätigen, erzählte der Fürst Danilo bei einer Rückkehr nach St. Petersburg selber, daß Jacquot Ohnohr einen Versteck entdeckt habe, wo der Fürst Alexis einige Familienkleinodien aufbewahrt habe. Alle Welt wünschte dem Fürsten Glück zu diesem Fund, und da Jacquot Ohnohr und ich Befehl erhalten hatten, bei derselben Erzählung zu bleiben, so glaubten. Alle daran.

II.
Der Fürst Alexis

Nein, mein kleiner Vater, sagte eines Tages Jacquot Ohnohr, in einer von den Unterredungen, die seiner glücklichen Vermittelung zu Gunsten der Hunde folgten, zu mir, nein, in der alten Zeit lebte man nicht auf dieselbe Weise, wie heute. Ehemals, wenn man ein großer Herr war, lebte man wie ein großer Herr; aber heute, unter der Regierung unseres guten Kaisers Nicolaus – den Gott erhalte – ist Alles klein und winzig geworden, und der Glanz der alten Zeit verfällt jeden Tag und geht unter; es ist sehr wahrscheinlich, daß die Welt in ihren letzten Tagen ist und mit großen Schritten ihrem Ende entgegen geht. Ach! ich wiederhole es, mein kleiner Vater, Iwan Andreowitsch, fuhr jetzt Ohnohr mit einem tiefen Seufzer fort, indem ich betrachte, was um mich her vorgeht, begegnet es mir zuweilen, daß ich die Sünde begehe, die gottlosen Worte zu flüstern: »Warum, o Herr, hast Du in Deinem Zorne es für gut gehalten, mich noch unter der Zahl der Lebendigen zu lassen? Es würde indessen Zeit sein, daß meine alten Gebeine im ewigen Schlummer ruhten; meine Augen würden die gegenwärtige Zeit nicht sehen und nicht die Thränen vergießen, die sie vergießen.«

Alles ist jetzt auf einen so kleinen und winzigen Maßstab zurückgeführt, so daß sich die fast schämen müssen, welche die alten Tage gesehen haben. Siehst Du, mein Herr, der Fürst Danilo zum Beispiel, kaum besitzt er tausend Seelen, und wenn in diesem Schlosse noch dreißig oder vierzig Diener sind, so ist es Alles.

Kann man das als einen Dienst des Hauses, wie das unsere, betrachten? Ich weiß wohl, daß die Meute schön ist; aber Du weißt wohl, daß, wäre ich nicht gewesen, die arme Meute verschwunden sein würde. Die Meute bleibt also. Aber die Musikanten, die Jäger, die Zwerge, die Narren, die Neger, die Läufer, die Stummen, was ist aus ihnen geworden? Und doch gehörten sie zu jedem Hause, welches ein wenig auf sich hielt. Und nun suche, Iwan Andreowitsch, und Du wirst keine Spur finden, nicht nur bei meinem Herrn, sondern ich kann wohl sagen bei keinem russischen großen Herrn! Sie leben. Alle mit einer kläglichen Sparsamkeit! Ich will wetten, daß Du keinen Einzigen von der ganzen gegenwärtigen Generation finden wirst, der eine Carrosse mit sechs Pferden zu führen versteht; sie fahren Alle ganz ärmlich mit zwei Pferden, ohne Furcht, daß man sie für arme Leute oder für Kaufleute hält.

Aber wozu auch Pferde für diese Leute? Wir sind zu der Abscheulichkeit gekommen, daß man ein einziges Pferd vor einen Wagen spannt, der kaum sichtbar ist; der Lakai setzt sich neben seinen Herrn, kreuzt ruhig die Arme und läßt sich von diesem Herrn fahren, der der Kutscher seines Bedienten geworden ist. Ach! lieber Andreowitsch, das sage ich Dir, und Du kannst es mir aufs Wort glauben, ich kann nicht, ohne mich krank zu fühlen, die tiefe Erniedrigung ansehen, in die wir gefallen sind. Man kann ganz einfach sagen, daß es heutiges Tages keine Würde mehr auf der Erde giebt, und Gott weiß, was daraus werden mag!

Sieh nur, wohin unsere Großen gekommen sind! Einige schämen sich nicht, sich mit der Industrie zu beschäftigen, und Andere haben Kaufmannstöchter geheirathet, und führen ihre Handelsbücher selber. Warum lassen sie nicht lieber gleich ihren Bart wachsen, und tragen ihr Pantalon in den Stiefeln und das Kumakhemd über dem Pantalon? Wenn sie nur einige Reichthümer daraus zögen; aber pah! sie setzen sich mehr und mehr in Schulden; Jeder von ihnen ist mehr schuldig, als er in seinem ganzen Leben ersparen wird. Ach! wenn ihre Väter, ihre Voreltern und ihre Ahnen, die Gott in seinem ewigen Reiche haben möge, aus ihren Gräbern kommen könnten, wie schnell würden sie ihre lieben Enkel in den Marstall schicken, um dort nach den alten guten Sitten eine tüchtige Tracht Schläge mit der Knute oder mit Ruthen zu empfangen, so daß diese es vielleicht für klüger erachten würden, ihre Lebensart zu verändern.

Da, mein kleiner Vater, ist zum Beispiel unser Herr Danilo Borisowitsch, der hat noch etwa tausend Seelen, folglich könnte er ein großer Herr sein. Nun, hat er wohl das Ansehen davon ? Er hat seine Studien gemacht in Moskau auf der Universität, wie sie es nennen, als wäre er der Sohn eines Kaufmanns von der Marschallsbrücke oder von der großen Millione, und dort hat er, wie man mir versichert – ich muß wiederholen, was ich nur schwer glauben kann – mit den Söhnen der Schuhmacher und Schneider auf denselben Bänken gesessen! – Und Du, Iwan Andreowitsch, der Du ein verständiger und achtbarer Mann bist, sage mir, ist es möglich, daß Schuhmacher und Schneider die Kameraden eines Fürsten sein können?

Was ist daraus erfolgt? Er hat weder die Schuhmacher, noch die Schneider geadelt, und hat in ihrer Gesellschaft Manieren angenommen, wie wir gesehen. Als er hierher kam, anstatt eine glänzende Jagd anzuordnen, anstatt dem Adel aus der Nachbarschaft eins von diesen prächtigen Festen anzubieten, wie sie eine Vorfahren zu geben pflegten, welches war ein erster Befehl?

»Laß die Hunde hängen und ersäufen!«

Ich verzeihe ihm, weil der Befehl nicht ausgeführt worden ist. Nein, er zieht es vor, zu den Abendgesellschaften bei den Muschiks zu gehen, mit ihren Töchtern zu tanzen, sich von den Greisen eine Geschichte aus der Zeit Iwan des Schrecklichen erzählen, oder sich irgend ein altes Lied der Kosaken oder der Strelitzen vorsingen zu lassen! Ist das ein Zeitvertreib eines Fürsten würdig? Ohne zu rechnen, daß er alte Bücher und alte Bilder um fabelhafte Preise kauft.

Eines Tages bemerkte er einen alten blinden Bettler, der, an die Mauer eines Bazar gelehnt, mit näselnder Stimme ein altes Lied zu Ehren des heiligen Wladimir sang. Ach! Ihr heiligen Apostel! Als der Fürst dieses Lied hörte, zitterte er vor Freude. Er ergriff den alten Bettler bei der Hand, ließ ihn in seine Carrosse steigen, nahm ihn mit sich aufs Schloß, und führte ihn, dort angekommen, geradeswegs in ein Cabinet; dann setzte er den alten Schelm in einen schönen sammetnen Lehnsessel, und als er ihn so bequem untergebracht hatte, bewirthete er ihn mit Wein und Branntwein, und ließ ihm die besten Gerichte von seiner eigenen Tafel bringen; endlich bat er ihn – da er es ihm doch anbefehlen oder in den Pferdestall schicken konnte, wenn er sich weigerte – er bat ihn, von Neuem anzufangen und das Lied vom heiligen Wladimir zu singen. Als der alte Schelm jetzt völlig überzeugt war, daß der Fürst nicht seiner spotte, stimmte er sein Lied aus voller Kehle an und plärrte es von Anfang bis zu Ende her, während der Fürst sich die Mühe gab, ihn anzuhören, als ob es etwas sehr Kostbares gewesen wäre! Drei Tage lang – Du weißt es, mein kleiner Vater, denn Du warest hier – drei Tage lang beherbergte er diesen schmutzigen Bettler; drei Nächte schlief der alte Bursche in einem Federbette, und als er alle seine Lieder gesungen, gab ihm der Fürst zwanzig Rubel und einen vollständigen Anzug, ließ ihn wieder an den Ort führen, wo er ihn weggenommen hatte, und sagte ganz freudig:

»Es ist Gold, diese Lieder, ächtes Gold! Und ich würde für solche Schätze meinen letzten Morgen Landes geben.«

Nun, Iwan Andreowitsch, ist denn das nicht eine Thorheit?

Und dann, wenn es ihm einfällt, Nachsuchungen anzustellen, da geht es noch anders zu! Da läßt er alle die alten Gräber demolieren! Gott verzeihe ihm, daß er so die Todten in ihren letzten Wohnungen beunruhigt! Hast Du nicht selber gesehen, wie er die Haue in die Hand nahm und zwischen zwei Muschiks die Erde aufwühlte; dann, wenn er irgend ein altes Spielzeug von Kupfer oder ein zerbrochenes irdenes Gefäß findet, welches nicht einmal zu einem Trog für einen Hund gut genug ist, da hüpft er vor Freude und wickelt. Alles in Papier, als hätte er das Hals geschmeide oder das Armband der Königin Subika wiedergefunden!

Nein, nein, beim heiligen Serge, mein kleiner Vater, wir lebten anders, als jetzt, in der guten alten Zeit; damals verkehrten die großen Herren nur mit den großen Herren, und es wurden nicht nur keine so schmutzigen Menschen, wie dieser blinde Bettler, in ihre Paläste eingelassen, um sich auf ihren Lehnsesseln auszustrecken, sondern sie würden nicht einmal gewagt haben, Leute zu ihrem vertrauten Umgange zuzulassen, die nicht von ihrem Range gewesen wären und nicht dasselbe Vermögen besessen hätten; diese sah man nur bei Gelegenheit als bloße Bekannte; man empfing sie nur, um bei Tafel einige Gäste mehr zu zählen, als die Nachbarschaft liefern konnte. Ihrerseits mußten sie, wie man damals sagte, auf dem Seile gehen, und wenn sie sich davon entfernten, trieb man sie mit Peitschenhieben auf den Weg zurück. So muß man verfahren; wenn die Erben nicht vom Frost litten, würden sie so hoch aufschießen, wie die Pappeln.

So lebte man in der guten alten Zeit!

Nehmen wir nur als Beispiel den Fürsten Alexis. Himmel! welch ein schönes Leben ! Das Schloß war ein wahres Paradies: welch ein Reichthum! welch ein Ueberfluß! Das Silberzeug zur Tafel wog allein hundertvierzig Pud (5600 Pfund); im Keller waren Fässer mit Rubeln angefüllt. Die Scheidemünze bewahrte man wie das Getreide in Kisten auf dem Boden auf. Da waren zwei Musikchöre, wovon jedes aus sechzig Musikanten bestand; da waren fünfhundert Reitpferde und zweihundert Wagenpferde; da waren tausend Hunde, achtzehn Narren, zwölf Neger und ebenso viele Stumme. Die geringste Anzahl der Gäste betrug vierzig an der großen Tafel, ohne die kleinen zu rechnen. Man kann wohl sagen, daß unser Haus damals einem vollen Becher glich. Und der Besitzer von dem Allen, Himmel! welch ein großer Herr war er! Man könnte jetzt die ganze Welt am hellen Mittag mit angezündeten Fackeln durchlaufen, ohne seines Gleichen zu finden. – Ach! dies Alles ist vorübergegangen, dies Alles ist verschwunden, um niemals zurück, zukehren: es sind keine zwei Sommer in demselben Jahre! Man darf mir glauben, wenn ich von dem Fürsten Alexis rede, denn ich habe nicht immer das Glück gehabt, bei ihm in Gunst zu stehen.

Ich war zuerst Hundeaufseher bei ihm und dann Stallknecht. Diesen letzteren Posten bekleidete ich, als er eines Tages nach einem Mittagessen mit einigen vertrauten Freunden den Einfall bekam, mich zum Dessert rufen zu lassen, um mit seinem Bären zu kämpfen. Wenn der Fürst Alexis Etwas zu befehlen geneigte, so war. Nichts dagegen einzuwenden.

Der Bär richtete sich auf seine Hintertatzen und wir rangen mit einander. Dies ging ziemlich gut und ich glaube, wenn ich ihm ein Bein untergeschlagen, hätte ich ihn umwerfen können, als das verwünschte Vieh sich besiegt fühlte, mein Ohr erhaschte und es abzubeißen begann.

»Saukinsin!« sagte ich zu ihm, »willst Du loslassen? Nicht? – Einmal, willst Du loslassen? Zweimal, dreimal, willst Du loslassen? Nicht? – Warte!«

Ich zog mein Messer aus der Tasche und stieß es ihm unter der Achselhöhle bis ans Heft in die Brust. Der Bär fiel todt nieder, aber er hatte mein rechtes Ohr zwischen einen Zähnen. Als dies der Fürst Alexis sah, schnitt er mir auch das linke Ohr ab, weil ich den Bären ohne seine Erlaubniß getödtet hatte.

Seit der Zeit nennt man mich Jacquot Ohnohr. Als aber der Fürst seinen Zorn ausgelassen hatte, hegte er weiter keinen Groll gegen mich. Man balgte den Bären aus und stellte ihn in das Vorzimmer gegen einen Baumstamm, so daß es aussah, als ob er hinaufsteigen wolle. Was mich betrifft, ich wurde einige Zeit darauf zum Range eines Meutenführers erhoben.

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