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Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 16

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Coconnas und La Mole dachten, sie würden das Haus in Verzweiflung, die Wittwe in Trauer und die Dienstboten mit dem Flor um den Arm treffen; aber zu ihrem großen Erstaunen fanden sie das Haus in großer Thätigkeit, Madame La Hurière sehr glänzend und die Kellner lustiger als je.

»Oh! Ungetreue,« sprach La Mole, »sie wird sich wieder verheirathet haben!«

Dann sich an die neue Artemisia wendend, sagte er:

»Wir sind zwei Edelleute, die zu den Bekannten des Herrn La Hurière gehörten; wir haben hier zwei Pferde und zwei Felleisen gelassen, deren Zurückgabe wir verlangen.«

»Meine Herren-,« antwortete die Gebieterin des Hauses, nachdem sie ihre Erinnerungen zusammengesucht hatte, »da ich nicht die Ehre habe, Euch wiederzuerkennen, so werde ich, wenn Ihr es wünscht, meinen Mann kommen lassen. Gregor, rufe Deinen Herrn!«

Gregor ging von der ersten Küche, dem Pandämonium, in die zweite oder das Laboratorium, wo zu seinen Lebzeiten Meister La Hurière die Gerichte bereitete, die ihm seiner gelehrten Hände würdig erschienen.

»Der Teufel soll mich holen,« murmelte Coconnas, »es ist mir peinlich, dieses Haus so heiter zu sehen, während es so traurig sein sollte. Armer La Hurière!«

»Er wollte mich umbringen,« sprach La Mole, »aber ich verzeihe ihm von ganzem Herzen.«

La Mole hatte kaum diese Worte gesprochen, als auf der Schwelle ein Mensch erschien, der eine Casserole in der Hand hielt, in welcher er Zwiebeln, die er mit einem hölzernen Löffel umrührte, röthlichbraun machte.

La Mole und Coconnas stießen einen Schrei des Erstaunens aus.

Bei diesem Schrei hob der Mensch den Kopf empor, antwortete mit einem ähnlichen Schrei, ließ seine Casserole fallen und behielt nur den hölzernen Löffel in der Hand.

,»In nomine patris,« sagte der Mensch, seinen Löffel bewegend, wie er es mit einem Weihwedel gethan haben würde,et filii et spiritus sancti!«

»Meister La Hurière!« riefen gleichzeitig die zwei jungen Leute.

»Meine Herren von Coconnas und de La Mole!« sprach La Hurière.

»Ihr seid also nicht todt?« sagte Coconnas.

»Ihr lebt also noch?« fragte der Wirth.

»Ich habe Euch doch fallen sehen,« versetzte Coconnas.

»Ich habe den Lärm der Kugel gehört, welche Euch etwas, ich weiß nicht was, zerbrach. Ich ließ Euch, Blut durch die Nase, durch den Mund und sogar durch die Augen vergießend, in der Gosse liegen.«

»Alles dies ist wahr wie das Evangelium, Herr von Coconnas; aber das Geräusch, das Ihr hörtet, war das der Kugel, welche an meine Pickelhaube schlug, an der sie glücklicher Weise abprallte; doch der Schlag war darum nicht minder hart, und zum Beweise,« fügte La Hurière, seine Mütze abnehmend und seinen kahlen Kopf zeigend, bei, »seht, es ist mir kein Haar geblieben.«

Die zwei jungen Leute brachen in ein Gelächter aus, als sie diese groteske Erscheinung sahen.

»Ah! Ihr lacht,« sprach La Hurière etwas beruhigt, »Ihr kommt also nicht mit schlimmen Absichten?«

»Und Ihr, Meister La Hurière, Ihr seid also von Eurem kriegerischen Gelüste geheilt?«

»Meiner Treue, ja, meine Herren; und nun…«

»Und nun?«

»Nun habe ich das Gelübde gethan, kein anderes Feuer mehr zu sehen, als das meiner Küche.«

«Bravo!« sagte Coconnas, »das ist klug. Doch wir haben in Euern Ställen zwei Pferde und in Euern Zimmern zwei Felleisen gelassen,« fügte der Piemontese bei.

»Ah, Teufel!« versetzte der Wirth, sich hinter dem Ohre kratzend.

»Nun?«

»Zwei Pferde, sagt Ihr?«

»Ja, im Stalle.«

»Und zwei Felleisen?«

»Ja, im Zimmer.«

»Seht Ihr … Ihr habt mich für todt gehalten, nicht wahr?«

»Allerdings.«

»Ihr gebt zu, daß ich insofern Ihr Euch getäuscht habt, mich meinerseits ebenfalls täuschen konnte?«

»Indem Ihr uns auch für todt hieltet? Das, stand Euch vollkommen frei.«

»Ah, das ist es! … da Ihr ohne Hinterlassung eines Testamentes starbet, …« fuhr Meister La Hurière fort.

»Weiter?«

»So glaubte ich, ich habe Unrecht gehabt, ich sehe es jetzt ein …«

»Was glaubtet Ihr? Sprecht.«

»Ich glaubte, ich könnte Euch beerben.«

»Ah, ah!« riefen die zwei jungen Leute.

»Es freut mich darum nicht minder, daß Ihr noch lebt, meine Herren.«

»Somit habt Ihr also unsere Pferde verkauft?« sprach Coconnas.

»Ach!« seufzte La Hurière.

»Und unsere Felleisen?« fuhr La Mole fort.

»Oh! die Felleisen, nein! …« rief La Hurière, »nur das, was darin war.«

»Sage mir, La Mole,« versetzte Coconnas, »das ist ein frecher Schurke. Wenn wir ihm die Eingeweide ausnehmen würden?«

Diese Drohung schien eine große Wirkung auf Meister La Hurière hervorzubringen, denn er stammelte die Worte:

»Aber, meine Herren, es scheint mir, man kann eine Uebereinkunft treffen.«

»Höre,« sagte La Mole, »ich bin es, der sich am meisten über Dich zu beklagen hat.«

»Allerdings, mein Herr Graf, denn ich erinnere mich, daß ich in einem Anfalle von Wahnsinn die Kühnheit hatte, Euch zu bedrohen.«

»Ja, mit einer Kugel, die mir zwei Zoll über dem Kopfe hinging.«

»Ihr glaubt?«

»Ich weiß es gewiß.«

»Wenn Ihr Eurer Sache gewiß seid,« sprach La Hurière, mit unschuldiger Miene seine Casserole aufhebend, »so bin ich zu sehr Euer Diener, um Euch Lügen zu strafen.«

»Wohl,« sprach La Mole, »ich für meinen Theil fordere nichts.«

»Wie, mein gnädiger Herr?«

»Außer …«

»Aje! Aje!« rief La Hurière.

»Außer einem Mittagsbrote für mich und meine Freunde, so oft ich mich in Deinem Quartiere befinde.«

»Sonst nichts?« rief La Hurière entzückt, »ganz zu Euren Befehlen, mein gnädiger Herr.«

»Das ist also eine abgemachte Sache.«

»Mit größtem Vergnügen … Und Ihr, Herr von Coconnas?« fuhr der Wirth fort, »unterschreibt Ihr den Handel?«

»Ja, nur füge ich, wie mein Freund, eine kleine Bedingung bei.«

»Welche?«

»Daß Ihr Herrn de La Mole die fünfzig Thaler geht, die ich ihm schuldig bin und die ich Euch anvertraut habe.«

»Mir, Herr? Wann dies?«

»Eine Viertelstunde, ehe Ihr mein Pferd und mein Felleisen verkauftet.«

La Hurière machte ein Zeichen des Einverständnisses.

»Ah! ich begreife,« sagte er.

Und er ging an einen Schrank zu und zog, einen nach dem andern, fünfzig Thaler hervor, die er La Mole überbrachte.

»Gut,« sprach dieser, »setzt uns einen Eierkuchen vor. Diese fünfzig Thaler sind für Herrn Gregor.«

»Ah, meine gnädigen Herren!« rief La Hurière, »Ihr habt wahrhaft fürstliche Herzen und könnt im Leben wie im Tode auf mich zählen.«

»So macht uns den besten Eierkuchen,« sagte Coconnas, »und spart weder Butter noch Speck.«

Dann sich nach der Uhr umwendend, fügte er bei:

»Meiner Treue! Du hast Recht, La Mole, wir haben noch drei Stunden zu warten; es ist besser, wir bringen sie hier zu, als anderswo, um so mehr, als wir, wenn ich mich nicht täusche, hier auf halbem Wege zu dem Pont Saint-Michel sind.«

Die zwei jungen Leute setzten sich zu Tische, in demselben kleinen Zimmer, an demselben Platze, den sie an dem bekannten Abend des 24. August 1572 eingenommen, an welchem Coconnas La Mole den Vorschlag gemacht hatte, mit ihm um die erste Geliebte zu spielen, die sie haben würden.

Zur Ehre der Sittlichkeit der zwei jungen Männer müssen wir anführen, daß an diesem Abend weder der Eine noch der Andere den Gedanken hatte, seinem Gefährten einen ähnlichen Vorschlag zu machen.

XIX.
Die Wohnung von Meister René, dem Parfumeur der Königin Mutter

In der Zeit, in der die Geschichte vorfiel, welche wir unsern Lesern erzählten, gab es, um von einem Theile der Stadt zum andern zu gelangen, nur fünf, theils steinerne, theils hölzerne Brücken, und diese fünf Brücken mündeten nach der Cité aus. Es waren dies der Pont au Change, der Pont au Meunier, der Pont Notre-Dame, der Petit-Pont und der Pont Saint-Michel.

An andern Orten, wo die Circulation nothwendig war, hatte man Fähren, welche die Stelle der Brücken vertreten mußten.

Diese fünf Brücken waren mit Häusern besetzt, wie es noch heut zu Tage der Ponte Vecchio in Florenz ist.

Unter diesen fünf Brücken, von welchen jede ihre eigene Geschichte hat, werden wir uns hauptsächlich für den Augenblick mit dem Pont Saint-Michel beschäftigen.

Der Pont Saint-Michel war im Jahr 1373 von Stein erbaut worden. Trotz seiner scheinbaren Festigkeit, stürzte er theilweise in Folge eines Auftretens der Seine am 31. Januar 1408 ein. Im Jahre 1416 von Holz wieder aufgebaut, wurde er in der Nacht vom 16. December 1547 abermals von den Fluthen fortgerissen; 1550, d. h. zweiundzwanzig Jahre vor der Zeit, zu der wir gelangt sind, baute man ihn noch einmal von Holz auf, und er galt, obgleich er bereits der Reparaturen bedurft hatte, als ziemlich fest.

Mitten unter den Häusern, welche sich die Brücke entlang an einander reihten, dem Inselchen gegenüber, auf welchem die Tempelherren verbrannt worden waren, und worauf heut zu Tage die Ausfüllung des Pont Saint-Michel ruht, bemerkte man ein Haus mit hölzernen Feldern, auf welchem sich ein breites Dach, wie das Lied eines ungeheuern Auges, herabsenkte. An dem einzigen Fenster, das sich im ersten Stocke über einem Fenster und einer hermetisch verschlossenen Thüre des Erdgeschosses öffnete, schimmerte ein röthlicher Schein durch, der die Blicke der Vorübergehenden auf die breite, niedrige, blau angemalte Facade mit reichen vergoldeten Leisten zog. Eine Art von Fries, der das erste Stockwerk von dem Erdgeschosse trennte, zeigte eine Menge von Teufeln in den groteskesten Stellungen und ein breites, wie die Facade blau angemaltes Band dehnte sich zwischen dem Fries und dem Fenster des ersten Stockes mit folgender Inschrift aus:

RENÉ, FLORENTIN,
Parfumeur de la Reine Mère

Die Thüre dieser Bude war, wie gesagt, gut verriegelt, mehr aber noch, als durch seine Riegel, vor mächtigen Angriffen durch einen so furchtbaren Ruf seines Bewohners geschützt, daß diejenigen, welche an dieser Stelle über die Brücke kamen, hier beinahe immer einen Halbkreis beschrieben, der sie zu der andern Reihe der Häuser hinüber brachte, als hätten sie befürchtet, der Geruch seiner Parfums könnte durch die Mauern bis zu ihnen dringen.

Mehr noch: die Nachbarn rechts und links hatten sich ohne Zweifel befürchtend, sie könnten durch diese Nachbarschaft gefährdet werden, seitdem sich Meister René auf dem Pont-Neuf einquartiert, in der Stille einer nach dem andern aus ihren Wohnungen geschlichen, so daß die zwei an das Haus von René stoßenden Gebäude ganz verlassen und geschlossen geblieben waren. Trotz dieser Einsamkeit und Verlassenheit jedoch hatten die Vorübergehenden in später Nacht durch die geschlossenen Läden dieser leeren Häuser gewisse Lichtstrahlen hervorspringen sehen, und sie behaupteten auch, sie hätten ein Geräusch, dem von Klagen ähnlich, gehört, was zum Beweise diente, daß einige Wesen diese zwei Häuser besuchten, nur wußte man nicht, ob sie dieser Welt oder der andern angehörten.

Die Folge hiervon war, daß die Miethsleute der an die zwei verlassenen Häuser stoßenden Gebäude sich von Zeit zu Zeit fragten, ob es nicht klug von ihnen wäre, zu thun, wie ihre Nachbarn gethan hatten.

Diesem Vorrechte des Schreckens, das sich Meister René im Publikum verschafft hatte, verdankte er es ohne Zweifel, daß er allein Feuer nach der bestimmten Stunde behalten durfte. Weder Runde noch Wache wagte es, einen Menschen zu beunruhigen, der Ihrer Majestät in seiner Eigenschaft als Landsmann und als Parfumeur doppelt theuer war.

Da wir voraussehen, daß der Leser, gepanzert durch die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts, weder an Magie, noch an Magier glaubt, so laden wir ihn ein, mit uns in diese Wohnung zu treten, welche in jener Zeit des Aberglaubens einen so tiefen Schrecken um sich her verbreitete.

Die Bude des Erdgeschosses ist düster und öde von Abends acht Uhr an, wo sie geschlossen wird, um sich nicht mehr zu öffnen bis zu einer zuweilen sehr vorgerückten Stunde des andern Tages; hier findet der tägliche Verkauf von Parfumerien, von Salben, von kosmetischen Mitteln aller Art Statt, mit welchen der geschickte Chemiker Handel treibt. Zwei Lehrlinge unterstützen ihn bei diesem Detailverkauf, aber sie schlafen nicht im Hause, sondern in der Rue de la Calandre. Abends entfernen sie sich einen Augenblick ehe der Laden geschlossen wird. Morgens gehen sie vor der Thüre auf und ab, bis man die Bude wieder öffnet.

Diese Bude des Erdgeschosses ist also, wie gesagt, düster und öde.

Die ziemlich tiefe und breite Bude hat zwei Thüren; jede führt nach einer Treppe. Die eine von diesen Treppen geht in der Wand selbst hinauf; die andere ist eine äußere und sowohl von dem Quai, den man gegenwärtig den Quai des Augustins nennt, als von dem abschüssigen Ufer, heut zu Tage Quai des Orfevres genannt, sichtbar.

Alle beide führen in die Stube des ersten Stockes.

Diese Stube ist von derselben Größe, wie die des Erdgeschosses, nur theilt sie ein in der Richtung der Brücke ausgespannte Tapete in zwei Gelasse. Im Grunde des ersten öffnet sich die Thüre, welche nach der äußern Treppe geht; an der Seitenfläche des zweiten öffnet sich die Thüre der geheimen Treppe; diese Thüre wird jedoch durch einen hohen mit Schnitzwerk verzierten Schrank verborgen, der mittelst eiserner Klammern an sie befestigt ist und aufgestoßen wird, wenn man sie öffnet. Außer René weiß nur Catharina das Geheimniß dieser Thüre; auf diesem Wege kommt und geht sie; das Ohr oder das Auge an den Schrank gelegt, in welchem Löcher angebracht sind, hört und sieht sie, was in der Stube vorgeht.

Zwei andere vollkommen sichtbare Thüren sind an den Seiten des zweiten Gelasses vorhanden. Die eine öffnet sich nach einem kleinen vom Dache aus beleuchteten Zimmer; man erblickt darin kein anderes Geräthe, als einen großen Ofen, Retorten, Destillirkolben, Schmelztiegel: das ist das Laboratorium des Alchemisten. Die andere Thüre öffnet sich nach einer Zelle, welche noch bizarrer ist, als die übrige Wohnung, denn sie ist gar nicht beleuchtet, hat weder Tapeten noch Meubles, sondern nur eine Art von Betaltar. Der Boden besteht aus Platten, welche sich von dem Mittelpunkte nach den Enden zu neigen, und an dem Fuße der Wand hin läuft eine Rinne, die nach einem Trichter ausmündet, durch dessen Oeffnung man das düstere Wasser der Seine erblickt. In Nägeln, welche an der Wand befestigt sind, hängen insgesamt schneidende und spitzige Instrumente von seltsamer Form; die Spitze ist so fein, wie die einer Nabel, die Schneide ist so scharf, wie die eines Scheermessers; die einen glänzen wie Spiegel, die andern sind im Gegentheile mattgrau oder dunkelblau. In einer Ecke zappeln mit den Füßen an einander gebunden zwei schwarze Hühner: das ist das Allerheiligste des Augurs.

Kehren wir in die Mittelstube, in die Stube mit zwei Abtheilungen zurück.

Hier wird der gemeine Haufe der Neugierigen eingeführt; hier bieten die ägyptischen Ibise, die Mumien mit den vergoldeten Binden, das Krokodill mit dem aufgesperrten Rachen an der Decke, die Todtenköpfe mit den hohlen Augen und wackelnden Zähnen, die bestaubten, auf eine ehrwürdige Weise von den Ratten zernagten Folianten dem Auge des Eintretenden das Gemische, aus dem die verschiedenen Gemüthsbewegungen entspringen, welche den Geist hindern, seinen geraden Weg zu verfolgen. Hinter dem Vorhange sind Fiolen, Schachteln, Eimer von düsterem Anblick; Alles dies wird durch zwei kleine, völlig gleiche, silberne Lampen beleuchtet, welche von irgend einem Altar von Santa-Maria-Novella oder der Kirche Dei Servi von Florenz genommen zu sein scheinen und, ein wohlriechendes Oel brennend, ihre gelbliche Helle oben von dem dunkeln Gewölbe herabwerfen, an dem jede mittelst dreier geschwärzter Kettchen aufgehängt ist.

René ist allein und geht, die Arme gekreuzt, mit großen Schritten und den Kopf schüttelnd in dem zweiten Gelasse der Mittelstube auf und ab. Nach langem schmerzlichem Nachsinnen bleibt er vor einer Sanduhr stehen.

»Ah! ah! spricht er, »ich habe vergessen sie umzudrehen, und der Sand ist vielleicht seit langer Zeit abgelaufen.«

Dann den Mond betrachtend, der sich mit großer Mühe von einer Wolke losmacht, welche auf der Spitze des Glockenthurmes von Notre-Dame zu ruhen scheint, fügt er bei:

»Neun Uhr; kommt sie, so kommt sie wie gewöhnlich in einer oder anderthalb Stunden; die Zeit wird zu Allem zureichen.«

In diesem Augenblick hörte man ein Geräusch auf der Brücke. René hielt sein Ohr an die Mündung einer langen Röhre, deren anderes Ende sich nach der Straße in Form eines kupfernen Kopfes öffnete.

»Nein,« sagte er, »sie ist es nicht; es sind Männertritte, sie halten vor meiner Thüre an, sie kommen hierher.«

Zu gleicher Zeit erschollen drei dumpfe Schläge.

René stieg rasch hinab. Er legte jedoch nur sein Ohr an die Thüre, ohne noch zu öffnen.

Die drei dumpfen Schläge wiederholten sich.

»Wer ist da?« fragte Meister René.

»Ist es durchaus nothwendig, daß wir unsere Namen sagen?« fragte eine Stimme.

»Es ist unerläßlich,« antwortete René.

»Ich heiße Graf Annibal von Coconnas,« erwiederte dieselbe Stimme, welche bereits gesprochen hatte.

»Und ich bin der Graf Lerac de la Mole,« sagte eine andere Stimme, die sich jetzt erst hörbar machte.

»Wartet, wartet, meine Herren; ich bin zu Eueren Diensten.«

Zu gleicher Zeit zog René die Riegel zurück, nahm die Balken weg, öffnete den zwei jungen Leuten die Thüre und schloß diese nur wieder mit dem Schlüssel. Dann führte er sie über die äußere Treppe in das zweite Gelaß. La Mole machte, als er eintrat, das Zeichen des Kreuzes unter seinem Mantel. Er war bleich und seine Hand zitterte, ohne daß er seine Schwäche zu überwinden vermochte.

Coconnas schaute die Sachen eine nach der andern an, und da er mitten unter seiner Prüfung die Thüre der Zelle erblickte, wollte er sie öffnen.

»Erlaubt, mein gnädiger Herr,« sprach René mit seinem ernsten Tone, seine Hand auf die von Coconnas legend, »die Besuche, welche mir die Ehre erweisen, hier einzutreten, haben nur diesen Theil des Zimmers zu genießen.«

»Ah, das ist etwas Anderes,« versetzte Coconnas, »und überdieß fühle ich, daß ich mich setzen muß.«

Und er ließ sich auf einen Stuhl nieder.

Es herrschte einen Augenblick tiefes Stillschweigen. Meister René erwartete, daß der Eine oder der Andere von den zwei jungen Leuten sich erklären würde. Während dieser Zeit hörte man den pfeifenden Athem von Coconnas, der immer noch schlecht geheilt war.

«Meister René,« sprach dieser endlich, »Ihr seid ein geschickter Mann. Sagt mir, ob ich stets von meiner Wunde verkrüppelt bleiben, d. h. ob ich stets diesen kurzen Athem haben werde, der mich verhindert, zu Pferde zu steigen, zu fechten und Speckpfannekuchen zu essen.

René näherte sein Ohr der Brust von Coconnas und horchte aufmerksam auf das Spiel der Lungen.

»Nein, Herr Graf,« sagte er, »Ihr werdet genesen.«

»In der That?«

»Ich versichere Euch.«

»Ihr macht mir Freude.«

Es trat ein abermaliges Stillschweigen ein.

»Wünscht Ihr nicht noch etwas Anderes zu wissen, mein Herr Graf?«

»Allerdings,« erwiederte Coconnas, »ich wünsche zu wissen, ob ich wirklich verliebt bin.«

»Ihr seid es.«

»Woher wißt Ihr dieß?«

»Weil Ihr fragt.«

»Mordi! ich glaube, Ihr habt Recht. Aber in wen?«

»In diejenige, welche gegenwärtig bei jeder Gelegenheit den Schwur sagt, den Ihr gesagt habt.«

»In der That,« versetzte Coconnas erstaunt, »Ihr seid ein geschickter Mann, Meister René. Nun ist es an Dir, La Mole.«

La Mole erröthete und blieb verlegen.

»Ei, der Teufel! sprich doch!« rief Coconnas.

»Sprecht!« sagte der Florentiner.

»Ich, Herr René,« stammelte La Mole, dessen Stimme allmählich ruhig wurde, »ich will Euch nicht fragen, ob ich verliebt bin; ich weiß, daß ich es bin und verberge es mir nicht. Aber sagt mir, ob man mich lieben wird, denn in der That, Alles, was Anfangs einen Gegenstand der Hoffnung für mich bildete, dreht sich jetzt gegen mich.«

»Ihr habt vielleicht nicht Alles gethan, was zu diesem Behufe nothwendig ist.«

»Was hat man Anderes zu thun, mein Herr, als durch seine Achtung und Ergebenheit der Dame seiner Gedanken zu beweisen, daß sie wirklich und innig geliebt wird.«

»Ihr wißt,« entgegnete René, »das solche Kundgebungen zuweilen sehr unbedeutend sind.«

»Dann muß man verzweifeln?«

»Nein, man muß seine Zuflucht zur Wissenschaft nehmen. Es gibt in der menschlichen Natur Antipathien, welche man besiegen, Sympathien, die man erzwingen kann. Das Eisen ist nicht der Magnet; aber wenn man es magnetisirt, zieht es ebenfalls das Eisen an.«

»Allerdings, allerdings,« murmelte La Mole, »aber ich habe einen Widerwillen gegen alle solche Beschwörungen.«

»Ah! wenn Ihr einen Widerwillen habt,« versetzte René, »dann hättet Ihr nicht kommen sollen.«

»Stille doch, Freund!« rief Coconnas, »willst Du nun das Kind spielen? Herr René, könnt Ihr mich den Teufel sehen lassen?«

»Nein, mein Herr Graf.«

»Das thut mir leid, ich wollte ihm zwei Worte sagen, und das hätte vielleicht La Mole ermutigt.«

»Wohl, es sei,« sagte La Mole, »fassen wir die Frage frei und offen an. Man hat mir von Figuren gesprochen, welche dem geliebten Gegenstande ähnlich modelliert werden. Ist dies ein Mittel?«

»Ein unfehlbares.«

»Und kann nichts bei einem solchen Versuche dem Leben oder der Gesundheit der Person, welche man liebt, schaden?«

»Nichts.«

»Versuchen wir es.«

»Soll ich anfangen?« sagte Coconnas.

»Nein,« versetzte La Mole, »da ich mich einmal in die Sache eingelassen habe, so will ich sie auch bis zu Ende führen.«

»Wünscht Ihr, glühend, gebieterisch, zu wissen, woran Ihr Euch zu halten habt, Herr de La Mole?« fragte der Florentiner.

»Oh!« rief La Mole, »es bringt mir den Tod, Meister René!«

In demselben Augenblick klopfte man leise an die Hausthüre, so leise, daß Meister René allein das Geräusch vernahm, und dieser wohl nur, weil er es erwartete.

Er näherte, ohne daß es absichtlich zu geschehen schien und zugleich einige müßige Fragen an La Mole richtend, sein Ohr der Röhre und vernahm einige Stimmtöne, die ihn zu fesseln schienen.

»Faßt nun Euer Verlangen zusammen,« sprach er, »und nennt den geliebten Gegenstand.«

La Mole kniete nieder, als ob er zu einer Gottheit gesprochen hätte, und René ging durch das erste Gelaß und schlüpfte geräuschlos auf die äußere Treppe. Einen Augenblick nachher streiften leichte Tritte den Boden der Bude.

La Mole sah, als er wieder aufstand, Meister René vor sich. Der Florentiner hielt in seiner Hand eine kleine Figurine von Wachs von ziemlich mittelmäßiger Arbeit.

»Ihr wollt immer noch von der königlichen Gebieterin Eures Herzens geliebt werden?« fragte der Parfumeur.

»Ja, und sollte es mich mein Leben kosten und sollte ich meine Seele dabei verlieren,« antwortete La Mole.

»Es ist gut,« sagte der Florentiner, nahm mit dem Ende seiner Finger ein paar Tropfen Wasser aus einem Gefäße und schüttelte sie, einige lateinische Worte sprechend, auf das Haupt der Figurine.

La Mole bebte; er begriff, daß eine Ruchlosigkeit vorging.

»Was macht Ihr?« fragte er.

»Ich taufe diese kleine Figur mit dem Namen der Person, die Ihr liebt.«

»In welcher Absicht?«

»Um die Sympathie zu gründen.«

La Mole öffnete den Mund und wollte ihn verhindern, weiter zu gehen; aber ein spöttischer Blick von Coconnas hielt ihn zurück.

René, der die Bewegung gesehen hatte, wartete.

»Es bedarf des vollen Willens,« sagte er.

»Macht fort,« erwiederte La Mole.

René zog auf einem kleinen rothen Papierstreifen einige kabalistische Charaktere, schob sie durch eine stählerne Nabel und stach mit dieser Nabel der Statuette in das Herz.

Seltsamer Weise erschien an der Oeffnung der Wunde ein Tröpfchen Blut. Dann zündete er das Papier an.

Die Wärme der Nadel machte das Wachs um diese her schmelzen und trocknete das Tröpfchen Blut.

»So wird durch die Kraft der Sympathie Eure Liebe das Herz der Frau, die Ihr liebt, durchdringen und in Flammen setzen.«

Coconnas lachte als starker Geist in seinen Schnurrbart und spottete ganz leise.

La Mole jedoch fühlte, liebend und abergläubisch, wie er war, einen eisigen Schweiß an der Wurzel seiner Haare perlen.

»Und nun,« sagte René, »und nun drückt Eure Lippen auf die der Statuette und sprecht dabei:

»»Margarethe, ich liebe Dich, komm Margarethe, komm’!««

In diesem Augenblicke hörte man die Thüre des zweiten Zimmers öffnen, und es näherten sich leichte Schritte.

Neugierig und ungläubig zog Coconnas seinen Dolch, und befürchtend, wenn er es versuchen würde, die Tapete aufzuheben, könnte ihm René dieselbe Bemerkung machen, die er ihm gemacht, als er hatte die Thüre öffnen wollen, schlitzte er mit dem Dolche die dicke Tapete und stieß, da er sein Auge an die Oeffnung gelegt hatte, einen Schrei des Erstaunens aus, den zwei Frauenschreie erwiederten.

»Was gibt es denn?« fragte La Mole, nahe daran, die Wachsfigurine fallen zu lassen, welche René nun wieder aus seinen Händen nahm.

»Die Herzogin von Nevers und Frau Margarethe sind da,« antwortete Coconnas.

»Nun wohl, Ihr Ungläubigen,« sprach René mit einem strengen Lächeln, »zweifelt Ihr immer noch an der Macht der Sympathie?«

La Mole blieb versteinert, als er seine Königin erblickte. Coconnas hatte einen Augenblick der Verblendung, da er Frau von Nevers erkannte. Der Eine bildete sich ein, die Zauberkünste von Meister René hätten das Phantom von Margarethe hervorgerufen; der Andere, als er die Thüre halb geöffnet sah, durch welche die reizenden Phantome eingetreten waren, hatte bald die Erklärung dieses Wunders in der gewöhnlichen materiellen Welt gefunden.

Während La Mole sich bekreuzte und seufzte, daß die Steine sich hätten erbarmen mögen, sah Coconnas, der alle Zeit gehabt hatte, philosophische Fragen an sich zu stellen und den bösen Geist mit Hilfe des Weihwedels zu vertreiben, den man die Ungläubigkeit nennt, als er durch die Oeffnung des verschlossenen Vorhanges das Erstaunen von Frau von Nevers und das etwas kaustische Lächeln von Margarethe wahrnahm, sah Coconnas, sagen wir, daß der Augenblick entscheidend war, und da er begriff, daß man für einen Freund sprechen kann, was man nicht für sich selbst zu sprechen wagt, ging er, statt sich an Frau von Nevers zu wenden, gerade auf Margarethe zu, setzte ein Kniee auf die Erde, auf die Art wie bei den Marktparaden der große Ataxerxes dargestellt wird, und rief mit einer Stimme, der das Pfeifen seiner Wunde einen ganz besonderen Ausdruck verlieh:

»Madame, in diesem Augenblick hat Meister René auf die Bitte meines Freundes des Grafen de La Mole, Euren Schatten beschworen. Zu meinem großen Erstaunen ist aber nun Euer Schatten begleitet von einem Körper erschienen, der mir sehr theuer ist und den ich meinem Freunde empfehle. Schatten Ihrer Majestät der Königin von Navarra, wollt die Gnade haben, dem Körper Eurer Gefährtin zu befehlen, auf die andere Seite des Vorhanges zu treten.«

Margarethe lachte und gab Henriette ein Zeichen, worauf diese auf die andere Seite ging.

»La Mole, mein Freund,« sagte Coconnas, »sei beredt wie Demosthenes, wie Cicero, und bedenke, daß es um mein Leben geht, wenn Du den Schatten der Frau Herzogin von Nevers nicht überzeugst, daß ich sein ergebenster, sein gehorsamster, sein treuester Diener bin.«

»Aber?« stammelte La Mole.

»Thue, was ich Dir sage, und Ihr, Meister René, wacht, daß uns Niemand stört.«

René that, was Coconnas von ihm verlangte.

»Mordi! mein Herr,« rief Margarethe, »Ihr seid ein Mann von Geist. Ich höre, sprecht, was habt Ihr mir zu sagen?«

»Ich habe Euch zu sagen, Madame, daß der Schatten meines Freundes, denn es ist ein Schatten, dies beweist, daß er nicht das kleinste Wörtchen von sich gibt, ich habe Euch zu sagen, daß dieser Schatten mich anfleht. von der Fähigkeit Gebrauch zu machen, von der Fähigkeit, welche die Körper besitzen, von der Fähigkeit, verständlich zu sprechen, und Euch zu sagen:

»»Schöner Schatten, der auf diese Art entkörperte Edelmann hat seinen ganzen Leib und seinen Athem durch die Strenge Eurer Augen verloren. Wäret Ihr Ihr selbst, so würde ich Meister René bitten, mich eher in einen Schwefelpfuhl zu stürzen, als daß ich eine solche Sprache gegen die Tochter von König Heinrich II., die Schwester von König Karl IX. und die Gemahlin des Königs von Navarra führte. Aber die Schatten sind frei von allem irdischen Stolze und ärgern sich nicht, wenn man sie liebt. Bittet nun Euern Körper, Madame, die Seele des armen La Mole ein wenig zu lieben, eine Seele in Noth und Pein, wenn es je eine solche gab, eine Seele Anfangs von der Freundschaft verfolgt, die ihr wiederholt mehrere Zoll Eisen in den Leib gestoßen hat, eine Seele, verbrannt durch das Feuer Eurer Augen, ein Feuer, das tausendmal verzehrender wirkt, als alle Feuer der Hölle. Habt also Mitleid mit dieser armen Seele. Liebt ein wenig das, was der schöne La Mole war, und habt Ihr kein Wort mehr, so bedient Euch der Geberde des Lächelns. Es ist eine sehr verständige Seele, die meines Freundes, und sie wird Alles begreifen. Laßt Euch herbei, Mordi! oder ich stoße meinen Degen durch den Leib von René, daß er kraft der Gewalt, die er über die Schatten besitzt, den Eurigen, den er bereits so geschickt beschworen hat, nöthigt, Dinge zu thun, die sich nicht ganz für einen so anständigen Schatten geziemen, wie Ihr mir einer zu sein scheint.«

Bei dieser Rede von Coconnas, der sich vor der Königin wie Aeneas aufgepflanzt hatte, als er in die Hölle hinabstieg, konnte sich Margarethe eines Gelächters nicht enthalten; sie schwieg jedoch, wie sich dies unter solchen Umständen für einen königlichen Schatten geziemt, und reichte Coconnas die Hand.

Dieser nahm sie zart in die seinige und rief La Mole mit den Worten:

»Schatten meines Freundes, komm’ sogleich hierher.«

La Mole gehorchte ganz erstaunt und zitternd.

»Es ist gut,« sagte Coconnas und faßte ihn hinten am Kopfe, »nähere nun den Dunst Deines schönen braunen Gesichtes dieser weißen duftigen Hand.«

Und die Geberde mit den Worten verbindend, vereinigte Coconnas diese zarte Hand mit dem Munde von La Mole und hielt sie einen Augenblick ehrfurchtsvoll an einander, ohne daß sich die Hand von dem zarten Drucke loszumachen suchte.

Margarethe hatte unablässig gelächelt; aber Frau von Nevers lächelte nicht, sie zitterte immer noch wegen der unerwarteten Erscheinung der beiden Edelleute. Sie fühlte, wie sich ihre ganze Unbehaglichkeit mit dem Fieber einer entstehenden Eifersucht vermehrte, denn es kam ihr vor, als hätte Coconnas seine Angelegenheiten nicht über denen von Andern vergessen sollen.

La Mole sah das Zusammenziehen ihrer Augenbrauen, gewahrte den drohenden Blitz ihrer Augen, und trotz der berauschenden Unruhe, die ihn bei der Wollust des Momentes erfaßte, begriff er die Gefahr, welche sein Freund lief, und errieth, was er zu versuchen hatte, um ihn derselben zu entreißen.

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