Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 14
»Sie wissen ja, daß ich meine Strafe willig hinnehme; ich bitte nur James und Bob um Nachsicht.«
»Mr. James bekommt sechs Wochen Arrest und Bob dreißig Hiebe.«
Ich erblaßte und zitterte vor Wuth; aber ich bezwang mich noch und sagte gelassen:
»Mr. Burke, Sie sind ungerecht.«
»Wenn Sie noch ein Wort sagen,« erwiederte er, »so verdopple ich die Dosis.«
Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
»Sie treten meiner Ehre zu nahe,« sagte ich. »Meine Freunde haben nichts gethan, um die größere Strafe zu verdienen: sie werden glauben, ich sei mit Ihnen hinuntergegangen, um sie zu verleumden! Bestrafen Sie mich, geben Sie mir doppelte Strafe; aber erlassen Sie sie denen, die sich für mich geopfert haben!v
»Genug, Sir. Gehen Sie!«
Ich wollte noch eine Gegenvorstellung machen, aber Burke hob drohend seinen Stock.
Was bei dem Anblick dieser Geberde in mir vorging, ist unmöglich zu beschreiben. Ich fühlte wie mir das Blut ins Gesicht schoß. Wäre ich meiner ersten Regung gefolgt, würde ich ihn auf der Stelle erdolcht haben; aber das Schreckbild des unglücklichen David trat als warnende Erscheinung vor meine Seele – ich athmete tief auf, denn ich glaubte ersticken zu müssen, und verließ eilends die Cajüte. In diesem Augenblick war der strenge Arrest eine Wohlthat für mich. Ich fühlte das Bedürfniß des Alleinseins.
Sobald ich mich in meinem Zimmer befand, warf ich mich fast besinnungslos zu Boden und gab kein anderes Lebenszeichen, als ein krampfhaftes Röcheln und Schluchzen. Wie lange ich so lag, weiß ich nicht. Endlich richtete ich mich auf, und von nun an waren alle meine Gedanken auf die Rache gerichtet, deren Möglichkeit sich mir darbot.
Ich war den ganzen Tag so mit diesen Gedanken beschäftigt, daß ich die Speisen, welche man mir schickte, gar nicht anrührte und die ganze Nacht aus dem Stuhl zubrachte. Anscheinend war ich jedoch ruhig, und der Matrose, der mir mein Frühstück brachte, konnte nicht merken, was in mir vorging. Uebrigens aß ich in seiner Gegenwart, um keinen Verdacht zu erregen, und fragte ihn, ob Capitän Stanbow wieder am Bord sei. Er sei gestern Abends wieder zurückgekommen, antwortete der Matrose, und habe unsere doppelte Verurtheilung mit großem Mißfallen vernommen. Alle Offiziere hätten die Contumaz über den Lieutenant Burke verhängt, um ihr Mißfallen über seine ungerechte Strenge zu erkennen zu geben. Diese Demonstration machte mir Freude, denn sie bewies mir, daß man Burke’s Benehmen eben so beurtheilte wie ich selbst, und ich wurde dadurch in meinem Entschlusse bestärkt.
Die über einen Offizier verhängte »Contumaz« bedarf einer Erklärung für die mit dem Seeleben nicht bekannten Leser. Wenn ein Offizier durch übertriebene Strenge seine Untergebenen gegen sich erbittert hat, so üben diese eine Art Wiedervergeltung aus, welche vielleicht grausamer ist, als irgend eine der gewöhnlichen Strafen, die auf einem Kriegsschiffe in Anwendung kommen. Sie versammeln sich zu einer Art Kriegsgericht und erklären ihren Offizier auf längere oder kürzere Zeit in »Contumaz«. Dieses Urtheil muß jedoch einstimmig gefällt werden, denn Alle haben dasselbe gemeinschaftlich zu vollziehen.
Ein in Contumaz befindlicher Offizier ist ein Paria, ein Aussätziger, ein Verpesteter. Man kommt ihm nicht anders nahe, als wenn es der Dienst erheischt, man gibt ihm nur die durchaus nothwendigen Antworten. Wenn er die Hand bietet, so bleibt man mit untergeschlagenen Armen stehen; wenn er eine Cigarre anbietet, so lehnt man sie ab; wenn er das Vorderdeck betritt, so geht man auf das Hinterdeck. Bei Tische bietet man ihm keine Speise an; alle herumgereichten Schüsseln kehren bei seinem Nachbar zur rechten oder linken um; er muß sich selbst bedienen, wenn er essen will. Da nun das Leben am Bord eines Schiffes keineswegs reich an Zerstreuungen ist, so wird eine solche Vereinzelung mit der Zeit im höchsten Grade peinlich. Es ist zum Rasendwerden. In den meisten Fällen spannt daher der Offizier gelindere Saiten auf. Dann wird wieder in das alte Geleis eingelenkt; er wird wieder ein Mensch und kommt in den Genuß seiner bürgerlichen Rechte; er hört auf eine Ausnahme zu sein und nimmt wieder Theil an dem gemeinsamen Leben. Gibt er aber nicht nach, so wird er von Jedermann gemieden; so lange der Starrsinn nicht gebrochen ist, dauert die Contumaz.
Es war zu erwarten, daß ein Mann von so störrischem Charakter, wie der Lieutenant Burke, nicht leicht nachgeben werde. Die über ihn verhängte Contumaz änderte überdies sehr wenig in seiner Lebensweise. Doch darauf kam es nicht an; die Hauptsache war die Kühnheit, einen höhern Offizier in Verruf zu erklären. Burke wurde wo möglich noch düsterer und strenger.
Ich hatte in meiner Einsamkeit nur Einen Gedanken. Zuweilen, wenn ich über die mir angethane Beleidigung nachsann, schnürte sich mein Herz zusammen und das Blut stieg mir ins Gesicht; zuweilen freilich fühlte ich meinen Entschluß wanken und ich suchte dieses rohe gehässige Benehmen zu entschuldigen.
In dieser versöhnlichen Stimmung war ich am ersten Donnerstage meines Arrestes. Es war Prügeltag, und ohne Zweifel mußte Bob heute seine Strafe erleiden. Ich hatte mir sogar vorgenommen, auf meine Rache zu verzichten, wenn ihm Burke die Hälfte seiner Strafe erlassen würde.
Es war eine Art Mittelweg, den ich gewählt hatte, um mein beleidigtes Ehrgefühl mit der Vernunft in Einklang zu bringen. Ich hatte diesen Donnerstag daher mit einiger Unruhe erwartet, denn er sollte mich in meinem Entschlusse bestärken oder zur Verzichtleistung auf denselben bewegen. Der Tag kam. Ich hörte an den gemessenen Schritten der Marinesoldaten, daß sie aufmarschirten. Es dauerte ziemlich lange, bis sie wieder abmarschirten; es waren fünf oder sechs Matrosen zu bestrafen. Dies war immer der Fall, wenn Burke in Abwesenheit des Capitäns den Befehl führte. Einige Klagetöne drangen bis zu mir; aber ich kannte Bob gut zu, als daß ich ihm diese Aeußerung von Schwäche hätte zutrauen können.
Endlich marschirten die Soldaten wieder in die Sechsunddreißiger Batterie. Die Executionen waren zu Ende; aber binnen einer Stunde konnte ich nichts erfahren, denn der Matrose pflegte mir erst um ein Uhr mein Mittagessen zu bringen.
Der Matrose, welcher diesem Tag den Dienst bei mir hatte, war Patrick, derselbe, der Befehl erhalten hatte, auf uns zu schießen, wenn wir dem Schiffe zu nahe kämen. Diesen Befehl hatte ihm Burke gegeben, so bald er erfahren hatte, daß der Capitän am Lande bleiben werde und daß ich nicht mit auf der Liste seiner Begleiter stand. Schon Morgens hatte sich der arme Bursche bei mir entschuldigt: der Befehl sei mit der größten Strenge ertheilt worden. Ich hatte ihn ersucht, mir das Resultat der Execution mitzutheilen und dabei die Hoffnung ausgesprochen, daß Bob die dreißig Hiebe, welche ihm der Lieutenant in der ersten Aufwallung des Zorns zuerkannt, nicht erhalten werde. Ich konnte an eine so ungerechte Strenge nicht glauben, und erwartete endlich sogar mit Zuversicht, was ich von Herzen wünschte. Als daher Patrick erschien, sah ich ihn mit fast lachender Miene an und sagte:
»Nun, wie ist’s abgelaufen?«
»Schlecht für den armen Bob, Master John.«
»Wie! hat er wirklich die zwanzig Hiebe bekommen?
»Dreißig hat er bekommen.«
»Dreißig!« rief ich entrüstet; »aber er war ja nur zu zwanzig verurtheilt.«
»Das dachte ich auch, Euer Gnaden, und Alle waren meiner Meinung. Bob selbst war auf die Verschärfung nicht gefaßt. Als er schnaubend sein Contingent bekommen hatte, wollte er sich aufrichten, aber der Profoß zeigte ihm seine Rechnung, und er sah, daß er zehn Hiebe in den Kauf bekommen sollte.«
»Hat er sich nicht beschwert?« rief ich wüthend.
»Ja wohl; aber er hat nichts dabei gewonnen, als daß er erfahren, wem er die Gratification verdankt.«
»Nun, wem denn?«
»Ich weiß nicht, ob’s wahr ist: man sagte ihm, er möge sich bei Ihnen bedanken. Dann legte er sich wieder nieder und sagte: »Nun, das ist etwas Anderes; was von Mr. John kommt, ist willkommen. Schlaget nur zu!«
»Weißt Du gewiß,« sagte ich, »daß Bob dreißig Hiebe bekommen hat?«
»Ich habe sie ja gezählt. Sie können ja Bob selbst fragen, sobald Sie ihn sehen.«
»Es ist gut,« sagte ich. »Ich danke Dir, Patrick, Ich weiß ich Alles, was ich wissen wollte.«
Der Matrose, der weit entfernt war, den Sinn dieser Worte zu errathen, salutiere und ging fort.
Burke war nun verloren.
VI
Von nun an schwankte ich nicht mehr, mein Entschluß war unerschütterlich. Ich ließ mich jedoch nicht, wie David, zu einer blinden Rache hinreißen, welche mißlingen kann und dann auf den Thäter zurückfällt. Ich wollte die Mannschaft von ihrem Peiniger befreien, aber nicht durch einen Mord.
Burke hatte seinen Stock gegen mich aufgehoben, er hatte mich als Gentleman beleidigt, und als solcher mußte er mir Genugthuung geben. Wenn ich im ehrlichen Zweikampfe fiel, so war nichts weiter zu thun; wenn mir hingegen das Glück günstig war, so mußte ich meine militärische Laufbahn aufgeben; denn nachdem ich den Degen gegen einen Vorgesetzten gezogen, durfte ich kein englisches Kriegsschiff wieder betreten. Ich war daher entschlossen, nach dem Duell in Griechenland, Kleinasien oder Egypten eine Zuflucht zu suchen und im Orient zu bleiben. Ein einziger Gedanke bekämpfte diesen Entschluß: die Erinnerung an meine Eltern, von denen ich dann wahrscheinlich auf immer getrennt bleiben würde. Aber Beide waren charakterfest, und ich war überzeugt, daß zumal mein Vater mein Verhalten billigen würde.
Ich begann sogleich meine Vorkehrungen zu treffen. Ich revidierte meine Kasse: sie enthielt fünfhundert Pfund Sterling, theils in Gold und theils in Wechseln, und dies war mehr als ich brauchte, um zwei Jahre sorgenfrei zu leben. Dann schrieb ich an meine Eltern einen langen zärtlichen Brief, in welchem ich Alles, was sich am Bord des »Trident« zugetragen, ausführlich erzählte. Der Streifzug nach Walsmouth, die gewaltsame Anwerbung David’s, seine Bestrafung, sein Tod, die mir widerfahrene Beleidigung, Alles stand darin. Ich schloß mit der Erklärung, daß ich Genugthuung fordern würde, und falls ich Sieger bliebe, sollte eine Nachschrift das Ergebniß des Duells melden; für den Fall, daß ich fiele, wollte ich den Capitän Stanbow in einem bereit zu haltenden Schreiben ersuchen, meinen Eltern den Scheidebrief, den man bei mir finden würde, zuzusenden.
Als ich diese Vorkehrungen getroffen hatte, war ich ruhiger: ich sah darin den Anfang der Ausführung meines Entschlusses und die Unmöglichkeit der Umkehr. Ich war nun auf die Mittel bedacht. Es wäre eine Tollheit gewesen, den Lieutenant Burke am Bord des »Trident« herauszufordern: ich entwarf daher einen ganz andern Plan.
Burke mußte sich in seinen eigenen Angelegenheiten oder in Dienstsachen von Zeit zu Zeit zum englischen Gesandten begeben. Er war weder gesellig noch wißbegierig und begab sich gewöhnlich allein und auf dem kürzesten Wege dahin. Dieser Weg führte über einen der schönsten und größten Friedhofe von Constantinopel; dort wollte ich ihn allein erwarten, denn ich wollte Niemanden compromittiren, und ihn zum Zweikampf zwingen. Die Wahl der Waffen war mir gleichgültig; jeder von uns würde natürlich seinen Degen tragen, und überdies wollte ich ein Paar Pistolen mitnehmen.
Inzwischen kam die Reihe an Bob, bei mir Wache zu stehen. Sobald der arme Bursch eintrat und mir mein Frühstück brachte, fiel ich ihm um den Hals; er hatte, wie gewöhnlich, die erlittene Strafe schon vergessen, und überdies versicherte er, daß er weit entfernt sei mir die Verschärfung derselben zuzuschreiben, er überließ die Ehre dem Lieutenant Burke.
Dieser, sagte Bob, sei noch immer »in Contumaz«; es werde gewiß ein schlechtes Ende mit ihm nehmen, denn er sei unglaublich verhaßt. Dies war auch meine Meinung und es war mir gar nicht unlieb, daß Alle mit mir übereinstimmten; es schien mir, daß mich die Vorsehung, die mich zum Rächer so vieler braven Leute erkoren, nicht verlassen könne.
Ich erkundigte mich nach dem Juden Jacob. Er war zuweilen an Bord gekommen und hatte nach mir gefragt; aber er durfte mich in meinem Arrest nicht besuchen. Ich fand seine Unruhe ganz begreiflich; ich hatte ihm den Brillantschmuck der schönen Wasiliki zu übergeben. Ich beauftragte Bob ihm zu sagen, daß ich ihm den Schmuck bringen würde, sobald ich frei wäre, und daß ich ihn meinerseits auch um einen Dienst, den ich gut bezahlen würde, zu ersuchen hätte.
Der erste Tag meiner Freilassung rückte näher und ich hatte Alles vorbereitet, um die erste Gelegenheit zur Ausführung meines Entschlusses benutzen zu können. – Nach einem Monate, Stunde für Stunde, wurde ich aus meinem Arreste entlassen.
Ich machte sogleich dem Capitän einen Besuch. Der würdige alte Herr war gütig und wohlwollend wie immer. Er machte mir sanfte Vorwürfe, daß ich mir keinen Urlaub von ihm erbeten, und ließ sich das Abenteuer mit der jungen Griechin, die aufopfernde Freundschaft James’ und Bob’s, unsere Rückkehr an Bord des »Trident« und meinen Auftritt mit Burke ausführlich erzählen. Ich verschwieg ihm nichts, denn Capitän Stanbow verdiente als Freund meines Vaters mein volles Vertrauen. Als ich ihm erzählte, wie beleidigend sich der Lieutenant gegen mich benommen, erblaßte der alte Herr.
»Hat er das wirklich gethan?« sagte er.
»Ja, Sir,« antwortete ich.
»Aber Sie haben es ihm doch verziehen? Er ist von Sinnen.«
»Ja,« erwiederte ich lächelnd, »aber er ist tobsüchtig, und solchen Menschen muß man die Hände binden.«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Capitän unruhig.
»Lieber John, vergessen Sie nicht, daß Gehorsam gegen Vorgesetzte die erste Pflicht des Seemanns ist.«
»Habe ich jemals meine Pflicht verletzt?« entgegnete ich.
»Nein, John, Sie sind einer meiner besten Offiziere, ich gebe Ihnen mit Vergnügen dieses Zeugniß.«
»Es hat gerade jetzt hohen Werth für mich, da ich eben aus dem Arrest komme.«
Capitän Stanbow seufzte.
»Aber warum haben Sie mich nicht um Urlaub gebeten?« fragte er noch einmal.
»Warum haben Sie nicht gesagt, daß ich Ihnen Urlaub gegeben? Ich würde Sie nicht Lügen gestraft haben.«
»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen,« sagte ich zu Thränen gerührt, »aber ich sage nie eine Unwahrheit.«
»Eben deshalb wünsche ich von Ihnen die Versicherung, daß Sie Alles vergessen haben.«
Ich schwieg.
»Nun, es ist in diesem Augenblicke zu viel verlangt, ich sehe es ein. Der erste Eindruck der Ihnen widerfahrenen Unbild ist noch zu stark, als daß man eine solche Selbstverläugnung von Ihnen erwarten könnte. Zerstreuen Sie sich, es ist Ihnen nach so langer Haft Bedürfniß; Sie werden heiterer und in versöhnlicherer Stimmung zurückkommen. Wollen Sie an’s Land gehen?«
»Für den Augenblick danke ich verbindlichst. Wenn ich etwa Geschäfte habe, werde ich um Urlaub bitten.«
»So viel als Sie wollen.
Aber hören Sie wohl, John, lassen Sie sich den Urlaub von mir geben. In allen Dingen, die von mir abhängen, wenden Sie sich nur an mich. Vergessen Sie nicht, daß Ihr ehrenwerther Vater, mein alter Freund, Sie mir und keinem Andern anvertraut hat; ich habe also für Sie einzustehen, so lange wir kein Gefecht haben oder Schiffbruch leiden. – Haben Sie Geld?«
»Ja, Sir.«
»Sagen Sie es aufrichtig, wenn Sie etwas brauchen; Sie wissen ja, daß mich Sir Edward zu Ihrem Banquier ernannt hat«
»Ich habe noch fünfhundert Pfund Sterling.«
»Nun, ich sehe wohl, daß ich heute nichts für Sie thun kann. Morgen wird sich vielleicht eine Gelegenheit finden.«
»Tausend Dank, Mr. Stanbow. Sie sagen, daß Sie nichts für mich thun können? Sie irren sich, denn Sie thun mit Ihren gütigen Worten mehr als König Georg mit seiner ganzen Macht. – Leben Sie wohl, mein verehrter Herr. Ich werde von Ihrem gütigen Anerbieten Gebrauch machen; wenn ich ans Land gehen muß, werde ich um Urlaub bitten.«
»Ich will Ihnen den Urlaub lieber sogleich geben, John; es wäre möglich, daß ich gerade nicht am Bord wäre, und meine Abwesenheit könnte Ihnen neuen Verdruß bereiten.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb einige Worte auf einen Zettel.
»Hier ist ein schriftlicher Urlaub. Sie haben nur das Datum einzuschreiben. – Besinnen Sie sich, ehe Sie fortgehen: Haben Sie sonst noch ein Anliegen?«
»Nun, ich will von Ihrer Güte Gebrauch machen, Capitän.«
»Lassen Sie hören.«
»Sie wissen, daß James anfangs zu einem Monat Arrest verurtheilt war, daß aber in Folge meiner Fürbitte seine Strafe auf sechs Wochen ausgedehnt wurde.«
»Ja, ich weiß es.«
»Ich bitte für James um Nachlaß dieser vierzehn Tage.«
»Es ist schon gesehen.«
»Wie so?«
»Ja, ich habe schon vor Ihrer Freilassung den Befehl gegeben, damit Niemand sagen könne, Sie hätten darum gebeten. James ist zugleich mit Ihnen entlassen worden.«
»jetzt erlauben Sie mir,« sagte ich erfreut, »daß ich Ihnen die Hand küsse.«
»Kommen Sie in meine Arme, lieber John.«
Ich sank an seine Brust. Er drückte mich zärtlich an sein Herz.«
»Ach! wie glücklich wären wir,« sagte er seufzend, »wenn wir den Unhold nicht am Bord hätten.«
»Nicht wahr, Mr. Stanbow,« erwiederte ich mit Eifer, »er ist Ihnen verhaßt, wie der ganzen Schiffsmannschaft? – und wer Sie dieser Plage entledigte —«
»Still!« unterbrach der Capitän. »Nur die Lords der Admiralität haben diese Gewalt. Wir müssen ruhig warten. Jetzt gehen Sie, lieber John. Adieu! Ihre Cameraden haben Sie seit einem Monate nicht gesehen, sie werden sich nach Ihnen sehnen. – Es bleibt bei der Abrede: Sie wenden sich in allen Dingen an mich.«
Ich nickte schweigend; denn an meiner bewegten Stimme würde er vielleicht gemerkt haben, was in meinem Herzen vorging. Dann verneigte ich mich und verließ die Kajüte.
Capitän Stanbow hatte Recht: alle meine Cameraden erwarteten mich auf dem Verdeck und James mit ihnen, so daß mein Erscheinen einem Triumph ähnlich war.
Die Mannschaft empfing mich mit lautem Hurrahruf, den der Lieutenant Burke in seiner Cajüte hören mußte. Außer den Mahlzeiten und den nothwendigen Dienstverrichtungen war er seit einem Monate nicht sichtbar gewesen; er zog den freiwilligen Arrest in seiner Cajüte dem Alleinsein auf dem Verdeck vor. Das ganze Offizierscorps hatte beschlossen, James und mir zu Ehren ein großes Festessen zu geben. Der morgende Tag wurde dazu bestimmt und sofort eine Deputation an den Capitän geschickt, der mit seiner an gewohnten Güte die Erlaubniß dazu gab.
Als die Abendwache abgelöst wurde, kam Burke auf das Verdeck. Es war das erste Mal, daß ich ihn seit unserm Wortwechsel sah; das Blut wallte mir auf und ich mußte mir großen Zwang anthun, um meinen Grimm nicht merken zu lassen. Mein Herz pochte vor wilder Freude bei dem Gedanken, daß es mir bald vergönnt sein werde, blutige Rache an dem Unholde zu nehmen; die Wollust, ihn niederzustoßen, schien mir durch lebenslängliche Verbannung nicht zu theuer erkauft. Er sah noch finsterer und bärbeißiger aus, als sonst. Niemand sprach mit ihm. Die »Contumaz« war noch nicht aufgehoben.
Lieutenant Burke, für den die Theilnahme an dem Festessen wohl wenig Reiz haben mochte, zeigte dem Capitän an, daß er sich in Geschäften zu dem Gesandten begeben müsse und erst nach Ablösung der Abendwache wieder an Bord kommen werde. Als ich es erfuhr, fühlte ich mich von einem Schauer durchbebt, wie sehr ich mich auch nach einer Gelegenheit, mit meinem Todfeinde am Lande zusammenzutreffen, gesehnt hatte: in entscheidenden Momenten findet, trotz des festesten Entschlusses, ein Widerstreit zwischen dem persönlichen Interesse und dem Willen statt. Es lag allerdings in meinem Interesse, die nur dem Capitän bekannte Beleidigung zu verschlucken und eine Laufbahn zu verfolgen, welche mich durch das Ansehen meines Vaters und die Empfehlung des Capitän Stanbow zu den höchsten Graden führen konnte; aber mein Selbstgefühl war verletzt durch eine Drohung, welche nur eine Memme sich gefallen läßt. Dazu kam die Ueberzeugung, daß ich mich für das allgemeine Wohl opferte, und die Gewißheit, daß mir der Dank der ganzen Schiffsmannschaft ins Grab oder ins Exil folgen werde. Mein Wille siegte über das persönliche Interesse; mein Entschluß stand fest und ich sah dem morgenden Tage mit Ungeduld entgegen.
Meine Gemüthsbewegung war mir wohl zu verzeihen. Ein Duell mit einem Vorgesetzten ist kein gewöhnliches Duell! ich hatte im glücklichsten Falle das Exil zu erwarten. Und in meinem Alter war das Exil eine lange schmerzliche Trennung von Allem, was mir in der Welt lieb und theuer; es war die Vernichtung meiner Aussichten und Hoffnungen; es war die ungewisse Zukunft, zu welcher ich mir selbst den Weg bahnen mußte.
Diese düsteren Betrachtungen, denen ich mich den ganzen Tag überließ, vermochten meinen Entschluß nicht zu erschüttern. Ich schlief wenig, und gleichwohl war meine Nacht ziemlich ruhig. Am andern Morgen bat ich den Capitän um Erlaubniß, ans Land zu gehen. Er erwiederte lachend, es sei nicht nöthig, da er mir einen schriftlichen Urlaub gegeben; aber ich sagte, daß ich diesen für eine andere Gelegenheit aufsparen wolle. Ich nahm von James Abschied mir dem Versprechen, um Mittag wieder an Bord zu sein.
Ich hatte zwei Besuche zu machen: bei unserm Juden Jacob und bei Lord Byron. Dem Erstern übergab ich den von Wasiliki erhaltenen Schmuck und fügte noch ein Geschenk von fünfundzwanzig Guineen hinzu. Dann beauftragte ich ihn, ein nach den griechischen Inseln, nach Kleinasien oder Egypten bestimmtes und segelfertiges Schiff ausfindig zu machen und die Ueberfahrt für eine Person zu bezahlen. Zu diesem Zwecke gab ich ihm noch fünfundzwanzig Guineen. Er versprach mir, den Auftrag im Laufe des Tags zu vollziehen. Das Versprechen war in der That nicht zu halten, denn es fuhren täglich Schiffe nach den Dardanellen ab. Außerdem beauftragte ich Jacob, mir einen vollständigen griechischen Anzug zu kaufen.
Lord Byron empfing mich freundlich, wie immer. Ueber mein Ausbleiben besorgt, hatte er den Capitän Stanbow besucht und nach mir gefragt. Er hatte erfahren, daß ich im Arrest sei und er mich nicht sprechen könne. Ich sagte ihm, daß ich Urlaub zu einer Reise nach Griechenland zu nehmen beabsichtigte, und ersuchte ihn um ein Empfehlungsschreiben an Ali Pascha, den ich zu besuchen wünschte. Er setzte sich sogleich an den Schreibtisch, schrieb den Brief zuerst englisch, um mich zu überzeugen, wie dringend er mich empfehle, und ließ ihn dann von seinem griechischen Kammerdiener übersetzen. Dann unterschrieb er seinen Namen und drückte sein Siegel bei, welches über seinem Wappen die Inschrift führte: »Crede Byron.«
Es war Zeit an Bord zurückzukehren. Ich nahm von ihm Abschied, ohne ihm etwas zu sagen, ich hoffte ihn noch einmal wiederzusehen.
Der »Trident« war voll Freude. Man hatte, wie zu einem bevorstehenden Kampfe, alle Scheidewände ausgehoben und ein für zwanzig Personen gedeckter Tisch nahm die ganze Länge des improvisirten Speisesaales ein.
Ich war der eigentliche Held des Festessens. Man hätte glauben können, Alle wüßten um meinen Entschluß und wollten durch eine freundschaftliche Demonstration Abschied von mir nehmen. Beim Dessert wurden nach englischer Sitte Toaste ausgebracht. Eins Toast galt der Freundschaft, und James, der neben mir saß, küßte mich im Namen Aller. Ich war zu Thränen gerührt und sagte leise das Wort »Lebewohl.«
Es schlug sechs, ich hatte keine Zeit zu verlieren.
Ich sagte, daß ich mich in einer wichtigen Angelegenheit entfernen müsse; die Erlaubniß wurde mir mit den bei solchen Gelegenheiten üblichen Neckereien ertheilt.
Ich begab mich, ohne etwas merken zu lassen, in mein Zimmer. Im Hinuntergehen gab ich Bob den Befehl, ein Boot bereit zu halten, um mich ans Land zu rudern.
Alles war bereit. Ich schnallte meinen mit Gold und Wechseln auf Smyrna, Malta und Venedig gefüllten Gürtel um; untersuchte meine Brieftasche, um zu sehen, ob meine Papiere in Ordnung; steckte ein Paar Pistolen in die Taschen, hängte ein Miniaturbild meiner Mutter an den Hals, das ich zärtlich küßte, ehe ich meinen Rock zuknöpfte, winkte das Boot herbei und stieg aus einer Stückpforte.
Kaum war ich dreißig Schritte vom Schiffe entfernt, so rief James, der mich bemerkte, die ganze Tischgesellschaft auf das Verdeck. Man schickte mir nun ein so lautes Hurrah nach, daß der Capitän aus seiner Cajüte kam. Ich kann nicht beschreiben, was in mir vorging, als ich den verehrten Greis, den ich nun nicht mehr sehen sollte, mitten unter den jungen Leuten bemerkte. Die Thränen kamen mir in die Augen und ich war einen Augenblick unschlüssig; aber ich brauchte nur die Augen zu schließen, um den verhaßten Burke und seine beleidigende Geberde zu sehen, und ich winkte meine Ruderern zu, sich zu beeilen.
Wir landeten an dem Thore von Tophana. Als ich ans Land sprang, fiel mir das eine meiner Pistolen aus der Tasche. Bob, der während der ganzen Fahrt sehr nachdenklich geschienen, hob das Pistol ans und gab mir es zurück. So befand er sich allein mit mir am Ufer.
»Mr. John,« sagte er, »Sie haben kein Vertrauen zu Bob, weil er ein gemeiner Matrose ist, und Sie haben Unrecht.«
»Wie so, lieber Freund?« fragte ich.
»O, ich kenne meine Leute,« antwortete er; »Sie sind nicht wegen eines zärtlichen Stelldichein ans Land gegangen.«
»Wer hat Dir das gesagt?«
»Niemand. Auf jeden Fall denken Sie an Bob, wenn Sie ihn brauchen; Sie wissen ja, daß er Tag und Nacht, mit Leib und Seele zu Ihrer Verfügung steht.«
»Ich danke Dir, Bob. Wenn Du wirklich, was ich bezweifle, errathen hast, was mich ans Land führt, so wirst Du auch einsehen, daß es unzart von mir wäre, Jemanden in eine solche Geschichte zu verwickeln. Aber wenn man morgen Früh weder mich noch Mr. Burke am Bord sieht, so sage James, er möge mit Erlaubniß des Capitäns ein Boot nehmen und dann mit Dir einen Spaziergang über den Friedhof von Galata machen; vielleicht erfahret Ihr dann etwas über uns.«
»Ja, ja,« sagte Bob, »ich dachte mir’s wohl. Aber Sie sind mein Vorgesetzter, Mr. John, und ich habe nicht das Recht Einwendungen zu machen; aber einen guten Rath kann Jedermann geben. Trauen Sie ihm nicht, Sir, trauen Sie ihm nicht!«
»Ich danke, Bob, ich bin auf meiner Hut. – Jetzt aber, Freund, versprich mir bei Deiner Ehre: kein Wort!«
»So wahr ich Bob heiße!«
»Hier,« setzte ich hinzu und zog meine Börse, »trinket auf meine Gesundheit.«
»Hört Ihr wohl?« sagte Bob, der einem Matrosen das Geld in die Hand schüttete und die leere Börse in die Brusttasche steckte, »da ist ein Geschenk von Mr. John.«
»Hurrah! Master John soll leben,« jubelten die Matrosen.
»Ja, ja,« sagte Bob. »Master John soll leben, das ist wohl gesprochen; und der liebe Gott wird euern Wunsch erhören. – Leben Sie wohl, Mr. John. Muth wünsche ich Ihnen nicht, den haben Sie wie ein Admiral – aber Vorsicht, Mr. John, Vorsicht!«
»Sei nur ruhig, Bob. – Jetzt adieu!«
Ich hielt einen Finger auf den Mund, um ihm noch einmal Stillschweigen zu empfehlen.
»Schon gut, es bleibt bei der Abrede,« sagte Bob.
Ich reichte ihm die Hand, er küßte sie, ehe ich es hindern konnte. Dann sprang er in das Boot und nahm ein Ruder.
»Vorwärts!« sagte er zu den andern Matrosen. – »Auf Wiedersehen, Mr. John, vergessen Sie meinen Rath nicht!«
Ich nickte ihm zu und nahm den Weg zu der Gesandtschaft, welcher, wie schon erwähnt, über den Friedhof von Galata führte.