Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 14
Nichtsdestoweniger von seinem Pferde eben so bezaubert, wie er es von sich selbst war, saß dieser Edelmann, den unsere Leser gewiß ohne Mühe erkannt haben, eine Viertelstunde vor allen Andern im Sattel und ließ den Hof des Hotel Guise vom Gewieher seines Pferdes wiederhallen, welches, während er sich zum Meister seines Rosses machte,Mordis aus allen Tonarten erwiederten. Nach einem Augenblick gewährte das Pferd völlig gezähmt, durch seine Geschmeidigkeit und einen Gehorsam der legitimen Herrschaft seines Reiters völlige Anerkennung; aber dieser Sieg war nicht ohne Geräusch errungen worden und dieses Geräusch (hierauf hatte unser Edelmann vielleicht gerechnet), zog eine Dame an das Fenster, welche unser Pferdebändiger mit einer tiefen Verbeugung grüßte und die ihm auf das Anmuthigste zulächele.
Fünf Minuten nachher ließ Frau von Nevers ihren Intendanten rufen.
»Mein Herr,« fragte sie, »hat man dem Grafen Annibal von Coconnas ein anständiges Frühstück vorgesetzt?«
»Ja, Madame,« antwortete der Intendant, »er hat sogar diesen Morgen mit besserem Appetit gegessen, als gewöhnlich.«
»Gut, mein Herr,« sprach die Herzogin.
Dann sich gegen ihren ersten Edelmann umwendend:
»Herr d’Arguzon, gehen wir nach dem Louvre ab, und ich bitte, habt Euer Augenmerk auf den Herrn Grafen Annibal von Coconnas, denn er ist verwundet und folglich noch schwach, und es soll ihm nicht um alle Welt ein Unglück geschehen. Das würde das Gelächter der Hugenotten erregen, welche ihm seit jenem glücklichen Sankt-Bartholomäus-Abend grollen.«
Und Frau von Nevers stieg ebenfalls zu Pferde und ritt ganz strahlend nach dem Louvre, wo der allgemeine Sammelplatz war.
XVI.
Der Körper eines todten Feindes riecht immer gut
Es war zwei Uhr Nachmittags, als eine lange Reihe von Gold, Juwelen und prachtvollen Kleidern glänzender Cavaliere in der Rue Saint-Denis erschien, an der Ecke des Cimetière des Innocens ausmündete und sich in der Sonne zwischen den zwei Zeilen düsterer Häuser wie eine ungeheure Schlange mit strahlenden Ringen entrollte.
Keine Truppe, so reich sie auch sein mag, kann einen Begriff von diesem Schauspiel geben. Die prächtigen, glanzvollen seidenen Gewänder, die eine herrliche Mode von Franz I. seinen Nachfolgern vermachte, hatten sich noch nicht in die engen, düstern Kleider verwandelt, welche unter Heinrich III. eingeführt wurden, so daß das Costume von Karl IX., vielleicht minder reich, aber wohl eleganter als die vorhergehender Epochen, in seiner vollen Harmonie prangte. In unsern Tagen gibt es Nichts mehr, was sich möglicher Weise mit einem solchen Zuge vergleichen ließe, denn wir sind für unsere Parade-Herrlichkeiten auf die Symmetrie und die Uniform beschränkt.
Pagen, Stallmeister, Edelleute niedern Ranges, Hunde und Pferde machten, auf den Seiten und hinten marschirend, aus dem königlichen Cortège ein wahres Heer. Hinter diesem Heere kam das Volk, oder das Volk war vielmehr überall.
Das Voll zog voraus und bildete zugleich das Geleite. Es schrie zu gleicher Zeit Willkommen und Zeter; denn man erkannte in dem Zuge mehrere ausgesöhnte Calvinisten, und das Volk ist unversöhnlich.
Am Morgen hatte Karl IX. in Gegenwart von Catharina und dem Herzog von Guise vor Heinrich von Navarra als von einer ganz natürlichen Sache davon gesprochen, man werde den Galgen von Montfaucon, oder vielmehr den verstümmelten Leichnam des Admirals, der daselbst aufgehängt war, besuchen. Der erste Gedanke von Heinrich war, sich von diesem Besuche loszumachen. Dies erwartete Catharina. Bei den ersten Worten, mit denen er sein Widerstreben ausdrückte, wechselte sie einen Blick und ein Lächeln mit dem Herzog von Guise. Heinrich gewahrte Beides, begriff Beides, und sagte sich schnell fassend:
»Warum sollte ich im Ganzen nicht gehen? Ich bin Katholik und meiner neuen Religion verpflichtet.«
Dann sich an Karl IX. wendend:
»Euere Majestät mag auf mich zählen, ich werde stets glücklich sein, sie zu begleiten, wohin sie geht.«
Und er warf einen raschen Blick um sich her, um die Stirnen zu zählen, die sich runzelten.
Derjenige von dem Zuge, welchen man am meisten mit Neugierde betrachtete, war auch dieser Sohn ohne Mutter, dieser König ohne Königreich, dieser Hugenott, der sich zum Katholiken gemacht hatte. Sein langes, charaktervolles Gesicht, seine etwas gemeine Tournure, die Vertraulichkeit mit seinen Untergebenen, eine Vertraulichkeit, die er bis zu einem für einen König beinahe unschicklichen Grad trieb, eine Vertraulichkeit, welche aus den Zeiten seiner Jugend herrührte, wo er, im Gebirge lebend, entschiedene Gewohnheiten angenommen hatte, eine Vertraulichkeit endlich, die er bis zu seinem Tode bewahrte, bezeichneten ihn den Zuschauern, von denen ihm einige zuriefen:
»In die Messe, Henriot, in die Messe!« worauf Heinrich antwortete:
»Ich bin gestern darin gewesen, ich komme heute davon her, und werde morgen dahin zurückkehren. Ventre-saint-gris! das kommt mir genug vor!«
Margarethe war zu Pferde so schön, so frisch, so elegant, daß die Bewunderung um sie her ein Concert bildete, von dem sich, es läßt sich nicht leugnen, einige Noten an ihre Gefährtin, die Frau Herzogin von Nevers, wandten, neben welcher sie ritt, und deren weißes Roß, als wäre es stolz auf die Last, die es trug, rastlos den Kopf schüttelte.
»Nun, Herzogin,« sagte die Königin von Navarra, »was Neues?«
»Madame,« antwortete Henriette, »ich weiß Nichts.«
Dann fragte sie ganz leise:
»Und der Hugenott, was ist aus ihm geworden?«
»Ich habe eine ziemlich sichere Zufluchtstätte für ihn gefunden,« erwiederte Margarethe, »und der große Schlächter, was hast Du mit ihm gemacht?«
»Er wollte an dem Feste Teil nehmen, und reitet das Schlachtroß von Herrn von Nevers, ein Thier, so groß wie ein Elephant. Es ist ein furchtbarer Cavalier. Ich habe ihm erlaubt, der Ceremonie beizuwohnen, weil ich dachte, Dein Hugenott würde kluger Weise das Zimmer hüten, und es wäre auf diese Art kein Zusammentreffen zu befürchten.«
»Ah, meine Treue!« antwortete Margarethe lächelnd, »wäre er auch hier, und er ist nicht hier, so hätte man deßhalb keinen Streit zu befürchten. Mein Hugenott ist ein hübscher Junge, aber nichts Anderes, eine Taube und kein Geier; das rucket, aber beißt nicht. Allem nach,« sagte sie mit einem unübersetzbaren Tone und leicht die Achseln zuckend, Allem nach haben wir ihn wahrscheinlich für einen Hugenotten gehalten, während er ein Brahmine ist und seine Religion ihm das Blutvergießen verbietet.«
»Aber, wo ist denn der Herzog von Alençon?« fragte Henriette, »ich sehe ihn nicht.«
»Er muß kommen, diesen Morgen hatte er Schmerzen in den Augen und wollte nicht kommen; aber da man weiß, daß er sich, um nicht der gleichen Meinung, wie sein Bruder Karl und sein Bruder Heinrich, zu sein, zu den Hugenotten neigt, so bemerkte man ihm, der König könnte seine Abwesenheit übel deuten, und er entschloß sich. Doch sieh, man schaut, man schreit; er ist es wohl… er wird durch die Porte Montmartre gekommen sein.«
»In der That, er ist es, ich erkenne ihn,« sagte Henriette. »Er sieht wirklich heute sehr gut aus. Seit einiger Zeit verwendet er große Sorgfalt auf sich: er muß verliebt sein. Seht doch, wie schön es ist, ein Prinz von Geblüt zu sein: er galoppirt über alle Welt hin und alle Welt fügt sich.«
»In der That,« sprach Margarethe lachend, »er wird uns, Gott verzeih’ es mir! niederwerfen. Laßt Eure Herren sich anschließen, Herzogin, denn dort ist Einer, der, wenn er sich nicht anschließt, umkommt.«
»Ah, das ist mein Unerschütterlicher!« rief die Herzogin, »sieh doch! sieh doch!«
Coconnas hatte wirklich sein Glied verlassen, um sich Frau von Nevers zu nähern; aber in dem Augenblick, wo sein Pferd über das äußere Boulevard galoppirte, das die Straße von dem Faubourg Saint-Denis trennte, prallte ein Reiter von dem Gefolge des Herzogs von Alençon, der vergebens sein scheu gewordenes Roß zurückzuhalten suchte, mit vollem Leibe an Coconnas an. Erschüttert wankte Coconnas auf seinem kolossalen Thiere; sein Hut wollte ihm entfallen, er hielt ihn auf und wandte sich wüthend um.
»Gott!« sagte Margarethe, sich an das Ohr ihrer Freundin neigend, »Herr de La Mole!«
»Der schöne, bleiche, junge Mann?« rief die Herzogin, unfähig, den ersten Eindruck zu bemeistern.
»Ja, ja, derselbe, welcher Deinen Piemontesen beinahe niedergeworfen hätte.«
»Oh! da werden furchtbare Dinge vorgehen,« sprach die Herzogin, »sie schauen sich an, sie erkennen sich.«
Coconnas hatte, sich umwendend, wirklich das Gesicht von La Mole erkannt und vor Erstaunen den Zügel seines Pferdes fallen lassen, denn er glaubte seinen ehemaligen Gefährten getödtet oder wenigstens für eine gewisse Zeit kampfunfähig gemacht zu haben. La Mole erkannte Coconnas ebenfalls und fühlte, wie ihm das Feuer in das Gesicht stieg. Während einiger Secunden, welche zum Ausdrücke aller Gefühle genügten, die sich in diesen zwei Menschen regten, maßen sie sich mit einem Blicke, der die beiden Frauen schaudern machte. Dann schaute La Mole rings um sich her; er begriff ohne Zweifel, daß der Ort für eine Erklärung schlecht gewesen wäre, gab seinem Pferde die Sporen und ritt wieder zu dem Herzog von Alençon. Coconnas verharrte einen Augenblick fest auf seinem Platze, drehte seinen Schnurrbart, dessen Spitze er emporsteigen ließ, daß sie hätte ein Auge ausstechen können, und setzte sich sodann, als er sah, daß La Mole sich entfernte, ohne ein Wort zu ihm zu sprechen, selbst wieder in Marsch.
»Ah! ah!« sagte mit verächtlichem Schmerze Margarethe, »ich habe mich also nicht getäuscht. Oh! diesmal ist es zu stark.«
Und sie biß sich bis auf das Blut in die Lippen.
»Er ist sehr hübsch,« versetzte die Herzogin mitleidig.
Gerade in diesem Augenblick nahm der Herzog von Alençon wieder seinen Platz hinter dem König und der Königin Mutter ein, so daß seine Edelleute sich an ihn haltend vor Margarethe und der Herzogin von Nevers vorüberreiten mußten. Als La Mole vor den zwei Prinzessinnen vorbeikam, lüpfte er seinen Hut, begrüßte die Königin sich bis auf den Hals seines Pferdes verbeugend und blieb entblößten Hauptes, erwartend, Ihre Majestät würde ihn eines Blickes würdigen.
Aber Margarethe wandte stolz den Kopf ab.
La Mole las ohne Zweifel den Ausdruck der Verachtung, der aus dem Gesichte der Königin ausgeprägt war, und wurde leichenblaß. Er war, um nicht von seinem Pferde zu fallen, genöthigt, sich an der Mähne fest zu halten.
»Oh, oh,« sagte Henriette zur Königin, »schau ihn doch an, Du Grausame, ich glaube, es wird ihm übel.«
»Gut,« sagte die Königin mit einem verächtlichen Lächeln, »das würde uns noch fehlen. Hast Du Salze bei Dir?«
Frau von Nevers täuschte sich. Obwohl wankend, gewann La Mole doch wieder Kräfte und nahm, sich abermals auf seinem Pferde befestigend, seinen Platz wieder bei dem Gefolge des Herzogs von Alençon ein.
Der Zug rückte mittlerweile vorwärts. Man sah die düstere Silhouette des von Enguerrand von Marigny errichteten und eingeweihten Galgens. Nie war er so gut versehen gewesen, als zu die er Stunde.
Die Huissiers und die Garden marschirten voraus und bildeten einen weiten Kreis um den Zaun. Bei ihrer Annäherung flohen die auf dem Galgen sitzenden Raben mit einem Krächzen der Verzweiflung.
Der Galgen, welcher sich in Montfaucon erhob, bot gewöhnlich hinter seinen Säulen einen Zufluchtsort für Hunde, welche durch häufige Beute herbeigezogen wurden, und für philosophische Banditem die hier über die traurigen Wechselfälle des Glückes nachdachten.
An diesem Tage gab es in Montfaucon, wenigstens dem Anscheine nach, weder Hunde noch Banditen; die Huissiers und die Garden hatten die ersteren zugleich mit den Raben vertrieben, und die andern waren mit der Menge vermischt, um einige von den guten Streichen auszuführen, welche die lachenden Wechselfälle ihres Gewerbes bilden.
Der Zug rückte immer weiter vor. Der König und Catharina waren an der Spitze; dann kamen der Herzog von Anjou, der Herzog von Alençon, der König von Navarra und ihre Edelleute; hierauf Frau Margarethe, die Herzogin von Nevers und alle Frauen, welche die sogenannte fliegende Schwadron der Königin bildeten; und endlich die Pagen, die Stallmeister, die Bedienten und das Volk, im Ganzen zehntausend Menschen.
Am Hauptgalgen hing eine gestaltlose Masse, ein schwarzer Leichnam mit geronnenem Blut und Koth befleckt und weiß von neuen Staublagen. Dem Leichnam fehlte der Kopf und er war auch an den Füßen aufgehängt. Doch erfindungsreich, wie immer, hatte der Pöbel den Kopf, durch einen Strohwisch ersetzt, an welchem eine Maske befestigt war, und in den Mund dieser Maske hatte ein Spaßmacher, der die Gewohnheiten des Herrn Admirals kannte, einen Zahnstocher gesteckt.
Sie boten ein zugleich finsteres und bizarres Schauspiel, alle diese eleganten Herren, alle diese schönen Frauen, als sie wie eine Prozession, gemalt von Goya, vor diesen geschwärzten Skeletten, vor diesen Galgen mit den langen, fleischlosen Massen vorüberzogen. Je glänzender die Freude der Gäste war, einen desto schärferen Contrast bildete sie mit dem dumpfen Stillschweigen und der kalten Unempfindlichkeit dieser Leichname, welche als Gegenstände für Spottreden dienten, die selbst die Spötter schauern machten. Viele ertrugen nur mit großer Anstrengung dieses furchtbare Schauspiel, und man konnte an seiner Blässe unter der Gruppe den verspotteten Hugenotten Heinrich erkennen, der, wie groß auch seine Selbstbeherrschung war, wie ausgebreitet auch der Grad der Verstellung sein mochte, womit ihn der Himmel begabt hatte, diesen Anblick nicht auszuhalten vermochte. Er nahm den verpesteten Geruch zum Vorwand, den alle diese menschlichen Ueberreste verbreiteten, näherte sich Karl IX., der neben Catharina vor dem Leichnam des Admirals angehalten hatte, und sagte:
»Sire, findet Eure Majestät nicht, daß dieser arme Leichnam, um länger hier zu verweilen, gar zu übel riecht?«
»Du findest, Henriot!« sprach Karl IX., dessen Auge von wilder Freude funkelte.
»Ja, Sire.«
»Ich hin nicht Deiner Meinung, der Körper eines todten Feindes riecht immer gut!«
»Meiner Treue, Sire,« sprach Tavannes, »da Eure Majestät wußte, daß wir dem Admiral einen kleinen Besuch machen sollten, so hätte sie Pierre Ronsard, ihren Lehrer in der Dichtkunst, einladen sollen: er würde auf der Stelle die Grabschrift für den alten Gaspard gemacht haben.«
»Es bedarf hierzu seiner nicht,« versetzte Karl IX., »wir werden sie wohl selbst machen; z. B. hört, meine Herren,« sprach der König, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte.
Ci – gît – mais c’est mal entendu, —
Pour lui le mot est trop honnète,
Ici l’amiral est pendu
Par les pieds, à faute de tête.11
»Bravo, bravo!« riefen die katholischen Edelleute einstimmig, während die versammelten Hugenotten stillschweigend die Stirne runzelten.
Heinrich, der gerade mit Margarethe und Frau von Nevers plauderte, gab sich den Anschein, als hätte er nicht gehört.
»Gehen wir, gehen wir, mein Herr,« sagte Catharina, welche trotz der Parfums, mit denen sie sich bedeckt hatte, dieser Geruch zu beängstigen anfing, »geben wir, es gibt keine so gute Gesellschaft, die man nicht am Ende verläßt. Sagen wir dem Herrn Admiral Lebewohl und kehren wir nach Paris zurück.«
Sie machte mit dem Kopf eine ironische Geberde, wie wenn man von einem Freunde Abschied nimmt, stellte sich an die Spitze der Colonne und kehrte auf den Weg zurück, während der Zug vor dem Leichname von Coligny defilirte.
Die Sonne ging am Horizont unter.
Die Menge folgte den Schritten Ihrer Majestäten, um die Herrlichkeiten des Zuges und die Einzelheiten des Schauspiels bis zum Ende zu genießen. Die Diebe liefen der Menge nach, so daß zehn Minuten nach dem Abgange des Königs Niemand mehr in der Nähe des verstümmelten Leichnams war, den der erste Abendwind zu bestreifen anfing.
Wenn wir sagen Niemand, so täuschen wir uns. Ein auf einem Rappen reitender Edelmann, der ohne Zweifel in dem Augenblick, wo der geschwärzte, gestaltlose Rumpf mit der Gegenwart der Prinzen beehrt wurde, denselben nicht nach seiner Bequemlichkeit hatte betrachten können, war zurückgeblieben und ergötzte sich daran, prüfend alle Einzelheiten, Ketten, Klammern, steinerner Pfeile, den Galgen endlich anzuschauen, welcher ihm, dem vor einigen Tagen erst in Paris angekommenen und mit den Vervollkommnungen, welche eine Hauptstadt in allen Dingen herbeiführt, nicht Vertrauten, ohne Zweifel als das Musterbild dessen erschien, was der Mensch an furchtbar Häßlichem erfinden kann.
Es bedarf für unsere Leser kaum der Erwähnung, daß dieser Mann unser Freund Coconnas war. Ein geübtes Frauenauge hatte ihn vergebens in dem Reiterzug gesucht und alle Reihen durchforscht, ohne ihn wiederfinden zu können.
Herr von Coconnas war, wie gesagt, in Extase vor dem Werke von Enguerrand von Marigny.
Aber jene Frau war nicht die einzige Person, welche Herrn von Coconnas suchte. Ein Edelmann, bemerkbar durch sein Wamms von weißem Atlaß und seiner Zierlichen Feder, schaute, nachdem er vorwärts und auf beide Seiten gesehen hatte, nun auch rückwärts und erblickte die hohe Gestalt von Coconnas und die riesige Silhouette seines Pferdes, dessen Profil kräftig auf dem von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gerötheten Himmel hervortrat.
Der Edelmann in dem Wamms von weißem Atlas verließ nun den Weg, den die Gesamttruppe verfolgt hatte, schlug einen kleinen Fußpfad ein und kehrte, einen Kreis beschreibend, zu dem Galgen zurück.
Die Dame, in der wir die Herzogin von Nevers erkannt haben, wie wir in dem großen Edelmann auf dem Rappen Coconnas erkannten, näherte sich plötzlich Margarethe und sagte zu ihr:
»Wir haben uns Beide getäuscht, Margarethe, denn der Piemontese ist zurück geblieben und Herr de La Mole ist ihm gefolgt.«
»Mordi!« versetzte Margarethe lachend, »es wird also etwas vorgehen. Meiner Treue ich gestehe, es wäre mir nicht leid, wenn ich eine andere Ansicht von ihm bekäme.«
Margarethe wandte sich um und sah wirklich von Seiten von La Mole das von uns erwähnte Manoeuvre ausführen.
Es war nun an den zwei Prinzessinnen, den Zug zu verlassen. Hierzu zeigte sich eine sehr günstige Gelegenheit. Man wandte sich vor einem von breiten Hecken eingefaßten Fußpfade, welcher aufwärts stieg und auf dreißig Schritte an dem Galgen vorüberging. Frau von Nevers sagte ihrem Kapitän ein Wort in das Ohr. Margarethe machte Gillonne ein Zeichen, und die vier Personen schlugen diesen Querweg ein, um sich gleichsam hinter dem Gebüsche, zunächst bei dem Orte, wo die Scene vorfallen sollte, deren Zuschauer sie zu sein wünschten, in Hinterhalt zu legen. Es war, wie gesagt, ungefähr dreißig Schritte von dieser Stelle bis zu derjenigen, wo Coconnas ganz in Extase sich vor dem Herrn Admiral geberdete.
Margarethe, Frau von Nevers und Gillonne stiegen ab, der Kapitän that dasselbe und faßte in seine Hände die Zügel der vier Pferde. Ein frischer Rasen bot den den drei Frauen einen Sitz, wie ihn sich die Prinzessinnen oft vergebens wünschen.
Eine Lichtung gestattete ihnen, nicht den geringsten Umstand zu verlieren.
La Mole hatte seinen Kreis beschrieben, er ritt im Schritte hinter Coconnas, streckte seine Hand aus und schlug ihm auf die Schulter.
Der Piemontese wandte sich um.
»Oh!« sagte er, »es war also kein Traum, und Ihr lebt noch?«
»Ja, mein Herr,« antwortete La Mole, »ja, ich lebe noch, es ist nicht Euer Fehler, aber ich lebe im Ganzen.«
«Mordi! ich erkenne Euch wohl,« versetzte Coconnas, »trotz Eueres bleichen Aussehens Ihr waret röther, als wir uns das letzte Mal sahen.«
»Und ich,« sprach La Mole, »ich erkenne Euch auch, trotz der gelben Linie, die Euer Gesicht durchschneidet; Ihr waret bleicher, als jetzt da ich sie Euch machte.«
Coconnas biß sich in die Lippen, aber entschlossen, das Gespräch in ironischem Tone fortzusetzen, erwiederte er:
»Es ist interessant, nicht wahr, Herr de La Mole, besonders für einen Hugenotten, den Herrn Admiral so an einen eisernen Galgen aufgehängt sehen zu können; und dennoch sagt man, es gebe Leute, welche so weit geben, daß sie uns beschuldigen, wir hätten sogar die Hugenottchen an der Mutter Brust getödtet!«
»Graf,« sprach La Mole sich verbeugend, »ich bin nicht mehr Hugenott, ich habe die Ehre Katholik zu sein.«
»Oho!« rief Coconnas, in ein Gelächter ausbrechend, »Ihr seid belehrt mein Herr. Oh! wie geschickt ist das.«
»Mein Herr,« fuhr La Mole mit demselben Ernste und derselben Höflichkeit fort, »ich hatte ein Gelübde gethan, mich zu bekehren, wenn ich dem Tode entgehen werde.«
»Graf,« versetzte der Piemontese, »das ist ein sehr kluges Gelübde, und ich beglückwünsche Euch dazu; habt Ihr nicht noch andere gethan?«
»Ja wohl, mein Herr, ich habe ein zweites gethan,« antwortete La Mole mit vollkommener Ruhe sein Pferd streichelnd.
»Welches?«
»Das, Euch da oben, seht Ihr, an dem kleinen Nagel, der Euch gerade unter Herrn von Coligny zu erwarten scheint, aufzuhängen.«
»Wie?« sagte Coconnas, »so ganz lebendig, wie ich bin?«
»Nein, mein Herr, nachdem ich Euch vorher meinen Degen durch den Leib gerannt habe.«
Coconnas wurde purpurroth, seine klugen sprühten Flammen.
»Sprecht, an jenen Nagel,« sagte er höhnisch.
»Ja,« versetzte La Mole, »an jenen Nagel.«
»Dazu seid Ihr nicht groß genug,« mein kleiner Herr.
»Dann steige ich auf Euer Pferd, mein großer Todtschläger,« antwortete La Mole. »Ah! mein lieber Herr Annibal von Coconnas, Ihr glaubt, man könne ungestraft die Leute unter dem ehrenvollen und loyalen Vorwande ermorden, daß man zu Hundert gegen Einen ist! Es kommt ein Tag, wo der Mann seinen Mann wiederfindet, und mich dünkt, dieser Tag ist heute gekommen. Ich hätte große Lust, Euern garstigen Kopf mit einem Pistolenschusse zu zerschmettern; aber nein, ich würde schlecht zielen, denn meine Hand zittert noch von den Wunden, die Ihr mir verrätherischer Weise beigebracht habt.«
»Meinen garstigen Kopf,« brüllte Coconnas von seinem Pferde springend. »Rasch zu Boden, Herr Graf, und vom Leder gezogen.«
Und er nahm den Degen in die Hand.
»Ich glaube, Dein Hugenott hat »»garstiger Kopf«« gesagt,« flüsterte die Herzogin von Nevers Margarethe in das Ohr, »findest Du ihn häßlich?«
»Er ist reizend,« erwiederte Margarethe lachend, »und ich muß gestehen, daß die Wuth Herrn de La Mole ungerecht macht aber stille, schauen wir.«
La Mole war wirklich auch von seinem Pferde gestiegen, aber eben so langsam, als dies Coconnas rasch gethan hatte; er zog seinen Degen und nahm seine Stellung.
»Aje!« seufzte er, den Arm ausstreckend.
»Uf!« murmelte Coconnas, den seinigen dehnend, denn Beide waren, wie man sich erinnert, in der Schulter verwundet und litten bei einer zu schnellen Bewegung.
Ein schlecht bewältigtes Gelächter kam aus dem Gebüsche hervor. Die zwei Prinzessinnen konnten nicht völlig an sich halten, als sie die beiden Kämpen unter Grimassen sich das Schulterblatt reiben sahen. Dieses Gelächter drang bis zu den jungen Edelleuten welche nicht wußten, daß sie Zeugen hatten, und sich umwendend ihre Damen erblickten.
La Mole legte aus, fest wie ein Automate, und Coconnas kreuzte sein Schwert mit einem sehr vernehmlichen »Mordi!«
»Ah! sie gehen ganz einfach auf einander los und werden sich umbringen, wenn wir nicht Ruhe stiften. Genug des Scherzes. Holla! meine Herren, holla!«
»Laß, laß!« sagte Henriette, welche, da sie Coconnas im Kampfe gesehen hatte, in ihrem Innern hoffte, Coconnas werde mit La Mole so leichte Arbeit haben, wie er bei den zwei Neffen und dem Sohne von Mercandon gehabt hatte.
»Oh! sie sind in der That sehr schön so,« sprach Margarethe, »sieh, man sollte glauben, sie schnaubten Feuer.«
Der mit Spöttereien und Herausforderungen beginnende Kampf war schweigsam geworden, seitdem die zwei Kämpen ihre Schwerter gekreuzt hatten. Beide mißtrauten ihren Kräften, und der Eine wie der Andere war bei jeder zu lebhaften Bewegung genöthigt, ein ihm durch die alten Wunden entrissenes Beben des Schmerzen zurückzudrängen. La Mole rückte indessen mit kleinen, ruhigen Schritten, die Augen starr und glühend, den Mund halb geöffnet, die Zähne zusammengepreßt, gegen seinen Widersacher vor, während dieser, einen Meister in den Waffen in ihm erkennend, auch Schritt für Schritt zurückwich, aber doch wich. Beide gelangten so bis an den Rand des Grabens, auf dessen entgegengesetzter Seite sich die Zuschauer befanden. Hier, als wäre sein Zurückweichen eine einfache Berechnung gewesen, um sich seiner Dame zu nähern, blieb Coconnas stille stehen und führte bei einem etwas weiten Losmachen der Klinge seines Gegners mit Blitzesschnelligkeit einen geraden Stoß, und in demselben Augenblick trat auf dem weißen Atlaßwammse von La Mole ein rother Fleck hervor, der immer breiter wurde.
»Muth!« rief die Herzogin von Nevers.
»Armer La Mole!« rief Margarethe und stieß einen Schrei des Schmerzes aus.
La Mole hörte diesen Schrei, warf der Königin einen von den Blicken zu, welche tiefer in das Herz dringen, als die Spitze eines Schwertes, und fiel mit einer geschickten Finte, alle seine Kräfte zusammenraffend, aus.
Diesmal stießen die zwei Frauen nur einen Schrei aus. Die Degenspitze von La Mole war blutig hinter dem Rücken von Coconnas erschienen.
Es fiel indessen weder der Eine, noch der Andere; Beide blieben aufrecht und schauten sich mit offenem Munde an, denn Jeder fühlte, daß er bei der geringsten Bewegung, die er machen würde, das Gleichgewicht verlieren müßte. Endlich ließ sich der Piemontese, welcher gefährlicher verwundet als sein Gegner, wahrnahm, daß seine Kräfte mit dem Blute entschwanden, auf La Mole fallen und umfaßte ihn mit einem Arme, während er mit dem andern seinen Dolch zu ziehen suchte. La Mole aber machte noch einmal eine gewaltige Anstrengung, hob seine Hand auf und schlug mit seinem Degenknopfe mitten auf die Stirne von Coconnas, welcher betäubt von diesem Schlage niedersank, aber beim Fallen seinen Gegner nachzog, so daß Beide in den Graben rollten.
Margarethe und die Herzogin eilten, als sie sahen. daß sie sich, obgleich sterbend, den Garaus machen wollten, unterstützt von dem Kapitän der Garden herbei. Doch ehe sie zu ihnen gelangt waren, lösten sich die Hände, schlossen sich die Augen und jeder von den zwei Kämpfenden ließ das Eisen entschlüpfen, das er hielt, und streckte sich in einer letzten Convulsion starr aus.
Eine breite Blutwoge schäumte um sie her.
»Oh! braver, braver La Mole,« rief Margarethe, unfähig ihre Bewunderung länger in sich zu verschließen. »Oh! ich bitte Dich tausendmal um Vergebung wegen meines schlimmen Verdachtes.«
Und ihre Augen füllten sich mit Thränen.
»Ach! Ach!« murmelte die Herzogin, »muthiger Annibal!… Sagt, Madame, habt Ihr je zwei unerschrockenere Löwen gesehen!«
Und sie fing an zu weinen.
»Bei Gott, das waren gewaltige Stöße!« versetzte der Kapitän, bemüht, das strömende Blut zu stillen. »Holla!« rief er, »Ihr dort kommt geschwinde!«
Es erschien wirklich im Abendnebel ein Mensch, der auf einem roth angestrichenen Karren saß und ein altes Lied von einem blühenden Weißdornstrauche sang, woran ihn wohl das Wunder vom Cimetière des Innocens erinnert hatte.
»Holla! He!« wiederholte der Kapitän, »kommt doch, wenn man Euch ruft, seht Ihr nicht, daß diese edlen Herren der Hilfe bedürfen?«
Der Mann auf dem Karten, dessen zurückstoßendes Aeußere und rohes Gesicht einen seltsamen Contrast mit den sanften Tönen seines Gesanges bildeten, hielt sein Pferd an, stieg ab, beugte sich über die zwei Körper und sagte:
»Das sind schöne Wunden, aber ich mache noch bessere.«
»Wer seid Ihr denn?« fragte Margarethe unwillkührlich von einem gewissen Schrecken ergriffen, welchen zu überwinden sie nicht die Kraft besaß.
»Madame,« antwortete der Mensch, sich bis auf den Boden verbeugend, »ich bin Meister Caboche, Henker des Gerichtsbezirkes von Paris, und wollte an jenen Galgen Kameraden für den Herrn Admiral aufhängen.«
»Wohl! und ich bin die Königin von Navarra; werft Euere Leichname bei Seite, breitet die Schabracken unserer Pferde in dem Karren aus, und führt sachte hinter uns diese zwei Herren nach dem Louvre.«
Hier ruht – nein, das ist ein Mißverständnis —zu ehrbar ist das Wort für ihn,– man hat den Admiral hier an den Füßen aufgehängt,da es ihm an dem Kopfe fehlt.
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