Kitabı oku: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», sayfa 10
»Achtung!l« rief der alte Seemann, der in Sturm und Kampf immer eine großer Energie zeigte. »Zu den Waffen! Jeder auf seinen Posten! Die Hängematten aufgehängt! – Wo ist der Signalwächter?«
Ein unbeschreiblicher Tumult folgte; aber in weniger als zehn Minuten war Jeder auf seinem Posten.
Unterdessen hatten wir eine Schwenkung gemacht, welche uns außer Sicht des Feindes gebracht hatte.
Aber als wir bereit waren ihm zu antworten, befahl der Capitän gerade auf ihn zuzuhalten. Gleich darauf sahen wir seine weißen Segel in der Dunkelheit auftauchen, ein plötzlich aufblitzender Flammengürtel zog sich um ihn, wir hörten unser Takelwerk krachen und einige Splitter von den Raaen fielen auf das Verdeck.
»Es ist eine Brigg!« rief der Capitän. »Ei! Du vorwitziges Ding sollst für deine Keckheit büßen. – Still! – Holla! Brigg!« rief er durch sein Sprachrohr, »wer seid Ihr? Wir sind der »Trident«, brittisches Linienschiff von 74 Kanonen.«
Eine dröhnende Stimme, welche dem Meergeiste anzugehören schien, antwortete:
»Und wir sind der »Monkey«, Sloop Sr. Majestät.«
»Nicht möglich!« sagte der Capitän.
»Nicht möglich!« wiederholte die Mannschaft.
Allgemeines Gelächter. Denn es war Niemand verwundet worden.
Ohne die kluge Vorsicht des Capitäns würden wir auf die Unserigen geschossen haben, wie sie aus uns geschossen hatten, und wahrscheinlich würden wir uns erst beim Eurem an dem Hurrahruf in der gleichen Sprache erkannt haben. Der Capitän des »Monkey« kam an Bord und entschuldigte sich. Während wir am Theetische saßen, wurden die Hängematten wieder herabgelassen. die Signale eingezogen und die Kanonen wieder zurückgeschoben. Wer nicht ans Wache war, legte sich ruhig schlafen.
Zweiter Teil
I
Kaum hatten wir im Hasen von Smyrna die Anker ausgeworfen und unsere Signale gegeben, so schickte uns der englische Consul ein Schreiben mit dem Ersuchen, einen vornehmen Engländer mit nach Constantinopel zu nehmen. Dieser Reisende habe ein Empfehlung-schreiben der Admiralität vorgewiesen, welches ihn ermächtige mit seinem Gefolge an Bord jedes in der Levante stationirten englischen Kriegsschiffs zu gehen. Der Capitän ließ antworten, daß er bereit sei den Lord zu empfangen, aber dieser müsse sich beeilen, denn er habe nur wissen wollen, ob ein ihn betreffender Regierungsbefehl da sei, und werde Abends wieder unter Segel gehen.
Gegen vier Uhr Nachmittags kam der vornehme Passagier mit zwei Freunden und einem albanesischen Diener an Bord. Auf einer Seereise ist der unbeutendste Vorfall ein Gegenstand der Neugierde und Zerstreuung: daher war auch die ganze Mannschaft auf dem Verdeck, um unsere Gäste zu empfangen.
Der zuerst heraufsteigende Passagier war ein schöner junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, von stolzer Haltung, mit schwarzem lockigen haare und ungemein zarten Händen. Er trug eine mir nicht bekannte gestickte Uniform mit Epauletten, enge lederne Beinkleider und Stiefel darüber. Während er die Leiter heraufstieg, gab er seinem Diener in neugriechischer Sprache, die er sehr geläufig sprach, einige Befehle. Sobald ich ihn bemerkte, konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden; ich erinnerte mich dieses schöne Gesicht schon irgendwo gesehen zu haben, und der Ton seiner Stimme bestärkte mich in dieser Ueberzeugung. Als der Passagier das Verdeck betrat, begrüßte er die Offiziere und wünschte sich Glück, nach einem Jahre der Abwesenheit wieder unter Landsleuten zu sein. Der Lieutenant Burke erwiderte diese höfliche Anrede mit seiner gewohnten Kälte und führte, dem erhaltenen Befehl gemäß, die Passagiere in die Cajüte des Capitäns.
Gleich darauf ging der Capitän mit ihnen auf das Hinterdeck, wo sämmtliche Offiziere versammelt waren. Er nahm den vornehmen jungen Mann bei der Hand und trat auf uns zu.
»Meine Herren,« sagte er, »ich habe die Ehre Ihnen Lord George Byron und seine beiden Freunde, die ehrenwerthen Herren Hobhouse und Ekenhead, vorzustellen. Ich habe nicht nöthig, Ihnen alle seinem Talent und seinem Stande gebührende Achtung zu empfehlend.«
Wir verneigten uns.
Ich hatte mich nicht geirrt: der hochgeborne Dichter war der Jüngling, der unmittelbar nach meiner Ankunft zu Harrow-on-the-Hill die Lehranstalt verlassen hatte und über den ich seitdem gar sonderbare, aber fast immer verschiedene Urtheile gehört hatte.
Lord Byron war damals übrigens mehr durch seine Sonderbarleiten als durch sein Talent bekannt; man erzählte von ihm die seltsamsten Streiche, die eben sowohl ein Narr als ein Genie begangen haben konnte. Er rühmte sich nur zwei Freunde, Mathew und Long, gehabt zu haben, und Beide waren ertrunken. Dies hatte ihn jedoch nicht abgehalten ein leidenschaftlicher Schwimmer zu werden. Uebrigens war er auch im Reiten und Fechten sehr geübt. Seine Gelage im Schlosse Newstead hatten in ganz England großes Aufsehen gemacht. Er lebte daselbst mit einem Bäern und die Gesellschaft, welche er empfing, bestand aus Jokeys, Borern und Poeten, welche in Mönchsgewändern die Nächte hindurch zu zechen und aus dem Schädel eines alten Abbé Champagner zu trinken pflegten.
Er hatte erst die »Hours of Idleness« veröffentlicht, eine Sammlung von Gedichten, welche schon durch Anmuth der Form sich auszeichneten, aber sein wunderbares poetisches Talent noch nicht ahnen ließen. Diese Gedichte waren in der »Edinburgh Review« sehr scharf beurtheilt worden, und diese Kritik hatte den Dichter so sehr entmuthigt, daß einer seiner Freunde, der ihn beim Lesen derselben fand, glaubte, er sei krank oder es sei ihm ein großes Unglück begegnet.
Aber die Reaktion trat gleich darauf ein; der durch die Kritik verletzte Dichter beschloß sich durch die Satyre zu rächen. Seine berüchtigte Epistel an die schottischen Kritiker erschien unter dem Titel: English Bards and Scotch Reviewers«, und der Poet fühlte sich erleichtert. Aber er war des Lebens in England überdrüssig geworden; er besuchte Portugal, Spanien, Malta, wo er mit einem Generalstabsoffizier Händel bekam, aber sich mit diesem auf dem Kampfplatz aussöhnte. Von Malta schiffte er sich nach Albanien ein. Er hatte nun dem alten Europa und den christlichen Sprachen Lebewohl gesagt. Er begab sich nach Tebelin, um den gefürchteten Ali Pascha zu begrüßen. Dieser wußte, daß ihn ein vornehmer Engländer besuchen werde, und stellte einen Palast und seine schönsten Pferde zur Verfügung des Fremden. Vielleicht erkannte der scharfblickende Pascha in ihm das große Genie; genug, es entspann sich zwischen ihm und Lord Byron ein sehr freundschaftliches Verhältnis.
Er blieb einen Monat in Tebelin; dann begab er sich nach Athen. Hier wohnte er bei der Witwe des Viceconsuls, Mistreß Theodora Makri, deren ältester Tochter er zum Abschiede das bekannte, mit den Worten: »Maid of Athens,« beginnende Gedicht widmete.
Endlich war er nach Smyrna gereist und hatte daselbst im Hause des Generalconsuls die beiden ersten Gesänge von »Childe Harold« vollendet.
Bald nach seiner Ankunft am Bord erinnerte ich ihn an unser Zusammentreffen im College zu Harrow. Er verweilte gern bei den Erinnerungen aus der frühern Jugendzeit und sprach lange mit mir von den Lehrern, von Wingfield, den er gekannt hatte, und von Robert Peel, der sein Freund war. Dies war übrigens in den ersten Tagen unserer Bekanntschaft der einzige Gegenstand unsers Gespräche. Nachher erzählte ich ihm das Schicksal des armen David und die Empörung des Frohberg’schen Corps. Er hatte von dem Aufruhr gehört, aber die näheren Umstände waren ihm nicht bekannt. Endlich wurden wir vertrauter, und da ich von mir nicht viel zu sagen hatte, so drehte sich das Gespräch fast immer um ihn.
So viel ich in diesen traulichen Mittheilungen urtheilen konnte, war der Charakter Byron’s ein Gemisch von widerstreitenden, oft ganz entgegengesetzten Gefühlen. Er war stolz auf seine Geburt, auf seine echt aristokratische Schönheit, auf seine Geschicklichkeit im Reiten, Fechten und Schwimmen; er sprach fast immer von seinen kühnen Spielen, selten von seinem Genie. Obgleich er sehr mager war, hatte er eine fast lächerliche Furcht vor dem Fettwerden; vielleicht war dies eine Nachahmung Napoleons, für den er damals schwärmte und dessen Unterschrift er durch die Anfangsbuchstaben seines Taufe und Familiennamens N. B. (Noel Byron) nachbildete.
Er hatte durch das häufige Lesen von Young’s Schriften eine düstere Weltansicht bekommen, welche in der Anwendung auf das prosaische Leben der modernen Gesellschaft zuweilen ihre lächerliche Seite hatte. Er fühlte das selbst, und sprach zuweilen achselzuckend von seinen berüchtigten Orgien in Newstead Abbey, wo er und seine Freunde versucht hatten, die Genossen Heinrichs V. und die Räuber Schiller’s in Scene zu setzen. Da dieses Wunderbare, welches ihm die Civilisation verweigerte, seinem Herzen Bedürfniß war, so suchte er es in diesem Lande der alten Erinnerungen, mitten unter den Nomadenvölkern, am Fuße der altberühmten Berge Athos, Pindos und Olymp. Dort schien ihm wohl zu sein, die Luft behagte ihm und er hatte eben genug Abenteuer und Gefahren zu bestehen, um Neugierde und Muth beständig wach zu erhalten. Er lebte seit seiner Abreise aus England, wie er sich ausdrückte, wie unser Schiff, mit ausgespannten Segeln.
Nächst mir hatte er den Adler, welchen ich mit von Gibraltar gebracht hatte, am meisten liebgewonnen. Nick, fast immer auf dem Bord der am Hauptmast befestigten Schaluppe saß, lebte seit der Ankunft Byron’s herrlich und in Freuden; der edle Lord fütterte ihn täglich mit Tauben und Hühnern, die der Koch zuvor schlachten mußte, ohne daß es Lord Byron sah, denn er konnte das Abschlachten eines Thieres nicht sehen. Er erzählte mir, er habe einst bei der Quelle von Delphi zwölf Adler ausstiegen sehen, und diese sehr seltene Erscheinung, die sich ihm auf dem Parnaß dargeboten, habe in ihm die Hoffnung geweckt, daß die Nachwelt einst seinen Namen feiern werde.
Am Meerbusen von Lepauto, unweit Vostizza hatte er auch einen jungen Adler angeschossen, aber dieser war trotz der sorgsamsten Pflege einige Tage nachher gestorben.
Nick schien seinem Geflügellieferanten sehr dankbar zu sein, und sobald er ihn bemerkte, schrie er vor Freude und schwenkte seine Flügel. Lord Byron berührte ihn ohne die mindeste Besorgniß und Nick that ihm nie etwas zu Leide. So, meinte der Poet, müsse man die wilden oder reißenden Thiere behandeln; er habe dieses Benehmen bewährt gefunden bei Ali Pascha, bei seinem Bären und bei seinem Hunde Boatswain, der an der Wuth gestorben sei, ohne daß er aufgehört habe ihn zu liebkosen und ihm mit der bloßen Hand den giftigen Geifer abzuwischen.
Lord Byron schien mir hinsichtlich des Charakters große Aehnlichkeit mit Jean Jacques Rousseau zu haben. Ich sagte es ihm eines Tags; an dem Eifer, mit welchem er; diese vermeinte Aehnlichkeit zurückwies, war leicht zu erkennen, daß ihm der Vergleich nicht angenehm war. Uebrigens sagte er, sei ich nicht der Erste, der ihm dieses Compliment gemacht, und er betonte dieses Wort. In der Erwartung, daß eine genauere Erörterung dieses Streitpunctes einen neuen Charakterzug zum Vorschein bringen werde, beharrte ich bei meiner Meinung.
»Ich bemerke, mein junger Freund,« sagte er, »daß Sie von einer Krankheit befallen sind, welche ich allen meinen Umgebungen mitzutheilen pflege. Kaum hat man mich gesehen, so stellt man Vergleiche an, und dies ist für mich sehr demüthigend, denn die erste Wahrscheinlichkeit, welche sich daraus ergibt, ist Mangel an Originalität. Kein Mensch hat sich wohl mehr als ich mit Anderen vergleichen lassen müssen: mit Young, Aretin und Timon von Athen, mit Popkins, Chénier und Mirabeau, mit Diogenes, Pope, Dryden, Burns, Savage, Chatterton, Churchill, Kean, Alsieri, Brummel; man hat mich sogar mit einer immer erleuchteten Alabastervase, mit einer Phantasmagorie, mit einem Gewitter verglichen. – Mit Rousseau habe ich vielleicht am allerwenigsten Aehnlichkeit. Er schrieb in Prosa, ich schreibe in Versen; er war ein Mann aus dem Volke, ich gehöre der Aristokratie an; er war Philosoph, ich verabscheue die Philosophie; er war vierzig Jahre alt, als er sein erstes Werk herausgab, ich schrieb das meinige mit achtzehn Jahren; sein erstes Werk erwarb ihm den Beifall von ganz Paris, das meinige ward von ganz England scharf getadelt; er bildete sich ein, daß die ganze Welt gegen ihn conspirire, und aus der Behandlung, welche mir zu Theil wird, könnte man schließen, daß ich gegen die Menschheit conspirire; er war ein wissenschaftlicher Botaniker, ich liebe die Blumen, weil sie mir Freude machen; sein Gedächtniß war schlecht, das meinige ist ausgezeichnet; er schrieb mit großer Mühe, ich durchstreiche selten ein Wort, das ich geschrieben; er konnte weder reiten, noch fechten, noch schwimmen; ich gehöre zu den besten Schwimmern, bin ein ziemlich guter Fechter, zumal mit dem Claymore, und daß ich boxen kann, habe ich dadurch bewiesen, daß ich einst Purling zu Boden geworfen und ihm die Kniescheibe ausgesetzt habe; endlich reite ich recht gut, obgleich mit einiger Aengstlichkeit, seitdem ich mir beim Barrièresprung eine Rippe gebrochen- Sie sehen also, daß ich mit Rousseau gar keine Aehnlichkeit habe.
»Ew. Herrlichkeit sprechen nur von äußerlichen Gegensätzen,« erwiederte ich, »Sie schweigen von der Aehnlichkeit des Gemüths und des Talents.«
»Ich bin begierig, Mr. John, diese Aehnlichkeit kennen zu lernen.«
»Darf ich ganz offen reden?«
»Sagen Sie ohne Bedenken Ihre Meinung.«
»Die Zurückhaltung Rousseau’s, sein schwacher Glaube an die Freundschaft, sein Mißtrauen gegen die Menschen, die Nichtachtung der Kritik und die Neigung, das Publikum in Masse zum Vertrauten zu nehmen – alle diese Eigenthümlichkeiten hatten gewiß einigen Einfluß auf die Entwickelung Ihres Genius. Endlich hatte Rousseau seine »Bekenntnisse« geschrieben und damit gleichsam seine Statue öffentlich zur Schau gestellt. Sie haben mir zwei Gesänge von »Childe Harold« vorgelesen, und diese kommen mir vor wie eine Büste des Verfassers der »Hours of Idleness« und der Satyre auf die englischen und schottischen Poeten.«
Lord Byron sann einige Augenblicke nach; dann erwiederte er lächelnd.
»Sie kommen unter allen meinen Kritikern vielleicht der Wahrheit am nächsten, und in diesem Falle ist sie recht schmeichelhaft. Rousseau war ein großer Mann, und ich danke Ihnen, Mr. John. Sie sollten für eine Review schreiben, ich könnte dann hoffen einmal nach Verdienst gewürdigt zu werden.«
Diese für mich höchst interessante Unterredung fand in den herrlichsten Umgebungen statt, während wir zwischen den unzähligen Inseln hindurchsegelten, welche wie Blumenkörbe in das Meer, dem die Liebesgöttin entstiegen, geschüttet, zu sein schienen. Troß des widrigen Windes hatten wir nach einigen Tagen das duftende Scio und Mitylene, das alte Lesbos, hinter uns. Endlich, acht Tage nach unserer Abfahrt von Smyrna, sahen wir Tenedos, den vorgeschobenen Posten von Troas, und vor uns that sich die Meerenge auf, welche ihren Namen von Dardanos erhalten hat. Wir bewunderten die herrliche Landschaft, die sich vor unseren Augen ausbreitete, als wir durch einen Kanonenschuß vom Fort unsern Betrachtungen entrissen wurden. Eine türkische Fregatte rief uns an und zwei Boote mit einigen Soldaten und einem Offizier kamen auf unser Schiff zu, um zu ermitteln, ob wir nicht ein unter englischer Flagge segelndes russisches Kriegsschiff wären. Wir rechtfertigten uns, wurden aber trotzdem aufgefordert, einen Ferman der hohen Pforte abzuwarten, ehe wir uns dem heiligen Stambul näherten.
Wir mußten uns diese unangenehme Formalität gefallen lassen. Lord Byron war über diesen Aufenthalt sehr erfreut, ich nicht minder. Er bat um Erlaubniß ans Land zu gehen; ich wünschte das Commando der Chaluppe, die ihn ans Ufer bringen sollte; die Einwilligung des Capitäns war leicht erlangt und so beschlossen wir am folgenden Tage die Gefilde zu besuchen »wo einst Troja stand.«
Kaum hatte Lord Byron die Schaluppe bestiegen, so bat er mich in seiner Ungeduld, so viel Wind wie möglich mit dem Segel zu fassen; ich gab ihm zu bedenken, daß wir uns der Gefahr aussetzten umzuschlagen, denn die Strömung der Meerenge war hier noch ziemlich stark und nahe an der Küste wurde die Gefahr durch die Brandung noch vergrößert. Er fragte mich, ob ich nicht schwimmen könne. Da ich in dieser Frage einen Zweifel an meinem Muthe sah, so forderte ich den edlen Lord auf seinen Rock auszuziehen um sich nöthigenfalls freier bewegen zu können, und richtete das Segel vollständig nach dem Winde. Gegen meine Erwartung und Dank der Geschicklichkeit des Steuermannes landeten wir glücklich am Vorgebirge Sigeuin, jetzt Cap Jenischer genannt.
In wenigen Augenblicken waren wir Alle auf dem Hügel, ans welchem, der Sage nach, Achilles begraben liegt und um welchen Alexander auf seinem Kriegszuge dreimal nackt und mit Blumen bekränzt die Runde machte. Einige Klafter von diesem angeblichen Grabe liegen die Trümmer einer Stadt, die uns ein griechischer Mönch als die Ueberreste von Troja bezeichnete; aber zum Unglück für ihn bemerkten wir von der Anhöhe das von dem Berge Ida und dem Kilkalasiegebirge eingeschlossene Thal, in welchem Troja gestanden haben muß. Der in diesem Thale fließende Bach ist der berühmte Skamander, von Homer Xanthus genannt; oberhalb des Dorfes Enai vereinigt er sich mit dem Simois und wird von da ein ganz stattlicher Fluß.
Wir nahmen den Weg in dieses Thal. Lord Byron setzte sich auf einen Felsblock, Ekenhead und Hobhouse schossen Becassinen, als ob sie in den Sümpfen von Cornwall gewesen wären, und ich sprang zu meiner Unterhaltung über den Xanthus.
Nach einer Stunde war Lord Byron über die Stelle, wo einst die Stadt des Priamus gestanden, noch mehr in Zweifel als bei unserer Ankunft. Hobhouse und Ekenhead hatten ein paar Dutzend Becassinen und drei Hasen geschossen; und ich war dreimal ins Wasser oder vielmehr in classischen Schlamm gefallen.
Lord Byron beschloß den Skamander bis zu der Stelle zu verfolgen, wo er sich ins Meer ergießt; ich schickte daher einen Boten nach der Schaluppe mit dem Befehl, uns am Cap Jeni-scher zu erwarten. Wir setzten dann unsere Wanderung fort. In Bornabaschi frühstückten wir, und eine Stunde nachher waren wir an der Küste der Meerenge, an derselben Stelle, wo sie zwischen dem neuen asiatischen Castell und der aus europäischer Seite vorspringenden Landspitze am schmalsten ist. Lord Byron hatte Lust, das kühne Wagstück Leander’s zu wiederholen und über die hier etwa eine Meile breite Meerenge zu schwimmen.
Wir versuchten ihm diese Thorheit auszureden; aber alle unsere Gegenvorstellungen bestärkten ihn in seinem Entschlusse, welchen er wahrscheinlich ausgegeben haben würde, wenn wir ihm nicht widersprochen hätten; denn die Willenskraft hatte bei ihm etwas von kindischem oder weiblichem Eigensinn. Diese Beharrlichkeit bildete übrigens einen Theil seines Genies. Man sprach ihm das Talent des Versemachens ab, er faßte den Vorsatz, die Kritik zu Schanden zu machen, und wurde ein großer Dichters er war mit einem verkrüppelten Fuße geboren, er kämpfte mit eiserner Willenskraft gegen dieses Gebrechen und galt für einen der schönsten Männer seiner Zeit.
Wir gaben ihm zu bedenken, daß es sehr warm sei, daß er eben gefrühstückt habe und daß die Strömung stark sei; es fehlte wenig, so hätte er sich mit Schweiß bedeckt und ohne eine Minute zu warten ins Wasser gestürzt.
Es wäre vergebens gewesen ihm diesen abenteuerlichen Gedanken ausreden zu wollen. Aus mein dringendes Bitten entschloß er sich jedoch, die Ankunft der Schaluppe abzuwarten; ich sah in dieser Verzögerung einen doppelten Vortheil: er hatte Zeit sich abzukühlen und zu verdauen, und überdies konnte ihm die Schaluppe in geringer Entfernung folgen und so die größte Gefahr beseitigen. Ich stieg auf den höchsten Punkt der Küste und gab den in der Schaluppe befindlichen Matrosen durch wohlbekannte Signale den Befehl schnell heranzurudern. Als ich wieder auf den Sammelplatz kam, war Lord Byron ganz entkleidet; zehn Minuten nachher war er im Wasser. Ich folgte ihm in der Entfernung von zehn Schritten.
Ein gute halbe Stunde ging es vortrefflich, er legte, ohne weit abwärts getrieben zu werden, zwei Drittheil seines nassen Weges zurück. Dann aber bemerkte ich an der Art wie er die Brust fast ganz aus dein Wasser hob, daß er müde zu werden begann. Ich sagte es ihm und wollte auf ihn zu rudern; aber er winkte zurück. Ich gehorchte, um ihm den Willen zu thun, ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen. Bald wurde sein Athem sehr laut und ohne etwas zu sagen, näherte ich mich. Nach und nach fingen seine Glieder an zu erstarren und er schwamm nur noch stoßweise; endlich schlug ihm das Wasser zweimal über dem Kopfe zusammen, und zum dritten Male rief er um Hilfe. Wir hielten ihm ein Ruder hin – er ergriff es und wir zogen ihn in die Schaluppe.
Er zeigte nun das Kindische und Eigensinnige seines Charakters, er war verdrießlich, als ob ihm ein Unglück geschehen wäre, oder vielmehr beschämt, wie nach einer Niederlage. Seine Oberlippe zog sich mit einem höhnischen Ausdrucke in die Höhe, und er sprach kein Wort, während wir ihn an Bord zurückbrachten.
Uebrigens gab er sich nicht überwunden; er fand die Ursache des Mißlingens mit Recht in der Schnelligkeit der Strömung und meinte an einer breiteren aber ruhigern Stelle der Meerenge leichter von einer Küste zur andern schwimmen zu können. Es wurde daher beschlossen, den folgenden Tag nach Abydos zu gehen; Lord Byron wollte dann sein Wagstück an derselben Stelle wiederholen, wo Leander das seinige so oft vollbracht hatte. – Nachdem diese Verabredung getroffen war, begaben wir uns wieder an Bord des »Trident«.
Als am andern Morgen der Tag graute, waren wir am Lande. In dem kleinen Dorfe Renn-Keni nahmen wir Pferde und so ritten wir, die Mühlen, Hütten und Springbrunnen am Ufer links lassend, an der asiatischen Küste hinauf. Wir bildeten eine Cavalcade, welche würdig gewesen wäre, an einem Carnevalsaufzuge auf den Pariser Boulevards oder auf dem Corso einer italienischen Hauptstadt theilzunehmen. Es war heiß, obgleich der europäische Winter bereits begonnen hatte; ein heißer Stand erhob sich unter den Hufen unserer Pferde und weckte unsere Sehnsucht nach einem grünen schattigen Cypressenwalde, den wir vor uns erblickten. Als wir dem Walde auf etwa zweihundert Schritte nahe gekommen waren, sprengte eine Abtheilung türkischer Reiter aus demselben hervor, versperrte uns den Weg und rief uns an.
Wir verstanden die gurgelnden Kehllaute nicht und konnten sie natürlich nicht beantworten. Wir sahen einander unschlüssig an, Lord Byron machte Miene, den Eintritt in den Wald zu erzwingen; er setzte sein Pferd in Galopp. Die türkischen Reiter zogen ihre Säbel, und Lord Byron hätte es wahrscheinlich auf ein Scharmützel ankommen lassen, wenn unser Führer seinem Pferde nicht in den Zügel gefallen wäre.
Der Führe lief nun auf die Türken zu und erklärte ihnen, daß wir englische Reisende wären und die Landschaft Troas in der friedlichsten Absicht besuchten. Die Reiter hatten uns für Russen gehalten und die Pforte führte damals Krieg mit Rußland. Wie wir von Moskau an die Meerenge der Dardanellen gekommen sein könnten, hatten sie nicht erwogen, denn einer ruhigen Ueberlegung ist der Türke nicht fähig.
Diese zum Kampf sich rüstende türkische Reiterschaar bot übrigens einen höchst malerischen Anblick- Wie Raubthiere schienen die Moslem Blut zu wittern; statt ruhig und ernst zu bleiben, wie die Menschenmauern, aus denen unsere westeuropäischen Heere bestehen, ließen sie ihre Pferde tanzen und schienen sich anzueifern, wie der Löwe, der brüllt und mit dem Schweif seine Seiten schlägt. Uebrigens nahm sich diese Truppe mit ihren betreßten Zacken, ihren Turbanen, ihren feurigen arabischen Pferden weit pittoresker aus als die schönsten französischen oder englischen Regimenter, die wir je gesehen.
Während dieser kurzen Unterhandlung, deren Ergebniß noch nicht vorauszusehen war, warf ich einen Blick auf Lord Byron. Seine Wangen waren sehr blaß, aber seine Augen funkelten und seine halbgeöffneten Lippen zeigten seine blendendweißen Zähne. Man sah wohl, daß der scandinavische Wolf gern mit dem orientalischen Tiger gerauft hätte. Zum Glück kam es nicht dazu. Unser Führer brachte den türkischen Offizier zur Vernunft, die Säbel wurden wieder in die Scheiden, die Pistolen in die Gürtel gesteckt und die caraeolirenden Pferde wurden ruhig. Man winkte uns herbei, und nun befanden wir uns ganz freundschaftlich mitten unter den Türken, welche wir fünf Minuten zuvor als Feinde betrachtet hatten.
Lord Byron hatte Recht gehabt, daß er indem Cypressenwalde ausruhen wollte. Es war kühl und schattig darin. Wir setzten uns an einen klaren, namenlosen Bach, der sich stolz wie die Donau oder Rhone ins Meer ergießt, und nahmen unsern Mundvorrath aus dein Korbe. Wir hatten Champagner, Bordeaux und eine kolossale Wildpretpastete mitgebracht. Ich habe nie an einem schönem Platze und in angenehmerer Gesellschaft gefrühstückt. Lord Byron war in der heitersten Stimmung; er erzählte uns seinen ganzen Aufenthalt zu Tebelin und sein seltsam freundschaftliches Verhältniß zu Ali-Pascha. Er bot mir Empfehlungsbriefe an, die ich annahm, ohne zu vermuthen, daß sie mir einst von Nutzen sein könnten. Es war mir mehr um ein Autograph des Dichters als um eine Empfehlung an den alten Pascha zu thun.
Nach beendeter Mahlzeit zogen wir weiter und nach zwei Stunden kamen wir in ein elendes Dorf, welches nur von Zeit zu Zeit wegen des historischen und mythologischen Interesses dieser Gegend von neugierigen Reisenden und Alterthumsforschern besucht wird. Zu unserm großen Erstaunen fanden wir hier einen englischen Consul. Dieser war ein italienischer Jude, der mit einer Griechin verheiratet war. Sein zerlumptes Aussehen war gewiß nicht Folge von Dürftigkeit, denn die englische Regierung läßt ihre Agenten wohl in sehr seltenen Fällen Mangel leiden; es mußte wohl schmutziger Geiz und Nachlässigkeit die Ursache sein, denn die Lumpen des Mannes waren mit dem ekelhaftesten Ungeziefer bedeckt.
Wir entzogen uns so schnell wie möglich den Complimenten, mit denen uns der Vertreter unserer Nation überhäufte und begaben uns an die Küste, von wo aus der zweite Schwimmversuch gemacht werden sollte. Dieses Mal unternahm Mr. Ekenhead das Wagstück gemeinschaftlich mit Lord Byron.
Ich hatte große Lust mich den beiden Schwimmern anzuschließen; die Sache schien mir nicht sehr schwer, denn die Entfernung von Abydos nach Sestos kann nicht viel über anderthalb englische Meilen betragen; aber ich mußte in der Schaluppe über das Leben meiner beiden Landsleute wachen, und die Verantwortung war zu groß, als daß ich mir eine leichtsinnige Handlung hätte erlauben dürfen.
Beide waren vortreffliche Schwimmen Ekenhead schien dem Lord Byron auf den ersten Anblick überlegen zu sein; seine Bewegungen waren regelmäßiger, kräftiger. Lord Byron konnte wegen seines Klumpfußes das Wasser nicht ganz gleichmäßig treten, und kam auf langen Strecken etwas von der geraden Richtung ab. Dies war in einer Strömung natürlich noch mehr der Fall als in ruhigem Wasser. Wie Tags zuvor folgte ich ihm auf drei Ruderlängen mit der Schaluppe; aber dieses Mal erreichte er in einer Stunde und achtzehn Minuten glücklich die andere Küste. Die Strömung war oberhalb der Dardanellen nicht so stark wie unterhalb; aber trotzdem erreichte er das Land etwa drei englische Meilen unterhalb der Stelle, auf welche er es abgesehen hatte. Ekenhead landete acht Minuten früher als er. Wir konnten auf der europäischen Seite nicht landen, ohne die türkischen Gesetze zu übertreten, und blieben daher einen Flintenschuß weit von der Küste.
Lord Byron, der sich von seiner gestrigen Anstrengung noch nicht erholt hatte, war so erschöpft, daß er fast besinnungslos auf den Sand niederfiel. Ein armer Fischer, der seine Netze ausbesserte und von Zeit zu Zeit einen Blick auf die beiden Schwimmer geworfen hatte, kam auf ihn zu und erbot sich ihn in seine Hütte zu führen. Byron verstand den Mann und antwortete ihm, daß er das Anerbieten annehme. Ekenhead wollte bei ihm bleiben, aber Byron fand es romantischer allein zu bleiben. Ich band seine Kleider zusammen, befestigte das Päckchen auf meinem Kopfe und schwamm ans Land. Dann schwamm ich mit dem ebenfalls ganz erschöpften Ekenhead zu der Schaluppe zurück. Als wir uns wieder ankleideten, rief uns Lord Byron zu, wir möchten nicht besorgt sein, wenn er den andern Tag nicht wieder am Bord erschiene.
Der Tinte hatte keine Ahnung von dem hohen Range seines Geistes, aber er behandelte ihn mit aller von der Gastfreundschaft gebotenen Rücksicht. In fünf Tagen hatte sich Lord Byron vollkommen erholt und benutzte eine nach Tenedos zurückkehrende Barke, um sich wieder an Bord des »Trident« zu begeben. Sein Wirth gab ihm beim Abschiede ein großes Brot, einen Käse und einen mit Wein gefüllten Schlauch; er zwang ihn einige Goldstücke im Werthe von je zwanzig Centimen anzunehmen und wünschte ihm glückliche Reise. Byron nahm dieses Geschenk an und dankte dem armen Türken, aber sobald er an Bord kam, schickte er seinen getreuen Stefano, den von Ali-Pascha erhaltenen Diener, an den Fischer ab, um diesem ein Sortiment Netze, eine Jagdflinte, ein Paar Pistolen, sechs Pfund Pulver und zwölf Ellen Seidenstoff für seine Frau zu überbringen. Alles dies wurde dem Fischer noch denselben Tag übergeben, und der brave Mann war ganz erstaunt; über dieses prächtige Geschenk für eine so armselige Bewirthung. Er entschloß sich ebenfalls über die Meerenge zu fahren, um seinem Gast für die schönen Sachen zu danken. Als er mitten im Canal war, warf ein jäher Windstoß seinen Kahn um, und der Unglückliche, der nicht so gut schwimmen konnte wie Lord Byron und Ekenhead, ertrank in der Nähe unseres Schiffes.
Wir erfuhren diese traurige Nachricht zwei Tage nachher, und Lord Byron war tief betrübt. Er schickte der armen Witwe fünfzig spanische Thaler nebst seiner Adresse in London und ließ ihr sagen, daß sie unter allen Umständen auf ihn zählen könne. Er nahm sich vor sie selbst zu besuchen, als wir Abends den ersehnten Ferman erhielten, der uns endlich die Durchfahrt zwischen den Dardanellen eröffnete. Wir hatten acht Tage gewartet und der Capitän wollte die verlorene Zeit so viel als möglich wieder einbringen. Wir lichteten daher sogleich die Anker, und den zweiten Tag um drei Uhr Nachmittags erreichten wir die Spitze des Serai.