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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 15
VII
Es war ein prächtiger türkischer Friedhof, einer der schönsten um Constantinopel. Unter den dunklen Tannen und grünen Platanen war es selbst am Tage lauschig und still. An dem Grabe eines Mädchens stand ich still. Die scheinbar abgebrochene Säule hatte nur die halbe Höhe der andern Grabmäler und als Verzierung ein in Marmor gehauenes Gewinde von Rosen und Jasmin, liebliche Sinnbilder der Unschuld bei allen Völkern. Von Zeit zu Zeit ging geräuschlos eine tief verschleierte Türkin vorüber. Ringsum herrschte tiefe Stille; man hörte nur den Gesang der Nachtigallen, welche im Orient gern die schattigen Friedhöfe aufsuchen, und denen die Türken oft stundenlang zuhören, weil sie sie für die Geister dahingeschiedener Jungfrauen halten.
Ich betrachtete sinnend diese kühle, frische Oase und beneidete fast die Todten, welche unter so herrlichen Bäumen ruhen und so lieblich besungen werden. Ich dachte an mein vergangenes Leben zurück, an meinen Seedienst, an die Strafen, die zwei- oder dreimal die Folge des grundlosen Hasses Burke’s gewesen waren, an das geräuschvolle Festessen, wo ich vor einer Stunde in die tollen Scherzt eingestimmt hatte. Ich verglich dieses tolle Treiben mit der würdevollen Ruhe der Türken, die wir Barbaren nennen, weil sie den größten Theil ihres Lebens sitzen und rauchen, ohne sich um die hohlen Träume der Wissenschaft oder um die schwankenden und blutigen Theorien der Politik zu kümmern, und nur den Eingebungen ihrer Laune folgen, die ihnen Weiber, Waffen, Pferde, Wohlgerüche als für sie geschaffene Dinge zeigt; dieser Naturphilosophen, welche sich am Ende eines üppigen Lebens in einer Oase niederlegen, um in einem Paradiese wieder zu erwachen. Es schien mir, als ob mein bisheriges Leben nur ein wahnsinniger Fiebertraum gewesen sei.
Mein Entschluß hatte sich in diesen Träumereien nicht geändert, aber es war mir fast gleichgültig geworden, was für ein Ende das Duell nehmen werde, und ich fühlte einen an Sorglosigkeit grenzenden Muth.
In dieser Stimmung, welche mir einen so großen Vortheil über meinen Gegner geben mußte, hörte ich näherkommende Fußtritte. Ich sah noch nicht, wer es war, aber ich ahnte, ich wußte, daß es Burke war, denn ich war in diesem Augenblicke gleichsam mit einem übernatürlichen Anschauungsvermögen begabt. Ich ließ ihn bis auf drei oder vier Schritte nahe kommen; dann erst hob ich den Kopf und stand meinem Feinde gegenüber.
Er war so weit entfernt mich zu dieser Stunde und an diesem Orte zu erwarten, und ich trat ihm mit so drohender Haltung entgegen, daß er einen Schritt zurücktrat und mich fragte, was ich von ihm wolle.
Was ich von Ihnen will,« erwiederte ich lachend, »Ihr Erblassen beweist mir, daß Sie es ahnen. Doch um Ihnen jeden Zweifel zu nehmen, will ich’s Ihnen sagen. Es ist möglich, daß in Birmingham oder Manchester, wo Sie geboren sind, die Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen den Stock erheben, und daß diese sich’s gefallen lassen; ich weiß es nicht und will’s nicht wissen. Aber unter Gentleman – und dies scheinen Sie nicht zu wissen – ist es Sitte, daß Befehle mit gebührender Höflichkeit gegeben und empfangen werden, und daß für jede Beleidigung in Wort oder Geberde Genugthuung gegeben werden muß. Sie haben den Stock gegen mich gehoben, Sir, wie gegen einen Hund oder einen Sclaven; dies ist eine Beleidigung, für welche ein Gentleman das Leben des Beleidigers nehmen oder das seinige hingeben muß. Sie haben Ihren Degen, ich den meinigen; vertheidigen Sie sich.«
»Mr. John,« erwiederte der Lieutenant noch mehr erblassend, »Sie vergessen, daß die Militäirgesetze einem Midshipman verbieten, sich mit einem Lieutenant zu schlagen.«
»Ich weiß es,« antwortete ich; »aber die Militärgesetze verbieten einem Lieutenant nicht, sich mit einem Midshipman zu schlagen. Sie sind also in Ihrem Recht, und das genügt. Ueber den Militärgesetzen stehen die Gesetze der Ehre, denen alle übrigen Rücksichten weichen müssen. Vertheidigen Sie sich.«
»Bedenken Sie doch, daß dieser Kampf, wie er auch ausgehen möge, verderblich für Sie werden muß. Lassen Sie daher ab und stürzen Sie sich nicht ins Unglück.«
Er machte eine Bewegung, aber ich streckte den Arm aus.
»Ich danke Ihnen für die Warnung, Sir; aber sie kann meinen Entschluß nicht ändern. Ich habe einen ganzen Monat Zeit gehabt zu überlegen und meine Vorkehrungen zu treffen; ich bin auf Alles gefaßt. Vertheidigen Sie sich!«
»Ich bin Ihr Vorgesetzter,« sagte Burke mit unsicherer Stimme; »ich bin älter als Sie und muß Ihnen zu bedenken geben, daß Ihre Zukunft verscherzt und Ihr Leben in Gefahr ist, sobald Sie Ihren Degen ziehen. Was wollen Sie dann anfangen?«
»Das will ich Ihnen sagen, Sir. Wenn ich falle, so ist Alles aus; ein Todter steht nicht mehr unter den Militärgesetzen. Man wird mich auf diesem oder einem andern Friedhofe begraben; und es ist immerhin besser, hier im kühlen Schatten zu ruhen, als in eine Hängematte genäht und den Haifischen vorgeworfen zu werden. Für den Fall, daß ich Sie tödte, habe ich bereits einen Platz aus einem Schiffe bezahlt, welches diese Nacht unter Segel geben wird – wohin, ist mir ziemlich gleichgültig. Ich kann überall leben, denn mein Vater hat zwanzigtausend Pfund Sterling Einkünfte und ich bin der einzige Sohn. Ich werde freilich meinen Gehalt als Midshipman verlieren und die Aussicht, mit Vierzig Jahren Schiffslieutenant zu werden; aber ich habe dann den Gesetzen der Ehre Genüge geleistet und nicht nur mich, sondern auch Bob, James, David und die ganze Schiffsmannschaft gerächt. Um diesen Preis kann man schon etwas wagen. – Jetzt können Sie also ganz außer Sorgen sein, Sir, und haben keine Ursachen mehr, mir die verlangte Genugthuung zu verweigern; haben Sie also die Güte Ihren Degen zu ziehen.«
»Ich bin Ihr Vorgesetzter, Sir,« erwiederte Burke, dessen Aufregung immer größer wurde, »und als solcher hatte ich das Recht Sie zu bestrafen. Es würde keine Mannszucht mehr am Bord geben, wenn man einem Offizier jede Strafe, die er verhängt, zum Vorwurf machen wollte. Ich habe Sie nach dem am Bord der englischen Kriegsschiffe gültigen Vorschriften bestraft, und dafür haben Sie keine Genugthuung zu fordern.«
Er machte einen neuen Versuch sich zu entfernen; aber ich trat ihm in den Weg.
»Ich fordere die Genugthuung ja nicht für die Strafe,« erwiederte ich mit derselben kalten Ruhe, »sondern für die Beleidigung; ich beklage mich nicht über den Arrest, sondern über die Geberde.«
»Die Geberde war unwillkürlich, und wenn ich mein Bedauern darüber ausdrücke, so haben Sie nichts mehr zu sagen.«
»Allerdings, Sir; ich habe noch etwas zu sagen, was ich längst bemerkte, aber nicht glauben mochte: Sie sind eine Memme!«
»Sir,« rief Burke vor Zorn bebend, »jetzt beleidigen Sie mich und ich fordere Genugthuung dafür. Morgen werden wir uns sprechen.«
»Sie wollen Zeit gewinnen, mich anzuzeigen und Ihren Untergebenen vor ein Kriegsgericht zu stellen.«
»Wie können Sie denken, Sie —«
»Von Ihnen kann ich Alles denken.«
»Sie irren sich; ich schlage mich nicht auf Degen, denn ich habe nie einen Fechtboden betreten und wäre daher im Nachtheil; auf Pistolen, das lasse ich gelten.«
»Gut, ich habe schon dafür gesorgt,« erwiederte ich und zog meine Pistolen aus der Tasche. »Sie brauchen nicht bis morgen zu warten. Die beiden Waffen sind ganz gleich geladen; überdies können Sie wählen.«
Burke wankte, der kalte Schweiß rann ihm von der Stirn.
»Das ist ein Hinterhalt« sagte er, als er einige Fassung wieder gewonnen hatte. »Das ist ein Mord!«
»Die Furcht nimmt Ihnen den Verstand, Sir,« erwiederte ich; »hier ist nur der ein Mörder, der auf einen falschen Bericht einen Unglücklichen zur Verzweiflung getrieben. Denn man mordet auf verschiedene Arten, und der schuldigste Mord ist der unter dem Scheine der Gesetzlichkeit verübte. Sie sind der Mörder David’s. – Ich bitte Sie, Sir, fassen Sie nur ein bischen Muth und schänden Sie wenigstens nicht Ihre Uniform, die ja auch die meinige ist.«
»Ich schlage mich nicht ohne Zeugen.« sagte Burke.
»Dann behandle ich Sie als einen erbärmlichen Wicht. Ich kann jetzt nicht mehr an Bord gehen; aber morgen werde ich einen Brief schicken, in welchem ich Alles erzählen werde, was zwischen uns vorgegangen ist. Dann haben Sie nur die Wahl, entweder zu schweigen – und in diesem Falle werden Sie für Jedermann ein Gegenstand der Verachtung sein – oder Sie erklären meine Angaben für Verleumdung, und da der Ueberbringer des Briefes nicht Ihr Untergebener sein wird, so müssen Sie sich rechtfertigen, sonst wird man Sie als einen ehrlosen Menschen aus der englischen Marine stoßen.« Ich trat einen Schritt auf ihn zu. »Man wird Ihnen die Epauletten abreißen, wie ich sie Ihnen abreißen will; man wird Sie anspeien, wie ich zu thun willens bin.«
Ich trat ihm so nahe, daß ich die Hand ausstreckte, um die Drohung in Ausführung zu bringen.
Burke konnte nun nicht mehr zurück. Er zog seinen Degen; ich warf meine Pistolen weg und zog ebenfalls meinen Degen. Sogleich kreuzten sich die Klingen, denn in der Erwartung, daß ich nicht Zeit zum Pariren haben würde, drang er auf mich ein; aber ich hatte Bob’s Warnung nicht vergessen, ich war auf meiner Hut.
Ich bemerkte sogleich, daß Burke gelogen hatte: er war ein sehr gewandter Fechter. Ich gestehe, daß es mich freute, denn die Gleichheit der Kräfte machte unsern Zweikampf zu einem Gottesurtheil. Der einzige Vortheil, den ich vor ihm voraus hatte, war meine Ruhe. Burke bot übrigens seine ganze Gewandtheit auf, er sah wohl ein, daß unser Kampf nicht mit einer Schramme enden werde, und daß er mein Leben haben müsse, um das seinige zu retten.
So kämpften wir etwa fünf Minuten. Wir standest einander so nahe, daß wir nicht nur mit der Klinge, sondern auch mit dem Degengriff parirten. Wir mochten wohl Beide das Nachtheilige dieser Stellung einsehen, denn wir traten zugleich zurück, so daß wir einander nicht erreichen konnten. Aber ich trat sogleich wieder einen Schritt vor und wir befanden uns auf regelrechter Mensur.
Es ging nun meinem Gegner wie im Sturm oder im Gefecht: im ersten Moment war er immer zaghaft, dann gewann das Ehrgefühl oder die Nothwendigkeit die Oberhand, und Burke bekam Muth.
Niemand hatte in ihm den geübten Fechter geahnt; ich war anfangs erstaunt über seine Kraft und Gewandtheit, aber ich war ihm vollkommen gewachsen, denn diesem Theile meiner Ausbildung war auf ausdrückliches Verlangen meines Vaters und Tom’s die größte Sorgfalt gewidmet worden. Diese Entdeckung überraschte meinen Gegner und machte ihn wieder unschlüssig. Er hatte mehr Muskelkraft als ich, aber ich hatte eine leichtere Hand als er. Ich drang auf ihn ein, er fiel mir in den Stoß und gab dadurch zu erkennen, daß er im Nachtheil sei. Zwei- oder dreimal streifte meine Degenspitze seine Brust. Burke fiel mir immer wieder in den Stoß ganz regelrecht wie auf einem Fechtboden. Ich drang immer heftiger auf ihn ein – seine Degenspitze streifte mir die Wange. Das Blut floß.
»Sie sind verwundet,« sagte er.
Ich lächelte und drang so ungestüm auf ihn ein, daß er einen Schritt zurückwich. Weiter konnte er aber nicht zurück, denn er hatte ein Grab hinter sich.
Nun wurde der Kampf erst recht erbittert. Ich fühlte ein paarmal die kalte Klinge. Keiner von uns gab einen Laut von sich, es war zwischen unseren Klingen kein Platz für Worte. Endlich fühlte ich in einem raschen Ausfall einen seltsamen Widerstand – Burke stieß einen Schrei aus: meine Klinge war ihm durch den Leib gedrungen und die Spitze bog sich an dem Marmor des Grabmals um, so daß ich den Degen nicht aus der Wunde ziehen konnte. Ich trat rasch zurück, die Klinge blieb stecken.
Die Vorsicht war überflüssig, Burke konnte mich nicht verfolgen, er war tödtlich verwundet. Er versuchte noch einen Schritt vorzutreten, aber der Degen fiel ihm aus der Hand, er wankte, schrie, focht wüthend mit den Armen in der Luft und sank zu Boden.
Ich gestehe, daß in diesem Augenblicke mein Zorn schwand, um dem Mitleid zu weichen. Ich stürzte auf Burke zu und machte noch einen Versuch, die Degenklinge aus der Wunde zu ziehen, aber es war nicht möglich, obgleich er selbst mit aller Kraft zugriff.
Diese letzte Anstrengung ward ihm verderblich. Er öffnete den Mund, als ob er sprechen wollte, aber seine Lippen färbten sich mit Blut, seine Augen brachen, sein Körper zuckte zwei- oder dreimal – dann gab er unter leisem Röcheln den Geist auf.
Ich konnte ihm nun nicht mehr helfen und war auf meine Sicherheit bedacht. Es war inzwischen völlig Nacht geworden. Ich nahm meine Pistolen auf; es waren ausgezeichnete Waffen, die großen Werth für mich hatten. Dann verließ ich den Friedhof und begab mich zu Jacob. Er erwartete mich unserer Verabredung gemäß; er hatte ein nach Malta, Palermo und Livorno bestimmtes neapolitanisches Schiff ausfindig gemacht und einen Platz für mich bezahlt. Mit Tagesanbruch sollten die Anker gelichtet werden. Auch für Kleider hatte er gesorgt; ein prächtiger Palikarenanzug lag auf einem Divan, ein anderer einfacherer auf einem Sessel.
Ich zog sogleich meine Uniform ans und legte den einen neuen Anzug an. Er paßte mir sehr gut, als ob er für mich gemacht wäre. Mit Säbel und Jatagan kam mir diese neue Garderobe auf achtzig Guineen zu stehen; ich legte noch siebzig zu den fünfundzwanzig, die ich dem Juden Vormittags gegeben hatte, und so war er für seine Mühe bezahlt. Ich ersuchte ihn, für den Transport zu sorgen; dies war schon geschehen: um elf Uhr Abends sollte uns eine Barke am Thurme von Galata erwarten.
Ich benutzte diese Zwischenzeit, um unter den Brief an meinen Vater ein Postscriptum zu setzen. Ich erzählte ihm den Hergang des Duells, erklärte ihm die Nothwendigkeit meiner Flucht und schloß mit der Bitte, mir einen Credit auf Smyrna zu eröffnen. Da ich im Orient zu bleiben wünschte, so glaubte ich in dieser Stadt unter der cosmopolitischen Bevölkerung am sichersten zu sein.
Ich schrieb auch an Lord Byron, um ihm für sein Wohlwollen zu danken, und bat ihn, seinen Einfluß bei den Lords der Admiralität geltend zu machen, wenn er sich etwa während meines Processes in England befände. Er kannte Burke; er wußte wie verhaßt derselbe bei der ganzen Schiffsmannschaft und wie sehr dieser Haß begründet war. Ich hoffte nicht, daß seine Fürsprache aus die richterliche Entscheidung einen Einfluß haben werde, aber sein Zeugniß mußte die öffentliche Meinung gewiß zu meinen Gunsten stimmen.
Jacob erhielt sowohl diesen Brief als auch die an den Capitän Stanbow und an meinen Vater zur Besorgung; er sollte sich am andern Morgen an Bord des »Trident« begeben, dem Capitän die Briefe übergeben und die Stelle bezeichnen, wo man die Leiche Burke’s finden würde.
Die Stunde war gekommen: wir hüllten uns in unsere Mäntel und begaben uns an den Thurm von Galata.
Die Barke war bereit, wir stiegen sogleich ein; denn es war bald Mitternacht und das Schiff, welches wir aufsuchten, lag im Hafen von Chalcedon vor Anker, so daß wir in schräger Richtung über den ganzen Canal fahren mußten. Zum Glück waren unsere Matrosen gute Ruderer, so daß wir in wenigen Minuten das Goldene Horn und die Spitze des Serai hinter uns hatten.
Die Nacht war heiter und das Meer ruhig. Mitten im Canal, unweit des Leanderthurms sah ich die Umrisse unseres, stattlichen Schiffs, dessen Maste und Tauwerk an dem hellen Mondhimmel deutlich sichtbar waren. Dieser Anblick ergriff mich tief. Der »Trident« war ja meine zweite Heimat; Williamhouse und der »Trident« waren meine Welt; nächst meinen Eltern und Tom, die in Williamhouse waren, lag mir Alles, was sich an Bord des »Trident« befand, am meisten am Herzen. Ich mußte mich nun von Allen trennen, die mir theuer geworden waren: von dem würdigen Capitän Stanbow, den ich wie einen Vater verehrte; von James, dessen aufrichtige Freundschaft sich keinen Augenblick verläugnet hatte; von Bob, dem echten Seemanne, der unter der rauhen Schale ein so vortreffliches Herz hatte. Von Allen, sogar von dem Schiffe selbst, trennte ich mich mit Bedauern.
Wir kamen dem »Tridents so nahe, daß der wachhabende Offizier in der stillen Nacht mein Lebewohl hätte hören können, wenn ich ihn angerufen hätte. – Es war einer der peinlichsten Augenblicke meines Lebens. Ich bereute keineswegs meine That, denn sie war das Ergebniß langen Nachdenkens und festen Entschlusses; allein ich konnte mir nicht verhehlen, daß ich meine ganze Laufbahn verscherzt hatte und einer ungewissen, wahrscheinlich gefahrvollen Zukunft entgegenging.
Bald bemerkten wir in dem hellen Schimmer des Leuchtthurmes die im Hafen von Chalcedon vor Anker liegenden Schiffe.. Jacob zeigte mir in der Ferne das Mastwerk des neapolitanischen Schiffes, an dessen Bord ich erwartet wurde. Als wir näher kamen, musterte ich es mit forschendem Seemannsblick. Der »Trident« war eines der schönsten englischen Linienschiffe, daher konnte der Vergleich nur zum Nachtheil der neapolitanischen Brigg ausfallen; aber sie schien mir ein guter Segler zu sein. Der Kiel hatte eine gute Form und war sowohl zur Aufnahme einer hinlänglichen Menge von Waaren, als auch zum kräftigen Zertheilen der Wellen geeignet. Das Mastwerk war, wie bei allen für das griechische Inselmeer bestimmten Schiffen, ziemlich niedrig und auf das oft nothwendige Verbergen hinter den Felseneilanden berechnet. Diese Vorsicht, welche gegen die damals ziemlich häufigen Seeräuber ergriffen worden war, konnte dem Schiffe in der Nähe des Landes und bei Anbruch der Nacht günstig sein; aber sie konnte ihm schädlich werden, wenn es ans offenem Meere fliehen mußte.
Diese Bemerkungen machte ich mit dem raschen Blick des Seemannes, der alle guten und schlechten Eigenschaften eines Schiffes kennt, ehe er dasselbe bestiegen. Als ich daher auf das Verdeck der »Bella Levantina« kam, wußte ich schon, was von ihr zu halten; ich hatte nur noch mit der Schiffsmannschaft Bekanntschaft zu machen.
Man erwartete mich am Bord; ich brauchte also der mich italienisch anrufenden Schildwache nur zu antworten: »Passagiere«, und sogleich wurde mir die Strickleiter zugeworfen. Meine Sachen waren nicht schwer zu transportieren, denn wie der Philosoph des Alterthums trug ich meine ganze Habe bei mir. Ich bezahlte meine Ruderer, nahm Abschied von Jacob, der mir allerdings in seinem Interesse, aber mit seltener Treue gedient hatte, und kletterte mit seemännischer Behendigkeit an meinen neuen Bord-
Auf dem Verdeck fand ich einen Mann, der beauftragt war, mir meine Cajüte anzuweisen.
VIII
Nach den Abenteuern, die ich im Laufe des Tages gehabt hatte, ist es leicht erklärlich, daß ich schlecht schlief. Obgleich ich mich erst um zwei Uhr zur Ruhe begeben hatte, war ich doch bei Tagesanbruch schon auf dem Verdeck.
Die Vorkehrungen zur Abfahrt wurden getroffen, und der Capitän begann bereits die nöthigen Befehle zu ertheilen, so daß ich Gelegenheit hatte, die ganze Schiffsmannschaft kennen zu lernen.
Der Capitän war von Salerno. An den ersten Befehlen, die er ertheilte, erkannte ich, daß seine Vaterstadt wegen ihrer alten Academie berühmter ist, als wegen ihrer Marineschule. Die Mannschaft bestand aus Calabresen und Sicilianern. Da die »Bella Levantina« eigens für die Fahrten im Archipel bestimmt war, so hatte sie ein halb kriegerisches, halb kaufmännisches Aussehen, so daß ihr Verdeck einen zugleich furchtbaren und unterhaltenden Anblick darbot. Die Geschütze bestanden in zwei Steinböllern und einem langen Achtpfünder, welcher letztere auf seiner Laffete ruhte und nach Belieben auf das Vorder- oder Hinterdeck, auf den Steuer- oder Backbord geschoben werden konnte. Ueberdies fand ich auf dem Verdeck ein ganz ansehnliches Arsenal, bestehend aus etwa vierzig Musketen, einem Dutzend Stutzbüchsen und aus den nöthigen Säbeln und Aexten, um unsere Mannschaft bewaffnen und einen Angriff abwehren zu können.
Da sich zwei Stunden vor Tagesanbruch sein frischer Ostwind erhoben hatte: so waren alle Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen, und das Schiff wurde nur noch durch einen Anker gehalten. Alle Matrosen waren auf dem Verdeck; nach und nach kamen auch die Passagiere zum Vorschein. Es waren fast lauter griechische und maltesische Kaufleute, die nicht reich genug waren, um selbst Schiffe zu befrachten und daher die Ueberfahrt für sich und ihre Waaren bezahlten.
Die Matrosen standen an der mit Hebebäumen bespickten Winde und warteten auf den Befehl zum Aufwinden des Ankers. Der Capitän, der eine so ansehnliche Gesellschaft vor sich sah, glaubte derselben importiren zu müssen; er griff zu dem hier ganz überflüssigen Sprachrohr und ließ das dröhnende Commandowort erschallen.
Die Matrosen gehorchten mit einem Eifer, der mir Freude machte. Man beurtheilt die Schiffsmannschaft nach einem Manöver und den Capitän nach einem Commando. Die Folge wird lehren, daß ich sowohl den Capitän als die Mannschaft gleich anfangs richtig beurtheilt hatte.
Zugleich wurden die Bramsegel aufgespannt und die Raaen so aufgebraßt, daß das Schiff gewendet wurde. Als aber der Anker in eine senkrechte Stellung kam, vermochten ihn die an der Winde arbeitenden Matrosen nicht weiter herauf zu bringen, sie mußten ihre ganze Kraft aufbieten, um nicht zurückgedrängt zu werden.
Dieser Verlegenheit machten auf einmal vier Matrosen ein Ende, welche freiwillig herbeieilten, um den anderen zu helfen, und den vereinten Kräften gelang es, den Anker in wenigen Minuten von dem Meeresgrunde heraufzuziehen. Ich glaubte, man werde ihn, wie gewöhnlich, bis zum Bord ausziehen und an seinem Platz befestigen; aber der Capitän schien für den Augenblick etwas Anderes zu thun zu haben, denn er ließ ihn nur mit den Haken »aufkatzen«. Ich machte eine Bewegung; ich wollte ihm zurufen, er möge doch den Anker gehörig befestigen lassen; aber ich bedachte, daß ich hier nichts zu sagen hatte und gab meine Mißbilligung durch Achselzucken zu erkennen.
In diesem Augenblicke wurde ich mit einigen neugriechischen Worten angeredet die ich nicht verstand. Ich sah mich um und erblickte vor mir einen jungen Mann von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, dessen regelmäßige Schönheit mich an die Bildwerke des griechischen Alterthums erinnerte. Die Augen des jungen Mannes glühten fieberhaft, und er war in seinen Mantel gehüllt, obgleich die eben aufgehende Sonne schon sehr warm schien.
»Entschuldigen Sie, Signor,« sagte ich italienisch; »ich verstehe das Neugriechische nicht. Sie sprechen vielleicht englisch, französisch oder italienisch?«
»Ich habe ebenfalls um Entschuldigung zu bitten,« erwiederte er italienisch; »ich hielt Sie, durch Ihre Kleidung getäuscht, für einen Landsmann.«
»Ich habe nicht die Ehre,« antwortete ich lächelnd; »ich bin ein Engländer;« ich reise zu meinem Vergnügen, und habe diese Tracht gewählt, weil ich sie bequem und zumal schöner als unsere westeuropäische Kleidung finde. – Ich habe Ihre Worte nicht verstanden, aber an dem Tone Ihrer Stimme glaubte ich zu erkennen, daß Sie mich um etwas fragten. Jetzt können wir einander verstehen, ich bin bereit zu antworten, wenn Sie Ihre Frage gefälligst wiederholen wollen.«
»Sie haben sich nicht geirrt, Signor; wir Kinder des Inselmeeres fahren beständig von einer Insel zur andern, wir sind eigentlich geborene Seeleute, und ein fehlerhaftes Schiffsmanöver entgeht uns nicht. Sie scheinen meine Ansicht über das letzte Commando des Capitäns zu theilen, denn ich sah, daß Sie die Achseln zuckten. Ich fragte Sie also, ob Sie Seemann sind, und im Bejahungsfalle würde ich Sie gebeten haben, mir zu erklären, was für ein Fehler gemacht worden ist.«
»Der Fehler ist sehr leicht zu erklären: da steh das Schiff in Bewegung setzt, hätte der Anker an seinem Platz befestigt werden sollen, statt durch einen einfachen Haken gehalten zu werden; oder wenn der Capitän irgend einen Grund hatte so zu verfahren, hätte et die Hebebäume aus der Winde nehmen lassen sollen. Denn im Fall, daß der Ankerhaken bricht, fällt der Anker wieder ins Meer und die sich rasch zurückdrehende Winde würde dann eine Art Katapult und alle diese Hebebäume mitten unter uns schleudern.«
»Das leuchtet mir vollkommen ein,« sagte der junge Mann hustend und etwas Blut ausspeiend; »könnten Sie den Capitän denn nicht im Namen aller Passagiere aufmerksam machen?«
»Es ist zu spät!« rief ich und zog den jungen Griechen hinter den Besanmast. »Nehmen Sie sich in Acht!«
Der schwere Anker war wirklich wieder ins Meer gefallen und die Winde drehte sich mit der Schnelligkeit des Zeigers einer Taschenuhr, deren Feder gebrochen ist. Wie ich vorausgesehen hatte, wurden die stecken gebliebenen Hebebäume über das Verdeck geschleudert. Einige Matrosen wurden getroffen, der Capitän selbst wurde gegen den Hauptmast geworfen. Diesem Augenblicke der Verwirrung folgte allgemeine Bestürzung. Die Ankerwinde stand bald darauf still; aber das Schiff bekam einen so heftigen Stoß, daß einige der auf dem Verdeck befindlichen Personen umfielen.
Da ich auf diesen Unfall gefaßt war, so schlang ich den linken Arm um den jungen Griechen und hielt mich mit der linken Hand am Besanmast; wir blieben daher aus den Füßen. Doch das war nicht Alles: das Thau riß durch diesen furchtbaren Stoß und das Schiff wurde mit dem Vordertheil gegen den Wind gedreht, so daß es verkehrt; nämlich mit dem Hintertheile nach vorn, fortgetrieben wurde. Der Capitän, der sich nicht zu helfen wußte, gab ganz widersinnige Befehle, welche von der Mannschaft pünktlich vollzogen wurden. Das Schiff ächzte, der Schaum der Wellen spritzte über das Verdeck. Ein Zimmermann kam athemlos herauf, und meldete, eine Welle haben die Lukenthüren aufgerissen und das erste Verdeck überschwemmt.
Ich sah, daß keine Zeit zu verlieren war, wenn das Schiff gerettet werden sollte. Ich eilte auf das Hinterdeck entriß dem Capitän das Sprachrohr, setzte es an den Mund und rief laut:
»Ruhe! – Achtung! Der Zimmermann mit seinen Gehilfen in die Cajüte, um die Lukenthüren einzusetzen!– Das Steuer gegen den Backbord! – Die Focksegel gegen den Wind! Die Marssegel aufgezogen!«
Alle diese Befehle wurden pünktlich vollzogen; das Schiff drehte sich mit wunderbarer Leichtigkeit und segelte nun vor dem Winde, als ob es von einer Meergöttin gezogen würde. Der Anker war freilich verloren; aber, abgesehen von dem Geldverlust, war dieses Unglück nicht so groß, denn wir hatten noch zwei andere Anker am Bord.
Das Sprachrohr gab ich indeß noch nicht zurück; ich gab meine Befehle, bis alle Segel gut gestellt, die Taue straff gezogen und die Verdecke gekehrt waren. Dann näherte ich mich dem Capitän, der inzwischen ganz erstaunt zugesehen hatte, und gab ihm sein Sprachrohr zurück.
»Signor Capitano,« sagte ich, »verzeihen Sie, daß ich mich in Ihre Angelegenheiten gemengt habe; aber Ihre Anordnungen berechtigten zu der Vermuthung, daß Sie mit dem Teufel im Bunde seien, um uns Alle in die Hölle zu expediren. Jetzt sind wir im Zuge, nehmen Sie das Zeichen des Commandos zurück. Ehre dem Ehre gebührt.«
Der Capitän nahm sein Sprachrohr, ohne ein Wort zu sagen, und ich begab mich wieder zu dem jungen Griechen, der sich unterdessen auf die Laffete des Achtpfünders gesetzt hatte.
Wir waren von gleichem Alter und der Dienst, den ich der gesamten Schiffsgesellschaft erwiesen, beförderte die gegenseitige Annäherung. Dazu kam, daß ich verbannt und er leidend war, daß ich Trost und er Hilfe suchte.
Er war der Sohn eines vor drei Jahren verstorbenen reichen Handelsherrn in Smyrna. Seine Mutter hatte ihn nach Constantinopel geschickt, weil sie von der Zerstreuung und Luftveränderung einen heilsamen Einfluß auf seine Gesundheit erwartete; zugleich sollte er ein Handelsgeschäft überwachen, welches sein Vater in seinen letzten Lebensjahren gegründet hatte. Aber nach zweimonatlicher Abwesenheit fühlte er sich kranker als zuvor, ersehnte sich nach Hause und befand sich auf der Rückreise. Seine Krankheit, die er »il sottile Malo« nannte, war leicht als eine ziemlich weit vorgeschrittene Lungenschwindsucht zu erkennen. In einer Viertelstunde war ich mit seinen Verhältnissen bekannt. Ich erzählte ihm nun ebenfalls, was ich nicht mehr zu verschweigen brauchte: den Streit mit meinem Vorgesetzten, das Duell mit ihm und seinen Tod. Er bot mir mit liebenswürdigem Vertrauen, welches nur der Jugend eigen ist, eine Zuflucht in seinem Hause an und versicherte, daß seine Familie mich mit Freuden willkommen heißen werde.
Ich nahm die Einladung ebenso zwanglos an, wie sie gemacht wurde. Erst jetzt fiel es uns ein, uns gegenseitig nach unseren Namen zu fragen. Er hieß Emanuel Apostoli.
Während dieser traulichen Mittheilungen bestärkten mich verschiedene Anzeichen in der Ueberzeugung, daß mein neuer Freund kränker sei, als er selbst glaubte. Ich war in Williamhouse der beständige Begleiter meiner Mutter bei ihren Krankenbesuchen und oft auch der geneigte Zuhörer des Doktors gewesen, so daß ich wohl im Stande war einige Arzneien richtig anzuwenden, eine Ader zu schlagen, einen Arm kunstgerecht einzusetzen oder eine Wunde zu verbinden. Ich beschloß daher den armen Apostoli zu behandeln. Dies war ganz einfach; die Behandlung solcher Krankheiten besteht hauptsächlich in einer zweckmäßigen Diät. Ein Arzt war nicht am Bord, wohl aber ein Schrank mit Medicamenten. Nachdem ich ihn über sein Befinden und die frühere ärztliche Behandlung befragt hatte, rieth ich ihm nur, eingesottene Früchte und Gemüse zu essen und Unterkleider von Flanell zu tragen. Der Patient, der mich für einen eben so geschickten Arzt als tüchtigen Seemann hielt, erklärte mir mit wehmüthigem Lächeln, daß er sich meinen Anordnungen willig fügen werde.
Ich war überglücklich, in meiner Verlassenheit einen warmen, aufrichtigen Freund gefunden zu haben. Apostoli erzählte mir von seiner Schwester, welche schön wie ein Engel sei; von seiner Mutter, die ihn innig liebte, denn er sei der einzige Sohn; von seinem unter dem türkischen Joch schmachtenden Vaterlande. Ich erzählte ihm von Williamhouse, von meinen Eltern, von Tom, sogar von dem alten Doktor, dessen wohlthätige Lehren ich nach zehn Jahren und in weiter Ferne in Anwendung brachte, und ich fand einen süßen Trost in diesen traulichen Mittheilungen.
So segelten wir den ganzen Tag bei günstigem, aber schwachem Winde, ohne die Küsten zu beiden Seiten aus den Augen zu verlieren. Gegen Abend sahen wir die Insel Limno (das alte Lemnos), welche wie ein vorgeschobener Posten vor dem Golf von Mondania liegt.
