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Kitabı oku: «Jacquot Ohnohr», sayfa 4

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»Gut!« sagte er bei sich selber, »ich habe Zeit.«

Und er setzte sich nieder und zog rasch eine Stiefel aus, um bei seinem Laufe weniger gehindert zu sein; dann, als er seine Stiefel ausgezogen hatte, stürzte er sich wieder auf den See zu, und zwar rascher, als vorher.

Als der Fürst Alexis dies sah, dachte er, daß der kleine Kaufmann sehr verständig handle. Er setzte sich auch nieder und legte seinerseits auch die Stiefel ab, dann setzte er seinen Weg fort.

Der Kaufmann lief auf den See zu; der Fürst folgte dicht hinter ihm; der Erstere trat in's Wasser, der Zweite ahmte ihm in allen Dingen nach. Der Kaufmann blieb an einer Stelle stehen, wo ihm das Wasser bis an den Hals ging; da aber der Fürst einen Kopf kleiner war, als er, so ging ihm das Wasser schon bis ans Kinn, während es dem Kaufmann erst bis ans Schlüsselbein ging. Beide waren genöthigt, zwanzig Schritte von einander stehen zu bleiben.

Da der Fürst jetzt nicht weiter konnte, begann er dem Kaufmann zuzurufen:

»Komm' hierher, Schurke,« sagte er zu ihm. »Ich habe eine Rechnung mit Dir abzuschließen.«

»Nein, mein kleiner Vater, ich bin nicht so dumm,« antwortete ihm der Kaufmann, »es ist nicht an mir, meine Rechnung mit Ihnen abzuschließen, sondern Sie wollen die Ihrige mit mir abschließen. Kommen Sie also zu mir, denn ich werde mich nicht von hier entfernen.«

»Du willst mich also ertränken, Feigling?« rief der Fürst.

»Ich weiß nicht, was der gute Gott in dieser Hinsicht bestimmt hat; aber so viel weiß ich, daß ich nicht zu Ihnen gehen werde.«

Und so stritten sie eine gute halbe Stunde, ohne daß der Eine oder der Andere sich vom Platze bewegte; und da ungeachtet des guten Wetters das Wasser ziemlich kalt war, begannen Beide am ganzen Körper zu zittern.

»Nun, Du bist ein wackerer Junge,« sagte endlich der Fürst, »und ich liebe Die, welche muthig sind, wie Du, um so mehr, da ich solche nicht oft treffe. Ich verzeihe Dir Deine Streiche; komm' ins Schloß, ich lade Dich zur Mittagstafel ein.«

»Sie lügen, mein kleiner Vater: es ist kein Mittagsessen, welches meiner dort wartet, sondern eine Strafe.«

»Ich werde Dich nicht mit dem Finger anrühren, ich gebe Dir mein Ehrenwort darauf.«

»Nein; aber Sie werden mich von Anderen anrühren lassen. Wir wissen das.«

»Auf Edelmannsparole!«

»Machen Sie das Zeichen des Kreuzes!«

Der Fürst, der bis an das Schlüsselbein im Wasser stand, machte mehrmals nach einander das Zeichen des Kreuzes, indem er bei jedem Zeichen bei einem heiligen Patron schwur, daß dem listigen Kaufmanne Nichts zu Leide geschehen solle.

Völlig beruhigt durch die Zeichen des Kreuzes und die Eide, ging der Kaufmann aus dem Wasser; der Fürst that dasselbe, und sie begaben sich im besten Vernehmen in das Schloß, wo der Fürst seine Kleider wechselte und sie auch seinen Gast wechseln ließ, indem er ihm Kleider aus seiner eigenen Garderobe gab.

»Ich bin gewiß, daß Du mich ertränkt hättest, wenn ich thöricht genug gewesen wäre, zu Dir zu gehen,« sagte der Fürst zu Konone—Fadeitsch, dies war der Name unseres Kaufmannes, jedesmal, wenn er ihm begegnete.

»Ich weiß es nicht, mein Fürst,« antwortete dieser; »ich hätte gethan, was Gott mir eingegeben.«

Dieser Konone—Fadeitsch war ein schlauer Fuchs.

Der Fürst hatte die Gewohnheit, im Sommer auf einem Lehnsessel nach seinem Dessert einzuschlafen. Zu diesem Zwecke ließ er seinen Sitz auf die Schwelle der Thüre stellen, die zu dem Balkon führte. Während der Siesta des Fürsten mußte jeder das strengste Schweigen beobachten, und dieser Befehl erstreckte sich nicht nur auf das Personal des Schlosses, sondern auch auf alle Diejenigen, die auf ihren Fahrzeugen vorüberkamen, mochten sie nun den Fluß hinauf- oder hinunterfahren – wenn sie ihn nicht befolgten, wurden sie in den Marstall geschickt.

Und damit Alle in Kenntniß gesetzt würden, daß der Fürst allergnädigst geruhe, sich den Süßigkeiten des Schlummers hinzugeben, hißte man auf dem Schlosse eine himmelblaue Fahne auf, die allein zu diesem Gebrauche bestimmt war.

Eines Tages, als er so ruhte, wurde er plötzlich von einer Stimme, die gerade unter einem Balkon sang, aus seinem Schlummer erweckt.

Es war die eines kleinen Edelmannes, der im Garten spazieren ging und sich so weit vergaß, den Befehl zu überschreiten.

Er hatte freilich eine Entschuldigung, denn als er an der Wohnung der Gesellschafterinnen vorüberkam, wurde er so aufgeregt von den zärtlichen Blicken und Winken dieser Damen, welche vermöge der blauen Flagge wußten, daß der Fürst schlafe, so daß er gänzlich den Kopf verlor und aus voller Kehle sang:

»Es führt ein Fußsteig übers Feld – «

Aber wie man leicht begreift, wagte er diese Entschuldigung bei dem Fürsten nicht geltend zu machen.

Als er gewahr wurde, welchen Fehler er gemacht, entfloh der Schuldige, so schnell er konnte.

»Wer hat den »Fußsteig übers Feld« gesungen?« fragte der Fürst erwachend.

Die Bedienten, an die diese Frage gerichtet war, zerstreuten sich nach allen Seiten, um den Schuldigen zu verfolgen und sich seiner zu bemächtigen, wenn es möglich sei.

Glücklicherweise fand dieser auf seinem Wege einen Heuschober, machte sich eine Oeffnung hinein und versteckte sich darin, wie ein Kaninchen, ohne von Jemand gesehen zu werden, außer von den jungen Gesellschafterinnen; aber es war keine Gefahr vorhanden, daß sie das Geheimniß eines Mannes verriethen, der um ihretwillen der Verfolgung ausgesetzt war.

»Wer hat den »Fußsteig übers Feld« gesungen?« rief zum zweiten Mal der Fürst mit gebieterischer Stimme. Und zu gleicher Zeit hörte man den Lärm von den Möbeln und den Spiegeln, welche zerschmettert wurden.

Die Diener fuhren fort, nach allen Seiten wie toll zu laufen; aber sie fanden den Schuldigen nicht.

»Wer hat das Lied gesungen?« rief zum dritten Mal der Fürst mit Donnerstimme, indem er, seine große Peitsche in der Hand, auf der Freitreppe erschien.

Niemand wußte, was man ihm antworten sollte; jeder suchte, jeder lief, und man hörte nur Fragen sich kreuzen und laut dieselbe drohende Stimme rufen:

»Wer hat den »Fußsteig übers Feld« gesungen?«

»Man liefere mir im Augenblick den Schuldigen aus!« sagte der Fürst, »oder alle Rücken sollen mir für seine Zunge leiden!«

Alle Nachsuchungen blieben ohne den geringsten Erfolg.

Der Fürst brüllte wüthend wie ein Bär, der von den Hunden angegriffen wird, und fluchte, daß die Felsen der Grotte und des Wasserfalles hätten davon spalten können.

Der Anführer der Heiducken, welcher einsah, daß sein Rücken einer noch größeren Gefahr ausgesetzt war, als der der anderen – denn wenn diese summarischen Executionen stattfanden, die den Zweck hatten, einen unbekannten Schuldigen aufzufinden, da schlug der Fürst mit eigener Hand die Anführer und verfehlte nie den dreizehnten Schlag hinzuzufügen – der Anführer der Heiducken, sage ich, wendete sich an den Sänger Vasko und bat ihn, die Schuld auf sich zu nehmen.

Vasko, welcher vollkommen wußte, was für ihn daraus entstehen würde, begann damit, es rund abzuschlagen.

Dann bat man ihn mit Thränen, und der Intendant versprach ihm alle möglichen Geschenke, überdies eine Erkenntlichkeit von zehn Silberrubeln.

Vasko wurde gedankenvoll, blinzelte mit dem Auge und kratzte sich hinter dem Ohr; zehn Silberrubel war schon eine hübsche Summe in jener Zeit.

Aber andererseits kam ein Rücken in große Gefahr, denn der Fürst war in großem Zorn.

»Nun,« sagte er endlich, von dem Anblick der Rubel verlockt, »ich nehme es an, aber wohl gemerkt, Ihr Leute, wenn der Fürst mich nicht mit eigener Hand bestraft, so – schlagt nicht so stark.«

Man versprach es ihm.

Während dieser Zeit war der Fürst in den äußersten Zorn gerathen.

»Alle diese Canaillen von Muschiks,« brüllte er, »sollen tausend Peitschenhiebe erhalten; die Bekannten fünfhundert, und was die Gesellschafterinnen betrifft, so lasse man mir Uliaschka und Vasilika kommen.«

Da wurde die Bestürzung allgemein. Niemand wagte mehr ein Wort zu flüstern, kaum athmete man noch.

»Man bringe mir alle Peitschen, die sich in dem Schlosse befinden!« rief der Fürst.

»Da ist der Schuldige! Man hat ihn, hurrah! hurrah!« riefen die kleinen Kosaken, als sie den Intendanten erblickten, dem einige Heiducken folgten, welche Vasko, an Händen und Füßen gebunden, herbeiführten.

Der Fürst setzte sich auf ein Sopha, um sein Urtheil zu sprechen. Man führte Vasko vor ihn, und Alle erwarteten mit Unruhe die Entwickelung dieser schrecklichen Scene.

»Du bist es gewesen, der gesungen hat?« fragte der Fürst.

»Ja, mein Fürst,« stotterte Vasko.

Der Fürst saß einige Augenblicke schweigend und mit gerunzelten Augenbrauen da.

»Du hast eine schöne Stimme!« sagte er endlich. »Man zahle ihm zehn Rubel aus und gebe ihm einen neuen Rock.«

So war der Fürst Alexis gut und milde, wie ein gutes Brod, nur liebte er die Ordnung und hielt darauf, daß die Vorschriften beobachtet wurden.

IV.
Der Namenstag des Fürsten Alexis

Der Namenstag unseres lieben kleinen Vaters, des Fürsten Alexis, fiel fünf Tage nach dem Feste der Fürbitte unserer heiligen Jungfrau, und der Fürst wollte, daß dieser Namenstag mit großem Pomp gefeiert werden solle; in Folge dessen fanden beständig Festlichkeiten und prächtige Bälle statt. Die Eingeladenen begannen vierzehn Tage oder drei Wochen vor dem Feste im Schlosse anzukommen, und unter den vorzüglichsten Gästen bemerkte man zuerst die großen Herren aus der Umgegend, dann den Gouverneur von Kasan, die Woiwoden der umliegenden Provinzen und den General der in Nichney in Garnison stehenden Dragoner. Es kamen Gäste von Moskau und selbst von St. Petersburg, denn alle Freunde des Fürsten Alexis waren glücklich, ihn an seinem Namenstage, zu begrüßen.

Jeder vornehme Gast hatte im Schlosse ein besonderes Zimmer. Die Wahl des Zimmers wurde nach dem Range und der Stellung dessen bestimmt, der es bewohnen sollte. Ein besonderer Pavillon war für den Gouverneur, ein anderer für den General bestimmt.

Die kleinen Adeligen, die immer zu diesem Feste in einer Anzahl von zwölf- bis fünfzehnhundert kamen, brachte man zum Theil bei den Bürgern, zum Theil bei den Muschiks unter.

Sie schliefen dort am Boden oder auf Oefen.

Am Tage vor dem Feste fand ein Abendgottesdienst statt und dann ein Diner, aber ein wahres Fastendiner. Der Fürst wollte sowohl für sich, als für seine Gäste jede Gelegenheit vermeiden, sich während der Nacht irgend ein Vergehen zu Schulden kommen zu lassen, welches die Feierlichkeit des folgenden Tages vermindern und verhindern konnte, daß Alle am nächsten Morgen bei guter Zeit auf waren.

Am folgenden Morgen begaben sich Alle zu dem Fürsten, um ihm Glück zu wünschen; dieser saß in Galakleidung im Salon, hatte zu einer Rechten den Gouverneur und zu einer Linken die Fürstin Marfa Petrowna.

Die Anderen saßen nach ihrem Range. Die kleinen Edelleute standen hinter den Stühlen; die ganze Dienerschaft war in den Thüren versammelt. Dann kam der Dichter, den der Fürst nur für die Feierlichkeiten von der Art unterhielt, welche an diesem Tage stattfanden. Es war ein gewisser Semione Tetisch, der Sohn eines Pope, den man nach Moskau geschickt, um dort das Versemachen zu studieren.

Der Dichter wurde in einer besonderen Wohnung unterhalten, wo er ruhig lebte; eine ganze Arbeit bestand darin, Verse oder ein ländliches Gedicht zu machen, wenn irgend eine Feierlichkeit kam. Bei dieser Gelegenheit schloß man ihn drei Wochen vorher in das Taubenhaus ein, um ihm alle Zerstreuung zu ersparen, und besonders um ihn zu verhindern, sich zu betrinken.

Tetisch, mit einem ganz neuen seidenen Gewande bekleidet, und seinen Kopf mit einer gepuderten Perrücke bedeckt, blieb in der Mitte des Kreises stehen, und nach einer tiefen Begrüßung entfaltete er sein Papier und las die Verse, die er gemacht hatte, und welche Alle mit dem tiefsten Schweigen anhörten. Hierauf näherte er sich dem Fürsten, ließ sich auf ein Knie nieder und überreichte ihm ein Papier. Hierauf reichte ihm der Fürst zum Zeichen einer hohen Genugthuung seine Hand zum Kusse, machte ihm ein Geldgeschenk, befahl, daß man ihm zu trinken und zu essen vorsetze, indem er zugleich anempfahl, ihn zu überwachen, um ihn zu verhindern, an den Folgen seiner Unmäßigkeit zu sterben; was ein Verlust gewesen wäre, da es vielleicht sechs bis acht Jahre bedurft hätte, um einen Dichter von derselben Stärke heranzubilden.

Alle hatten überdies den Befehl erhalten, ihm kein Leid zuzufügen.

Ungeachtet dieses Befehls erlaubte sich eines Tages ein kleiner Edelmann des Fürsten Alexis, dem armen Tetisch einen schlechten Streich zu spielen. Als er ihn beschäftigt sah, seinen Rausch auszuschlafen, und gerade einen Igel gefunden hatte, bekam er den Einfall, das Thier zwischen das Hemde und die Haut des Dichters zu stecken. Dieser erwachte plötzlich mit heftigem Schmerze, und da er in seiner Trunkenheit die Ursache davon nicht errathen konnte, so lief er wie ein Narr gerade auf das Schloß zu und rief mit der ganzen Stärke seiner Lungen:

»Hilfe! – Räuber! – Mörder!«

Zum Unglück begegnete er gerade dem Fürsten, welcher, als er die Ursache des Geschreies des unglücklichen Dichters hörte, sehr über den Streich, den man ihm gespielt, lachte. Aber zu gleicher Zeit befahl er, nachdem er dem kleinen Edelmanne eine gute Strafe hatte zu Theil werden lassen, daß dieser dagegen einen ganzen Tag den erwähnten Igel zwischen einem Hemde und seiner Haut tragen solle.

Nachdem sich Tetisch entfernt hatte, servierte man den Thee, aber nur den großen Personen, weil der Thee vor alten Zeiten noch eine sehr seltene Bewirthung war, deren Gebrauch nur die vornehmen Personen kannten. Die kleinen Edelleute hätten nicht gewußt, wie sie sich dabei benehmen sollten, um ihn mit Zucker zu versehen und ihn zu trinken.

Wenn man den Thee eingenommen hatte, ließ man die Narren kommen. Sie beeilten sich dann, tausend Proben von ihrer Kunst zu geben. Erst wenn sie alle Welt gehörig belustigt hatten und man ihrer überdrüssig war, trieb man sie mit Fußstößen aus der Thüre; dies war der Unterschied, den man zwischen ihnen und dem Dichter machte.

Als man das Mittagsessen anmeldete, begab sich Jeder nach seinem Range in den Speisesaal. Das eine Ende der Tafel nahm unsere kleine Mutter Marfa Petrowna mit ihren Damen, das andere unser kleiner Vater Alexis und seine Herren ein. Drei Mal während der Mittagstafel trank man auf die Gesundheit des Fürsten, und bei jeder Gesundheit stießen die Gäste ein entsetzliches Hurrah aus, die Kanonen donnerten, die Trompeten erschallten, die Sänger stimmten im Chor eine Cantate an, die Zwerge machten Grimassen, die Neger tanzten und die Gäste zerbrachen mit lautem Krachen alles Porzellan und alles Glas, welches ihnen unter die Hände kam, um dem Amphitryo ein langes und glückliches Leben zu wünschen.

Dann erhob sich der Bär, der Liebling des Fürsten, der Nachfolger dessen, der mir das Ohr abgebissen hatte, von dem Lärm aufgeregt, auf feine Hinterfüße und begann einen Tanz, wobei er gewiß mehr Grazie, Gewandtheit und Leichtigkeit zeigte, als der dritte Theil der Gäste, beschwert von dem vielen Trinken, hätten zeigen können.

Um sieben Uhr begann der Ball. Er wurde mit einer Polonaise eröffnet, welche die Fürstin Marfa mit dem Gouverneur tanzte.

Um zehn Uhr wurde der Ball unterbrochen, um einem Schäferspiele Platz zu machen. Alle begaben sich in die große Galerie. Bei dem Geräusche, welches durch diese Ortsveränderung hervorgebracht wurde, spielten die Musiker italienische Stücke, welche den Lärm so viel wie möglich übertäubten.

Wenn die Zuschauer saßen, wurde der Vorhang aufgezogen.

Dann sah man die Heldin des Stückes hinter einem Baum hervorkommen. Meistens, und so lange sie jung blieb, war es die schöne Duniaka, die Tochter des Webers Egor, die erste Schönheit nicht nur in Makarieff, sonder auch auf zwanzig Meilen in der Runde. Ihre zurückgeschlagenen Haare waren gepudert und mit Blumen geschmückt. Ihr bezauberndes Gesicht wurde noch pikante gemacht durch zwei oder drei künstlich aufgelegte Schönpflästerchen. Sie trug ein prächtiges Kleid von blauen Atlas und hielt einen Hirtenstab in der Hand mit roten farbigen Bändern verziert.

Nach einer Verbeugung gegen den ganzen Saal näherte sie sich dem Fürsten und hielt eine Anrede in Verse an ihn, die von Semione Tetisch herrührten.

Als Duniaka diese Verse recitiert hatte, erschien ihr Gefährtin Paraka, als Schäfer verkleidet, mit gepuderter Haar, Wamms, Weste und Beinkleid von Atlas tragend. Darauf begannen sie sich in Versen von Liebe und von Schafen zu unterhalten, Darauf setzten sich Schäfer und Schäferin neben einander nieder und liebkosten sie auf so zärtliche und verliebte Weise, daß nicht nur die jungen Leute, sondern auch die Greise vor Vergnüge erbebten.

Tetisch hatte Anfangs große Mühe gehabt, die beide Dämchen dahin zu bringen, die Verse auf passende Weise zu recitieren; da. Beide nicht lesen konnten und sehr träge waren, so behaupteten sie, sie könnten die Verse, die ihnen der Dichter vorsagte, nicht verstehen und folglich auch nicht behalten; aber der Fürst Alexis hatte Vasilika und Uliaschka rufen lassen; die beiden Furien waren jede mit einer Handvoll Ruthen gekommen, hatten den Widerstrebenden eine Strafe zugetheilt, und wie durch ein Wunder wußten sie am folgenden Tage ihre Rollen, ohne daß es nöthig war, daß man ihnen ein Wort zublies.

Alle waren, wie gewöhnlich, sehr erfreut von dem Schäferspiele, und der Fürst Alexis ließ darauf Tetisch rufen, um die verdienten Complimente in Empfang zu nehmen; aber wie gewöhnlich war Tetisch außer Stande, vor dem Fürsten zu erscheinen. Er schlief einen Rausch aus, was ihn nicht verhinderte, jedes Jahr ein sehr schönes Schäferspiel zu liefern.

Um ein Uhr servierte man das Abendessen. Beim Abendessen wurden nur sechzig Gerichte gereicht, weil es nicht gesund sei, gegen die Nacht viel zu essen; dagegen aber wurden Weine und Getränke in großer Fülle servirt; Jeder mußte ein Glas leeren, sobald es gefüllt war, oder der Fürst ließ den Wein oder den Liqueur über den Kopf oder die Kleider derjenigen ausschütten, die nicht auf passende Weise tranken.

Nach dem Abendessen ging Jeder, wohin es ihm gefiel. Der Fürst Alexis begab sich mit fünfzehn oder zwanzig seiner intimsten Freunde in einen von den Pavillons im Garten. Ihre erste Sorge war, sich aller überflüssigen Kleidungsstücke zu entladen; dann ließ der Fürst einen großen goldenen Becher mit Cyperwein füllen, und nachdem er ihn auf einen Zug geleert, reichte er ihn einem seiner Freunde, der ihn wieder einem anderen gab, und so der Reihe nach.

Wenn der letzte von den Freunden des Fürsten den Becher geleert hatte, sagte dieser:

»Man lasse den Olymp zu uns heruntersteigen.«

Sogleich traten etwa zwanzig von den Gesellschafterinnen herein, welche alle die Kostüme der heidnischen Göttinnen trugen, von den neun Musen bis zu den drei Grazien; alle waren von entzückender Schönheit und Jugend.

Dann folgten Tänze, um die Augen zu entzücken, und Gesänge, um die Seelen zu erheben.

Und mit diesen und ähnlichen Unterhaltungen, mein lieber Iwan Andreowitsch, schloß das Fest des Fürsten.

V.
Der Jahrestag des 14. October

»Aber die Prinzessin Varvara, ihr rosenfarbiger Pavillon, ihre schwarze Kiste und ihre Inschrift an der Mauer?« sagte ich zu Jacquot Ohnohr. »Es scheint mir, als ob wir dies Alles ein wenig vergessen.«

»Nein, nein, sei ruhig, Iwan Andreowitsch, wir kommen dahin, und ich erzähle Dir die Sachen nicht in der Ordnung, wie sie geschehen sind, sondern in der Ordnung, wie ich sie erfahren habe.

Wie Du hast bemerken können, liebte der Fürst Alexis die Jagd sehr; aber die, welche er ganz besonders liebte, war die Bärenjagd. In jener Zeit waren die Wälder weniger zu Grunde gerichtet, als gegenwärtig, und es war reichlich Wild jeder Art vorhanden. Jeden Winter erlegten wir gewöhnlich wenigstens einige dreißig Bären. Sobald der Winter begann und sich bemerklich machte, schickte der Fürst vierzig Männer in die Wälder umher aus, um die Lager der Bären zu entdecken. Alle Bauern der Herrschaft und selbst die der benachbarten Besitzungen wurden davon in Kenntniß gesetzt und sie verfehlten nie, ins Schloß zu kommen, um ihre Entdeckungen mitzutheilen, denn sie wußten, daß der Fürst diejenigen großmüthig bezahlte, die ihm durch einen guten Rath das Vergnügen seiner Lieblingsjagd verschafften.

Er griff einen Bären allein an und gab niemals zu, daß ein Anderer, als er, ihn erlegte. Alle hatten ein- für allemal diesen Befehl von ihm erhalten:

»Fallt niemals über den Bären her, als bis er mich zu Boden geworfen hat und anfängt mich zu verzehren; wenn Euch Euer Kopf lieb ist, so rührt ihn nicht an und laßt mich machen.«

Er erlegte den Bären nicht mit der Flinte oder der Lanze, sondern nur mit dem Messer und dem Fangeisen; und ich kann Dir die Versicherung geben, mein kleiner Vater, daß er mehr als hundertfünfzig mit eigener Hand erlegt hat. Oft befand er sich in sehr gefährlichen Lagen; zweimal glaubte er, er werde auf dem Platze bleiben müssen. Das erste Mal wurde ihm ein Schenkel halb abgefressen; das zweite Mal umarmte ihn der Bär so, daß seine Knochen krachten; diesmal rief er um Hilfe; es war das einzige Mal. Man führte ihn ohnmächtig im Schlitten fort und er wurde so krank, daß er beinahe daran gestorben wäre. Aber Gott hatte Mitleid mit ihm und er wurde wieder hergestellt.

Wenn wir auf unsere entfernten Jagden auszogen, die im Herbste stattfanden, blieben wir etwa sechs Wochen vom Schlosse fern. Dann nahm der Fürst die ganze Meute und sein ganzes Gefolge mit, vierhundert Jäger mit tausend Windhunden, hundertfünfzig Hundeaufseher und zwei- oder dreihundert von den kleinen Edelleuten. Zuweilen trafen wir unterwegs mit zwei oder drei großen Herren zusammen, die eben so reich waren, wie der Fürst, so daß wir einer Armee glichen, die in den Krieg zieht und nicht Cavalieren, die auf die Jagd gehen.

Von Zeit zu Zeit machten wir bei Peter Alexiowitsch Muransky Halt. Es war ein sehr reicher Herr, aber von kläglichem Charakter. Dies kam daher, weil er von kränklicher Constitution war und sehr an Rheumatismus litt, der ihm nicht gestattete, anders als auf zwei Krücken zu gehen, was ihn nicht verhinderte, wenn er die Hörner, das Geschrei und all' den Lärm hörte, den wir machten, uns mit seinen beiden Krücken auf der Freitreppe entgegenzukommen.

Einmal – höre mir wohl zu, mein kleiner Vater, denn wir kommen zu einem schrecklichen Ereigniß, kamen wir bei diesem Herrn in einem entsetzlichen Wetter an. Es regnete in Strömen und der Wind wehte so stark, daß er einen Kosaken vom Pferde warf. Es war unmöglich, bei einem solchen Wetter abzureisen, und anstatt eines einfachen Halts bei Muransky mußten wir die Nacht dort zubringen. Jeder suchte sich ein Lager so gut er es finden konnte. Muransky wollte seinem Freunde Alexis sein Zimmer abtreten, der sich aber beharrlich weigerte, es anzunehmen, so daß man ihm einen einzeln stehenden Pavillon anwies, der seit langer Zeit nicht bewohnt gewesen war und nur zwei Zimmer enthielt. Der Fürst nahm natürlich das, worin ein Bett war, und ich lag in dem anderen auf einem Teppich, den man mir am Boden ausbreitete.

Ich hatte bemerkt, daß der Fürst während des ganzen Tages besonders traurig gewesen war, was ihm übrigens seit einigen Jahren am Jahrestage des 14. Oktober begegnete.

Am Morgen war er vor einer kleinen Kirche vom Pferde abgestiegen, dort eingetreten und hatte ein Gebet verrichtet mit vielen Zeichen des Kreuzes und Seufzern.

Der Fürst legte sich wie gewöhnlich nieder, aber ohne mit mir zu sprechen. Nur zwei- oder dreimal fragte er mich:

»Du schläft in dem Nebenzimmer, nicht wahr, Jacquot?«

Und jedesmal antwortete ich ihm:

»Ja, mein Fürst.«

Gegen Mitternacht nahm der Sturm noch zu, blies in die Schornsteine und pfiff durch die Gänge, so daß man fast von Sinnen kam; man hätte es für Wehklagen und Schluchzen halten können, die Fensterladen schlugen krachend gegen die Mauern und die Zweige der Bäume rauschten und knarrten, so daß man einen Schauder bekam.

Es schlug zwölf Uhr – wo, weiß ich nicht; und man hätte denken sollen, die Uhr wäre in unserem Zimmer.

Plötzlich hörte ich die Stimme des Fürsten Alexis, nicht mehr wie gewöhnlich stolz und spottend, sondern sanft und fast flehend.

»Schläfst Du, mein lieber Jacquot?« fragte er mich.

»Nein, ich schlafe nicht, mein kleiner Vater. Was wünschen Sie?« fragte ich ihn.

»Ich weiß nicht, was mir ist, aber ich habe Furcht.«

Ich glaubte unrecht gehört zu haben; der Fürst sollte Furcht haben? Es war unmöglich – er, der, wie man sagt, weder Gott noch Teufel fürchtete.

»Sie sagen, Sie haben Furcht?« sagte ich.

»Ja,« antwortete der Fürst mit fast erloschener Stimme.

»Und wovor denn?«

»Hörst Du dieses Geheul?«

»Dieses Pfeifen, wollen Sie sagen, mein kleiner Vater? Es ist der Wind, der es hervorbringt.«

»Nein, nein, Jacquot,« sagte der Fürst, »es ist nicht der Wind, es ist etwas Anderes.«

»Was ist es denn?«

»Horch! horch!«

Ich horchte.

»Ei! ja, ja,« sagte ich, »ich höre auch Ihre Hunde, welche heulen.«

»Aber unter dem Geheul hörst Du nicht eins, welches wir nicht hören sollten?«

»Wie! eins, welches wir nicht hören sollten?«

»Ja, das der armen Arabka!«

»Sie kommen von Sinnen, mein lieber kleiner Vater!« sagte ich zu ihm, während ich selber einen Schauder empfand; »wie sollte es denn Arabka sein, welche heult, die schon über zehn Jahre todt ist?«

»Sie ist es, sie ist es,« sagte der Fürst; »als sie lebte, hätte ich ihre Stimme unter tausenden erkannt, um so mehr Grund jetzt, da sie todt ist. Nun, hörst Du?« fügte der Fürst hinzu, »sie verläßt den Hundestall und nähert sich uns. Hörst Du? sie ist nur noch fünfhundert Schritte entfernt. Nur noch zweihundert Schritte; sie wird gleich an unsere Thüre kommen.«

In der That näherte sich ein vereinzeltes Geheul mehr und mehr.

»Es ist in der That möglich, mein lieber kleiner Vater, daß einer von Ihren Hunden aus dem Hundestalle entkommen ist und Ihrer Spur folgt. Sie geben ihnen zuweilen selber zu fressen.«

»Es ist Arabka, sage ich Dir! ach! Du weißt nicht, Du weißt nicht Alles, was auf dieser Welt. Uebernatürliches geschieht!«

»Aber was kann Arabka wollen, mein Fürst? Sie haben ihr ein hübsches kleines Grabmal errichten, Sie haben ihr so schöne Gebete sprechen lassen.«

»Halt, habe ich Dir nicht gesagt, daß sie an die Thüre kommen würde? Hörst Du, hörst Du?«

In der That ließ sich ein langgehaltenes, schmerzliches, klägliches Geheul auf der Schwelle des Pavillons hören.

»Ja, ja,« sagte der Fürst, »Du kommst, mir mein nahes Ende anzukündigen, meine arme Arabka? – Ach! es ist schrecklich! Mein Gott, mein Gott! habe Mitleid mit der Seele. Deines Dieners!«

Obgleich selber sehr aufgeregt, wollte ich dem Fürsten beweisen, daß es nicht Arabka sei, sondern irgend einer von der Meute, der den Hundestall verlassen. Folglich stand ich in der Dunkelheit auf und ging auf die Thüre zu.

Der Fürst hörte mich.

»Was machst Du, Jacquot?« sagte er zu mir, »was machst Du? Oeffne die Thüre nicht, hüte Dich wohl! Wenn Du die Thüre öffnet, wird sie eintreten.«

Es war schon zu spät; die Thüre war offen. Zu meinem großen Erstaunen sah ich keinen Hund, weder auf der Schwelle, noch in der Nähe des Pavillons.

Aber ich hörte die Stimme des Fürsten, welcher in Todesangst rief:

»Du hast mich nicht gehört, Jacquot, Du hast die Thüre geöffnet und da kommt Arabka in mein Zimmer. Geh' fort, böses Thier, geh' fort! Nähere Dich nicht meinem Bette! Ach! sie leckt mir die Hände mit ihrer eisigen Zunge, das Gesicht – zu Hilfe! zu Hilfe! ich sterbe!«

Und die Stimme des Fürsten verstummte mit einem Röcheln.

Ich war gewiß keinen Hund vorübergelassen zu haben. Ich schloß rasch die Thüre und lief zum Fürsten, nachdem ich ein Licht angezündet.

Er lag ohnmächtig in seinem Bette. Ich sah mich im ganzen Zimmer um: es war kein Hund da, weder Arabka, noch ein anderer.

Das Gesicht des Fürsten war in Schweiß gebadet. Seine Fäuste waren vor Schrecken krampfhaft geballt.

Ich schüttete ihm Wasser ins Gesicht. Er erbebte und öffnete die Augen.

»Sie ist fort?« fragte er.

»Aber, mein kleiner Vater, sie ist gar nicht hereingekommen.«

»Ich sage Dir, daß ich sie gesehen habe, wie sie durch die Thüre eintrat und auf mein Bett zuging.«

»Wie wollen Sie sie in der Nacht gesehen haben? Sie war schwarz wie die Hölle, darum nannten wir die Arabka.«

»Ja, aber ihre Augen funkelten wie zwei Kohlen und erleuchteten das Zimmer um sie her. Das treue Thier kam, mir zu sagen, daß es Zeit ist, an meine Seele zu denken.«

»Ei, mein kleiner Vater, da kommen Sie immer auf diesen thörichten Einfall zurück.«

»Nein, nein, ich bin siebzig Jahre alt, und gestern hat mir geträumt, daß ich mich mit Maka, der Kuhmagd, verheirathete. Träumen, daß man sich verheirathet, ist ein Zeichen des Todes. An dem Tage, als wir das Schloß verließen, hat eine Sau dreizehn Ferkel geworfen, auch ein Zeichen des Todes. Endlich am letzten Jahrestage meiner Geburt zerbrach ein Spiegel von selber – ebenfalls ein Zeichen des Todes, Jacquot – ein Zeichen des Todes.«

»Nun,« sagte ich, »mein lieber Fürst, da Sie so überzeugt sind, daß Ihre Stunde näher kommt, so müssen Sie sich mit geistlichen Dingen beschäftigen.«

»Das ist Dir leicht zu sagen, Jacquot,« entgegnete der Fürst mit dumpfer Stimme; »die geistlichen Dinge, ja, das ist es gerade, was mich in Verlegenheit setzt.«

»Was Sie in Verlegenheit jetzt? Ei, der erste beste Pope wird Ihnen für hundert Rubel alle Sünden vergeben, so daß Ihr Gewissen so rein ist, wie ein Spiegel! Sie haben sich das Leben süß, gut und angenehm gemacht; aber Sie haben weder getödtet, noch gemordet.«

Der Fürst hustete, als müßte er ersticken.

»Ei, wer sagt Dir, Jacquot Petrowitsch,« fragte er, »daß ich weder getödtet, noch gemordet habe?«

Ich sah ihn, wie es scheint, mit verwirrten Augen an.

»Jacquot,« sagte er zu mir, »laß mir das Licht zurück, wirf Dich im anstoßenden Zimmer zum Gebete nieder, und sobald der Tag anbricht, hole mir einen Priester.«

Ich gehorchte. Ich begab mich in mein Zimmer und begann zu beten.

Den Fürsten hörte ich die ganze Nacht seufzen, schluchzen und sich vor die Brust schlagen.

Bei Tagesanbruch stand ich auf und streckte meinen Kopf durch die Thürspalte des Fürsten.

»Wollen Sie noch den Pope, mein kleiner Vater?« fragte ich ihn.

»Mehr, als je,« entgegnete er mir.

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06 aralık 2019
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