Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 13
XV.
Der Frauen Wille ist Gottes Wille
Margarethe hatte sich nicht getäuscht. Der durch diese Komödie, deren Intrigue sie sah, ohne die Macht zu besitzen, etwas an der Entwickelung zu ändern, in dem Innern von Catharina aufgehäufte Zorn mußte sich auf irgend Jemand ausströmen. Statt in ihre Gemächer zurückzukehren, stieg die Königin Mutter unmittelbar zu ihrer Kammerdame hinauf.
Frau von Sauves erwartete zwei Besuche: sie hoffte auf den von Heinrich, sie fürchtete den der Königin Mutter. Halb ausgekleidet in ihrem Bette, hörte sie, während Dariole im Vorzimmer wachte, einen Schlüssel im Schlosse drehen, und sodann Tritte sich nähern, welche schwer geschienen haben müßten, wären sie nicht durch die dicken Teppiche gedämpft worden. Sie erkannte darin nicht den leichten, eiligen Gang von Heinrich, vermuthete, man würde Dariole hindern, sie zu benachrichtigen, und wartete das Auge und das Ohr gespannt, auf ihre Hand gestützt.
Der Thürvorhang wurde auf die Seite geschoben und die junge Frau sah mit Beben Catharina von Medicis eintreten.
Catharina erschien ruhig, aber Frau von Sauves, seit zwei Jahren daran gewöhnt, sie zu studiren, begriff, was diese scheinbare Ruhe an finsteren Gedanken und vielleicht an grausamen Racheplänen verbarg.
Frau von Sauves wollte, als sie Catharina erblickte, aus dem Bette springen, aber Catharina hob den Finger und bezeichnete ihr dadurch, sie solle bleiben. Die arme Charlotte verharrte, gleichsam an ihren Platz gefesselt, und raffte innerlich alle Kräfte ihrer Seele zusammen, um dem Sturme Trotz zu bieten, der sich stillschweigend vorbereitete.
»Habt Ihr dem König von Navarra den Schlüssel zukommen lassen?« fragte Catharina, ohne daß der Ton ihrer Stimme irgend eine Bewegung andeutete; denn diese Worte wurden nur mit Lippen gesprochen, welche immer mehr erbleichten.
»Ja, Madame,« antwortete Charlotte mit einer Stimme, die sie vergebens so ruhig zu machen suchte, als es die von Catharina war.
»Und Ihr habt ihn gesehen?«
»Wen?« fragte Frau von Sauves.
»Den König von Navarra.«
»Nein, Madame, aber ich erwarte ihn und glaubte sogar, als ich einen Schlüssel im Schlosse drehen hörte, er käme.«
Bei dieser Antwort, welche auf Seiten von Frau von Sauves entweder ein vollkommenes Zutrauen oder den höchsten Grad von Verstellung andeutete, konnte sich Catharina eines leichten Bebens nicht erwehren. Sie zog krampfhaft ihre fette, kurze Hand zusammen.
»Und Du wußtest doch wohl,« sagte sie mit ihrem boshaften Lächeln, »Du wußtest wohl, Charlotte, daß der König von Navarra in dieser Nacht nicht kommen würde.«
»Ich! Madame, ich wußte dies!« rief Charlotte mit einem Ausdrucke vortrefflich gespielten Erstaunens.
»Ja, Du wußtest es.«
»Um nicht zu kommen,« versetzte die junge Frau, schon bei dieser Voraussetzung schauernd, »um nicht zu kommen, muß er todt sein.«
Den Muth, so zu lügen, gab Charlotte einzig und allein die Gewißheit einer furchtbaren Rache, falls ihr kleiner Verrath entdeckt würde.
»Du hast also nicht an den König von Navarra geschrieben,mia Carlotta?« fragte Catharina mit demselben stillen, grausamen Lächeln.
»Nein, Madame,« antwortete Charlotte mit bewunderungswürdig naivem Tone, »Eure Majestät hatte mir das, wie es mir scheint, nicht gesagt.«
Es trat einen Augenblick ein Stillschweigen ein, während dessen Catharina Frau von Sauves anschaute, wie die Schlange den Vogel anschaut, den sie blenden will.
»Du hältst Dich für schön,« sagte Catharina, »Du hältst Dich für geschickt, nicht wahr?«
»Nein, Madame,« antwortete Charlotte, »ich weiß nur, daß Euere Majestät zuweilen äußerst nachsichtig gegen mich gewesen ist, wenn es sich um meine Schönheit und um meine Geschicklichkeit handelte.«
»Wohl,« sprach Catharina lebhaft, »Du täuschest Dich, wenn Du das glaubtest, und ich log, wenn ich es Dir sagte. Du bist nur eine Alberne und eine Häßliche neben meiner Tochter Margot.«
»Oh! das ist sehr wahr, Madame,« sprach Charlotte, »und ich würde es nie versuchen, es zu leugnen, besonders nicht gegen Euch.«
»Auch gibt der König von Navarra,« fuhr Catharina fort, »meiner Tochter bedeutend den Vorzug vor Dir, und es war dies, wie ich glaube, nicht, was Du wolltest und was wir unter uns verabredet hatten.«
»Ach! Madame,« versetzte Charlotte, diesmal in ein Schluchzen ausbrechend, ohne daß sie sich Gewalt anzuthun nöthig hatte, »wenn es sich so verhält, bin ich sehr unglücklich.«
»So verhält es sich,« erwiederte Catharina und bohrte wie einen doppelten Dolch den doppelten Strahl ihrer Augen in das Herz von Frau von Sauve.
»Aber was bringt Euch zu diesem Glauben?« fragte Charlotte.
»Gehe zu der Königin von Navarra hinab, und Du wirst dort Deinen Liebhaber finden.«
»Oh!« seufzte Frau von Sauves.
Catharina zuckte die Achseln.
»Bist Du zufällig eifersüchtig?« fragte die Königin Mutter.
»Ich?« sprach Frau von Sauves, ihre ganze Kraft, die sie zu verlassen drohte, zusammenfassend.
»Ja, Du! ich wäre neugierig, die Eifersucht einer Französin zu sehen.«
»Aber, Euere Majestät,« sprach Frau von Sauves, »wie soll ich anders eifersüchtig sein, als aus Eitelkeit. Ich liebe den König von Navarra nur so viel, als es für den Dienst Euerer Majestät nothwendig ist.«
Catharina schaute sie einen Augenblick mit träumerischen Augen an.
»Was Du mir da sagst, kann im Ganzen wahr sein,« murmelte sie.
»Euere Majestät liest in meinem Herzen.«
»Und dieses Herz ist mir ganz ergeben?«
»Befehlt,« Madame, »und urtheilt sodann.«
»Wohl, da Du Dich meinem Dienste opferst, Charlotte, so mußt Du, stets für meinen Dienst, in den König von Navarra sehr verliebt und besonders sehr eifersüchtig sein, eifersüchtig wie eine Italienerin.«
»Aber, Madame,« sagte Charlotte, »auf welche Weise ist eine Italienerin eifersüchtig?«
»Ich werde es Dir sagen,« versetzte Catharina, und nachdem sie zwei- bis dreimal den Kopf von oben nach unten bewegt hatte, entfernte sie sich stille und langsam, wie sie gekommen war.
Beunruhigt durch den klaren Blick dieser Augen, welche erweitert waren, wie die der Katze oder die des Panthers, ohne daß diese Erweiterung ihnen etwas von ihrer Tiefe benahm, ließ Charlotte die Königin weggehen, ohne ein einziges Wort zu sprechen, ohne sogar ihrem Hauche die Freiheit zu lassen, sich hörbar zu machen, und athmete erst wieder, als sie vernahm, wie die Thüre hinter Catharina sich schloß, und Dariole erschien, um ihr zu melden, die furchtbare Erscheinung sei verschwunden.
»Dariole,« sagte sie dann zu ihr, »ziehe einen Lehnstuhl an mein Bett und bringe die Nacht darin zu, ich bitte Dich; denn ich wage es nicht, allein zu bleiben.«
Dariole gehorchte, aber trotz der Gesellschaft ihrer Kammerfrau, welche bei ihr verweilte, trotz des Lichtes der Lampe, das sie zu größerer Ruhe angezündet zu lassen befahl, entschlief Frau von Sauves erst bei Tage so lärmte in ihrem Ohre der metallische Klang der Stimme von Catharina.
Obgleich in dem Augenblicke entschlummert, wo der Tag zu erscheinen anfing, erwachte Margarethe doch bei dem ersten Tone der Trompeten, bei dem ersten Gebelle der Hunde. Sie stand auch sogleich auf und kleidete sich in ein unendlich reizendes Negligé. Dann rief sie ihre Frauen, ließ in ihr Vorzimmer die Edelleute vom Dienste des Königs von Navarra einführen, öffnete sofort die Thüre, welche unter demselben Schlüssel Heinrich und de La Mole einschloß, gab diesem mit dem Blicke einen zärtlichen guten Morgen, rief ihren Gatten herbei und sagte zu ihm:
»Auf, Sire, es ist nicht Alles dadurch gethan, daß wir meine Mutter glauben gemacht haben, was nicht geschehen, Ihr müßt auch Euern ganzen Hof von dem vollkommenen Einverständnis überzeugen, das unter uns herrscht. Aber seid unbesorgt« fügte sie lächelnd bei, »und behaltet wohl meine Worte, welche die Umstände beinahe feierlich machen. Heute ist es das letzte Mal, daß ich Euere Majestät auf diese grausame Probe stelle.«
Der König von Navarra lächelte und befahl seine Edelleute einzuführen.
In dem Augenblick, wo sie ihn begrüßten, gab er sich den Anschein, als bemerkte er jetzt erst, daß sein Mantel auf dem Bette der Königin geblieben war. Er entschuldigte sich, daß er sie so empfangen habe, nahm seinen Mantel aus den Händen der erröthenden Margarethe und beseitigte ihn auf seiner Schulter. Dann wandte er sich wieder gegen die Edelleute nur und fragte sie nach Neuigkeiten aus der Stadt und vom Hofe. Margarethe gewahrte aus einem Winkel ihres Auges das unmerkliche Erstaunen, welches das innige Verhältniß, das sich zwischen dem König und der Königin von Navarra kundgab, auf den Gesichtern der Herren hervorbrachte, als ein Huissier, gefolgt von drei bis vier Edelleuten, eintrat und den Herzog von Alençon meldete.
Um sein Erscheinen zu bewirken, brauchte Gillonne ihm nur mitzutheilen, der König habe die Nacht bei seiner Gemahlin zugebracht.
Franz trat so rasch ein, daß er diejenigen, welche vor ihm hergingen, auf die Seite schiebend, sie beinahe niederwarf. Sein erster Blick galt Heinrich; Margarethe bekam den zweiten.
Heinrich antwortete durch einen höflichen Gruß. Margarethe verlieh ihrem Gesichte den Ausdruck der vollkommensten Heiterkeit.
Mit einem andern unbestimmten, aber forschenden Blicke umfaßte nun der Herzog das ganze Zimmer. Er sah das in Unordnung gebrachte Bett, das eingedrückte doppelte Kopfkissen, den auf einen Stuhl geworfenen Hut des Königs.
Der Herzog erbleichte, aber rasch sich wieder fassend, sagte er:
»Mein Bruder Heinrich, spielt Ihr diesen Morgen Ball mit dem König?«
»Erweist mir der König die Ehre, mich dazu zu wählen?« fragte Heinrich, »oder ist es nicht eine Aufmerksamkeit von Eurer Seite, mein Schwager?«
»Nein, der König hat nicht hiervon gesprochen,« sagte der Herzog ein wenig verlegen, »aber seid Ihr nicht von seiner gewöhnlichen Partie?«
Heinrich lächelte, denn es waren seit seiner letzten Partie mit dem König so viele und so ernste Dinge vorgefallen, daß es nicht zum Erstaunen gewesen wäre, wenn Karl IX. seine gewöhnlichen Spieler gewechselt hätte.
»Ich gehe, mein Bruder,« sprach Heinrich lächelnd.
»Kommt,« versetzte der Herzog.
»Ihr geht?« fragte Margarethe.
»Ja, meine Schwester.«
»Habt Ihr so große Eile?«
»Allerdings.«
»Wenn ich jedoch ein paar Minuten von Euch verlangen würde?«
Ein solches Verlangen war so selten in dem Munde von Margarethe, daß ihr Bruder sie abwechselnd erröthend und erbleichend anschaute.
»Was will sie ihm sagen?« dachte Heinrich, nicht minder erstaunt als der Herzog von Alençon.
Margarethe, als hätte sie den Gedanken ihres Gemahls errathen, wandte sich gegen ihn um und sagte mit einem reizenden Lächeln:
»Mein Herr, Ihr könnt Euch zu Seiner Majestät begeben, wenn es Euch gefällt; denn das Geheimnis, das ich meinem Bruder zu enthüllen habe, ist Euch bereits bekannt, da die Bitte, die ich hinsichtlich dieses Geheimnisses an Euch richtete, von Eurer Majestät beinahe abgeschlagen worden ist. Ich wünschte Eure Majestät nicht zum zweiten Male dadurch zu ermüden, daß ich in ihrer Gegenwart einen Wunsch aussprechen würde, der ihr unangenehm zu sein geschienen hat.«
»Was ist es denn?« fragte Franz, Beide verwundert anschauend. »Oh, oh!« sprach Heinrich, vor Aerger errötend. »Ich weiß, was Ihr sagen wollt, Madame. In der That, ich bedaure, nicht freier zu sein; aber kann ich Herrn de La Mole nicht eine Gastfreundschaft geben, die ihm keine Sicherheit bieten würde, so will ich nichts desto weniger nach Euch meinem Bruder Alençon die Person empfehlen,für welche Ihr Euch interessirt. Vielleicht,« fügte er bei, um den Worten, die wir gesperrt haben, noch mehr Kraft zu geben, »vielleicht findet mein Bruder sogar einen Gedanken, der Euch Herrn de La Mole … hier … bei Euch zu behalten gestattet, was wohl besser wäre, als Alles, nicht wahr, Madame?«
»Gut, gut,« sagte Margarethe zu sich selbst, »sie werden zu zwei thun, was weder der Eine noch der Andere allein gethan hätte.«
Und sie öffnete die Thüre des Cabinets und ließ den jungen Verwundeten heraustreten, nachdem sie zu Heinrich gesagt hatte:
»Es ist Eure Sache, mein Herr, meinem Bruder zu erklären, warum wir uns für Herrn de La Mole interessiren.«
Durch diese List gefangen, erzählte Heinrich dem Herzog von Alençon, der aus Opposition halb Protestant war, wie Heinrich aus Klugheit halb Katholik, die Ankunft von La Mole in Paris, und wie der junge Mann, als er ihm einen Brief von Herrn d’Auriac hatte bringen wollen, verwundet worden war.
Der Herzog wandte sich um und La Mole stand vor ihm.
Als Franz ihn so schön, so bleich und folglich durch seine Schönheit und Blässe doppelt verführerisch sah, fühlte er, wie ein neuer Schrecken sich seines Herzens bemächtigte.
Margarethe faßte ihn zugleich bei der Eifersucht und bei der Eitelkeit.
»Mein Bruder,« sagte sie zu ihm, »dieser junge Edelmann wird demjenigen, der ihn zu verwenden weiß, nützlich sein, dafür stehe ich. Nehmt Ihr ihn bei Euch auf, so wird er in Euch einen mächtigen Herrn und Ihr werdet in ihm einen ergebenen Diener finden. In diesen Zeitläuften, mein Bruder, muß man sich mit sichern Menschen umgeben, besonders,« fügte sie die Stimme so sehr dämpfend bei, daß nur der Herzog von Alençon sie hören konnte, »wenn man ehrgeizig ist und das Unglück hat, nur der dritte Sohn von Frankreich zu sein.«
Sie legte einen Finger auf den Mund, um Franz anzudeuten, daß sie, trotz dieser Eröffnung noch einen wichtigen Theil ihres Gedankens für sich behielte.
»Sodann,« sprach sie, »werdet Ihr vielleicht im Widerspruche mit Heinrich finden, daß es nicht schicklich ist, wenn dieser junge Mann so nahe bei meinen Gemächern verweilt.«
»Meine Schwester,« erwiederte Franz lebhaft, »Herr de La Mole, wenn es ihm gefällt, wird in einer halben Stunde in meiner Wohnung, wo er, glaube ich, nichts zu befürchten hat, einquartiert sein. Er liebe mich und ich werde ihn lieben.«
Franz log, denn er haßte bereits La Mole im Grunde seines Herzens.
»Gut, gut, ich täuschte mich also nicht,« murmelte Margarethe, als sie den König von Navarra die Stirne runzeln sah. »Ah! um den Einen und den Andern von Euch zu leiten, muß man den Einen durch den Andern leiten.«
Dann ihren Gedanken ergänzend, fuhr sie fort:
»Vorwärts, vorwärts, gut, Margarethe, würde Henriette sagen.«
La Mole, von Margarethe gehörig unterrichtet, küsste dieser wirklich eine halbe Stunde nachher den Saum ihres Kleides und stieg ziemlich behende für einen Verwundeten die Treppe hinauf, welche zu dem Herzog von Alençon führte.
Es vergingen mehrere Tage, während welcher die Eintracht zwischen Heinrich und seiner Gemahlin sich immer mehr zu befestigen schien. Heinrich hatte es dahin gebracht, daß er nicht öffentlich abschwören mußte; aber er hatte in die Hände des Beichtvaters des Königs Verzicht geleistet und hörte jeden Morgen die Messe, die man im Louvre las. Abends schlug er zum Scheine den Weg nach den Gemächern seiner Gemahlin ein, ging durch die große Thüre, plauderte einige Augenblicke mit ihr, entfernte sich dann wieder durch die kleine geheime Thüre und begab sich zu Frau von Sauves, die ihn von dem Besuche von Catharina und von der unbestreitbaren Gefahr, welche ihn bedrohte, in Kenntniß zu setzen nicht verfehlt hatte. Von zwei Seiten unterrichtet, verdoppelte Heinrich sein Mißtrauen in Beziehung auf die Königin Mutter und dies mit um so mehr Grund, als das Gesicht von Catharina unmerklich sich zu entrunzeln anfing. Es geschah sogar eines Morgens, daß Heinrich auf ihren bleichen Lippen ein wohlwollendes Lächeln wahrnahm. An diesem Tage entschloß er sich nur mit der größten Mühe, etwas Anderes zu essen, als Eier, die er selbst hatte sieben lassen, und etwas Anderes zu trinken, als Wasser, das er in seiner Gegenwart aus der Seine hatte schöpfen sehen.
Die Metzeleien dauerten fort, waren aber nichtsdestoweniger dem Erlöschen nahe. Man hatte eine so große Schlächterei mit den Hugenotten vorgenommen, daß ihre Zahl bedeutend zusammengeschmolzen war. Die meisten waren todt, viele hatten die Flucht ergriffen, einige hielten sich noch verborgen. Von Zeit zu Zeit erhob sich ein gewaltiges Geschrei in diesem oder jenem Quartiere. Dies geschah, wenn man einen von ihnen entdeckt hatte. Die Hinrichtung wurde sodann heimlich oder öffentlich vorgenommen, je nach dem der Unglückliche in einem Orte ohne Ausgang verborgen war oder fliehen konnte. Im letzten Falle herrschte eine große Freude in dem Quartiere, wo das Ereigniß vorfiel, denn statt sich durch die Vertilgung ihrer Feinde zu beruhigen, wurden die Katholiken immer wilder, und je weniger übrig blieben, desto mehr schienen sie erbittert auf diese unglücklichen Reste.
Karl IX. hatte ein großes Vergnügen an der Jagd auf Hugenotten gefunden. Als er nicht mehr selbst zu jagen fortfahren konnte, ergötzte er sich an dem Lärmen der Jagd Anderer.
Eines Tages von dem Maillespiele zurückkehrend, das nebst dem Ballspiele und der Jagd sein Lieblingsvergnügen war, trat er mit strahlendem Antlitz, gefolgt von seinen gewöhnlichen Höflingen, bei seiner Mutter ein.
»Meine Mutter,« sagte er, die Florentinerin umarmend, welche, als sie diese Freude gewahr wurde, sogleich auch die Ursache derselben zu errathen suchte, »meine Mutter, frohe Kunde! Mord und Teufel! wißt Ihr etwas? das erhabene Gerippe des Herrn Admirals, das man verloren glaubte, ist wiedergefunden.«
»Ah! ah!« rief Catharina.
»Oh! mein Gott, ja. Nicht wahr, Ihr dachtet, wie ich, meine Mutter, die Hunde hätten ihr Hochzeitsmahl damit gemacht? Mein Gott, mein liebes Volk, mein gutes Volk hatte einen Gedanken: es hing den Admiral an den Galgen von Montfaucon.
»Nun?« sprach Catharina.
»Nun wohl, meine gute Mutter,« versetzte Karl IX., »seitdem ich weiß, daß er todt ist, habe ich immer Lust gehabt, den lieben Mann wiederzusehen. Es ist schön Wetter, Alles scheint mir heute in Blüthe zu stehen. Die Luft ist voll Leben und Wohlgruch; ich befinde mich, wie ich mich nie befunden habe. Wenn Ihr wollt, meine Mutter, so steigen wir zu Pferde und reiten nach Montfaucon.«
»Ich würde dies sehr gerne thun, mein Sohn,« sagte Catharina, »wenn ich nicht eine Bestellung gemacht hätte, die ich nicht verfehlen darf. Stattet man einem so wichtigen Mann, wie dem Admiral, einen Besuch ab,« fügte sie bei, »so muß man den ganzen Hof mit sich nehmen. Das wird eine gute Gelegenheit für Beobachter sein, um seltsame Beobachtungen anzustellen. Wir werden sehen, wer kommen und wer bleiben wird.«
»Ihr habt meiner Treue Recht, meine Mutter. Morgen also, das ist besser! Macht Eure Einladungen, ich mache die meinigen, oder wir laden vielmehr Niemand ein. Wir sagen nur, wir werden dahin gehen, und es ist sodann Jedem freigestellt, nach Belieben zu handeln. Gott befohlen, meine Mutter, ich will Horn blasen.«
»Ihr werdet Euch erschöpfen, Karl. Ambroise Paré sagt es Euch unablässig, und er hat Recht; diese Uebung ist zu anstrengend für Euch.«
»Bah, bah, bah!« sprach Karl, »ich wollte, ich wüßte gewiß, daß ich nur hieran sterben würde; ich dürfte Jedermann hier begraben, selbst Henriot, der eines Tags uns Alle beerben soll, wie Nostradamus behauptet.«
Catharina runzelte die Stirne und erwiederte:
»Mein Sohn, mißtraut vor Allem den Dingen, welche unmöglich scheinen, und schont Euch mittlerweile.«
»Nur ein paar Fanfaren, um meine Hunde zu erfreuen, die sich zum Sterben langweilen. Die armen Thiere! Ich hätte sie auf die Hugenotten loslassen sollen, das würde sie erquickt haben.«
Und Karl IX. verließ das Zimmer seiner Mutter, trat in sein Waffencabinet, nahm ein Horn von der Wand und blies mit einer Kraft, die Roland selbst Ehre gemacht hatte. Es war nicht zu begreifen, wie aus diesem schwächlichen, kränklichen Körper und von diesen bleichen Lippen ein so mächtiger Hauch kommen konnte.
Catharina erwartete wirklich Jemand, wie sie ihrem Sohne gesagt hatte. Einen Augenblick, nachdem dieser weggegangen war, trat eine von ihren Frauen ein und sprach leise mit ihr. Die Königin lächelte, begrüßte die Personen ihres Hofes und folgte der Botin.
Der Florentiner René, derselbe, den der König von Navarra am St. Bartholomäus-Abend so diplomatisch empfangen hatte, war in ihr Betzimmer eingetreten.
»Ah! Ihr seid es, René,« sagte Catharina zu ihm, »ich erwartete Euch mit Ungeduld.«
René verbeugte sich.
»Ihr habt gestern die Zeile erhalten, die ich Euch schrieb?«
»Ich habe diese Ehre gehabt.«
»Habt Ihr, wie ich Euch dies hieß, den Beweis des von Ruggieri gestellten Horoskops wiederholt, dieses Horoskops, das so sehr mit der Prophezeiung von Nostradamus in Einklang steht, welcher behauptet, meine Söhne werden alle Drei regieren? Seit einigen Tagen haben sich die Dinge bedeutend verändert, René, und ich dachte, die Geschicke wären möglicher Weise weniger bedrohlich geworden.«
«Madame,« antwortete René, den Kopf schüttelnd, »Eure Majestät weiß wohl, daß die Dinge das Geschick nicht verändern, sondern daß das Geschick im Gegentheil die Dinge regiert.«
»Doch Ihr habt nichtsdestoweniger das Opfer erneuert?«
»Ja, Madame,« antwortete René, »denn Euch gehorchen, ist meine erste Pflicht.«
»Und das Resultat?«
»Ist dasselbe geblieben, Madame.«
»Wie? das schwarze Lamm hat ebenfalls seine drei Schreie ausgestoßen.«
»Ebenfalls, Madame.«
»Ein Zeichen von drei grausamen Todesfällen in meiner Familie?« murmelte Catharina.
»Leider!« sprach René.
»Aber ferner?«
»Ferner, Madame, fand sich in den Eingeweiden die seltsame Abweichung der Leber, die wir bereits bei den zwei ersten wahrgenommen haben; sie hatte eine umgekehrte Lage.«
»Veränderung der Dynastie. Immer, immer, immer,« murmelte Catharina. »Man wird das jedoch verändern müssen, René,« fuhr sie fort.
René schüttelte den Kopf und erwiederte: »Ich habe Eurer Majestät bereits gesagt, das Schicksal regiert.«
»Ist das Deine Meinung«
»Ja, Madame.«
»Erinnerst Du Dich des Horoskops von Johanna von Albret?«
»Ja, Madame.»
»Wiederhole es mir ein wenig, ich habe es vergessen.«
»Vives honorata,« sprach René, »morieris reformidata, regina amplificabere.«
»Das heißt, glaube ich,« versetzte Catharina: »Du wirst geehrt leben, und es fehlte der armen Frau am Nothwendigsten!Du wirst gefürchtet sterben, und wir spotteten Alle über sie.Du wirst größer sein, als Du als Königin gewesen bist, und sie starb und ihre Größe ruht in einem Grabe, auf das wir ihren Namen zu setzen vergessen haben.«
»Madame, Eure Majestät übersetzt die WorteVives honorata schlecht. Die Königin von Navarra lebte wirklich geehrt, denn sie erfreute sich während ihres Lebens der Liebe ihrer Kinder und der Achtung ihrer Anhänger, einer um so aufrichtigeren Liebe und Achtung, je ärmer sie war.«
»Ja,« sprach Catharina, »ich will Euch das: »Du wirst geehrt leben, hingehen lassen;morieris reformidata, laßt hören, wie werdet Ihr mir das erklären?«
»Wie ich Euch das erklären werde? nichts leichter. Du wirst gefürchtet sterben.«
»Nun wohl ist sie gefürchtet gestorben?«
»So gefürchtet, Madame, daß sie nicht gestorben wäre, wenn Eure Majestät nicht Furcht vor ihr gehabt hätte … Endlich:als Königin wirst Du groß werden, oder Du wirst größer sein, als Du als Königin gewesen bist; was abermals wahr ist, Madame, denn für die vergängliche Krone hat sie nun wohl als Königin und Märtyrerin die himmlische Krone empfangen, und wer weiß überdies, welche Zukunft ihrem Geschlechte auf Erden vorbehalten ist.«
Catharina war in höchstem Maße abergläubisch. Sie erschrak vielleicht mehr noch über die Beharrlichkeit von René, als über die Beharrlichkeit der Prophezeiung; und da für sie ein schlimmer Schritt Gelegenheit war, kühn über die Lage der Dinge wegzuspringen, so sagte sie plötzlich und ohne einen Uebergang, außer der stummen Arbeit ihrer Gedanken, zu René:
»Sind Parfums aus Italien angekommen?«
»Ja, Madame.«
»Ihr schickt mir ein Kistchen voll.«
»Von welchen?«
»Von den letzten, von denen…«
Catharina hielt inne.
»Von denen, welche die Königin von Navarra besonders liebte?« fragte René.
»Allerdings.«
»Ich habe nicht nöthig, sie zu bereiten, nicht wahr? denn Eure Majestät ist jetzt so gelehrt als ich.«
»Findest Du?« sagte Catharina, »sie schlagen wirklich an?«
»Hat mir Eure Majestät nichts mehr zu sagen?« sprach der Parfumeur.
»Nein, nein,« erwiederte Catharina nachdenkend, »ich glaube wenigstens nicht. Wenn sich indessen irgend etwas Neues in den Opfern fände, so thut es mir gelegentlich zu wissen. Lassen wir die Lämmer und versuchen wir es mit Hühnern.«
«Ach! Madame, ich befürchte, das Opfer verändernd, werden wir nichts an den Weissagungen ändern.«
»Thue, was ich Dir sage.«
René verbeugte sich und trat ab.
Catharina blieb einen Augenblick in Gedanken versunken sitzen. Dann stand sie ebenfalls auf und kehrte in ihr Schlafgemach zurück, wo sie von ihren Frauen erwartet wurde und auf den andern Tag die Pilgerfahrt nach Montfaucon ankündigte.
Die Kunde von dieser Lustpartie bildete für den ganzen Abend das Geräusch des Palastes und das Gerücht der Stadt. Die Damen ließen ihre zierlichsten Toiletten, die Herren ihre Waffen und ihre Paradepferde bereit halten. Die Kaufleute und Handwerker schlossen ihre Buden und Werkstätten und die Müßiggänger des Volkes tödteten da und dort einige für eine gute Gelegenheit aufgesparte Hugenotten, welche eine passende Gesellschaft für den Leichnam des Admirals geben sollten. Es war ein gewaltiges Getöse den ganzen Abend und einen großen Theil der Nacht hindurch.
La Mole hatte den traurigsten Tag der Welt zugebracht, und auf diesen Tag waren drei bis vier andere nicht minder traurige gefolgt. Um den Wünschen von Margarethe zu gehorchen, hatte ihn der Herzog von Alençon bei sich aufgenommen, aber seitdem nicht wieder gesehen. Er fühlte sich plötzlich wie ein armes, verlassenes Kind, beraubt der zarten, liebevollen Sorge zweier Frauen, von denen die eine in der Erinnerung allein beständig seine Gedanken verzehrte. Wohl bekam er durch den Wundarzt Ambroise Paré, den sie ihm schickte, Nachrichten von ihr; aber überbracht von einem Manne von fünfzig Jahren; welcher nichts von den Interesse von La Mole für die geringsten Dinge, welche sich auf Margarethe bezogen, wußte, waren diese Nachrichten sehr unvollständig und sehr ungenügend. Allerdings war Gillonne einmal, wohlverstanden in ihrem eigenen Namen gekommen, um sich nach dem Verwundeten zu erkundigen. Dieser Besuch hatte die Wirkung eines Sonnenstrahles in einem Kerker hervorgebracht, La Mole war ganz davon geblendet, und erwartete beständig eine zweite Erscheinung, welche, obgleich zwei Tage seit der ersten abgelaufen waren, nicht kam.
Als der Wiedergenesende von der glänzenden Versammlung des ganzen Hofes, die am andern Tage stattfinden sollte, hörte, ließ er den Herzog von Alençon um die Gnade bitten, daran theilnehmen zu dürfen.
Der Herzog fragte nicht einmal, ob La Mole im Stande wäre, diese Anstrengung zu ertragen, sondern antwortete nur:
»Gut, man gebe ihm eines von meinen Pferden.«
Das war Alles, was La Mole wünschte. Meister Ambroise Paré kam wie gewöhnlich, um ihn zu verbinden. La Mole setzte ihm auseinander, daß er nothwendig zu Pferde steigen müsse, und bat ihn, eine doppelte Sorgfalt bei Anlegung des Verbandes anzuwenden. Die zwei Wunden waren übrigens wieder geschlossen, sowohl die der Brust, als die der Schulter; nur machte ihm die der Schulter noch Schmerzen. Beide waren frischroth, wie es bei dem Fleische sein muß, das auf dem Wege der Heilung begriffen ist. Meister Ambroise Paré bedeckte sie mit gummiertem Taffet, was zu jener Zeit bei solchen Fällen üblich war, und versprach La Mole, die Sache würde ganz gut ablaufen, vorausgesetzt, daß er sich bei dem Ausfluge nicht zu viel Bewegung machen würde.
La Mole war voll Freude. Abgesehen von einer gewissen Schwäche, verursacht durch den Blutverlust, und einer leichten Betäubung, welche hiermit in Verbindung stand, fühlte er sich so wohl, als es nur immer sein konnte. Ohne Zweifel würde Margarethe bei dieser Cavalcade sein; er würde Margarethe wiedersehen, und wenn er bedachte, wie wohl ihm der Anblick von Gillonne gethan hatte, so setzte er die viel größere Wirksamkeit des Anblicks seiner Geliebten nicht in Zweifel.
La Mole verwendete also einen Theil des Geldes, das er bei der Abreise von seiner Familie erhalten hatte, um das schönste Wamms von weißem Atlas und die reichste Mantelstickerei zu kaufen, die ihm der Schneider verschaffen konnte, welcher damals am meisten in der Mode war. Derselbe Mensch lieferte ihm auch noch parfumirte lederne Stiefeln, wie man sie zu jener Zeit trug. Das Ganze wurde ihm nur eine halbe Stunde nach der Zeit gebracht, für welche La Mole es verlangt hatte, weshalb er nicht zu viel sagen konnte. Er kleidete sich rasch an, beschaute sich im Spiegel, fand sich anständig genug geputzt, frisiert und parfumirt, um mit sich selbst zufrieden zu sein. Endlich versicherte er sich durch mehrere Gänge, die er rasch in seinem Zimmer machte, daß, abgesehen von einigen sehr lebhaften Schmerzen, das moralische Glück die körperlichen Unannehmlichkeiten zum Schweigen bringen würde.
Während diese Scene im Louvre vorging, fand eine andere ähnlicher Art im Hotel Guise statt. Ein großer Mann mit rothem Haare beschaute vor einem Spiegel einen röthlichen Streifen, der ihm auf eine unangenehme Weise das Gesicht durchzog. Er malte und parfumirte seinen Schnurrbart, und während er malte und parfumirte, dehnte er über dem unglücklichen Streifen, der trotz aller zu jener Zeit üblicher kosmetischer Mittel hartnäckig immer wieder erschien, er dehnte, sage ich, eine doppelte Lage von Weiß und Roth aus. Aber als die Anwendung ungenügend war, kam ihm ein Gedanke. Eine glühende Sonne, eine Augustsonne schoß ihre Strahlen in den Hof. Er stieg in diesen Hof hinab, nahm seinen Hut in die Hand, streckte die Nase in die Luft und ging zehn Minuten lang, sich freiwillig der verzehrenden Flamme aussetzend, welche in Strömen vom Himmel fiel, auf und ab.
Nach Verlauf von zehn Minuten hatte der Edelmann durch einen Sonnenschein ersten Ranges ein Gesicht so glänzend, als es der rothe Streifen war, welcher nun nicht mehr mit dem Uebrigen im Einklang stand und im Vergleich gelb erschien.
Unser Edelmann war nicht minder wohl zufrieden mit diesem Regenbogen, den er auf das Beste durch eine Lage Zinnober, die er darüber ausbreitete, mit dem Reste des Gesichtes vereinigte, wonach er ein prachtvolles Gewand anzog, das ihm ein Schneider in das Zimmer legte, ohne daß er den Schneider verlangt hatte. So geschmückt, parfumirt, von Kopf bis Fuß bewaffnet, ging er abermals in den Hof hinab und schmeichelte einem großen Rappen, dessen Schönheit unvergleichlich gewesen wäre, ohne einen kleinen Einschnitt nach Art des seines Herrn, den ihm bei einer der letzten bürgerlichen Schlachten der Säbel eines Reiters beigebracht hatte.