Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 24
VIII
Meine Mutter war sehr erstaunt über diese Antwort; sie verlangte sogleich die Erklärung.
Der Augenblick war günstig und ich benutzte die Abwesenheit meines Vaters, die bis dahin absichtlich verzögerte Erklärung zu geben. Ich erzählte meine Abenteuer von dem Tage, an welchem ich an Bord der »Bella Levantina« gegangen war, bis zu dem Moment, wo ich in Smyrna den Brief, der mich zur Rückkehr einlud, erhalten hatte.
Dies war für meine Mutter eine neue Reihe von Gemüthsbewegungen. Während der ganzen Erzählung hielt ich ihre Hand gefaßt, und als ich den Kanin und die Gefahr des Ertrinkens erzählte, fühlte ich ihre Hand zittern, dann kam der Tod des armen Apostoli, und Thränen entströmten ihren Augen. Apostoli war ihr nicht fremd, er hatte mir ja das Leben gerettet.
Endlich erzählte ich meine Ankunft auf Ceos, meine Neugierde, meine Liebe zu Fatinitza. Ich schilderte sie meiner Mutter so wie sie war, als einen Engel der Liebe und Herzensreinheit. Ich sagte ihr, wie sie meinem Worte vertraut, wie sie sich ganz auf mich verlassen, als ich verlangt hatte, sie solle mich nach England reisen und den Segen meiner Eltern holen lassen. Ich stellte ihr vor, was die arme verlassene Fatinitza seit mehr als fünf Monaten leiden müsse, da sie keine Nachricht von mir erhalten habe und nur durch das feste Vertrauen meiner Liebe getröstet werde. Endlich kniete ich vor ihr nieder, küßte ihre Hände und beschwor sie, mich nicht zum Ungehorsam zu zwingen.
Meine Mutter war so gut und liebte mich so sehr, daß sie nicht den Maßstab der strengen englischen Sitte an mein Liebesabenteuer legte, ich sah wohl, daß ich meine Sache halb gewonnen hatte. Für dir Frauen liegt immer ein großer Reiz in dein Worte Liebe, der sie duldsam und nachsichtig macht.
Aber mein Vater! Er liebte mich zwar von ganzem Herzen, aber es war nicht zu erwarten, daß er leicht einwilligen werde. Er legte großen Werth auf seinen Adel; er hoffte eine Schwiegertochter aus einem angesehenen Hause zu bekommen, und obgleich Constantin Sophianos, wie alle Mainoten, von Leonidas abstammte, so war doch zu fürchten, daß der alte Seemann das Gewerbe Constantin’s nicht im Einklange mit dem ererbten Namen finden würde. Meine Mutter sah wohl ein, daß sich Niemand aus Ceos nach dem Thun und Treiben des Sprößlings der Spartaner erkundigen würde, wenn Fatinitza unsere liebliche Einsamkeit zu Williamhouse verschönerte, oder zu London die schönste in seinem Kreise junger Damen wäre. Ueberdies sagte ich ihr, daß mein Glück von dieser Verbindung abhänge, und hält wohl eine Mutter etwas für unmöglich, was das Glück ihres Sohnes begründen kann? Sie versprach Alles, was ich wollte, und übernahm die wichtige Unterhandlung mit meinem Vater.
In diesem Augenblicke kam mein Vater mit James, um mich abzuholen, denn Capitän Stanbow hatte das Festessen am Bord des »Trident« veranstaltet und sein Recht als mein vormaliger Capitän so nachdrücklich geltend gemacht, daß sich mein Vater fügen mußte; es war ihm auch gewiß nicht unangenehm, in der Cajüte eines Kriegsschiffes mit Offizieren zu speisen.
Mein Vater hatte für Tom die Erlaubniß erbeten, an dem Festessen der Matrosen theilzunehmen. Tom ging also mit uns an Bord und ich machte ihn sogleich mit Bob bekannt. Die Beiden alten Meerwölfe brauchten sich nur anzusehen, um sich zu verstehen, und nach einer Stunde waren sie so gute Freunde, als ob sie zwanzig Jahre auf einem Schiffe gedient hätten. Dieser Tag war einer der glücklichsten meines Lebens. Ich war wieder mitten unter den guten aufrichtigen Freunden, die ich so unverhofft wieder sah, Der Capitän Stanbow war so vergnügt, daß er große Mühe hatte seine Würde zu bewahren. James, der solche Anstandsrücksichten nicht zu beobachten hatte, war wie toll. Nach Tische erzählte er mir, er habe wohl gemerkt, weshalb ich vor meinem Duell mit Burke ans Land gegangen sei, und Bob habe ihm nach seiner Rückkehr erzählt, was ich ihm zum Abschied gesagt. Sobald Capitän Stanbow wieder an Bord gekommen, habe er um Erlaubniß gebeten, mit Bob ans Land zu gehen und in der Nacht zu einer beliebigen Stunde zurückzukommen. Der Capitän habe einige Schwierigkeiten gemacht; aber James habe ihm auf Ehre versichert, daß er den Urlaub aus wichtigen Gründen erbitte, und so ist ihm derselbe bewilligt worden.
James war nun an derselben Stelle, wo ich von Bob Abschied genommen, ans Land gestiegen und hatte sich sogleich auf den Friedhof von Galata begeben. Er hatte Burkes Leichnam gefunden und in dem Degen, der in der Brust des Todten steckte, den meinigen erkannt. Er hatte sodann Burke’s Degen von der Erde aufgenommen und sorgfältig betrachtet, um zu sehen, ob ich verwundet sei. Er hatte kein Blut an der Klinge gefunden. Da er übrigens noch nicht wußte, daß Burke auf ein anderes Schiff versetzt worden war, so vermuthete er wohl, daß ich die Flucht genommen, um nicht dein Strafgesetz zu verfallen. James blieb auf dein Friedhofe, während sich Bob nach einem Trausportmittel umsah. Er brachte einen Griechen und einen Esel; man legte den Todten ans den Esel und sie begaben sich nach Tophana, wo eine Barke bereit lag.
Niemand zweifelte, daß Burke von meiner Hand gefallen war. Jacob, der den andern Morgen meine Briefe überbrachte, erzählte überdies den ganzen Hergang der Sache und meldete zur Freude der ganzen Schiffsmannschaft, daß ich bereits in Sicherheit sei.
Capitän Stanbow hatte nun seinen Bericht so günstig wie möglich gemacht; aber die Thatsache selbst ließ sich nicht beschönigen: ich hatte meinen Vorgesetzten erstochen und mein Leben verwirkt. Der würdige Capitän war daher sehr traurig gewesen, bis er die Depeschen erhielt, welche ihn nach England zurückriefen; denn mit diesen Depeschen ging die Nachricht ein, daß Burke zum ersten Lieutenant am Bord des «Neptun« ernannt worden war. Meine Angelegenheit hatte nun die dem Leser bekannte Wendung genommen und Niemand hatte mehr an meiner Freisprechung gezweifelt.
Wir kamen ziemlich spät wieder in den Gasthof, wo uns meine Mutter erwartete. Ich bat sie nochmals um ihre Fürsprache und ließ sie mit meinem Vater allein.
Ich hatte eine unruhige Nacht: mein Geschick wurde in diesem Augenblicke entschieden und ein Protest verhandelt, an welchem mein Herz betheiligt war. Ich zählte allerdings auf die Güte meiner Eltern; aber mein Anliegen war so unerwartet und seltsam, daß ich auf eine Weigerung gefaßt sein mußte.
Morgens ging ich zu meinem Vater.
Er saß in einem Lehnstuhl, pfiff sein altes Lied und schlug mit dem Stock auf seinem Stelzfuß den Tact – ein Zeichen großer innerer Aufregung.
»Ah, bist Du es?« sagte er mit einem Tone, der mir bewies, daß er Alles wußte.
»Ja, lieber Vater,« antwortete ich schüchtern, denn das Herz pochte mir stärker als in irgend einer bestandenen Gefahr.
»Komm hierher,« sagte er in demselben Tone.
Ich trat näher; zugleich erschien meine Mutter und ich athmete freier.
»Du willst also heiraten, in deinem Alter?«
»Ja, Vater,« antwortete ich lächelnd. »Die Extreme berühren sich: Du hast Dich spät vermält, und der Himmel hat deine Verbindung so gesegnet, daß ich mich jung vermälen will, um mit zwanzig Jahren ein Glück zu genießen, das Du erst als Vierziger kennen gelernt.«
»Ich war frei,« erwiederte er; »ich hatte keine Eltern, welche durch meine Verheiratung hätten verletzt werden können. Ueberdies war meine Erwählte deine Mutter.«
»Und ich habe, Gott sei Danks gute Eltern, die ich ehre und die mich lieben; sie werden mich durch Verweigerung ihrer Einwilligung nicht für das ganze Leben unglücklich machen. Ich möchte meine Geliebte gern bei der Hand nehmen und Ihnen vorstellen; denn sie würde Ihr Herz gewinnen und Sie würden sagen: mein Sohn, sei glücklich.«
»Und wenn wir unsere Einwilligung verweigern?«
»Dann werde ich sagen, daß ich nicht nur mein Herz, sondern auch mein Wort verpfändet habe, und von Dir, Vater, habe ich gelernt, daß ein Ehrenmann der Sclave seines Wortes ist.«
»Und dann?«
»Hört mich an, theuerste Eltern,« sagte ich, Beider Hände fassend; »Gott weiß, daß ich ein gehorsamer Sohn bin, und Ihr selbst werdet an meiner Liebe und Ehrerbietung nicht zweifeln. Ich habe Fatinitza mir dem Versprechen verlassen, daß sie mich binnen drei Monaten wiedersehen werde, und ich begab mich nach Smyrna, um daselbst die Einwilligung zu erwarten, um die ich jetzt mündlich bitte. Ich war im Begriff zu schreiben, als ich den letzten Brief erhielt. Meine Mutter befahl mir augenblicklich abzureisen , um ihrer Angst ein Ende zu machen. Ich schwankte keinen Augenblick.
Ich verließ Smyrna, ohne Fatinitza wiederzusehen , ohne ihr Lebewohl zu sagen, ohne ihr zu schreiben, denn ich wußte nicht, wem ich einen Brief hätte anvertrauen sollen; ich war überzeugt, daß sie meinem Worte vertrauen und unbesorgt sein werde. – Ich reiste ab, und bin nun zu Ihren Füßen. Hat der Sohn bis jetzt nicht Alles gethan? Hat sich der Liebende nicht geopfert? Sei gütig, Vater, wie ich gehorsam war, und stelle mein Herz nicht zwischen meine Liebe und meine kindliche Ehrfurcht.«
Mein Vater stand auf, räusperte sich, pfiff sein Liedchen und sah sich im Zimmer um, als ob er die Bilder betrachtete; dann stand er plötzlich still, sah mich scharf an und sagte:
»Und Du behauptest, daß deine Geliebte mit deiner Mutter zu vergleichen sei?«
»Mit meiner Mutter ist Keine zu vergleichen ,« antwortete ich lächelnd; »aber nach meiner Mutter kommt sie der Vollkommenheit am nächsten.«
»Und sie würde Heimat, Eltern und Verwandte verlassen?«
»Ja, um meinetwillen würde sie Alles verlassen; sie würde ja bei meinen theuern Eltern Alles wieder finden, was sie dort zurückgelassen.«
Mein Vater ging wieder dreimal pfeifend im Zimmer auf und ab; dann stand er still und sagte:
»Nun, wir wollen sehen.«
Ich eilte auf ihn zu.
»Nein, Vater, es leidet keinen Aufschub. Ich zähle die Minuten wie ein Verurtheilter, der seine Begnadigung erwartet. Nicht wahr, Du willigst ein?«
»Ei! habe ich Dir denn jemals etwas verweigert?« sagte der Capitän polternd.
Ich sank jubelnd m seine Arme.
»Halt! Du erdrückst mich ja,« sagte er abwehrend. »Laß mir doch wenigstens Zeit, meine Enkel zu sehen?«
Ich verließ meinen Vater, um zu meiner Mutter zu eilen.
»Dank, tausend Dank, liebe Mutter!« rief ich. »Denn Dir verdanke ich die Einwilligung meines Vaters. Du hast das Herz meiner Fatinitza mit dem deinen errathen; Dir werde ich mein künftiges, wie mein vergangenes Lebensglück verdanken.«
»Nun, wenn Du mir so viel Dank schuldig zu sein glaubst,« sagte meine Mutter, »so thue auch etwas für mich.«
»Befiehl, Mutter, und ich werde mich glücklich schätzen, deinen Willen zu vollziehen.«
»Ich habe Dich kaum gesehen ; bleibe noch einen Monat bei uns.«
Dieser Wunsch war natürlich; aber als sie ihn aussprach, war ich wie vorn Donner gerührt.
»Wirst Du mir’s verweigern?« setzte sie mit fast fiebender Stimme hinzu.
»Nein, Mutter,« erwiederte ich ; »aber Gott gebe, daß das bange Gefühl, welches sich meiner bemächtigt, keine Ahnung sei!«
Ich blieb also, meinem Versprechen gemäß, noch einen Monat.
IX
Im Laufe dieses Monats segelte unglücklicher Weise kein Schiff nach dem griechischen Inselmeere ab ; das einzige nach der Levante bestimmte Staatsschiff war die Fregatte »Isis«, welche den Obersten Sir Hudson Lowe nach Butrento bringen sollte. Sie Hudson hatte einen diplomatischen Auftrag an Ali Pascha in Janina. Ich erbat und erhielt die Erlaubniß, die Reise an Bord der Fregatte mitzumachen. Ich gelangte zwar nicht unmittelbar an den Ort meiner Bestimmung; aber in Albanien konnte ich mittelst des von Lord Byron erhaltenen Empfehlungsschreibens von Ali Pascha eine Escorte erhalten, durch Livadia nach Athen reisen und von da in einer Barke nach Zea hinüberfahren. Wir beschlossen bis zur Abfahrt der »Isis« in Portsmonth zu bleiben. Siebenundzwanzig Tage nach dem meiner Mutter gegebenen Versprechen und beinahe acht Monate nach meiner Abreise von Ceos ging ich unter Segel. Trotz dieser Verzögerung war nicht zu bezweifeln, daß Fatinitza so wenig an mir gezweifelt hatte, wie ich an ihr, und ich kam ja, um sie nicht mehr zu verlassen.
Auch dieses Mal schien das Wetter mit meiner Ungeduld im Einklange zu sein. Zehn Tage nach unserer Abfahrt erreichten wir Gibraltar, wo wir nur frisches Wasser einnahmen und unsere Depeschen abgaben. Bald fuhren wir an den Balearischen Inseln vorüber, dann zwischen Malta und Sicilien hindurch, und nach wenigen Tagen erblickten wir die Küste von Albanien, »das Felsenland, die Wiege kühner, erbarmungsloser Männer, wo das Kreuz verschwunden ist, wo sich die Minarets erheben, wo die bleiche Mondesichel durch Cypressenwälder blickt.« Wir landeten zu Butrento, und während meine Reisegefährten ihre Vorkehrungen trafen, um vor Ali Pascha mit Anstand zu erscheinen, nahm ich einen Führer und begab mich nach Janina.
Ich hatte vor mir, wie sie der Dichter geschildert, die Waldgebirge Albaniens, die düsteren Felsen von Suli und den halb in Nebel gehüllten Gipfel des Pindos. Seiten fanden sich die Spuren von Menschen, und man hätte nicht geglaubt, daß man sich der Hauptstadt eines so bedeutenden Paschaliks nähere; nur von Zeit zu Zeit bemerkte man einige einsame Hütten am Rande eines Abgrundes oder einen auf einen: hohen Felsen sitzenden Hirten, der sorglos seine magere Heerde betrachtete. Endlich überschritten wir die Hügelkette, hinter welcher Janina versteckt ist; wir bemerkten den See, an dessen Ufer einst Dodona stand, und die zwischen hoben Ufern fließende Arta, den alten Acheron.
Am Ufer dieses den Todten geweihten Flusses hatte der merkwürdige Mann, den ich besuchen wollte, seinen Wohnsitz genommen. Ali, Solln des Wely Bey und der Tochter eines Bey von Konitza, war damals zweiundsiebzig Jahre alt. Seine ersten Jahre hatte er im Gefängniß und im Elende verlebt; denn nach dem Tode seines Vaters hatten ihn die um Tepelin, seinen Geburtsort, wohnenden Völkerstämme in einen Hinterhalt gelockt, seine Mutter in empörender Weise mißhandelt und mit ihrem Sohne und ihrer Tochter nach Kardiki ins Gefängniß geschleppt. Sie wurden erst frei, als ein Grieche von Argyrokastron, Namens Malikoro, das auf zweiundzwanzigtausendachthundert Piaster bestimmte Lösegeld für sie erlegte. Er ahnte nicht, daß er eine Tigerin und ihre Jungen loskaufte.
Die Mutter Ali’s trug Jahre lang tiefen Groll im Herzen und sann beständig aus Gelegenheit, ihre Rache zu befriedigen. Als sie sich dem Tode nahe fühlte, schickte sie Eilboten an ihren Sohn, um ihm ihren letzten Willen mitzutheilen; aber der Tod war schneller als die reitenden Boten, und die Sterbende ertheilte ihrer Tochter Chainitza ihre letzten Befehle; diese schwur kniend, den Willen ihrer Mutter zu vollziehen. Eine Stunde nachher kam Ali und fand seine Schwester noch vor der Todten auf den Knien. Er stürzte auf das Bett zu, in der Meinung, seine Mutter sei noch am Leben ; aber als er sah, daß er sich irrte und daß sie todt war, fragte er, ob sie ihm nichts zu thun übrig gelassen.
»Ja wohl,« antwortete Chainitza, »sie hat uns eine Aufgabe nach unserem Herzen hinterlassen, Bruder: sie hat uns befohlen, alle Einwohner von Kormoro und Kardiki, deren Sclaven wir gewesen, zu vertilgen, und ihr Fluch soll uns treffen, wenn wir unsere Rache vergessen.«
»Schlummere ruhig, Mutter,« sagte Ali, die Hand über den Leichnam haltend, »dein Wunsch soll erfüllt werden.«
Der eine Wunsch ward sogleich erfüllt: Kormoro wurde in der Nacht überfallen, und wer sich nicht flüchten konnte, wurde ohne Erbarmen gemordet, Männer und Weiber, Greise und Kinder. – Dann verflossen wieder dreißig Jahre und Ali wurde immer reicher und mächtiger. Er schien in dieser langen Reihe von Jahren seinen Schwur vergessen zu haben, und Gomorrha, das in Trümmern lag, erwartete die Zerstörung von Sodom. Oft erinnerte Chainitza ihren Bruder an sein Versprechen, und jedes Mal antwortete Ali mit zornigem Blick: »Der Augenblick ist noch nicht gekommen; Alles zu seiner Zeit.« Er hatte inzwischen andere Eroberungsgelüste zu befriedigen.
Mitten in dieser scheinbaren Vergessenheit des mütterlichen Befehls erwachte Janina plötzlich durch das Geschrei eines Weibes. Aden Bey, der letzte Sohn der Chainitza, war gestorben, und die Mutter lief wie eine Wahnsinnige mit zerrissenen Kleidern und aufgelöstem Haar durch die Straßen der Stadt und verlangte die Auslieferung der Aerzte, die ihren Sohn nicht gerettet hatten. Sogleich wurden die Kaufläden geschlossen und Jedermann legte Trauerkleider an.
Mitten in dieser Verwirrung will sich Chainitza ins Wasser stürzen; man hält sie zurück und führt sie in den Palast zurück. Sie zerschlägt nun ihre Diamanten, verbrennt ihre kostbaren Stoffe, schwört den Namen des Propheten ein Jahr lang nicht anzurufen, verbietet ihren Dienerinnen während des Rhamasan zu fasten, läßt die Detwische prügeln und aus ihrem Palast jagen, läßt ihre seidenen Polster und Divans entfernen und legt sich auf eine Strohmatte. Plötzlich springt sie auf; gedenkt des Fluches ihrer Mutter, deren Befehl nicht vollständig vollzogen worden ist; Aden Bey, sagte sie, sei gestorben, weil Kardiki noch nicht zerstört worden.
Sie verläßt nun ihren Palast, eilt durch Ali’s Gemächer und findet ihren Bruder in seinem Harem, wo er eben die den Kardikioten bewilligte Capitulation unterzeichnet. Die kühnen Streiter, in ihren Adlerhorsten belagert und zur Capitulation gezwungen, haben selbst in dieser äußersten Noth ihre Bedingungen gestellt. Zweiundsiebzig Beos, sämmtlich Mohammedaner und Großvasallen der Krone, sollten sich frei nach Janina begeben und daselbst mit allen ihrem Range gebührenden Ehren empfangen werden ; ihre Gitter sollten nicht angetastet, ihre Verwandten in keiner Weise belästigt, die Einwohner von Kardiki ohne Ausnahme als die treuesten Freunde des Wesirs betrachtet werden; kurz, alle Feindschaft sollte aufhören und die Stadt fortan unter Alis besonderem Schutze stehen. Ali Pascha hatte diese Bedingungen eben auf den Koran beschworen und sein Siegel unter den Vertrag gedrückt, als Chainitza hereinstürzte und schrie:
»Fluch über Dich, Ali! Du hast den Tod meines Sohnes verschuldet, denn Du hast den Schwur nicht gehalten, den Du unserer Mutter gethan; ich nenne Dich von nun an nicht mehr Wesir, ich erkenne Dich nicht als Bruder an, bis Kardiki zerstört ist. Die Weiber und Mädchen sollst Du mir überlassen, damit ich nach Gutdünken über sie verfüge; denn ich will fortan nur auf Polstern ruhen, die mit ihren Haaren gefüllt sind! Doch Du hast Alles vergessen, Du bist zaghaft, wie ein Weib; ich hingegen erinnere mich, ich habe Muth!«
Ali ließ sie ruhig ausreden; dann zeigte er ihr die eben unterzeichnete Capitulation. Chainitza jauchzte vor Freude, denn sie wußte, wie ihr Bruder die mit seinen Feinden abgeschlossenen Verträge zu halten pflegte.
Acht Tage nachher ließ Ali bekannt machen, daß er sich selbst nach Kardiki begeben werde, um zur Wiederherstellung der Ordnung und zum Schutze der Einwohner eine Gerichtsbehörde einzusetzen und eine Sicherheitswache aufzustellen. Ich traf am Tage vor seiner Abreise zu Janina ein. Ich schickte ihm sogleich den Brief Byron’s, und noch denselben Abend erhielt ich meine Audienzkarte für den andern Morgen.
Schon bei Tagesanbruch fingen die Truppen an zu defiliren. Die ansehnliche Artillerie, ein Geschenk Englands, bestand ans Gebirgskanonen, Haubitzen und Congreve’schen Raketen. Ali Pascha hatte sie als Handgeld des Vertrags von Parga erhalten. Zur bestimmten Stunde begab ich mich in Ali’s Wohnung, die im Innern ein Palast, von außen eine Festung war. Schon von Weitem hörte ich das Summen des steinernen Bienenkorbes, der beständig von ankommenden oder fortreitenden Eilboten umschwärmt ward. Der große Hof, in den ich zuerst trat, schien ein großer Caravanserai für Reisende aus dem ganzen Orient. Vor Allen bemerklich machten sich die prächtig gekleideten Albanesen, mit der schneeweißen Fustanella, dem rothen goldbetreßten Wams und dem gestickten Gürtel, in welchem ein ganzes Arsenal von Dolchen und Pistolen steckte; dann die Delhis mit ihren hohen spitzen Mützen, die Macedonier mit ihren purpurrothen Schärpen und die rabenschwarzen Nubier. Alle tauchten und spielten und sahen sich kaum um, wenn ein Tatar mit einem neuen Blutbefehl zum Thor hinaussprengte.
Der zweite Hof hatte so zu sagen ein gemüthlicheres Aussehen; Pagen, Eunuchen und Sklaven versahen hier den Dienst, ohne sich um ein Dutzend frisch abgeschlagener, auf Picken steckender Köpfe, noch um eine weit größere Anzahl älterer, welche wie Kanonenkugeln aufgeschichtet waren, im mindesten zu kümmern. Ich ging zwischen diesen blutigen Trophäen hindurch und trat in den Palast.
Zwei Pagen erwarteten mich in der Thür und nahmen meinen beiden Begleitern die Geschenke ab, bestehend in einem Paar Pistolen und einer prächtigen Kugelbüchse. Dann führten sie mich in ein großes , glänzend ausgestattetes Zimmer, wo sie mich allein ließen, vermuthlich um dem Pascha vorläufig die Geschenke zu überreichen.
Gleich darauf erschien der Secretär des Pascha und erkundigte sich nach meinem Befinden.
Meiste Geschenke hatten gewirkt, ich war willkommen. Er sagte mir, der französische Gesandte sei bei seinem Herrn; da aber der Pascha bald abreisen wolle, so würde er mich zugleich mit dem Gesandten empfangen. Ich folgte ihm mit Vergnügen, denn ich hatte eben so viel Eile wie der Pascha.
Der Secretär ging voran und führte mich durch eine Reihe mit unerhörtem Luxus ausgestatteter Gemächer. Die Divans waren mit den schönsten persischen und indischen Stoffen überzogen; prächtige Waffen hingen an den Wänden und auf hölzernen Gestellen sah man schöne chinesische und japanische Vasen neben französischem Porzellan. Endlich wurde am Ende eines mit Kashmir ausgeschlagenen Ganges ein Vorhang von Goldbrocat aufgehoben und ich sah Ali Pascha in nachdenklicher Haltung, auf eine damascirte Streitaxt gestützt, in einem Sopha sitzen. Er trug einen scharlachrothen Mantel und dunkelrothe Sammtstiefel; seine Finger waren mit Brillantringen bedeckt. Er war in Nachdenken versunken, während der Dolmetsch seine Anrede an Herrn de Pouqueville übersetzte, als ob er das Gesagte schon vergessen hätte. Ich verstand Alles, was der Dragoman in französischer Sprache sagte.
»Mein lieber Consul,« sagte er zu dem Gesandten, »der Augenblick ist gekommen, wo Du deine gegen mich gehegten Vorurtheile aufgeben mußt. Vormals war ich grausam und rachsüchtig gegen meine Feinde, weil ich weiß, daß das Wasser tief ist und der Neid nicht schlummert; jetzt ist meine Laufbahn vollendet und ich werde am Ende meiner langen Bemühungen zeigen, daß ich zwar streng und furchtbar gewesen bin, aber auch menschlich sein kann. Die Vergangenheit ist leider nicht mehr in meiner Gewalt; ich möchte jetzt, daß der Haß in meinem Herzen weniger Platz eingenommen hätte. Ich habe so viel Blut vergessen, daß ich mich nicht umsehen mag.«
Der Consul verneigte sich und antwortete, daß es ihn freuen werde, Se. Hoheit zu milderen Gefühlen zurückkehren zu sehen. In diesem Augenblicke hörte man einen heftigen Donnerschlag. Ali ließ seine Streitaxt fallen und faßte einen an seinem Gürtel hängenden Rosenkranz; dann sprach er ziemlich lange und ohne die Augen aufzuschlagen, so daß ich anfangs nicht wußte, ob er betete oder eine Anrede an den Gesandten hielt. Doch der Dragoman übersetzte sogleich; es war also kein Gebet, sondern eine Anrede.
»Jawohl,« sagte er, »Du hast Recht, Consul; ich habe nach dem Glücke gestrebt, und es hat mich mit seinen Gaben überschüttet; ich habe mir ein Serai, einen Hof, Glanz und Macht gewünscht, und Alles ist mir zu Theil geworden. Wenn ich das ärmliche Vaterhaus mit meinem Palast zu Janina und mit meinem Hause am See vergleiche, so fühle ich, daß ich auf dem Gipfel des Glückes sein sollte. Ja, meine Größe blendet das Volk, die Albanesen sind zu meinen Füßen und betreiben mich, ganz Griechenland sieht mich an und zittert; aber alles dies ist, wie Du sagst, die Frucht des Verbrechens, und ich bitte Gott, der durch seinen Donner zu den Menschen spricht, um Verzeihung. Ja, ich fühle Reue, Consul; meine Feinde sind in meiner Gewalt, und ich will sie durch Wohlthaten an mich fesseln; ich will Kardiki zur Blume von Albanien machen; ich will meine alten Tage zu Argyrokastron verleben. Ja, Consul, bei meinem Bart schwöre ich, daß es meine Absicht ist.«
»Gott erhöre Euch, Hoheit!« antwortete der Consul; »ich verlasse Euch in dieser Hoffnung.«
»Warte,« sagte Ali in französischer Sprache und hielt Herrn de Pouqueville am Arm zurück; »warte.«
Dann fuhr er in türkischer Sprache und in einschmeichelndem Tone fort. – Als er schwieg, sagte der Dolmetscher:
»Se. Hoheit sagt, daß es ihm wirklich Ernst damit sei und daß er für Parga, welches er so lange vergebens gewünscht, jeden Preis zu zahlen bereit sei. Dann würde er nur den Wunsch und die Sorge haben, die Völker, welche ihm Allah gegeben, glücklich zu machen.«
Der Consul antwortete, er sei gezwungen seine schon oft gegebene Erklärung zu wiederholen; so lange Parga unter französischem Schutz stehe, würden die Pargioten ihren Oberherrn selbst wählen; er habe folglich nur Sorge zu tragen, von ihnen gewählt zu werden.
Pouqueville verneigte sich und verließ den Saal. Ali schaute ihm nach und murmelte einige zornige Worte. Erst jetzt bemerkte er mich. Er wandte sich zu seinem Dragoman und fragte, wer ich sei. Der Dragoman übersetzte diese Frage, und nun trat der Secretär vor, kreuzte die Hände auf der Brust, verneigte sich tief und sagte ihm, ich sei der Engländer, der ein Schreiben von Lord Byron überbracht und ihm die Waffen zum Geschenk gemacht. Das Gesicht Ali’s erheiterte sich, und er gab dem Dragoman und dein Secretär einen Wink sich zu entfernen.
»Sei willkommen, mein Sohn,« sagte er in italienischer Sprache, und dies war eine große Gunst, denn Ali pflegte nur türkisch zu sprechen; »ich liebe deinen Bruder Byron, der Dich zu mir schickt; ich liebe das Land, aus welchem Du kommst. England ist mein treuer Verbündeter; es schickt mir gute Waffen und gutes Pulver, die Franzosen hingegen schicken mir nur Vorwürfe und schlechten Rath.«
Ich verneigte mich.
»Die huldvolle Aufnahme, welche mir deine Hoheit zutheil werden läßt,« antwortete ich in derselben Sprache, »ermuthigt mich um eine Gunst zu bitten.«
»Laß hören,« sagte Ali mit einiger Unruhe, »Ich muß mich in einer wichtigen Angelegenheit nach dem Archipel begeben und den Weg durch ganz Griechenland nehmen; Du bist der König von Griechenland, und nicht der Sultan Mahmud; ich bitte Dich daher um einen Geleitbrief und eine Begleitung.«
Ali’s Gesicht erheiterte sich wieder.
»Mein Sohn soll Alles haben, was er wünscht,« antwortete er; »aber er wird doch nicht so weit hergekommen sein und mir ein so mächtiges Geschenk gebracht haben, um sogleich weiter zu reisen; mein Sohn wird mich nach Kardiki begleiten.«
»Ich habe Dir gesagt, Pascha,« erwiederte ich, »wie dringend meine Angelegenheit ist; wenn Du großmüthiger gegen mich sein willst als ein König, der alle seine Schätze zu meiner Verfügung stellte, so halte mich nicht zurück und gib mir den Geleitbrief und die Escorte.«
»Nein,« sagte Ali; »mein Sohn muß mich nach Kardiki begleiten. In acht Tagen mag er weiter reisen; dann soll er einen Geleitbrief und eine bewaffnete Begleitung haben. Aber mein Sohn soll sehen, wie ich als Greis ein Versprechen halte, das ich einst au dem Todtenbett meiner Mutter gegeben. – Endlich habe ich die Schurken in meiner Gewalt!« rief der Pascha zornig und ergriff seine Streitaxt mit jugendlicher Kraft und Lebendigkeit; »ich will sie vernichten, wie ich es meiner Mutter versprochen.«
»Aber,« erwiederte ich erstaunt, »soeben sprachest Du mit dem französischen Consul von Neue und Milde.«
»Es donnerte,« antwortete Ali.