Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 9
»Ich fürchte eigentlich nicht den Tod, sondern die Vorbereitungen,« sagte David mit ziemlich fester Stimme.
»Die Vorbereitungen, David, werden ganz freundschaftlich getroffen; es ist nicht so, als wenn am Lande ein Dieb von dem Henker und feinen Gehilfen aufgeknüpft wird und eine Menge Gesindel als Zuschauer hat. Hier ist’s anders: Du wirft von Jedermann bedauert, David, und wenn jeder Matrose einen Monat von seinem Leben hergeben müßte, um Dich wieder mobil zu machen, so würde sich gewiß keiner ausschließen.
Die Offiziere würden gern doppelt so viel von ihrem Leben hergeben, und der Capitän am meisten, obschon er nicht lang mehr zu leben hat.«
»Das ist mir ein großer Trost, Bob, sagte David tief aufathmend, als ob ihm ein Stein vom Herzen gefallen wäre; »ich fürchtete verachtet zu werden, weil die Todesart —«
»O nein, David, Du wirst nicht verachtet!«
»Aber glaubst Du, Bob, daß mich vor Aller Augen ein Offizier umarmen würde, wie heute der würdige Capitän gethan hat? Ja, er hat mich umarmt, als ob ich ein Mann von seinem Stande gewesen wäre; wir waren freilich allein —«
»Nun, was das betrifft, David, so kenne ich einen, der es gewiß thun würde, wenn es Dir Freude macht, nemlich Mr. John.«
»Ja, ja, er ist sehr gut gegen mich gewesen, und ich werde es weder in diesem noch in jenem Leben vergessen.«
»Soll ich ihm deinen Wunsch mittheilen?«
»Nein, Bob, es war ein hoffärtiger Gedanke, der mir durch den Kopf fuhr, und die Hoffart ziemt sich nicht für einen Christen, der bald eines solchen Todes sterben soll. Nein, es soll Alles nach Vorschrift geschehen. Aber wer wird meinen armen Leib begraben?«
»Wer? ich, David,« antwortete Bob schnaubend, »und kein Anderer soll Dich anrühren. Du sollst Dich rühmen können, so sauber in deine Hängematte genäht zu werden,-als wenn die beste Nährerin von Piccadilly verschrieben worden wäre. Dann binde ich Dir einen Sandsack an den Fuß, damit Du recht geschwind zu Grunde gehest. Dort unten auf dem Meeresgrunde ruht sich’s gut; Du wirst in keinen Sarg eingezwängt und ich werde Dir einst nachfolgen. Denn ich hoffe mein Leben als braver Seemann am Bord eines Schiffes zu beschließen und nicht wie ein Lump im Spital zu verenden. Sei also ruhig, David, und verlaß Dich auf mich.«
»Ich danke Dir, Bob, antwortete der Verurtheilte. »Jetzt bin ich ruhig – so ruhig, daß ich schlafen möchte.«
»Gute Nacht, David,« sagte Bob; »ich wollte nicht zuerst davon sprechen, aber ich möchte auch ein paar Stunden schlafen.«
Die beiden Freunde trafen ihre Vorkehrungen für die Nachtruhe, und bald darauf hörte ich das laute Schnarchen Bob’s und die leiseren Athemzüge Davids. Ich ging nun in mein Zimmer; aber ich konnte kein Auge schließen. Bei Tagesanbruch war ich auf dem Verdeck.
Als ich auf das Vorderdeck ging, stieß ich mit dem Fuße an einem Gegenstand, der neben dem Hauptmast befestigt war. Ich bückte mich, um zu sehen was es sei, und erkannte eine am Fußboden befestigte Zugrolle.
»Warum ist diese Rolle hier?« fragte ich einen Matrosen.
Dieser zeigte schweigend auf eine andere, an der großen Raae befestigte Rolle. Ich verstand nun Alles: die Vorbereitungen zur Hinrichtung wurden bereits getroffen. Ich schaute am Hauptmast hinauf und sah zwei Matrosen, welche die Justizflagge am Mastkorbe festbanden. Die Flagge war noch um ihren Stock gewickelt; ein daran gebundener Bindfaden hing bis auf das Verdeck herab, um bei der Hinrichtung gezogen zu werden und die Flagge frei wehen zu lassen.
Alle diese Vorbereitungen wurden in tiefster Stille getroffen; nur Nick, der auf dem einen Ende der großen Raae saß, schrie von Zeit zu Zeit in den trüben nebligen Morgen hinein.
Um acht Uhr wurde die Wache abgelöst. Die ausziehenden Matrosen begaben sich mit düsterem Schweigen auf ihren Posten. Um halb neun fand die Inspection wie gewöhnlich statt. Um neun Uhr kam der Capitän aus der großen Cajüte und ging auf das Hinterdeck. Alle sahen ihn verstohlen an und erkannten an seinem ernsten entschlossenen Gesicht, daß das gesprochene Urtheil unabänderlich war.
Um halb zwölf wurde getrommelt. Die Seesoldaten stellten sich am Steuerbord und Backbord auf; das Hinterdeck blieb für die Offiziere, das Vorderdeck für die Matrosen frei. Zehn Minuten vor zwölf fehlte unter den Offizieren nur der Lieutenant Burke, unter den Matrosen nur Bob.
Ein Ende des über die Rolle laufenden Strickes war in einen Knoten geschürzt, das andere Ende ward von sechs kräftigen Matrosen gehalten.
Fünf Minuten vor zwölf erschien David auf der Treppe des Vorderdecks; auf der einen Seite ging Bob, auf der andern der Geistliche. Sein Gesicht war sehr blaß, aber seine Haltung war ruhig und sicher. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Vorbereitungen, und als er sah, daß die hinter ihm gehenden Soldaten ihn nicht vorwärtstrieben, sagte er zu dem Geistlichen:
»Was habe ich noch zu thun?«
»Ihre Seele Gott zu empfehlen.«
»Ja, ja,« sagte Bob leise. »Nur Muth, David!«
David nickte ihm wehmüthig lächelnd zu und ging bis an den Hauptmast. Hier sah er sich um, als ob er den Anwesenden das letzte Lebewohl sagen wollte. Sein Blick blieb aus mir haften.
Ich erinnerte mich nun des Wunsches, den er geäußert hatte. Ich ging auf ihn zu.
»David,« sagte ich, »habt Ihr hinsichtlich eurer Familie noch einen Wunsch?«
»Nein, Mister John; Sie haben gehört was der Capitän gesagt hat, und ich weiß, daß er Wort halten wird.«
»So umarmet mich – und sterbet mit Fassung.«
Er wollte mir zu Füßen fallen. Ich schloß ihn in meine Arme. – In diesem Augenblicke schlugs zwölf.
»Ich danke Ihnen, Mister John,« sagte er. – »Jetzt entfernen Sie sich – die Stunde schlägt.«
Zwei Matrosen traten auf ihn zu: der eine legte ihm den Strick um den Hals, der andere zog ihm die Mütze über die Augen. Eine kurze schauerliche Stille folgte; alle Blicke waren auf den Unglücklichen gerichtet. Dann gab der Profoß das Zeichen und die Matrosen zogen rasch und kräftig an.
Das Gebet, welches David leise sprach, wurde plötzlich abgebrochen. Während er in die Höhe gezogen wurde, trachte ein Kanonenschuß und die Flagge wehte oben am Hauptmast. – David hatte aufgehört zu leben.
Sobald die traurige Ceremonie vorüber war, entfernten sich alle Anwesenden, bis auf die wachhabenden Matrosen und zwei Seesoldaten, welche eine Stunde Schildwache stehen mußten. – Nach einer Stunde ließen sie den Hingerichteten herab. Bob hatte die ganze Zeit am Fuße des Hauptmastes gewartet.
Er nahm den Leichnam seines Freundes, trug ihn hinunter und begann die Vorkehrungen zur Bestattung. Einige Matrosen wollten ihm dabei behilflich sein, aber Bob lehnte es ab.
Um vier Uhr Nachmittags wurde getrommelt. Die ganze Schiffsmannschaft erschien auf dem Verdeck.
Der Leichnam war wie gewöhnlich in eine Hängematte eingenäht worden. Am Fußende hatte Bob einen ungewöhnlich schweren Sandsack befestigt. Der Geistliche segnete die Leiche ein.
Diese an sich schon so traurige Feierlichkeit war in der Abenddämmerung noch ergreifender. Die ganze Mannschaft stand entblößten Hauptes auf dem Verdecke und hörte andächtig dem ganzen Gebete zu.
Sobald die Andacht zu Ende war, und die Versammlung mit »Amen« antwortete, wurde der Todte in’s Meer versenkt.
Dieses Ereigniß versetzte die ganze Schiffsmannschaft in eine traurige Stimmung, und diese Trauer war noch in allen Herzen, als wir zwei Tage nachher in Sicht von Malta kamen.
XII
Kaum war das Schiff in dem Hasen von Malta eingelaufen, so ward es von kleinen, mit Melonen, Orangen, Granaten, Trauben und Feigen beladenen Barken umringt. Diese Früchte wurden mit so mannigfaltigem Geschrei und einem so sonderbaren Kauderwelsch feilgeboten, daß wir die Verkäufer für die Eingebornen einer Südseeinsel hätten halten können, wenn wir nicht eines der Wunderwerke der Civilisation vor Augen gehabt hätten.
Ich schweige von den Festungswerken, welche Malta gegen jeden feindlichen Angriff schützen. Caffarelli sagte zu dem über seinen leichten Sieg erstaunten General Bonaparte: »Wir können uns glücklich schätzen, daß die Besatzung uns die Thore geöffnet hat.« Ein Grundriß der Festung wird dem Leser mehr sagen, als alle Beschreibungen; unbeschreiblich aber ist das Bild, welches der Ausschiffungsplatz von Lavalette darbietet. Unsere überall so geachteten Uniformen vermochten uns kaum einen Weg zu bahnen durch die Krämer, welche auf der Straße Kaffee brannten, durch die Weiber, welche uns mit ihren Obstkörben verfolgten, durch die schreienden Eiswasserverkäufer und die zerlumpten Bettler, deren ausgestreckte Hüte eine nur mit Gewalt zu durchbrechende Schranke bildeten. Uebrigens scheint das Geschäft, trotz der Concurrenz, recht gut zu sein; jeder Bettler vermacht seinem Sohne seinen Platz auf den Stufen der vom Hafen zur Stadt führenden Strada, wie ein Lord seinem Erstgeborenen den Sitz im Oberhause überläßt. Das Gebiet, auf welchem diese erblichen Veränderungen vor sich gehen, scheint von den Bettlern auf ewige Zeiten in Besitz genommen zu sein. Ueberall hört man in den mannigfaltigsten Modulationen den Klageruf: »Nix mangiare!« Ein alter zerlumpter Araber, der weder italienisch noch maltesisch konnte, formulirte seine Ansprache an die Vorübergehenden folgender Maßen:
»Nix padre, nix madre, nix mangiare, nix bevere!«
Er wollte damit sagen: »Ich habe keinen Vater und keine Mutter, nichts zu essen und zu trinken!« Die Matrosen aller Länder, welche in Malta landeten, waren über den kläglichen Ton, mit welchem er sein: »Nix mangiare« hervorgurgelte, so betroffen, daß sie die Stufen, auf denen der Bettler sein Geschäft betrieb, mit diesen beiden seltsam zusammen gestellten Wörtern benannten.
Die Nationaltracht der Malteser besteht in einer mit drei oder vier Reihen glockenförmiger Metallknöpfe besetzten Jacke, in einem rothen Kopftuche und einem Gürtel von gleicher Farbe; sie haben im Allgemeinen scharfe, stark markirte Gesichtszüge und tückisch lauernde schwarze Augen. Die Weiber verbinden mit diesen natürlichen Mängeln eine widerliche Unsauberkeit. Die einzigen hübschen Frauen, welche man hier sieht, sind Sicilianerinnen. Man erkennt auf den ersten Anblick die griechische Abkunft; sie haben schön geforrnte Gesichter, große feurige Augen, deren Blicke vorzugsweise auf den Epauletten der Offiziere und den Achselschnüren der Midshipman zu ruhen scheinen. Sie nehmen das ausschließliche Recht der Liebschaften mit den Seeleuten für sich in Anspruch; die Malteserinnen machen ihnen zuweilen wohl Concurrenz, allein der Sieg bleibt doch fast immer ihren schönen Nachbarinnen.
Wir fanden den Contrast zwischen Stadt und Hafen sehr auffallend; wir wurden aus dem lustigen lärmenden Treiben auf einmal in traurige öde Straßen versetzt. Die Hauptursache dieser gedrückten Stimmung war eine Reihe von Hinrichtungen, welche unlängst stattgefunden hatten. Die ganze Insel verspürte noch die Nachwehen. Ein ganzes Regiment hatte sich empört und war durch Strick, Feuer Und Schwert vernichtet worden. Diese Militärrevolte war von so außerordentlichen Umständen begleitet, daß ich nicht unterlassen kann dieselben ausführlich zu erzählen.
Der Krieg zwischen England und Frankreich zog sich in die Länge und die unter der Bevölkerung Großbritanniens und Irlands ausgehobenen Recruten reichten nicht mehr aus. Es mußten andere Mittel ausfindig gemacht werden, um der englischen Armee die nöthigen Verstärkungen zuzuführen; die Regierung unterhandelte daher mit Speculanten, welche in andern Ländern Rekruten anwarben.
Die Blicke dieser ehrenwerthen Lieferanten wandten sich anfangs auf die Albanesen, »die Schweizer Griechenlands«, welche ihren Muth und ihr Blut an die südeuropäischen Mächte verkaufen, so wie sich die Alpenbewohner an Frankreich, Rom und Neapel verdingen. Ein emigrirter Franzose, der als treuer Anhänger der Bourbons nicht nach Frankreich zurückkehren wollte, machte dem Kriegsminister den Antrag, in Griechenland zu werben. Der Antrag wurde angenommen, und der rastlos thätige Mann, der durch seinen Haß gegen die napoleonische Regierung noch mehr angeeifert wurde, bildete in kurzer Zeit ein aus Albanesen, Slavoniern, Griechen und Smyrnioten bestehendes, starkes Corps, welches, ich weiß nicht warum, den Namen Frohberg erhielt.
Die von Herrn de Méricourt mitgebrachten deutschen Offiziere führten unter diesen zusammengewürfelten Truppen die preußische Mannszucht ein und die Leute, welche bisher in fast unbeschränkter Freiheit gelebt hatten, mußten täglich dreimal exerciren. Anfangs schien es vortrefflich zu gehen, und das Frohberg’sche Freicorps war nach einiger Zeit genügend eingeübt, um Parade zu machen und den Garnisonsdienst zu thun. Es wurde daher nach Malta geschickt und im Fort Ricasoli einquartirt.
Hier sollte das Frohberg’sche Corps an europäische Disciplin gewöhnt werden. Um dieses Resultat schneller zu erzielen, gab man den deutschen Offizieren einige englische Unteroffiziere als Exerciermeister bei. Diese wollten den feurigen Südländern ihr nordisches Phlegma einbläuen; die kleinsten Vergehen wurden mit körperlichen Züchtigungen bestraft; diese Leute, welche durch ein Wort, eine Geberde zum Zorn gereizt und zu blutiger Rache getrieben werden, bekamen Stockprügel und Maulschellen. Anfangs murrten sie leise, als ob sie ihren Gebietern zu verstehen geben wollten, daß sie Zähne und Krallen hätten; sie wurden mit immer größerer Strenge behandelt.
Es wurde nun mit wahrhaft griechischer Vorsicht und Verstellung eine Verschwörung angezettelt, und als man eines Tags einen Soldaten wegen eines kleinen Vergebens aus den Reihen reißen und züchtigen wollte, eilten alle an die Thore, schlossen sie von innen, fielen über die verhaßten Offiziere her und ermordeten sie.
Die Kunde von dem Gemetzel verbreitete sich bald in der Stadt. Es rückten Truppen gegen das Fort an; aber die Empörer waren schon im Vertheidigungsstande: von der Seeseite war das Fort nicht zu nehmen; auf der Landseite mußten zuerst die Außenwerke genommen werden, und dies konnte nur mit sehr großem Verlust geschehen. Der General Woog schloß daher das Fort auf allen Seiten ein.
Die Empörer waren nur für einige Tage mit Lebensmitteln versehen; Sie mußten daher die Portionen vermindern und sich die größten Entbehrungen auflegen. Aber es fehlte an einer einheitlichen Leitung ; es entstanden Streitigkeiten unter diesen Leuten, denen Eintracht so noth that: jedes Volk sonderte sich von den übrigen ab, um ein eigenes Corps zu bilden, die verschiedenen Parteien wurden immer erbitterter gegen einander; jede Mahlzeit gab zu einem Zank Veranlassung, und bald war das Fort Ricasoli, wie Dante’s Hölle, von Geschrei und Wehklagen erfüllt. Es schien fast, als ob die Empörer an einander das Geschäft des Henkers verrichten wollten, und es wäre wahrscheinlich geschehen, wenn nicht ein Theil der Besatzung ein Thor geöffnet und sich den Engländern auf Gnade und Ungnade ergeben hätte. Im Fort waren nur noch hundertfünfzig Mann; diese aber waren entschlossen es zu vertheidigen, so lange noch ein Stein auf den Mauern bleiben würde.
Uebrigens war ihre Lage durch die Flucht ihrer Kameraden verbessert worden; die Lebensmittel konnten nun länger ausreichen ; dadurch gewannen sie Zeit, und da sie die Unthätigkeit ihrer Feinde für Furcht hielten, so hofften sie eine ehrenvolle Capitulation zu erlangen. Ueberdies waren es sämmtlich Griechen, die sich unter einander besser vertrugen, als mit den Albanesen und Slavoniern. Sie schienen also keineswegs gesonnen sich zu ergeben, und täglich sah man sie in ernster drohender Haltung auf den Mauern erscheinen.
In einer Nacht wurden sie indeß durch den Ruf: Zu den Waffen! geweckt. An eine unthätige Blockade gewöhnt, waren sie ruhig eingeschlafen. Aber der Capitän Collins von der englischen Marine hatte von dem General Woog die Erlaubniß erhalten, mit einer Schaar von Freiwilligen auf eigene Faust einen nächtlichen Angriff zu unternehmen. Dieser kühne Handstreich gelang zum Theil, und trotz der verzweifelten Gegenwehr der Belagerten befanden sich die Engländer bei Tagesanbruch im Besitz aller Werke.
Dreißig bis vierzig Rebellen wurden getödtet und die übrigen gefangen, bis auf sieben Soldaten, welche sich in das Pulvermagazin geflüchtet hatten. Für muthige Männer in so verzweifelter Lage war der Ort selbst, wo sie sich versteckt hatten, eine furchtbare Waffe. Der Capitän Collins vertheilte nun seine Soldaten in die umliegenden Werke und ließ alle Zugänge besetzen. Den Unglücklichen blieb daher nichts übrig, als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben oder sich in die Luft zu sprengen.
Inzwischen wurden die Gefangenen vor ein Kriegsgericht gestellt und ohne Ausnahme zum Tode verurtheilt.
Es war seit der englischen Occupation das erste Mal, daß ein solches Urtheil auf der Insel Malta gefällt wurde; die strengsten Strafen waren bis dahin für die Soldaten aus Stockprügel, für die Offiziere auf Arrest beschränkt geblieben. Diese Verurtheilung von mehr als hundert Personen machte daher einen furchtbaren Eindruck. Die Galgen wurden sogleich errichtet und am zweiten Tage nach dem Urtheilspruch führte man die Verurtheilten zum Richtplatz. Die Ungeschicktheit der Henker empörte die Malteser; eine Meuterei war zu fürchten. Die Engländer selbst hatten Mitleid mit den Unglücklichen und gaben Befehl die Hinrichtungen einzustellen.
Um sechs Verurtheilte zu hängen hatte man beinahe zwei Stunden gebraucht. Die Uebrigen wurden ins Gefängniß zurückgeführt und in der Nacht nach La Floriana gebracht.
Man glaubte anfangs, die Todesstrafe solle in Zwangsarbeit verwandelt werden; allein man irrte sich, die Unglücklichen sollten erschossen werden.
La Floriana ist ein offener Platz nahe bei den inneren Festungswerken. Die eine Seite wird von der nicht sehr hohen Mauer eines öffentlichen Gartens begrenzt; gegenüber ist eine Bastei; die dritte Seite ist von Casernen besetzt, die vierte ist offen und stößt an das Glacis.
Wenn die Verurtheilten bis dahin noch einige Hoffnung gehabt hatten, so mußte jede Hoffnung schwinden, als sie diesen Platz betraten. Man hielt es nicht für angemessen, die mindeste Schonung gegen sie zu beobachten. Es würde vielleicht zu lange gedauert haben, neunzig Verurtheilten die Augen zu verbinden. Man stellte sie in der Mitte des Platzes auf; auf das Commando Feuer! schoß das ganze Regiment, und zwei Drittheile der Verurtheilten sanken todt oder verwundet nieder.
Der Anblick ihrer verstümmelten Cameraden gab den unverletzt gebliebenen Delinquenten die Kraft und Gewandtheit von wilden Thieren. Sie benutzten die der ersten Salve folgende Unordnung und liefen wie wahnsinnig in verschiedenen Richtungen fort. Einige eilten den Festungswerken zu, um sich zu verstecken; andere sprangen über die Gartenmauer und liefen querfeldein. Aber man hatte für diesen Fall die nöthigen Vorkehrungen getroffen: einige an den Thoren der Basteien aufgestellte Streifwachen verfolgten die Fliehenden. Es begann eine wahre Treibjagd. Alle wurden auf dem freien Felde niedergeschossen. Die anderen, welche sich in die Festungswerke geflüchtet hatten, waren noch leichter einzuholen; sie wurden mit dem Bajonnet getödtet.
Mitten in diesem Gemetzel erregte ein Vorfall die allgemeine Aufmerksamkeit. Einer der Flüchtlinge entfernte sich von seinen Leidensgefährten und lief auf einen alten Brunnen zu. Er wußte vielleicht nicht was er that, oder er hoffte in dem Brunnen einen sanftern Tod zu finden. Einige Schritte von dem Brunnen stieß er an einen Stein und fiel. Dieser Unfall schien seinen Entschluß zu ändern, denn er stand schnell wieder auf, lief auf das Glacis zu und stürzte sich fünfzig Fuß tief in den mit Schlamm gefüllten Graben. Er blieb stecken und sank immer tiefer ein, bis nur sein Kopf noch sichtbar blieb. Ein Soldat hatte Mitleid mit dem Unglücklichen und schoß ihn todt.
Inzwischen bewachten die im Fort Ricasoli zurückgebliebenen sieben Rebellen das Pulvermagazin; sie hörten das Feuern und sahen wohl ein, daß sie keine Gnade zu erwarten hatten, wenn sie mit den Waffen in der Hand gefangen würden. Sie versuchten daher Unterhandlungen mit dem General Woog anzuknüpfen; aber alle ihre Anträge wurden zurückgewiesen und die Antwort lautete: Ergebt Euch auf Gnade und Ungnade.
Die Unglücklichen sahen also keine Rettung, denn ihre Lebensmittel gingen stark auf die Neige. Sie versuchten täglich neue Unterhandlungen anzuknüpfen und erhielten täglich dieselbe Antwort. Sie versuchten mit ihrem angebornen Scharfsinn neue Ausflüchte: bald verlangten sie einen Waffenstillstand von einigen Stunden, bald versprachen sie sich zu ergeben, wenn man ihnen einige Lebensmittel liefern wolle; aber alle diese Versuche scheiterten an dem Starrsinn des Generals. So verging eine Woche.
Endlich, am siebenten Tage, erschien einer von ihnen, Namens Anastasius Iremachos, den sie zum Anführer gewählt hatten, an der Mauer, um ein neues Anliegen vorzutragen. Er war ein schlauer, unternehmender Grieche, ein moderner Ulysses, aber bei aller Kühnheit vorsichtig genug, um eine unnütze Gefahr zu vermeiden. Er steckte, wie gewöhnlich, sein bleiches, abgemagertes Gesicht durch eine Maueröffnung und verlangte eine Unterredung mit einem Agenten des Gouverneurs. Diese Bitte wurde ihm gewährt und ein Offizier erschien.
Iremachos schilderte ihm mit stehenden Tone die Noth der Belagertem seit gestern hätten sie den furchtbarsten Feind, den Durst, zu bekämpfen. Die Schläuche seien leer und sie bäten um einen Trunk Wasser. Sie wüßten wohl, daß sie den Tod zu erwarten hätten, wenn sie sich ergäben; sie wollten noch einige Tage leben. Wenn man ihnen diese Bitte nicht gewährte, seien sie entschlossen sich denselben Abend mit dem Pulvermagazin in die Luft zu sprengen. Sie verlangten nur einen Trunk Wasser, sonst würden sie schlag neun das Pulvermagazin anzünden.
Der General Woog blieb unerbittlich; er glaubte nicht an die Drohung, oder er wollte, den Militärgesetzen gemäß, nicht mit Meuterern unterhandeln. Der Offizier entfernte sich. Die Soldaten, welche die Entschlossenheit ihrer Gegner kennen gelernt hatten, sahen dem Anbruch der Nacht mit banger Erwartung entgegen, zumal da Iremachos die Drohung noch einige mal wiederholte.
Die Nacht brach um halb acht Uhr an, denn es war im Oktober. Es war eine finstere, sternenlose Nacht; die unheimliche Stille wurde nur von Zeit zu Zeit durch das Geschrei der Belagerten unterbrochen. So verging noch eine Stunde; dann erschienen die sieben Griechen auf der Plattform des Pulvermagazines. Jeder hatte eine brennende , Fackel in der Hand. Iremachos verlangte noch einmal Wasser. Als keine Antwort erfolgte, schwangen die Griechen ihre Fackeln und führten unter lauten Verwünschungen einen Todtentanz auf.
Der Capitän Collins ließ eine Abtheilung Soldaten auf den äußern Wall marschiren und auf die Griechen feuern. Aber keiner der Letztern wurde getroffen. Es war indeß eine Warnung für sie; alle löschten ihre Fackeln aus und verschwanden in der Dunkelheit wie Gespenster.
Man konnte nun über ihr Absicht nicht mehr im Zweifel sein. Der Capitän Collins commandirte sogleich zum Rückzuge. Während sich die Soldaten eilends zurückzogen, schlug’s neun auf der Johanniskirche. In demselben Augenblicke erbebte die Erde , ein furchtbares Getöse folgte, der Hafen wurde einige Sekunden taghell erleuchtet, alle Fenster zersprangen – und nachdem die ganze Insel gezittert hatte, als ob ihre letzte Stunde gekommen wäre, war Alles wieder dunkel und die schauerliche Stille wurde nur durch das Geschrei der durch die Explosion Verwundeten unterbrochen.
Bei Tagesanbruch war die Verwüstung in ihrem ganzen Umfange zu sehen. Das Fort war sammt den Gräben ein Trümmerhaufe, auf welchem verstümmelte Leichen zerstreut lagen. Von den Belagerten war nicht die mindeste Spur mehr vorhanden.
Da die getödteten Soldaten zu den englischen Truppen gehörten und auf der Insel keine Verwandten hatten, so wandte sich das Mitleid den Unglücklichen zu, welche durch barbarische Strenge zu einem so verzweifelten Schritte getrieben worden waren. Man wunderte sich nicht mehr, daß die Klepythen, welche bis dahin frei wie die Adler ihrer Berge gelebt hatten, die demüthigende Disciplin der preußischen Soldaten nicht ertragen mochten, und obgleich die Griechen die Ursache der Verwüstung waren, so fiel der Haß doch auf die Engländer.
Man hatte dieses entsetzliche Ereigniß noch nicht vergessen, denn die Trümmer rauchten noch und die Leichen waren kaum begraben, als sich das Gerücht verbreitete, der Geist eines jener unglücklichen Griechen sei einem zu seinem Casal zurückkehrenden alten Priester erschienen. Der Priester, hieß es, sei auf einem mit Früchten, Fischen und Fleisch beladenen Esel geritten und habe zum Zeitvertreib ein maltesisches Nationallied gesungen. Der Esel machte, trotz seiner schweren Last, einen so ungewohnten Seitensprung, daß der Priester dachte, es müsse hinter seinem Rücken etwas Außerordentliches vorgehen. Er sah sich um und bemerkte eine Gestalt, welche das Gewehr auf ihn anschlug und ihm Halt zurief. Der Priester sprang von seinem Esel und lief neben demselben, so daß ihm der Körper des Thieres als Schutz gegen den drohenden Gewehrlauf diente. So kam er glücklich in sein Dorf.
Diese Geschichte machte unter den abergläubischen Maltesern natürlich großes Aufsehen. Der englische Gouverneur schenkte der Erzählung des Priesters wenig Glauben; er ließ zur Beruhigung der Gemüther Nachforschungen anstellen. Ein Regiment erhielt Befehl, die Insel zu durchsuchen, und in einer Felsenhöhle entdeckte man die sieben Griechen,welche sich in den Pulvermagazine versteckt gehalten hatten. Wie sie der Explosion entkommen waren, konnte man noch weniger begreifen als die Erscheinung eines Gespenstes. Sie wurden sogleich nach ihrer Verhaftung befragt.
Sie hatten keine Ursache etwas zu verschweigen. Iremachos, der die ganze Unternehmung geleitet hatte, gab über diese auffallende Thatsache die verlangte Erklärung. Er hatte einen Fluchtplan entworfen, der von seinen Cameraden gebilligt worden war. Die Griechen hatten mit der ihrem Stamme eigenen Entschlossenheit und Ausdauer sofort Hand aus Werk gelegt. Von jenem Tage an handelten sie mit reifer Ueberlegung, um die Ausführung des Planes möglich zu machen. Nach genauer Besichtigung der Festungswerke dachte Iremachos, man könne das Mauerwerk an der Seeseite ohne große Mühe durchbrechen, und die Arbeit wurde sogleich begonnen.
Sie fanden die Steine noch weicher und folglich die Arbeit noch leichter, als sie gehofft hatten; aber es war zu fürchten, daß sie Verdacht erregen würden, wenn sie sich Morgens nicht zeigten. Iremachos beschloß daher das Pulvermagazin in die Luft zu sprengen. Die Maueröffnung konnte dann als eine Folge der Explosion betrachtet werden. Die Flüchtlinge wollten die Verwirrung benutzen, um in einer Barke, die man gewiß an der Küste finden würde nach Sicilien hinüber zu fahren.
Dieser Plan war, wie wir gesehen, in Ausführung gebracht worden. Die Griechen hatten ihre Noth furchtbare geschildert, als sie wirklich war, und sie hatten ihre Rolle so gut gespielt, daß die Belagerer irregeführt würden. Zu der bestimmten Stunde verließen sie die Plattform und krochen aus der Maueröffnung, nachdem sie von dieser bis zum Magazin Pulver gestreut hatten. Sobald es auf der Johanneskirche neun schlug, zündeten sie das Pulver an und liefert querfeldein. Sie hatten sich in ihren Berechnungen nicht geirrt; die Oeffnung verschwand zugleich mit der Mauer, in welcher sie angebracht war, und Jedermann glaubte, die unglücklichen Griechen hätten unter den Trümmern des Fort Ricasoli ihr Grab gefunden.
Aber hier war ihr Glück zu Ende; sie suchten vergebens eine Barke. Am dritten Tage endlich sahen sie eine ans Ufer gezogene Schaluppe, welche sie rasch flott zu machen suchten. Aber der Patron überraschte sie und rief um Hilfe. Die Flüchtlinge hatten eben nur Zeit mitten unter den Felsen an der Küste einen Versteck zu suchen. Die folgenden Tage verstrichen, ohne ihnen ein Mittel zur Flucht zu bieten. Ente ganze Woche lebten sie nur von Schalthieren, welche sie Nachts an der Küste sammelten und von Wurzeln und Blättern. Aber trotz dieser Entbehrungen verübten sie keine Gewaltthat, bis zu jenem Tage, wo einer von ihnen, durch den Hunger gedrängt, den für ihn und seinen Gefährten so unheilvollen Versuch machte, mit dem alten Priester den vom Markte mitgebrachten Mundvorrath zu theilen.
Die Unglücklichen wußten nur zu gut, was ihnen bevorstand. Aber wie bleich und abgezehrt ihre Gesichter auch in Folge der Leiden und Entbehrungen waren, ihre Augen strahlten noch von Muth und Entschlossenheit. – Sie wurden vor ein Kriegsgericht gestellt und erschlossen.
Die Malteser hatten kurz vor unserer Ankunft den letzten Ueberrest des Frohbergischen Corps umkommen sehen, und der Eindruck war so tief gewesen, daß wir uns über die Grabesstille in der Stadt wunderten. Wir waren übrigens nur ans Land gegangen, um frisches Wasser einzunehmen; sobald dies geschehen war, begaben wir uns wieder an Bord des »Trident«, und da der Wind günstig war, so gingen wir denselben Abend wieder unter Segel.
Wir segelten dir ganze Nacht und den folgenden Tag vor dem Winde, ohne daß der Lieutenant Barke auf dem Verdeck erschien. Abends wurde die Wache abgelöst und wie gewöhnlich in die Sechsunddreißigpfünder-Batterie zur Ruhe geschickt. Als Jeder seit einer Stunde von den ionischen Wogen in seiner Hängematte geschaukelt worden war, pfiff eine Kugel in unserem Takelwerk und schlug durch das kleine Klüversegel; eine zweite Kugel, welche sogleich folgte, hatte unser Focksegel zur Zielscheibe erkoren. Die Schildwache war vermuthlich eingeschlafen, und ein uns begegnendes Schiff hatte uns seine Karte überreicht. In der dunkeln Nacht war nicht sogleich zu ermitteln, ob es ein Linienschiff, eine Fregatte oder ein Kanonenboot war.
Als ich auf das Verdeck eilte, schlug eine dritte Kugel in die Ankerwinde. Der Erste, der mir begegnete, war der Lieutenant Burke, der einige widersprechende Befehle ertheilte; seine Stimme hatte nicht die gewohnte Festigkeit und zum zweiten Male kam mir der Gedanke, daß er nicht wirklich tapfer sei und sich nur mit Mühe beherrsche. In dieser Meinung wurde ich noch bestärkt, als ich auf dem Hinterdeck die feste, entschiedene Stimme des Capitäns hörte.