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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 19

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»Und Du glaubst, daß er Dir diese Bitte gewähren wird?«

»Führe mich in das Zelt zurück, John, denn die Luft ist kühl, dann hole ihn.«

Ich geleitete Apostoli bis an sein Lager, denn er war so schwach, daß er sich nicht mehr allein aufrecht halten konnte. Dann holte ich Constantin.

Beide blieben wohl eine halbe Stunde beisammen. Ich verstand nicht was sie sprachen, aber an dem Ton, in welchem das Gespräch geführt wurde, war leicht zu errathen, daß Constantin Alles bewilligte, was Apostoli von ihm begehrte. Ein einziger Gegenstand wurde etwas lebhafter erörtert; aber Constantin sagte einige Worte in bittendem Tone, und Apostoli ließ nach.

»Nun?« fragte ich, als Constantin fort war.

»Morgen Früh kommt ein Priester, und an meinem Todestage werden alle Gefangenen frei; Du allein, John, mußt bleiben, bis Fortunato völlig geheilt ist. Verzeihe mir; er beschwor mich bei meiner Mutter, von meiner Bitte abzustehen, und so habe ich ihm in deinem Namen versprochen, daß Du ihn nach Keos begleiten wirst.«

»Ich werde halten, was Du versprochen, Apostoli. Es gilt mir ziemlich gleich, wohin ich gehe, ich bin ja ein Verbannter. Aber wie hast Du von Constantin ein solches Opfer erlangt?«

»Wir Beide,« antwortete Apostoli, »sind Mitglieder der Hetärie, jenes Bundes, der die Wiedergeburt Griechenlands zum Zweck hat, und nach unseren Statuten darf man eine Bitte, die ein Freund auf dem Sterbelager ausspricht, nicht abschlagen. Ich habe ihn um die Freilassung der Gefangenen gebeten, und er hat eingewilligt.«

»Das macht Dich größer als deine Vorfahren!« sagte ich; »ein alter Grieche würde eine Hekatombe verlangt haben. – Du hast ein Wort des Friedens, der Versöhnung gesprochen; denn Du willst nicht nur beweint werden, Viele sollen Dich auch als ihren Wohlthäter und Erretter segnen.«

Apostoli lächelte wehmüthig. Ich sah, daß er leise betete, und ließ ihn allein. – Ich erstieg den Hügel, das gewöhnliche Ziel unserer Wanderung, als Apostoli noch einige Kraft hatte.

Oft hatte er, einen Kirschlorberzweig abbrechend und in einen Erdhügel steckend, zu mir gesagt: »Wenn ich meine letzte Ruhestätte wählen könnte, so möchte ich hier begraben werden.«

Der letzte Zweig, den er in die Erde gesteckt hatte, war noch da, als ob er dem Sterbenden den Platz aufbewahrt hätte. Ich legte mich neben dem verweilten Zweige nieder; vor mir schimmerte die Quelle eines dem Meere zufließenden Baches und ringsum, so weit das Auge reichte, waren die zahllosen Inseln, gleich Blumenkörben, über den blauen Wasserspiegel verbreitet. Es mußte für einen Sterbenden in der That ein Trost sein, einen solchen Platz zur Ruhestätte zu wählen.

Als ich wieder in das Zelt kam, schlief Apostoli ziemlich ruhig; aber eine halbe Stunde nachher wurde der Schlaf durch einen Husten mit starkem Blutauswurf unterbrochen. Zwei- oder dreimal wurde der Leidende in meinen Armen ohnmächtig und jedes mal sah er mich beim Erwachen mit jenem sanften, wehmüthigen Lächeln an, das ich nur bei denen gesehen habe, welche schon in der Jugend dem Tode geweiht sind.

Endlich, gegen zwei Uhr Nachts, ruhte der Kampf zwischen Leben und Tod. Das Leben war besiegt und schien den Feind nur noch um eine kurze Frist zu bitten, um mit Ruhe und Ergebung zu erlöschen.

Bei Tagesanbruch kam der griechische Priester, den man von Samos geholt hatte. Apostoli freute sich herzlich. Ich wollte sie allein lassen; aber er wollte sich nicht von mir trennen.

»Bleibe, John,« sagte er, »die Zeit unseres Zusammenseins ist ja ohnehin kurz bemessen.«

Dann erzählte er dem alten Geistlichen sein reines fleckenloses Leben. Der tiefgerührte Priester zeigte auf den Sterbenden und dann auf die Piraten, welche sich vor dem Zelte versammelt hatten.

»Sehen Sie,« sagte er zu mir, »dieser muß scheiden – Jene bleiben.«

»Gottes Rathschlüsse sind unerforschlich,« sagte Apostoli; »mich schwachen Menschen ruft er zu sich, um für die Freiheit zu beten; die Starken bleiben hier, um zu kämpfen.«

»Ja, erwiederte der Mönch, »in Kurzem wirst Du im Grabe den Racheruf deiner Brüder hören; vor Gottes Throne vermagst Du mehr für dein Vaterland zu thun, als hienieden.«

»So heiße ich denn den Tod willkommen!« sagte Apostoli mit Begeisterung.

»Amen!« sagte Constantin, der eben in das Zelt trat und an dem Lager des Sterbenden niederkniete.

Der Priester spendete ihm das Abendmahl. Und ich begann nun an die nahe Wiedergeburt Griechenlands zu glauben, als ich einen Jüngling, einen bejahrten Mönch und einen Piratenhäuptling, die doch durch ihre sociale Stellung, sowie durch ihren Wandel und ihr Lebensziel so weit von einander verschieden waren, durch ein geheimnißvolles Band, durch gemeinsame Liebe und Hoffnung vereinigt gesehen.

Als die heilige Handlung beendet war, schien Apostoli noch ruhiger als zuvor. – Sobald sich der alte Mönch entfernt hatte, sehnte sich der Kranke ins Freie; wir trugen ihn auf der Matratze vor das Zelt. Kaum war er draußen, so erklärte er mit Entzücken, daß er den trüben Schleier nicht mehr vor den Augen habe, daß er den Himmel wieder sehe und das Meer, und sogar die Küste, welche uns in den ersten Morgenstrahlen nur als ein am Horizont schwebender Dunst erschien. Seine Augen strahlten so freudig, sein Gesicht war so heiter, daß ich an seinen nahen Tod nicht glauben mochte. Ich setzte mich an seine Seite; er sprach nur von seiner Mutter und Schwester, nicht mehr wie in den letzten Tagen, sondern wie ein Wanderer, der lange abwesend war und seine Theueren bald wieder sehen wird.

So verging der ganze Tag. Es war indeß nicht zu verkennen, daß die körperliche Schwache im Verhältniß des geistigen Aufschwungs zunahm. Der Abend kam – ein warmer duftiger stiller Abend. Apostoli hatte eine Zeitlang nicht gesprochen; als die Sonne hinter den Bergen von Andros unterging, schien er wieder Kraft zu bekommen; er richtete sich auf, um das sinkende Gestirn noch länger zu sehen – endlich streckte er die Arme nach dem erglühenden Abendhimmel aus, lispelte das Wort Lebewohl und ließ den Kopf auf meine Schulter sinken.

Der arme Apostoli war todt – er hatte ohne Schmerz, ohne Kampf geendet, wie eine erlöschende Flamme, wie ein schwindender Glockenton.

Ich schnitt ihm, seinem Wunsche gemäß, die Haare ab und zog ihm den Ring vom Finger.

Die ganze Nacht wachte ich bei ihm. Morgens kamen zwei Frauen von Samos, welche den Todten wuschen, mit duftenden Salben einrieben, sein Haupt mit Blumen bekränzten und ihm eine Lilie aus die Brust steckten. Dann ging ich mit zwei Piraten auf den Hügel und ließ an der Stelle, wo er die Kirschlorberzweige eingepflanzt, ein Grab machen.

Im Laufe des Tages wurden die am Bord der »Bella Levantina« befindlichen Waaren an Bord der griechischen Feluke gebracht. Abends kam der alte Mönch wieder, kniete vor dem Todten nieder und sprach die üblichen Gebete. Dann wurden die Gefangenen vor das Zelt geführt; sie erkannten Apostoli, er war ihnen lieb geworden und sie beweinten ihn.

Vier Piraten trugen den offenen Sarg. Voran schritt der Priester, gefolgt von zwei Chorknaben mit brennenden Fackeln; hinter der Leiche gingen die beiden Frauen von Samos. Jede trug aus dem Kopfe eine Schüssel mit gekochtem Weizen und einer aus Mandelteig geformten weißen Taube; der Rand der Schüssel war mit Trauben, Feigen und Granaten belegt. Als der Zug auf den Begräbnißplatz kam, stellte man die beiden Schüsseln auf die Leiche und ließ sie so lange als der Priester das letzte Gebet sprach. Dann wurden die Schüsseln herumgereicht und jeder der Anwesenden aß einen Bissen davon. Inzwischen wurde der Sargdeckel festgenagelt, und bald hörte man das unheimliche, zuerst dröhnende und dann immer schwächer werdende Poltern der Erde auf dem Holz, welches den mir so theuren Freund umschloß. Als die Todtengräber ihr Geschäft beendet hatten, streckte Constantin den Arm aus und sagte zu den Gefangenen:

»Der hier Ruhende hat vor seinem Ende um eure Freiheit gebeten. Dort ist euer Schiff das ich Euch zurück gebe; das Meer ist Euch offen, der Wind günstig – gehet, Ihr seid frei.«

Dies war die einzige Rede, welche an dem Grabe Apostoli’s gehalten wurde.

Die Vorbereitungen zur Abfahrt wurden sogleich getroffen, die Passagiere, welche zu ihrer großen Freude mit dem Verlust ihrer Waaren davonkamen, und der Capitän, der sein Schiff wieder erhielt, konnten diese bei einem Piratenführer unerhörte Großmuth nicht begreifen. Ich selbst fing an diesen Mann anders zu beurtheilen. Fortunato, der dem Sarge nicht hatte folgen können, lag vor seinem Zelt; er hatte den Zug gesehen. Ich ging zu ihm und reichte ihm weinend die Hand.

»Ja, er war ein würdiger Sohn Griechenlands,« sagte er. »Sie sehen, daß wir das erste Versprechen gehalten haben; das zweite werden wir seiner Zeit eben so treu halten.«

Fortunato, dessen Wunde zu vernarben begann, konnte nun ohne Bedenken wieder an Bord gebracht werden. Ich schied mit schwerem Herzen von dieser Insel, auf welcher mein theurer Freund ruhte. Noch denselben Abend liefen beide Schiffe aus dem kleinen Hafen aus und entfernten sich in verschiedenen Richtungen von Nicaria.

Als die Sonne unterging, geradezu der Stunde, wo Apostoli gestern entschlafen war, fiel eine von Norden nach Süden ziehende Schaar Schwäne auf den Hügel, wo sein Grab war.

»Siehst Du?« sagte Fortunato zu mir; »es sind die Seelen der Märtyrer, welche einen Seligen heimsuchen.«

Dann kam die Nacht und bald verloren wir die Insel Nicaria aus dem Gesicht.

Dritter Teil

I

Am andern Morgen, als wir erwachten, befanden wir uns mitten im ägäischen Meere und segelten auf die unter dem Namen Cykladen bekannte Inselgruppe zu. Gegen Abend fuhren wir durch die Meerenge, welche Tenos von Mykone trennt, und warfen dann in dem Hafen einer kleinen Insel den Anker aus.

Constantin sagte, daß wir hier übernachten würden, und lud mich ein, einige seiner Leute auf den Wachtelfang zu begleiten und nachher mit ihm und Fortunato das Nachtessen einzunehmen.

Diese Unterhaltung hatte in meiner trüben Stimmung keinen großen Reiz für mich; aber als ich erfuhr, daß diese kleine Landzunge unter dem modernen Namen Ortygia den altberühmten Namen Delos verbarg, so stieg ich in die Schaluppe – nicht um Wachteln zu fangen, sondern um die schwimmende Wiege der Diana und des Apollo zu besuchen. Diese Insel soll vor Zeiten, wie Plinius berichtet, reich an Palmen gewesen sein, allein jetzt würde man vergebens einen einzigen Palmbaum auf derselben suchen. Um der flüchtigen Latona eine Zuflucht zu bieten, hatte Neptun die Insel mit einem Schlage seines Dreizacks aus dem Meere hervorgetrieben; anfangs schwamm sie unstät auf den Wellen umher, bis Jupiter sie mit diamantenen Ketten zwischen Skyros und Mykone an den Meeresgrund fesselte. Latona wurde von Geburtsschmerzen befallen, und sobald sie die ersten Klagetöne hören ließ, stiegen Thoa, Dione und Amphitrite aus dem Meere und eilten ihr zu Hilfe. Latan gebar nun die beiden Götterkinder Apollo und Diana.

In Folge dieser Sage war Delos ein geweihter, heiliger Ort, an welchem die Griechen ihren Staatsschatz aufbewahrten. Die Athener schickten alljährlich ein Schiff dahin, um Opfer zu bringen, und von dem Augenblicke, wo der Priester des Apollo das Schiff mit Blumen bekränzte, bis zur Rückkehr desselben in den Hafen durste in Athen kein Mensch getödtet werden. So wurde auch das über Sokrates verhängte Todesurtheil dreißig Tage aufgeschoben, weil es am Tage nach der Abfahrt gesprochen wurde und die Rückkehr abgewartet werden mußte.

In einer Stunde machte ich die Runde um die jetzt unbewohnte und mit Trümmern bedeckte Insel. Die Matrosen hatten eine große Menge Wachteln in Netzen gefangen. Wegen der außerordentlichen Menge dieser Vögel hat die Insel den Namen Ortygia (Wachtelinsel) erhalten.

Fortunato und Constantin erwarteten mich zum Abendessen. Es war das erste Mal, daß wir zusammen an einem Tische aßen, und man machte ein kleines Festmahl daraus. Uebrigens hatte ich nie Ursache gehabt, mich über die Behandlung von Vater und Sohn zu beklagen; die beiden Piraten besaßen eine Bildung, welche mit ihrem Gewerbe unvereinbar schien und mich in Erstaunen setzte. Diesen Abend waren sie noch freundlicher und zutraulicher als gewöhnlich. Nach dem Essen, nachdem jeder von uns einen Becher mit Wein zweimal geleert hatte und die Diener uns die brennenden Pfeifen reichten, konnte ich meine Verwunderung über diese freundliche Behandlung nicht verbergen. Beide sahen sich lächelnd an.

»Wir waren auf diese Frage gefaßt,« sagte Constantin zu mir; »Du beurtheilst uns so, wie uns jeder Andere an deiner Stelle beurtheilen würde. Wir haben also nichts dagegen zu sagen.

Er erzählte mir nun seine Geschichte – die alte und immer neue anziehende Geschichte von erlittenem Unrecht, welches den Menschen antreibt, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen und das Böse mit Bösem zu vergelten. Constantin war von Geburt ein Mainote; seine Voreltern gehörten zu den kühnen, freiheitliebenden Bewohnern des Tapgetosgebirges, welche von den Türken nie unterjocht wurden. Sein Vater Denretrius hatte eine junge Griechin geliebt, welche mit ihren Eltern nach Constantinopel gegangen war. Er war seiner Geliebten gefolgt und hatte sich in Pera niedergelassen. Dort lebte er glücklich im Kreise seiner Familie, als in dem benachbarten Hause eines Türken Feuer ausbrach. Acht Tage nachher verbreiteten sich allerlei bedenkliche Gerüchte. Man sagte, die Griechen hätten das Haus ihres Feindes angezündet, und der Pöbel, diesen willkommenen Vorwand benützend, umzingelte in der Nacht den ganzen Stadttheil; alle Häuser der Griechen wurden erstürmt, Fortunato und Constantin wehrten sich eine Zeitlang; aber nachdem der Vater des Letztern ermordet worden war, flüchteten sie sich mit dem Rest ihrer Familie durch eine Hinterthür und nahmen alles Geld mit, das sie in der Eile zusammenraffen konnten. Hans und Waaren mußten sie im Stich lassen. Sie erreichten das Marmorameer, und von da den Archipel, wo sie Piraten wurden. Seit dem beraubten sie die Kaufleute und verbrannten deren Schiffe, so wie man ihre Waaren geraubt, ihr Haus angezündet hatte. Wenn ihnen ein Türke in die Hände fiel, so mußte er für den Tod ihres gemordeten Vaters büßen.

»Jetzt,« sagte Fortunato, als sein Vater diese Erzählung beendet hatte, »Jetzt wirst Du unsere Unruhe begreifen, wie wir deine Neugier natürlich fanden. Du hattest mir eine Wunde geschlagen, und wie Achill hast Du sie geheilt. Du bist daher für uns ein Bruder geworden; aber für Dich sind wir nur Piraten und Räuber. Von den Griechen, unseren Landsleuten, haben wir nichts zu fürchten; auch nicht von den Türken, deren Kriegsschiffen wir so leicht entkommen, wie die Schwalbe der Eule entwischt, und die uns in unserer Veste nicht anzugreifen wagen. Aber Du, John, gehörst einem Volke an, dessen Macht sich über die ganze Erde erstreckt; seine leichtbeschwingten Schiffe sind überall gleich zur Stelle ; einer seiner Söhne wird nie ungestraft beleidigt. Du sollst Dich nie über uns zu beklagen haben, John; schwöre uns daher, unsere Zufluchtstätte nie zu verrathen. Wir bitten nicht um eine Freundschaft, aber verlangen Verschwiegenheit, die Du jedem Gastfreunde schuldig bist. Wenn Du uns dieses Versprechen nicht geben willst, so bleiben wir hier, bis ich völlig geheilt bin. Dann bist Du frei, und wir geben Dir an Gold und Edelsteinen was Du verlangst; denn,« setzte Fortunato, mit dem Fuße an eine Schatulle stoßend, hinzu, »wir haben in diesem Koffer so viel, daß wir selbst den Aeskulap bezahlen könnten. Dann kannst Du uns verlassen und Dich bei deinem Consul beklagen, und Vielleicht werden wir uns mit den Waffen in der Hand wiederfinden.«

Er machte einen Rosenkranz vom Halse los und warf ihn auf den Tisch.

»Willst Du hingegen bei uns bleiben, so schwöre mir bei dieser Reliquie, welche mein Großvater von dem Patriarchen erhalten hat, daß Du uns nie anzeigen, nie Klage führen willst, und noch diesen Abend werden wir absegeln; morgen bist Du unser Freund, unser Gast, unser Bruder; unser Haus ist das deine und wir haben kein Geheimniß mehr vor Dir.«

»Du weißt ja, Fortunato,« erwiederte ich, »daß ich gerichtet bin, wie Du, daß ich den Beistand meiner Nation nicht anrufen kann, sondern mich um meiner Sicherheit willen verbergen muß. – Du sprichst von Belohnung? Sieh diesen Gürtel, er ist voll Gold und Wechsel. Ich gehöre einer reichen Familie an, und ich brauche nur an meinen Vater zu schreiben, um jedes Jahr das Doppelte dieser Summe zu erhalten. Ich habe nur Eine Pflicht zu erfüllen: ich muß mich persönlich zu Apostoli’s Mutter und Schwester begeben, um ihnen seinen Tod anzuzeigen und die mir anvertrauten Andenken zu übergeben. Versprich mir, daß ich frei sein werde, wenn ich mich dieses Auftrages entledigen will, und dann werde ich auf diese Reliquie den verlangten Schwur leisten.«

Fortunato sah seinen Vater an, der ihm beistimmend zunickte.

Dann nahm er die Reliquie, küßte sie, sprach leise ein kurzes Gebet und sagte:

»Ich schwöre in meinem und meines Vaters Namen, daß Du frei sein sollst, sobald Du es verlangst, und daß wir zur Reise nach Smyrna oder nach einem andern Orte, wohin Du Dich begeben willst, alle uns zu Gebote stehenden Mittel zu deiner Verfügung stellen wollen.«

»Und ich,« sagte ich, ebenfalls aufstehend, »ich schwöre bei dem Grabe unseres gemeinsamen Bruders Apostoli, daß ich kein Wort sprechen werde, das Euch in Gefahr bringen könnte, Ihr müßtet denn nichts mehr zu fürchten haben oder mir mein Wort zurückgeben.«

»Es ist gut,« sagte Fortunato mir die Hand reichend, »Du hast’s gehört, Vater; gib also Befehl zur Abfahrt, denn Du wirst Dich, eben so wie ich, nach Hause sehnen, um die zu beruhigen, welche um uns in Sorgen sind.«

Constantin ertheilte sogleich einige Befehle in griechischer Sprache, und einige Minuten nachher setzte sich die Feluke in Bewegung.

Als ich am andern Morgen erwachte und auf das Verdeck stieg, fuhren wir mit vollen Segeln und Rudern auf eine große Insel zu , welche uns zwei Landzungen entgegenstreckte. Hinter dem Hafen, der durch diese zwei Landzungen gebildet wurde, erhob sich ein Berg, der mir mehr als sechshundert Metres hoch zu sein schien.

Die Matrosen sangen fröhliche Lieder, welche von der am Hafen zusammenströmenden Bevölkerung beantwortet wurden. Unsere Rückkehr war offenbar ein Fest für die ganze Insel.

Fortunato kam trotz seiner Schwäche auf das Verdeck, er hatte, wie sein Vater, seine prächtigsten Kleider angelegt. Endlich liefert wir in den Hafen ein und warfen vor einem sehr schönen, von Maulbeerbäumen umgebenen Hause den Anker. Aus einem Fenster dieses Hauses wehte ein weißes, mit Gold gesticktes Schnupftuch. Fortunato und Constantin beantworteten diesen Gruß durch Pistolenschüsse: es war das Zeichen einer glücklich vollendeten Reise. Der Jubel wurde immer lauter, und wir stiegen mitten unter einer fröhlichen Menschenmenge ans Land.

Wir waren auf der Insel Zea, dem alten Ceos, wo Nestor auf seiner Rückkehr aus dem trojanischen Kriege landete und wo der Dichter Simonides geboren ist.

II

Das Haus Constantin’s stand allein, von Oliven- Maulbeer- und Citronenbäumen umgeben, am nordwestlichen Abhange der Eliasberges. Auf der Plattform welche sich vor dem Hause ausbreitete, hatte man eine weite Aussicht über den Hafen, an welchem im Halbkreise das Städtchen erbaut ist, über das Meer, von dem Golf von Aegina bis Negroponte. Nordwärts, hinter dem Vorgebirge von Sunium, bemerkte man die Gebirgskette des Parnaß, hinter welcher Athen liegt.

Zu der Hausthür führte ein leicht zu vertheidigender Fußpfad , der sich bis zum Gipfel des Eliasberges hinaufzog. Dort stand, einem Adlerhorst gleich, eine Festung, in welche man sich nöthigenfalls zurückziehen konnte. Eine oben aufgestellte Schildwache konnte in weiter Ferne jedes sich nähernde Schiff sehen.

Wie alle der wohlhabenden Classe gehören den Häuser hatte es einen von hohen Mauern umgebenen Vorhof, ein Erdgeschoß und oben einen den ganzen ersten Stock umschließenden Balcon; dann einen zweiten Hof, der nur auf einer verschließbaren Treppe zugänglich war und zu einem abgesonderten Pavillon führte. Hinter diesem lag ein großer schöner mit Wällen umgebener Garten, in welchem man ungesehen spazieren gehen konnte.

Im Erdgeschoß, welches eigentlich nur eine große Säulenhalle war, hausten Constantin’s Diener, sämmtlich in Klepythentracht. Die Wände und Pfeiler waren mit kostbaren Waffen, Säbeln, Pistolen und langen Flinten bedeckt. Dieses kriegerische Vorgemach, in welchem seine Leute am Tage spielten und in der Nacht schliefen, erinnerte an den feudalen Prunk des fünfzehnten Jahrhunderts. Wir gingen mitten durch diese stattliche Schaar, welche ihren Häuptling wie Soldaten und nicht wie Diener begrüßten; man ahnte in dem Gehorsam dieser Leute eine Willensfreiheit und Unabhängigkeit, durch welche sowohl der Befehlshaber als die Untergebenen in den Augen eines Fremden sehr gewannen: es war Hingebung, keine Dienstbarkeit.

Constantin sprach mit jedem einige freundliche Worte, nannte sie mit Namen und erkundigte sich, wie es schien, nach ihren Angehörigen; dann stellte er mich als den Retter seines Sohnes vor. Einer von ihnen kam sogleich auf mich zu und küßte mir mit würdevollem, anmuthigem Anstande die Hand. Fortunato, dem das Gehen noch schwer wurde, wurde von vier Klepythen die äußere Treppe hinauf getragen.

Der erste Stock bestand ans drei lustigen Zimmern, deren Wände ganz mit Divans umgeben waren. Auch hier hingen prächtige Waffen, lange Pfeifen und Rosenkränze an den Wänden. Kaum waren wir in das mittlere Zimmer getreten, so brachten uns zwei schöne, reichgekleidete Knaben den Kaffee und die brennenden Pfeifen. Wir tranken einige Tassen Kassee und rauchten einige Pfeifen; dann führte mich Constantin in mein Zimmer, welches die östliche Ecke des Hauses bildete, zeigte mir eine zum Erdgeschoß hinabführende Treppe, die ich nach Belieben benutzen konnte, und begab sich in seine Wohnung, welche er sorgfältig verschloß.

Ich blieb allein und konnte mit Muße über meine seltsame Lage nachdenken.

Ich hatte in wenigen Monaten so viel erlebt, daß ich zuweilen zu träumen glaubte. Meine früheste Jugend hatte ich unter der zärtlichen Obhut meiner Eltern verlebt; das Vaterhaus war meine Welt gewesen; dann hatte ich den Schulzwang mit der strengen Disciplin eines Kriegsschiffes vertauscht – und nun war ich auf einmal frei wie der Vogel in der Luft, dessen Schwingen noch zu schwach sind, einen großen Raum zu durchfliegen. – Wo war ich ? In einem Piratennest, welches mich bis jetzt an die Höhle des Capitän Rolando in »Gil Blas« erinnerte. Aber wohin sollte ich mich wenden, wenn ich fortgehen würde? Ich wußte es nicht. Es standen mir freilich alle Pforten der Welt offen, aber eine, die Pforte meines Heimatlandes, sollte mir auf immer verschlossen bleiben.

Ich weiß nicht wie lange ich so gegrübelt haben würde, wenn nicht ein durch die Jalousien fallender Sonnenstrahl mich auf dem Divan heimgesucht hätte. Ich stand auf, um diesem unwillkommenen Besuch auszuweichen; aber als ich ans Fenster trat, vergaß ich, warum ich ausgestanden war. Zwei in lange weite Gewänder gehüllte weibliche Gestalten gingen über den Hof, dem Pavillon zu, an dessen vergittertem Fenster ich bei der Einfahrt in den Hafen ein Schnupftuch hatte wehen sehen. Wer waren diese Frauen, von denen weder Constantin noch Fortunato ein Wort gesprochen hatten? Vermuthlich Fortunato’s Schwestern, denn dieser war noch zu jung, um schon verheirathet zu sein, und Constantin war nicht mehr jung genug, um eine Frau von dem Alter der beiden Unbekannten zu haben. Denn jung waren sie, das sah ich an ihrem leichten, sichern Gange.

Die Thür des Pavillons schloß sich hinter den beiden Frauen. Ich blieb am Fenster stehen, und statt die mir vorhin lästige Oeffnung zu schließen, suchte ich sie zu vergrößern, um zu sehen, und vielleicht auch um gescheit zu werden; aber ich bedachte, daß Constantin, der sich ohne Zweifel in die orientalischen Sitten hinein gelebt hatte, Verdacht schöpfen und mir in einem andern Theile des Hauses eine Wohnung anweisen könne. Ich verhielt mich daher ganz ruhig hinter dem Fenster, denn ich hoffte die eine oder die andere Nachbarin zu sehen. Zwei zahme Turteltauben setzten sich auf den Rand des Papillonfensters, der Gitterrahmen wurde aufgehoben, eine kleine weiße Hand kam zum Vorschein und nahm die der Venus geweihten Vögel in das Zimmer.

O Eva, unsere gemeinsame Mutter, wie gern verzeihen dir deine Kinder die Sünde, durch welche sie sterblich geworden sind! Wie gewaltig ist doch die Neugierde, welche Du der Welt hinterlassen hast! fühlte sich doch einer deiner x Söhne nach so vielen Generationen von dem Erbübel durchdrungen! Als er die schöne Hand sah, verschwanden Vaterland und Familie in seiner Erinnerung, wie aus einem Theater ein düsterer Wald oder seine schauerliche Höhle verschwindet, um einem Feenschloß Platz zu machen. Diese Hand hatte den Vorhang aufgezogen, der mir den wahren Horizont verbarg: Zea war nicht mehr das kleine Felseneiland, Constantin war nicht mehr der Anführer der gegen die Gesetze aller Nationen sich auflehnenden Piraten; ich selbst war nicht mehr der arme heimatlose Midshipman. Zea war das liebliche Ceos, wo Nestor der Pallas Athene einen Tempel baute; Constantin war ein König, wie Idomeneus, der die Kreter gegen Troja führte, und ich war ein Verbannter, der, wie der Sohn des Anchises, eine verliebte Dido oder eine keusche Lavinia suchte.

Während ich mich in diesen goldenen Träumen wiegte, that sich die Thür auf und man meldete mir, daß mich Constantin zum Essen erwarte.

Ich freute mich, daß er nicht selbst gekommen war; denn ich stand wie eine Bildsäule am Fenster, und mein Wirth hätte aus meiner Befangenheit leicht schließen können, was ich erwartete. Zum Glück war’s einer seiner Pagen, der nur Neugriechisch sprach und zur Geberdensprarhe seine Zuflucht nehmen mußte, um sich mir einigermaßen verständlich zu machen. Ich verstand ihn leicht und folgte ihm sehr bereitwillig, denn ich hoffte die schöne Hand bei Tische zu sehen.

Ich irrte mich; Constantin und Fortunato waren allein an der mit asiatischen Speisen besetzten, aber nach europäischer Art servirten Tafel.

Das Voressen bestand in einem kegelförmigen Reisberge, der aus einer großen Schüssel mit saurer Milch hervorragte, aus gebackenen Eiern und Gemüse. Der zweite Gang bestand in gesottenem Geflügel, Kalbsbraten und Fischroggen, mit Knoblauch und Zimmt gewürzt. Als Dessert wurden Orangen, Feigen, Datteln und Granaten aufgetragen. Den Beschluß machten Pfeifen und Kaffee.

Bei Tische sprachen wir von gleichgültigen Dingen, ohne daß Constantin und Fortunato meine Herzensangelegenheit berührten. Als wir einige Pfeifen geraucht hatten, sagte mir Constantin, ich könne von meiner Freiheit Gebrauch machen, und auf die Jagd gehen oder die Alterthümer der Insel besuchen. Ich zog diese letztere Unterhaltung vor; er ließ mir sogleich ein Pferd satteln und beorderte einige Bewaffnete mich zu begleiten.

Dieser Befehl, ein Pferd zu satteln, schien mir überflüssig auf einer Insel, welche kaum sechs bis acht Stunden im Umfange hat. Ich fand es sonderbar, daß so kräftige und an Strapazen gewöhnte Männer wie Constantin und Fortunato Pferde nöthig hatten, um sich von einem Punkte ihrer Besitzungen zum andern zu begeben. Ich nahm aber das Anerbieten an und begab mich mit Constantin in den ersten Hof.

Das Pferd wurde sogleich vorgeführt. Es war eines jener schönen Renner von Elis, deren von Homer gepriesene Rosse sich bis in unsere Zeit fortgepflanzt hat. Der Stallknecht hatte indeß beim Aufzäumen einen kleinere Fehler gemacht: er wußte nicht für wen das Pferd bestimmt war und hatte einen rothsammetnen, mit Gold gestickten Frauensattel aufgelegt. Jetzt ward mir Alles erklärlich: die Pferde dienten gewöhnlich meinen geheimnißvollen Nachbarinnen zum Reiten, und da Constantin den Befehl zum Satteln ohne weitere Erklärungen gegeben hatte, so führte der Stallknecht das Pferd in seinem gewöhnlichen Sattelzeuge vor. Constantin sagte ihm einige Worte und gleich darauf erschien das Pferd wieder mit einem Palikarensattel.

Es war zwei Uhr Nachmittags; ich hatte nicht mehr Zeit, die Runde um die Insel zu machen, und mußte unter den Trümmern der einst mächtigen Städte Karthäa, Koresos und Wuli wählen. Ich entschied mich für Karthäa, dessen Ruinen noch fest »Polis«, d. i. die Stadt, genannt werden.

Unterwegs sah ich junge Zeoten, welche die Maulbeerblätter einsammelten. Die Seide von Zea wird noch in ganz Griechenland gesucht, wenn sie auch nicht mehr so berühmt ist wie im Alterthum. Die ganze Insel ist überdies sehr gut angebaut, alle südlichen Geländer waren mit Weinstöcken und Obstbäumen bepflanzt. Diese große Fruchtbarkeit ist wohl die Ursache der großen Vorliebe der Zeoten für ihre Heimat.

Die Zeoten haben diese Abneigung gegen jede Ortsveränderung von ihren Vorfahren geerbt. In Folge der Uebervölkerung wurde ein Gesetz erlassen , welches alle Greise über sechzig Jahre dem Tode weihte. Es stand diesen allerdings frei die Insel zu verlassen, wenn sie ihrem Schicksal entgehen wollten; aber sie entfernten sich so ungern von ihrer Heimat, daß sie gemeiniglich vorzogen, einander zu einem Festmahl einzuladen und mit Blumen bekränzt, bei Zither- und Posaunenklag den mit Schierlingstrank gefüllten Becher zu leeren.

Die Zeoten waren übrigens gegen ihre Sprößlinge nicht viel zärtlicher als gegen ihre Greise. Als sie einst von den Athenern belagert und hart bedrängt wurden, beschlossen sie alle Kinder zu ermorden, weil diese die Eltern hinderten sich ausschließlich den Vertheidigungsarbeiten zu widmen. Zum Glück erfuhren dir Arbeiter diesen Beschluß und hoben die Belagerung auf, um nicht die Ursache und die Zeugen solcher Gräuelthaten zu sein.

Karthäa war, wie schon erwähnt, die Vaterstadt des Dichters Simonides, des »Lieblings der Götter«, wie er genannt wurde. Diesen Beinamen verdankte er folgendem Vorfalle:

Skophas, der im Faustkampfe gesiegt hatte, ließ von dem Poeten seinen Sieg besingen. Simonides lobte nicht nur den Athleten, sondern auch Castor und Pollux, die beiden Schutzgottheiten der Kämpfer. Skophas zahlte dem Dichter ein Dritttheil der Summe und wies ihn wegen der übrigen zwei Drittheile an die von ihm so schön besungenen Söhne des Tondar. Die Poeten scheinen damals, wie jetzt, an pünktliche Bezahlung nicht gewöhnt gewesen zu sein, denn Simonides nahm die Drittelabzahlung und zugleich die Einladung zu einem Festessen an. Bei der Mahlzeit meldete man dem Simonides, daß ihn zwei mit Staub bedeckte Männer, welche eine weite Reife gemacht zu haben schienen, vor der Thür erwarteten. Simonides stand auf und folgte dem Sclaven.

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06 aralık 2019
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460 s. 1 illüstrasyon
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