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Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 25

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X

Ein Wunsch des Paschas war ein Befehl ; ich verneigte mich zustimmend, und da die zur Abreise bestimmte Zeit gekommen war, so begaben wir uns irr den ersten Hof hinunter. Als wir aus der Thür traten, stürzte sich ein Zigeuner vom Dach auf das Steinplaster, indem er rief:

»Herr, ich will das Unglück auf mich nehmen, das Dich treffen könnte!«

Ich stand erschrocken still, denn ich glaubte, der Mann sei aus Unvorsichtigkeit vom Dach gefallen, aber Ali enttäuschte mich: ein Sclave opferte sich für ihn, um Unglück von ihm abzuwenden Ali ließ durch seine Pagen fragen, ob der Zigeuner todt sei, und man meldete ihm, der Unglückliche habe beide Beine gebrochen, lebe aber noch. Er wies ihm nun einen täglichen Sold von zwei Para für feine ganze Lebenszeit an; dann ging er weiter, ohne sich mehr um den Verwundeten zu kümmern. Im zweiten Hofe fanden wir seine Calesche; Ali stieg ein und warf sich in eine Ecke des Wagens; zu seinen Füßen hockte ein Negerknabe, der ihm das Rohr seiner Pfeife hielt. Mir wurde ein schönes, prächtig aufgezäumtes Pferd vorgeführt; es war ein Gegengeschenk des Paschas.

Die berittenen Tataren eröffneten den Zug ; die Albanesen gingen zu Fuß auf beiden Seiten des Wagens; die Delhis und Türken bildeten die Nachhut. So zogen wir durch Janina.

Am Thor fanden wir eine neue Aufstellung von Köpfen. Einer derselben war frisch abgehauen und das Blut tropfte langsam und regelmäßig auf die Schulter eines am Fuße des Pfahles sitzenden Weibes. Die Unglückliche, die nur dürftig bekleidet war, saß mit aufgelöstem Haar in tiefgebückter Stellung. Zwei schöne Kinder, dem Anscheine nach Zwillinge, lagen zu ihren Füßen. Ungeachtet des Lärms, den der Zug machte, blickte sie nicht einmal aus, und Ali blieb ganz gleichgültig.

Wir begaben uns zuerst nach Liboovo; hier wohnte Chainitza, den Tag der Rache erwartend. Wir stiegen vor dem Palast ab. Von Trauer war nichts mehr zu sehen; die Gemächer prangten in dem gewohnten Luxus und Chainitza hielt einen glänzenden Hof. Unsere Ankunft wurde durch ein großes Fest gefeiert, bei welchem der alte Pascha den Vorsitz führte. Der verrätherische Angriff auf Kardiki wurde noch einmal verabredet; Ali nahm die Männer, Chainitza die Weiber für sich in Anspruch. Dann begaben wir uns nach Chandrya.

Chandrya ist wie ein Adlerhorst auf einem Felsen, am rechten Ufer des Celpdnus erbaut und beherrscht das lange Thal von Drynopolis. Oben auf den Zinnen sieht man die Stadt Kardiki, deren weiße Häuser, von Olivenwäldern umgeben, von weitem wie eine Schaar Schwäne aussehen. Weiterhin sieht man die Berge von Mursina und das ganze Gebiet von Argyrene. In diesem Felsennest ließ sich Ali wie ein Raubvogel nieder, um den seit mehr als zweitausend Jahren in diesen Bergen ansässigen Volksstamm dem Tode zu weihen. Nach unserer Ankunft ritten seine Eilboten durch das Thal von Drynopolis, um zu Kardiki im Namen des Pascha eine allgemeine Amnestie zu verkünden und zugleich zu befehlen, daß sich alle männlichen Einwohner vom zehnten bis zum achtzigsten Jahre nach Chandrya begeben, um daselbst aus dem Munde Sr. Hoheit selbst die ihr Leben und ihre Freiheit sichernde Erklärung zu vernehmen.

Und ungeachtet dieses feierlichen Versprechens formten sich die Unglücklichen einer bangen Ahnung nicht erwehren: Ali versprach ihnen zu viel, als daß man hätte hoffen können, er werde Wort hatten.

Der Pascha selbst mochte an ihr Vertrauen nicht glauben. Er ließ auf dem höchsten Thurme ein Zelt errichten, und dort lauerte er ungeduldig nach der Stadt hinüberblickend.

Endlich jauchzte er vor Freude, als er einen Zug ans dem Stadtthor kommen sah. Er hatte nur die Männer zu sich beschieden, aber die Weiber zogen auch mit aus, um sich so spät wie möglich von ihnen zu trennen; denn Alle ahnten ein großes Unglück.

In der Nähe der Stadt legten diese seit fünfundzwanzig Jahrhunderten unbesiegten Männer ihre Waffen ab und schickten ihre Weiber und Kinder zurück, als ob sie gefühlt hätten, daß sie nicht mehr im Stande waren sie zu vertheidigen.

Ali sah nun, daß sie ihm nicht mehr entgehen konnten, und sein Gesicht nahm nun jene heitere Ruhe an, die dem weißbärtigen Greise etwas Imponirendes, Würdevolles gab. Endlich schieden die Männer von ihren Frauen und Kindern. Jene sahen sich noch oft um und winkten den Zurückbleibenden zu; dann zogen sie durch den nach Chaudrya führenden Engpaß. Die Soldaten trieben nun die Weiber in die Stadt zurück und schlossen die Thore wie die Pforten eines Gefängnisses.

Ali betrachtete aufmerksam den näher kommenden langen Zug, der von Zeit zu Zeit in den engen Schluchten sichtbar war und dessen mit Gold besetzte Kleider in der Sonne glänzten wie die Schuppen einer riesigen Schlange. Je näher die Kardikioten kamen, desto ruhiger und sanfter wurde sein Gesicht. Ob er sich absichtlich so stellte, um sie zu täuschen? ob er sich im Stillen an der nahe bevorstehenden Befriedigung seiner Rachgier weidete? Wer ihn zum ersten Male sah, konnte es nicht sagen. Ich war an die orientalische Verstellungskunst noch nicht gewöhnt und konnte nicht glauben, daß der Pascha noch mit denselben Mordgedanken umgehe, mit denen er abgereist war. Als er endlich den Zug der Kardikioten in der Nähe der Festung sah, begab er sich in den Hof hinunter und ging ihnen bis an das Thor entgegen; hinter ihm stand Omer, der blinde Vollstrecker seiner Befehle, mit viertausend bewaffneten Soldaten. Die ältesten Kardikioten traten näher und baten tief gebeugt um Gnade – um Gnade für sich und die Ihrigen, um Gnade für ihre Stadt. Sie nannten Ali ihren Herrn und flehten sein Mitleid an. Der Unhold schien mir eine vollständige Lection in der orientalischen Verstellungskunst geben zu wollen; denn seine Augen füllten sich mit Thränen und er hob die Bittenden wohlwollend auf und nannte sie Brüder; seine Augen suchten in ihren Reihen und er erkannte mit scheinbarer Freude vormalige Kriegscameraden oder Genossen; er rief sie herbei, drückte ihnen die Hände und erkundigte sich, welche junge Leute seit jener Zeit geboren, welche Greise verschwunden seien. Fürwahr, Machiavell hatte Recht: um heucheln zu lernen, muß man nach Constantinopel gehen.

Ali verspricht vielen unter ihnen Anstellungen, Würden, Besoldungen; einige der schönsten Knaben sollen auf seine Kosten die Schule zu Janina besuchen. Endlich entläßt er sie gerührt; er scheint sich nicht von ihnen trennen zu können, und zum Beschluß dieses gräulichen Possenspiels schickt er sie in eine benachbarte Karavanserai, mit dem Versprechen, ihnen bald zu folgen, um mit der Ausführung seiner Zusagen den Anfang zu machen. [Alle diese empörenden Thatsachen sind ausführlich erzählt in Pouqueville’s »Geschichte Griechenlands«, 2. Buch, 5. cap.]

Die Kardikioten, durch diesen freundlichen Empfang beruhigt, begeben sich in den unterhalb der Festung befindlichen Karavanserai.

Ali schaut ihnen nach und die furchtbarste Rachgier spricht aus seinen Zügen. Und als sie alle wehrlos wie Schafe eingepfercht sind, springt et jubelnd auf und läßt sich von seinen getreuen Walachen in einer Sänfte hinuntertragen.

Unterhalb der Festung stand ein weich gepolsteter, mit einem Baldachin bedeckter Armsessel bereit. In diesen legte sich der Pascha und ließ sich zu dem Karavanserai rollen; seine Leibgarde folgte ihm, ohne zu wissen, wohin er sie führte. Vor dem Karavanserai macht er Halt, richtet sich auf, und als er sieht, daß keiner der unglücklichen Kardikioten entkommen kann, feuert er unter die wie eine Heerde eingepferchten Gefangenen und gibt dadurch das Zeichen zum Beginn des Gemetzels

Der Schuß krachte, ein Mann fiel; ein leichter Rauch stieg empor. Aber die Garde rührte sich nicht, sie leistete zum ersten Male einem Befehle des Paschas keine Folge, während die unglücklichen Karditioten, die endlich einsahen, was für ein Los ihnen beschieden war, einen Ausweg zu finden suchten aus dem Gehöfte, in welches schon der erste Todesbote gedrungen war. Ali glaubte, seine getreuen Prätorianer hätten ihn nicht verstanden und wiederholte den Mordbefehl mit einer Donnerstimme; aber dieser Ruf fand kein anderes Echo, als das Angstgeschrei der Gefangenen, und die Garden ließen dem Pascha durch ihren Anführer erklären, daß Bekenner des Propheten ihre Hände nicht in das Blut anderer Gläubigen tauchen könnten. Ali sah Omer so grimmig an, daß dieser wie toll durch die Reihen der Garden eilte und den Befehl des Paschas wiederholte; aber keiner gehorchte, mehre Stimmen baten sogar um Gnade für die Gefangenen.

Ali ließ nun die Garden abmarschiren; sie mußten ihre Waffen zurücklassen. Der Pascha ließ nun die in seinen Diensten stehenden sogenannten »schwarzen Lateiner« vortreten. Diese wurden nach ihrer dunkeln Kopfbedeckung so genannt.

»Ihr braven Lateiner,« rief ihnen Ali zu, »sollt die Ehre haben, die Feinde eures Glaubens zu vernichten. Nieder mit ihnen im Namen des Kreuzes!«

Ein langes Stillschweigen folgte diesen Worten; dann entstand ein dumpfes Gemurmel, und endlich nahm Andreas Gozzoluri, der Befehlshaber des lateinischen Hilfscorps, das Wort:

»Wir sind Soldaten und keine Henker. Haben wie jemals vor dem Feinde die Flucht genommen und eine Schlechtigkeit begangen, um zu Menchelmördern herabgewürdigt zu werden? Frage alle deine Hauptleute, Wesir Ali, ob wir jemals den Tod gefürchtet haben.

Gib den Kardikioten ihre Waffen zurück, befiehl ihnen sich auf das freie Feld zu begeben oder in ihrer Stadt zu vertheidigen, und dann befiehl, und Du wirst sehen, wie wir Dir gehorchen werden. Aber bis dahin berufe Dich nicht aus unsere Glaubensverschiedenheit; jeder wehrlose Mann ist unser Bruder.«

Ali brüllte wie ein Löwe. Er konnte nicht Alle mit eigener Hand morden; er sah sich nach anderen Vollstreckern seines Blutbefehls um. Ein Grieche trat nun vor, warf sich vor ihm nieder und sagte, den Kopf wie eine Schlange aufrichtend:

»Wesir, ich biete Dir meinen Arm an. Deine Feinde mögen umkommen!«

Ali jauchzte vor Freude, nannte den Elenden seinen Bruder, warf ihm seine Börse zu und mahnte ihn zur Eile.

Athanasius Woja rief die Armeediener herbei und brachte etwa hundertundfünfzig Mann zusammen. Mit einem Theile dieser Schaar erstieg er die Mauern – Ali hob seine Streitaxt und die Mordknechte feuerten auf die siebenhundert eingesperrten Kardikioten. Die abgefeuerten Gewehre warfen sie weg und nahmen die frischgeladenen, welche ihnen ihre untenstehenden Helfershelfer reichten. So feuerten sie dreimal unter die Gefangenen. Die noch nicht Gefallenen unter diesen boten nun Alles aus, um dem Gemetzel zu entgehen. Einige versuchten die festverriegelten Thüren zu erbrechen; andere wollten über die von den Bewaffneten besetzten Mauern steigen. Aber von allen Seiten zurückgeworfen, stürzten die Karditioten wieder in die Mitte des Raumes und bildeten wieder eine dichtgedrängte Schar. Ali hob wieder seine Streitaxt und das Gewehrfeuer begann von neuem; es war von nun an eine Jagd in einem Circus, wo die wehrlosen Opfer durch Behendigkeit den mörderischen Kugeln zu entkommen suchten; sie dauerte vier Stunden. Endlich lagen sie alle im Sande, die Unglücklichen, welche am Morgen, aus das feierliche Wort des Unholdes vertrauend, die Stadt verlassen hatten, und die dritte Generation büßte für das Verbrechen, welches ihre Voreltern sechzig Jahre zuvor begangen hatten.

Noch vor dem Ende dieses Gemetzels erschienen, einer langen Reihe von Gespenstern gleich, die Weiber und Töchter der Gemordeten; in Folge des zwischen Ali und seiner Schwester geschlossenen Vertrags wurden sie nach Liboovo geführt. Sie rangen die Hände und rauften sich die Haare aus, denn sie hörten das Gewehrfeuer, das Geschrei, sie konnten über das Schicksal ihrer Väter und Brüder nicht im Zweifel sein. Bald kamen sie in die enge Thalschlucht, welche von Chandrya nach Liboovo führt, und sie verschwanden eine nach der andern, wie Schatten, welche in die Unterwelt hinabsteigen.

Ich war genöthigt gewesen, dieser Gräuelscene beizuwohnen, ohne für die Unglücklichen etwas thun zu können. Als aber Alles vorüber war, als sich Ali seiner Feinde entledigt hatte, trat ich, so bleich wie die Gemordeten, auf ihn zu und bat ihn um den Geleitbrief und die Sicherheitswache, die er mir versprochen ; allein er antwortete mir, sein Siegel sei in Janina zurückgeblieben, er werde mich daher erst von dort entlassen. Es war nichts dagegen einzuwenden ; der Wütherich hatte den Schlüssel zu der Thür, welche mich zu Fatinitza führen sollte, und ich war entschlossen zu ihr zu gelangen, und sollte ich, wie Dante auf dem Wege zu Beatrix, durch die Hölle gehen.

Die Mörder sprangen von den Mauern in den Karavanserai herab und erdolchten Alle, die noch athmeten. Dann ließ Ali die Häuptlinge der ermordeten Kardikioten zusammenbinden und in den Cylydnus werfen; die übrigen blieben liegen, um die Beute der Wölfe und Schakale zu werden.

Abends brachen wir auf; unser Marsch war still und lautlos, wie der eines Leichenzugs; die Garden und »schwarzen Lateiner« trugen ihre Waffen umgekehrt, zum Zeichen der Trauer; Ali selbst lag ganz still, wie ein gesättigter Löwe, in seiner von Walachen getragenen Sänfte.

Als wir um einen Berg kamen, wurde die dunkle Nacht plötzlich durch einen grellen Lichtstreif erhellt. Als wir näher kamen, hörten wir lautes verworrenes Geschrei. Der Schmaus des Löwen war zu Ende, die Löwin machte sich nun lustig; Ali hatte sein Werk gethan, Chainitza begann das ihrige.

Vor dem Thore von Liboovo brannte ein großer Holzstoß, und in dem Lichtkreise, den er verbreitete, sahen wir Gestalten mit Geberden der Verzweiflung sich winden. Wir näherten uns, ohne daß Ali einen schnellem oder langsameren Marsch befahl: das nächtliche Schauspiel hatte für ihn keinen Reiz mehr, er war übersättigt. Endlich konnten wir erkennen was vorging.

Die Kardikiotinnen wurden vier zu vier vor Chainitza geführt; sie riß ihnen den Schleier ab, ließ ihnen die Haare abscheeren und die Kleider über dem Knie abschneiden; dann gab sie sie den Soldaten preis.

Ali hielt an. Chainitza sah ihn und begrüßte ihn mehr durch Geschrei als durch Worte; mit ihrem flatternden Haar und ihren blutigen Händen glich sie einer Eumenide. Ich konnte den Anblick nicht ertragen und ritt einige Schritte seitwärts.

In diesem Augenblick stürzte ein Mädchen aus der Schaar der Gefangenen hervor und faßte meine Kleider.

»Ich bin’s,« sagte sie; »erkennst Du mich nicht? Du hast mich schon einmal in Constantinopel gerettet. Du kannst es nicht vergessen haben. Ich weiß deinen Namen nicht; aber ich heiße Wasiliki.«

»Wasiliki!« erwiederte ich höchst überrascht. »Wasiliki! Ja, richtig, Du sagtest mir, daß Du nach Albanien gehen wolltest.«

»O, er erinnert sieh meiner noch! – Ja, ich bin’s! Rette uns noch einmal, mich von Schmach, meine Mutter vom Tode!«

»Komm,« sagte ich zu ihr, »ich will’s versuchen.«

Ich führte sie zu Ali.

»Pascha,« sagte ich zu ihm, »ich bitte Dich um eine Gnade.«

»Ja, Gnade, Gnade, Wesir!» flehte Wasiliki. »Wir sind ja nicht ans dieser unglücklichen Stadt, wir sind aus Stambul, und haben nichts gethan, was deinen Zorn verdient hätte. Herr, ich bin ein armes Mädchen, nimm mich unter deine Sklavinnen auf, aber rette meine Mutter!«

Der Pascha wandte sich zu ihr. Die junge Griechin war wirklich schön in ihrer bittenden Stellung, mit dem langen wehenden Schleier und dem aufgelösten Haar. Ali sah sie freundschaftlich schmunzelnd an; dann reichte er ihr die Hand und fragte sie:

»Wie heißest Du?«

»Wasiliki,« antwortete sie.

»Ein schöner Name, er bedeutet Königin. Von dieser Stunde an, Wasiliki, bist Du die Königin meines Harems; befehle, was willst Du?«

»Spottest Du auch nicht, Wesir?« fragte Wasiliki zitternd, und sah bald den Pascha, bald mich an.

»Nein, nein,« sagte ich; »Ali hat ein Löwenherz und kein Tigerherz; er nimmt Rache an Denen, die ihn beleidigt haben, aber er nimmt die Unschuldigen in seinen Schutz. Wesir, dieses junge Mädchen ist nicht von Kardiki; vor zwei Jahren war ich ihr und ihrer Mutter zur Flucht aus Constantinopel behilflich; nimm dein Wort nicht zurück.«

»Was ich gesagt habe, steht fest; beruhige Dich, mein Kind,« antwortete der Pascha. »Zeige mir deine Mutter, Du sollst mit ihr in meinem Palaste wohnen.«

Wasiliki eilte jauchzend in die Gruppe der Gefangenen und holte ihre Mutter. Beide fielen dem Pascha zu Füßen, er hob sie auf.

»Mein Sohn,« sagte er zu mir, »diese beiden Frauen stelle ich unter deinen Schutz, Du bürgst mir für sie; nimm eine Escorte, es soll ihnen kein Haar gekrümmt werden.«

Ich vergaß Alles , ich dachte nicht mehr an die Schreckensscene, der ich am Tage beigewohnt, und das empörende Schauspiel, welches ich vor Augen hatte, verschwand. Ich faßte Ali’s Hand und küßte sie; dann nahm ich zehn Mann zur Bedeckung und brachte Wasiliki und ihre Mutter nach Liboovo. Den andern Morgen begaben wir uns nach Janina. Als wir über den Platz ritten, rief ein Herold:

»Wehe dem, der den Weibern, Mädchen und Kindern von Kardiki Obdach, Kleider oder Brot gibt Chainitza hat sie verurtheilt, in den Wäldern und Bergen herumzuirren und eine Beute der wilden Thiere zu werden. So reicht Chainitza ihre Mutter.«

Das Gerücht von dem scheußlichen Gemetzel hatte sich schon längs der Landstraße verbreitet, und Jedermann, für sich selbst zitternd, begrüßte den Pascha.

Vor dem Thor von Janina fand er seine Sklaven, Schmeichler und Höflinge, die ihn erwarteten. Als Ali anhalten ließ, nur ihren Gruß zu beantworten, stürzte ein Derwisch aus der Menge hervor und trat vor ihn hin.

Der Pascha erschrak bei dem Anblicke dieses bleichen, magern Antlitzes und des drohend erhobenen Armes.

»Was willst Du von mir?« fragte Ali.

»Erkennst Du mich?« entgegnete der Derwisch.

»Ja,« sagte der Pascha, »Du bist der Scheikh Jussuf, man nennt Dich den Heiligen.«

»Und Du,« antwortete der Derwisch, »Du bist der Tiger von Epirus, der Wolf von Tebelin, der Schakal von Janina. Jeder Teppich, den dein Fuß berührt, ist von dem Blute deiner Brüder, deiner Kinder oder deines Weibes befleckt; Du kannst keinen Schritt thun, ohne auf das Grab eines nach dem Ebenbilde Gottes geschaffenen Wesens zu treten, dessen Tod Du verschuldet hast; und doch, Wesir Ali, hattest Du noch nie eine solche Unthat begangen, wie jetzt, selbst nicht an dem Tage, wo Du siebzehn Mütter und sechsundzwanzig Kinder in den See werfen ließes! – Wehe Dir, Wesir Ali, denn Du hast die Hand an Moslim gelegt, welche Dich jetzt vor Gott anklagen. Deine Schmeichler sagen Dir, Du seiest mächtig, und Du glaubst es. Deine Sklaven sagen Dir, Du seiest unsterblich, und Du glaubst es. Aber wehe Dir, Wesir Ali, denn deine Macht wird schwinden, wie ein Hauch; deine Tage sind gezählt, und der Todesengel erwartet nur einen Wink Allah’s, nur Dich zu treffen. Wehe Dir, Wesir Ali!«

Eine schauerliche Stille folgte, alle Anwesenden glaubten, die Rache werde der Beleidigung gleichkommen; aber Ali machte seinen Hermelinmantel los, warf ihn dem Derwisch über die Schultern und erwiederte:

»Nimm diesen Mantel und bitte bei Allah für mich ; denn Du hast Recht, Alter, ich bin ein großer Sünder.«

Der Derwisch aber warf den Mantel ab, als ob er gefürchtet hatte durch die Berührung besudelt zu werden, wischte damit den Staub von seinen Füßen und verlor sich wieder unter der Menge, die stumm und zitternd zurückwich, um ihn durchzulassen.

Abends gab mir Ali den versprochenen Geleitbrief, und den andern Morgen begann ich mit meiner Escorte die Reise durch Livadia.

XI

Unter meiner fünfzig Mann starken Escorte waren zwei Albanesen, welche den Lord Byron auf derselben Reise, welche wir angetreten, begleitet hatten und sich seiner recht gut erinnerten.

Mir schlugen denselben Weg ein, den er genommen hatte, es war der kürzeste; man legte ihn gewöhnlich in zwölf Tagen zurück, aber die kräftigen Albanesen versprachen mir ihn in acht Tagen zu machen.

In zwei Tagen erreichten wir Vonetza, welches sich mit Anio um die Ehre streitet, das alte Actium zu sein. Wir hatten in den zwei Tagen fünfundzwanzig Lieues zurückgelegt. Obschon sehr ermüdet und mit dem einen Gedanken beschäftigt, nahm ich eine Barke, um die Ruinen von Nikopolis zu besuchen. Der Wind war günstig, und die Schiffsleute sagten, sie würden in zwei Stunden über den Golf fahren; die Rückfahrt werde freilich länger dauern. Doch das war mir ziemlich gleichgültig; in meinen Mantel gehüllt, konnte ich mir’s in der Barke bequemer machen, als in dem Zimmer, welches ich als Nachtquartier erhalten hatte.

Der Zufall wollte, daß wir in der Nacht vom 2. zum 3. September, dem Jahrestage der Schlacht bei Actium, über den jetzt so stillen Golf fuhren, der tausendachthundertundvierunddreißig Jahre zuvor den damals zahlreichen Uferbewohnern einen furchtbaren Anblick bieten mußte. Die Welt stand auf dem Spiel, und Antonius verlor; die Ueberreste der Flotte kämpften noch, aber er hatte der Kleopatra nacheilend, schon die Flucht genommen, und Octavius nannte sich fortan mit vollem Rechte Augustus.

Wir landeten am andern Ufer des Golfs, und ich irrte eine Zeit lang wie ein Gespenst mitten in den Trümmern von Nikopolis, der Siegesstadt, umher, welche Augustus zur Erinnerung an die Schlacht bei Actium, und zwar an derselben Stelle erbauen ließ, wo er am Morgen vor der Schlacht einem Bauer und dessen Esel begegnet war und auf seine Frage, wie das Thier heiße, von dem Manne in lateinischer Sprache die Antwort erhalten hatte:

»Ich heiße Eutuchus, d.i. der Glückliche, und mein Esel heißt Nikon, oder Sieger.«

Der an Vorbedeutungen glaubende Augustus konnte dies nicht vergessen; er ließ zwei Statuen, den Bauer und den Esel vorstellend, für den Platz von Nikopolis gießen.

Der Besuch von Ruinen, an welche sich großartige Erinnerungen knüpfen, macht zumal in der Stille der Nacht einen feierlichem überwältigenden Eindruck. Ich saß auf einer umgestürzten Säule, vor den Trümmern eines Tempels, und war in tiefes Nachdenken versunken, als ich vor mir eine Gestalt auftauchen sah. Ich sah die Erscheinung aufmerksam an, um mich zu überzeugen, daß es keine Sinnentäuschung sei. Sie war im Mondschein nicht recht erkennbar, aber es schien eine mit einem Schleier oder Bahrtuch bedeckte weibliche Gestalt zu sein. Ich glaube dem Leser durch die wahrheitgetreue Erzählung meiner Abenteuer bewiesen zu haben, daß ich keine Memme bin; aber ich gestehe, daß sich meine Stirn mit kaltem Schweiß bedeckte. Endlich konnte ich die Ungewißheit nicht länger ertragen, ich starrte die seltsame Erscheinung noch eine kleine Weile an und ging dann darauf los.

Sie ließ mich auf vier bis fünf Schritte nahe kommen; aber als ich die Hand ausstreckte, verschwand sie mit einem Klageton, und es schien mir, als ob mein Name mit flehender Stimme genannt würde.

Ich eilte an die Stelle, wo ich die Erscheinung gesehen hatte, aber ich sah nichts, nicht einmal eine Spur im Grase. Ich rief und meine Schiffsleute kamen. Es konnten ja Räuber oder wilde Thiere in den Ruinen sein. Ich erzählte den Schiffern was mir begegnet war und forderte sie ans mir suchen zu helfen. Sie schüttelten den Kopf und machten die Runde in den Ruinen, um mir den Willen zu thun, aber gewiß nicht in der Erwartung etwas zu entdecken. Alle Nachforschungen blieben fruchtlos, wir fanden nichts, was mir Aufklärung hätte geben können.

Es fing an spät zu werden, und doch konnte ich mich von diesen Ruinen nicht trennen. Die Schiffer mußten mich zu wiederholten Malen erinnern, daß es Zeit zur Rückkehr sei. Ich entschloß mich endlich fortzugehen, – ich legte mich in der Barke nieder, um über dieses seltsame Abenteuer nachzudenken, an Schlaf war nicht zu denken. Die Barke glitt, von den Rudern getrieben, rasch über den Wasserspiegel dahin, und ohne daß ein Wort gesprochen wurde, erreichten wir die Küste von Actium.

Es war zwei Uhr, ich konnte nicht schlafen, trotz der Müdigkeit meines Körpers, die Aufregung meines Geistes war zu groß. Ich weckte meine Albanesen und fragte sie, ob sie zur Weiterreise bereit wären; sie machten sich sogleich reisefertig und wir brachen auf. Um sieben Uhr Morgens rasteten wir am Ufer des Achelous; dann setzten wir an der Stelle, wo Herkules der Sage nach den Stier bändigte, über den Fluß. Wir waren in Anatolien.

Um vier Uhr mußten wir wieder Halt machen; meine Leute waren todtmüde. Nach zweistündiger Rast brachen wir indeß wieder auf, und gegen zehn Uhr Abends sahen wir Wraschuri, das alte Thermas, vor uns; aber es war zu spät, die Thore waren geschlossen, wir mußten draußen übernachten.

Es war kein Unglück, denn die Nacht war schön und heiter. Aber wir hatten keine Lebensmittel bei uns, und nach einer solchen Tagereise war ein kräftiges Abendessen nothwendig. Zwei von meinen Albanesen liefen daher zu einigen an Felsenabhängen erbauten kleinen Häusern, und nach einigen Minuten kam der eine mit einem brennenden Fichtenzweige, der andere mit einer Ziege zurück. Fünf bis sechs Bergbewohner brachten ein Schaf, nebst Brot und Wein. Die Anstalten zum Abendessen wurden sogleich getroffen ; während Einige das Schaf und die Ziege schlachteten, zündeten Andere ein großes Feuer an, noch Andere schnitten junge Lorberstämme ab , um Bratspieße daraus zu machen; nach einer Viertelstunde steckten die beiden Thiere an den Spießen; diese wurden auf Gabeln gelegt und über der Kohlenglut gedreht. Da die Griechen uns bei diesen Zurüstungen geholfen hatten, so lud ich sie ein, an dem homerischen Mahl, welches sie uns geliefert, theilzunehmen; sie nahmen es an, ohne sich lange bitten zu lassen, und ich ließ unter sie und meine Leute einige Schläuche Wein vertheilen.

Die Herzstärkung that ihre Wirkung, und sowohl zum Dank als zum Zeitvertreib begannen die Griechen einen Tanz, an welchem meine Albanesen, trotz ihrer Ermüdung, sofort theilnahmen. Die Tänzer machten, einen großen Kreis bildend, die Runde um das Feuer; sie fielen von Zeit zu Zeit auf die Knie, sprangen wieder aus und singen ihren Rundtanz wieder an. Dabei sangen sie das berühmte patriotische Kriegslied von Nigas. Der Koryphäe oder Vorsänger begann, die Uebrigen fielen ein.

Der Koryphäe. »Erhebt euch, Kinder Griechenlands! Der Tag des Ruhms ist endlich da. Zeiget euch eures Namens würdig, gedenket eurer Ahnen!«

Der Chor. »Kinder Griechenlands, greift zu den Waffen! Das Blut unserer Feinde fließe in Strömen!«

Der Koryphäe. »Das Land erhebe sich, und bald werden wir unsere Ketten brechen. Manen der Weisen, sitzet mit uns zu Rathe; Geister der gefallenen Krieger, führet uns in den Kampf. Griechen von Thermopylä und Marathon, erwachet bei dem Schmettern unserer Trompeten, steiget aus euren Gräbern, tretet ein in unsere Reihen und ziehet mit uns nach Stambul, der andern Siebenhügelstadt. Erst wenn wir die Freiheit erkämpft haben, möget ihr wieder eure Ruhestätte aufsuchen!«

Der Chor. »Kinder Griechenlands, greifet zu den Waffen! Das Blut unserer Feinde fließe in Strömen!«

Der Koryphär. »O Sparta! Sparta! warum schlummerst Du so tief? Erwache, und deine Kinder mögen sich verbünden mit den Athenern, deinen alten Bundesgenossen. Wir wollen ihn anrufen den gefeierten Heerführer, der Dich vom Untergange rettete; anrufen wollen wir Leonidas und seine dreihundert Märtyrer; und wenn wir den Sieg nicht erringen können, so wollen wir wenigstens, wie sie, in den Strömen des von uns vergossenen Blutes sterben.

So fand ich an den Ufern des Archipels wie in dem alten Antolien, bei dem Sterbenden, der bereit ist vor Gott zu erscheinen, wie bei dem lebenskräftigen Manne, denselben Geist der Unabhängigkeit, dieselben Freiheitshoffnungen. Der Gesang und Tanz dauerte, bis das Schaf und die Ziege gebraten waren; dann lagerten wir uns zum Mahle, welches der Hunger würzte, und als wir gesättigt waren, kam der Schlaf.

Am andern Morgen zogen wir weiter. Der Weg führte am Fuße des Parnaß hin. Meine Albanesen zeigten mir die Stelle, wo Lord Byron die Adler aufgejagt hatte, welche er als eine so gute Vorbedeutung für seinen Dichterruhm betrachtete. Ich nahm mir nicht einmal Zeit, die berühmte Quelle Kastalia zu besuchen. – Abends kamen wir nach Kastri.

Hier schied ich von meinen Albanesen; denn weiterhin erstreckte sich die Gewalt Ali’s nicht, und überdies bot die noch bevorstehende kurze Reise keine Gefahr.

Ehe ich Abschied von ihnen nahm, bot ich ihnen ein reiches Geldgeschenk an; aber sie wiesen es zurück und der Anführer der Escorte sagte im Namen seiner Cameraden:

»Wir wollen nur eure Liebe, und nicht euer Geld.«

Ich umarmte ihn und drückte den Anderen die Hand. – In Kastri nahm ich eine Escorte von sechs Reitern und einen Dragoman.

Die Reise ging außerordentlich schnell; aber je näher ich meinem Ziele kam, desto banger und trauriger wurde es mir ums Herz.

Den dritten Abend nach unserer Abreise von Kastri erreichten wir Levsina, das alte Eleusis. Es war unser letztes Nachtquartier bis zum ägeischen Meere.

Sobald der Tag graute, brachen wir auf. Gegen Mittag kamen wir nach Athen, wo wir zwei Stunden rasteten. Ich dachte nur an Fatinitza und verließ nicht einmal mein Zimmer. Je näher ich ihr kam, desto lebhafter wurde die Erinnerung an meine Liebe ; ich konnte keinen andern Gedanken fassen, fand nichts interessant und merkwürdig. Ich bin auch wahrscheinlich der einzige Reisende, der durch Athen geritten ist, ohne es zu besuchen.

Gegen fünf Uhr Nachmittags erreichten wir eine Gebirgskette, welche sich von Marathon in südlicher Richtung durch Artika zieht und sich, in wellenförmigen Hügeln auslaufend, bis an das Cap Sunium erstreckt. Ehe wir in die Schlucht ritten, welche sich vor uns aufthat, hielten meine Leute an, beriethen sich mit einander und erklärten, es sei ein starkes Gewitter zu erwarten und der Weg durch das Gebirge sehr gefährlich; es bleibe uns nichts übrig, als in einem nahen Dorfe einzukehren und das Gewitter abzuwarten. Diesen Vorschlag wies ich entschieden zurück, meine Ungeduld war zu groß, ich hatte keine Ruhe. Als meine Bitten und Vorstellungen fruchtlos blieben, zog ich meine Börse, zahlte den bedungenen Preis und bot meinen Begleitern das Doppelte, wenn sie ohne anzuhalten weiter reiten wollten. Ich hatte es nicht mehr mit stolzen Albanesen zu thun; meine Leute nahmen das Anerbieten an und wir ritten in die düstere Schlucht, welche unter den sich aufthürmenden Wolken noch düsterer erschien. Doch in der Nähe meines Ziels würde mich ein Feuermeer nicht aufgehalten haben. Ich wußte ja, daß jenseits der Schlucht das Meer und kaum fünf Seemeilen entfernt die Insel Ceos war, von wo ich die Küste von Artika so soft in den goldenen Strahlen der untergehenden Sonne betrachtet hatte.

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