Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 18
Heinrich und Charlotte schauten sich unruhig an. Heinrich wollte sich in das Betzimmer zurückziehen, in welchem er schon mehr als ein Mal eine Zufluchtsstätte gefunden hatte, als Dariole wieder erschien.
»Madame,« sagte sie, »es ist Meister René der Parfumeur.«
Bei diesem Namen runzelte Heinrich die Stirne und kniff sich unwillkührlich die Lippen.
»Soll ich ihn abweisen lassen?« fragte Charlotte.
»Nein,« erwiederte Heinrich, »Meister René thut nichts, ohne zuvor überlegt zu haben, was er thut. Kommt er zu Euch, so hat er hierzu seine Gründe.«
»Wollt Ihr Euch verbergen?«
»Ich werde mich wohl hüten. Meister René weiß Alles, und Meister René weiß auch, daß ich hier bin.«
»Aber ist Euerer Majestät nicht aus irgend einem Grunde seine Gegenwart schmerzlich?«
»Mir?« sprach Heinrich, mit einer Anstrengung, die er trotz seiner Selbstbeherrschung nicht ganz verbergen konnte, »mir, ganz und gar nicht. Wir standen kalt mit einander, aber seit dem Sankt-Bartholomäus-Abend haben wir uns ausgesöhnt.«
»Laß ihn eintreten,« sagte Frau von Sauves zu Dariole.
Einen Augenblick nachher erschien René und umfaßte mit einem Male das ganze Zimmer.
Frau von Sauves war immer noch vor ihrer Toilette.
Heinrich hatte seinen Platz wieder auf dem Ruhebette genommen.
Charlotte befand sich im Licht, Heinrich im Schatten.
»Madame,« sprach René mit einer achtungsvollen Vertraulichkeit, »ich komme, um mich bei Euch zu entschuldigen.«
»Worüber, René?« fragte Frau von Sauves mit der Herablassung, welche schöne Frauen stets für diese Welt von Lieferanten haben, die sie umgibt und dazu dient, sie noch hübscher zu machen.
»Darüber, daß ich Euch seit so langer Zeit versprochen hatte, für diese schönen Lippen zu arbeiten, und daß ich …«
»Und daß Ihr Euer Versprechen erst heute gehalten habt,« sprach Charlotte.
»Erst heute!« wiederholte René.
»Ja, erst heute und zwar diesen Abend habe ich die Kapsel erhalten, die Ihr mir überschicktet.«
»Ah, in der That,« versetzte René mit einem seltsamen Ausdrucke die kleine Opiatkapsel anschauend, die auf dem Tische von Frau von Sauves stand und in allen Punkten denjenigen ähnlich war, die er in seinem Magazin hatte.
»Ich hatte es errathen,« murmelte er. »Und Ihr habt Euch des Opiats bedient?
»Nein, noch nicht, ich wollte es versuchen, als Ihr eintratet.«
Das Gesicht von René nahm einen träumerischen Ausdruck an, der Heinrich nicht entging, … es entgingen ihm überhaupt nur sehr wenige Dinge.
»Nun, René, was habt Ihr denn?« fragte der König.
»Ich? nichts, Sire,« antwortete der Parfumeur. »Ich warte in Demuth, bis Euere Majestät das Wort an mich richtet, ehe ich von der Frau Baronin Abschied nehme.«
»Ei, stille doch,« sagte Heinrich lächelnd, »bedürft Ihr meiner Worte, um zu wissen, daß ich Euch mit Vergnügen sehe?«
René schaute um sich her, machte einen Gang durch das Zimmer, als wollte er mit dem Auge und mit dem Ohre die Thüren, die Vorhänge und Tapeten sondieren, stellte sich dann so, daß er mit einem Blicke Frau von Sauves und Heinrich überschaute und erwiederte:
»Ich weiß es nicht.«
Durch den wunderbaren Instinkt, der ihn wie ein sechster Sinn während des ganzen ersten Theiles seines Lebens mitten unter den Gefahren, von denen er umgeben war, leitete, aufmerksam gemacht, daß in diesem Augenblick etwas Sonderbares vorging, was einem inneren Kampfe des Parfumeur glich, wandte sich Heinrich gegen diesen um und sagte zu ihm, immer noch im Schatten verweilend, während das Gesicht des Florentiners völlig im Lichte war:
»Ihr zu dieser Stunde hier, René?«
»Sollte ich so unglücklich sein, Eure Majestät zu belästigen?« erwiederte der Parfumeur und machte einen Schritt rückwärts.
»Nein; ich wünsche nur Eines zu wissen.«
»Was, Sire?«
»Hofftet Ihr mich hier zu treffen?«
»Ich wußte es gewiß.«
»Ihr suchtet mich also?«
»Ich bin wenigstens glücklich, Euch zu finden.«
»Ihr habt mir etwas zu sagen?«
»Vielleicht, Sire,« antwortete René.
Charlotte erröthete, denn sie hatte bange, diese Offenbarung, welche der Parfumeur machen zu wollen schien, könnte sich auf ihr früheres Benehmen gegen Heinrich beziehen. Sie stellte sich daher, als ob sie nichts gehört hätte, und rief, das Gespräch unterbrechend und die Opiatkapsel öffnend:
»Ah, in der That René, Ihr seid ein vortrefflicher Mann; dieser Teig hat eine wundervolle Farbe, und um Euch Ehre zu machen, will ich in Eurer Gegenwart Euer neues Produkt versuchen.
Und sie nahm die Kapsel mit einer Hand, während sie mit der Fingerspitze der andern über den rosigen Teig hinstrich, der von dem Finger an ihre Lippen übergehen sollte.
René bebte.
Die Baronin näherte lächelnd das Opiat ihrem Munde.
René erbleichte.
Heinrich, immer noch im Schatten, aber die Augen starr und glühend, verlor, weder eine Bewegung der Einen, noch ein Beben des Andern.
Die Hand von Charlotte hatte nur noch einige Linien zu durchlaufen, um ihre Lippen zu berühren als René sie in demselben Augenblick beim Arm ergriff, in welchem Heinrich aufstand, um dies ebenfalls zu thun.
Heinrich sank geräuschlos auf sein Ruhebett zurück.
»Einen Augenblick, Madame,« sprach René mit einem gezwungenen Lächeln, »Ihr solltet dieses Opiat nicht ohne einige besondere Vorschriften anwenden.«
»Wer wird mir diese besonderen Vorschriften geben.«
»Ich.«
»Wann dieß?«
«Sobald ich mit dem zu Ende bin, was ich Seiner Majestät dem König von Navarra zu sagen habe.«
Charlotte machte große Augen. Sie begriff nichts von der geheimnisvollen Sprache, welche um sie her gesprochen wurde, und verharrte, die Opiatkapsel in einer Hand haltend und das Ende ihres durch den karminfarbigen Teig gerötheten Fingers betrachtend.
Heinrich stand auf und nahm, bewogen durch einen Gedanken, der wie alle die des jungen Königs zwei Seiten hatte, eine, welche oberflächlich zu sein schien, eine andere, welche tief war, er nahm, sagen wir, die Hand von Charlotte und machte, so geröthet sie auch war, eine Bewegung, um sie an seine Lippen zu führen.
»Einen Augenblick,« sprach René lebhaft, »einen Augenblick; habt die Güte, Madame, Eure Hände mit dieser neapolitanischen Seife zu waschen, die ich Euch zugleich mit dem Opiat zu schicken vergaß und Euch selbst zu überbringen die, Ehre habe.«
Und er zog aus einer silbernen Umhüllung ein Täfelchen Seife von grünlicher Farbe hervor, legte es in ein Becken von Vermeil, goß Wasser dazu und überreichte ein Knie auf der Erde, das Ganze Frau von Sauve.
»In der That, Meister René, ich erkenne Euch nicht mehr,« sprach Heinrich, »Ihr seid von einer Galanterie, durch die Ihr alle Stutzer des Hofes hinter Euch laßt.«
»Oh, was für ein köstlicher Geruch!« rief Charlotte, während sie ihre schönen Hände mit dem weißen Schaume rieb, der sich von dem balsamischen Täfelchen löste.
René erfüllte seine Funktionen als dienender Cavalier bis zum Ende, und reichte Frau von Sauves eine Serviette von feiner Leinwand, womit sie sich die Hände abtrocknete.
»Und nun,« sprach der Florentiner zu Heinrich, »nun thut nach Eurem Belieben, Sire.«
Charlotte reichte ihre Hand Heinrich, der sie küßte, und während Charlotte sich halb auf ihrem Sitze umwandte, um zu hören, was René sagen würde, nahm der König von Navarra seinen Platz wieder ein, mehr als je überzeugt, daß in dem Geiste des Florentiners etwas Außerordentliches vorging.
»Nun?« fragte Charlotte.
Der Florentiner schien seine ganze Entschlossenheit zusammenzufassen und wandte sich gegen Heinrich.
Fünftes bis achtes Bändchen
I.
Sire, Ihr werdet König sein
Sire,« sprach René zu Heinrich, »ich komme, um mit Euch über eine Sache zu sprechen, die mich seit geraumer Zeit beschäftigt.«
»Ueber Parfumerien?« versetzte Heinrich lächelnd
»Nun wohl, ja, Sire … über Parfumerien, Sire …« antwortete René mit einem sonderbaren Zeichen der Einstimmung.
»Sprecht, ich höre, es ist dies ein Gegenstand, für den ich mich stets ungemein interessirt habe.«
René schaute Heinrich an und versuchte es trotz seiner Worte in diesem undurchdringlichen Geiste zu lesen; als er aber sah, daß es völlig vergeblich war, fuhr er fort:
»Einer meiner Freunde, Sire, kommt von Florenz an; dieser Freund beschäftigt sich viel mit Astrologie.«
»Ja,« unterbrach ihn Heinrich, »ich weiß, das ist eine Leidenschaft der Florentiner.«
»Er hat in Gesellschaft der ersten Gelehrten der Welt die Horoskope der vornehmsten Herren Europas gezogen.«
»Oh, oh!« rief Heinrich.
»Und da das Haus Bourbon an der Spitze der höchsten Häuser steht, insofern es von dem Grafen von Clermont, dem fünften Sohne des heiligen Ludwig, abstammt, so kann sich Euere Majestät wohl denken, daß das Ihrige nicht vergessen worden ist.«
Heinrich hörte noch aufmerksamer.
»Und Ihr erinnert Euch dieses Horoskops?« fragte der König von Navarra mit einem Lächeln, das er gleichgültig zu machen suchte.
»Oh!« versetzte René den Kopf schüttelnd, »Euer Horoskop gehört nicht zu denjenigen, welche man vergißt.«
»In der That!« rief Heinrich mit einer ironischen Geberde.
»Ja, Sire, Eure Majestät ist nach den Ausdrücken des Horoskops zu dem glänzendsten Geschicke berufen.«
Das Auge des jungen Fürsten schoß einen unwillkürlichen Blitz, der beinahe eben so schnell wieder in einer Wolke der Gleichgültigkeit erlosch.
»Alle diese italienischen Orakel sind Schmeichler,« sprach Heinrich, »und wer sagt Schmeichler, sagt auch Lügner. Gibt es nicht solche Orakel, welche mir prophezeiten, ich würde Heere befehligen?«
Und er brach in ein Gelächter aus. Aber ein minder mit sich selbst beschäftigter Beobachter, als es René in diesem Augenblicke war, hätte die Anstrengung dieses Lachens gesehen und erkannt.
»Sire,« sagte René kalt, »das Horoskop kündigt noch etwas Besseres an, als dies.«
»Kündigt es etwa an, daß ich an der Spitze von einem dieser Heere Schlachten gewinnen werde?«
»Noch etwas Besseres, Sire.«
»Sprecht,« sagte Heinrich, »am Ende werde ich noch ein Eroberer seyn?’
»Sire, Ihr werdet König seyn.«
»Ei, Ventre-saint-gris!« rief Heinrich, ein heftiges Schlagen seines Herzens zurückdrängend, »bin ich's denn noch nicht?«
»Sire, mein Freund weiß, was er verspricht: Ihr werdet nicht nur König seyn, sondern auch regieren.«
»Ah!« versetzte Heinrich mit seinem spöttischen Tone, »dann braucht Euer Freund zehntausend Goldthaler, nicht wahr, René? denn eine solche Prophezeiung ist in gegenwärtigen Zeitläuften für den Ehrgeiz sehr willkommen. Hört, René, da ich nicht reich bin, so gebe ich Eurem Freunde fünf sogleich und fünf weitere, wenn sich die Prophezeiung verwirklicht hat.«
»Sire,« sprach Frau von Sauves, »vergeßt nicht, daß Ihr Euch bereits gegen Dariole verpflichtet habt, und überlastet Euch nicht mit Versprechungen.«
»Madame,« versetzte Heinrich, »ist der Augenblick gekommen, so wird man mich hoffentlich als König behandeln, und jeder wird sehr zufrieden seyn, wenn ich die Hälfte von dem halte, was ich versprochen habe.«
»Sire,« sprach René, »ich fahre fort.«
»Oh, das ist noch nicht Alles!« rief Heinrich, »wenn ich Kaiser bin, gebe ich das Doppelte.«
»Sire, mein Freund kommt also von Florenz mit diesem Horoskop zurück, findet, dasselbe erneuernd, stets dieselben Resultate und vertraut mir ein Geheimniß an.«
»Ein Geheimniß, das Seine Majestät interessirt?« fragte Charlotte lebhaft.
»Ich glaube,« erwiederte der Florentiner.
»Er sucht seine Worte,« dachte Heinrich, ohne René zu unterstützen, »es scheint, die Sache ist schwer zu sagen?«
»Dann sprecht,« versetzte die Baronin von Sauve, »um was handelt es sich?«
»Es handelt sich,« antwortete der Florentiner, alle seine Worte eines nach dem andern abwägend, »es handelt sich um die verschiedenen Vergiftungsgerüchte, welche seit einiger Zeit am Hofe im Umlaufe gewesen sind.«
Eine leichte Ausdehnung der Nasenflügel des Königs von Navarra war die einzige Andeutung seiner wachsenden Aufmerksamkeit bei dieser raschen Wendung, welche das Gespräch nahm.
»Und Euer Freund, der Florentiner?« fragte Heinrich, »hat er genauere Kunde über diese Vergiftung?«
»Ja, Sire.«
»Wie könnt Ihr mir ein Geheimniß anvertrauen, das nicht das Eurige ist, René, besonders ein Geheimniß von so großer Wichtigkeit?« sagte Heinrich in dem natürlichsten Tone, den er anzunehmen vermochte.
»Dieser Freund hat Euere Majestät um einen Rath zu bitten?«
»Mich?«
»Was ist dabei zu staunen, Sire? Erinnert Euch des alten Soldaten von Actium, der, als er einen Prozeß hatte, Augustus um Rath fragte.«
»Augustus war ein Advokat, René, und ich bin es nicht.«
»Sire, als mein Freund mir sein Geheimniß anvertraute, gehörte Euere Majestät noch zu der calvinistischen Partei, deren erstes Haupt Ihr waret, während man Herrn von Condé als das zweite betrachtete.«
»Nun, und hernach?« sagte Heinrich.
»Dieser Freund hoffte, Ihr würdet Euren allmächtigen Einfluß aus den Herrn Prinzen von Condé anwenden und ihn bitten, ihm nicht feindlich zu seyn.«
»Erklärt mir das, René, wenn ich es verstehen soll,« sprach Heinrich ohne die geringste Veränderung in seinen Zügen oder in seiner Stimme kundzugeben.
»Sire, Eure Majestät wird es beim ersten Worte verstehen. Dieser Freund weiß alle Einzelheiten des an Monseigneur dem Prinzen von Condé verübten Vergiftungsversuches.«
»Ah, man hat den Prinzen von Condé zu vergiften versucht?« sagte Heinrich mit einem vortrefflich gespielten Erstaunen, »wirklich, und wann dies?«
René schaute den König fest an, und erwiederte nur die Worte:
»Vor acht Tagen, Majestät.«
»Irgend ein Feind?« fragte der König.
»Ja,« antwortete René, »ein Feind, den Eure Majestät kennt, und der Eure Majestät kennt.«
»In der That,« sprach Heinrich, »ich glaube davon gehört zu haben, aber ich kenne die einzelnen Umstände nicht, die mir Euer Freund enthüllen will, wie er sagt.«
»Nun wohl, es wurde dem Prinzen von Condé ein wohlriechender Apfel überreicht; zum Glücke befand sich aber sein Arzt bei ihm als man ihn brachte. Er nahm ihn aus den Händen des Boten und roch daran, um den Geruch und die Wirkung desselben zu versuchen. Zwei Tage nachher waren eine brandige Geschwulst des Gesichtes, ein Austreten des Blutes, eine scharfe Wunde, welche die Haut und das Fleisch verzehrte, der Lohn seiner Ergebenheit oder das Resultat seiner Unklugheit.«
»Leider habe ich,« antwortete Heinrich, »bereits Halbkatholik, allen Einfluß auf Herrn von Condé verloren. Euer Freund hätte also Unrecht, wollte er sich an mich wenden.«
»Nicht allein bei dem Prinzen von Condé könnte Euere Majestät durch ihren Einfluß meinem Freunde nützlich seyn, sondern auch bei dem Prinzen von Porcian, bei dem Bruder desjenigen, welcher vergiftet worden ist.«
»Ei, ei!« rief Charlotte, »wißt Ihr, René, daß Eure Geschichten sehr nach dem Furchtsamen riechen? Ihr bittet sehr zu ungelegener Zeit. Es ist spät; Eure Rede hat den Charakter eines Leichenpredigers. In der That, Eure Parfumerien sind mehr werth.«
Und Charlotte streckte abermals die Hand nach der Opiatkapsel aus.
»Madame,« sagte René, »ehe Ihr es versucht, wie Ihr thun wollt, vernehmt, was für grausame Wirkungen die Boshaften daraus ziehen können.«
»Ihr seyd offenbar heute Abend ein Leichenredner, René,« sprach die Baronin.
Heinrich runzelte die Stirne, aber er begriff, daß René zu einem Ziele gelangen wollte, das ihm noch nicht ganz klar war, und beschloß, diese Unterredung, welche so schmerzliche Erinnerungen in ihm erregte, bis zum Ende zu führen.
»Ihr kennt auch die Einzelheiten der Vergiftung des Prinzen von Porcian?« fragte er.
»Ja,« sprach René. »Man wußte, daß er jede Nacht eine Lampe in der Nähe seines Bettes brennen ließ: man vergiftete das Oel und er wurde durch den Geruch getödtet.«
Heinrich zog krampfhaft seine durch die Wuth feuchten Finger zusammen.
»Derjenige also,« murmelte er, »welchen Ihr Euern Freund nennt, weiß nicht nur die einzelnen Umstände dieser Vergiftung, sondern er kennt auch den Urheber derselben?«
»Ja, und deßhalb wollte er wissen, ob Ihr auf den Prinzen von Porcian so viel Einfluß hättet, daß Ihr dem Mörder Verzeihung für die Vergiftung seines Bruders verschaffen könntet?«
»Leider,« erwiederte Heinrich, »habe ich, da ich noch halb Hugenott bin, auf den Herrn Prinzen von Porcian keinen Einfluß. Er hätte also Unrecht, wenn er sich an mich wenden würde.«
»Aber was denkt Ihr von der Stimmung des Prinzen von Condé und des Herrn von Porcian?«
»Wie sollte ich ihre Stimmung kennen, René? Gott hat mir, so viel ich weiß, nicht das Vorrecht gegeben, in den Herzen zu lesen.«
»Eure Majestät kann sich selbst befragen,« sprach der Florentiner ruhig. »Gibt es nicht in dem Leben Eurer Majestät ein so düsteres Ereigniß, daß es als Probe für die Milde dienen kann, so schmerzlich auch ein Probierstein für die Großmuth seyn mag?«
Diese Worte wurden mit einem Tone ausgesprochen, der selbst Charlotte beben machte. Es war eine so unmittelbare, so empfindliche Anspielung, daß die junge Frau sich abwandte, um ihre Röthe zu verbergen und dem Blicke von Heinrich nicht zu begegnen.
Heinrich machte eine unermeßliche Anstrengung gegen sich selbst, er entwaffnete seine Stirne, die sich während der Worte des Florentiners mit Drohungen beladen hatte, verwandelte den edlen königlichen Schmerz, der ihm das Herz zusammenpreßte, in ein unbestimmtes Bedenken und erwiederte:
»In meinem Leben ein düsteres Ereigniß … nein, René, nein. Ich erinnere mich aus meiner Jugend nur der Tollheit und Sorglosigkeit, vermischt mit den mehr oder minder gewaltsamen Nothwendigkeiten, welche Allen die Bedürfnisse der Natur und die Prüfungen Gottes auferlegen.«
René zwang sich ebenfalls, wandte seine Aufmerksamkeit bald Heinrich, bald Charlotte zu, als wollte er den Einen aufregen und die Andere zurückhalten; denn Charlotte setzte sich wirklich wieder vor ihre Toilette, um das peinliche Gefühl zu verbergen, das ihr dieses Gespräch verursachte, und streckte abermals die Hand nach der Opiatkapsel aus.
»Aber, Sire, wenn Ihr der Bruder des Prinzen von Porcian oder der Sohn des Prinzen von Condé wäret, und man Euren Bruder vergiftet, oder Euern Vater ermordet hätte…?«
Charlotte stieß einen leichten Schrei aus, und näherte abermals das Opiat ihren Lippen. René sah die Bewegung, aber diesmal hielt er sie weder mit dem Worte, noch mit der Geberde zurück, sondern er rief nur:
»Im Namen des Himmels, antwortet Sire: wenn Ihr an ihrer Stelle wäret, was würdet Ihr thun?«
Heinrich sammelte sich, trocknete mit zitternder Hand seine Stirne, aus der einige Tropfen kalten Schweißes perlten, richtete sich in seiner ganzen Höhe auf und antwortete mitten unter dem Stillschweigen, das sogar den Athem von René und Charlotte hemmte:
»Wenn ich mich an ihrer Stelle befände, und ich wüßte gewiß, daß ich König wäre, d. h., daß ich Gott auf Erden verträte, so würde ich es machen, wie Gott, ich würde vergeben.«
»Madame,« rief René, das Opiat Frau von Sauves aus den Händen reißend, »Madame, gebt mir diese Kapsel zurück. Ich sehe, mein Gehilfe täuschte sich, als er sie Euch überbrachte; morgen schicke ich Euch eine andere.«
II.
Ein Neubekehrter
Am andern Tage sollte Parforcejagd im Walde von Saint-Germain seyn.
Heinrich hatte Befehl gegeben, ihm um acht Uhr Morgens ein kleines Bearner Pferd, das er Frau von Sauves zu geben beabsichtigte, vorher aber selbst versuchen wollte, gesattelt und gezäumt bereit zu halten. Um drei Viertel auf acht Uhr war das Pferd gerichtet; auf den Schlag acht Uhr kam Heinrich herab.
Stolz und feurig, trotz seines kleinen Wuchses, sträubte das Pferd seine Mähnen und tänzelte im Hofe. Es war kalt gewesen und ein leichtes Glatteis bedeckte den Boden.
Heinrich wollte den Hof durchschreiten, um auf die Seite der Ställe zu gehen, wo ihn das Pferd und der Reitknecht erwarteten, als er an einem Schweizer Soldaten vorüberkommend, der an der Thüre Schildwache stand, wahrnahm, daß dieser Soldat das Gewehr mit den Worten vor ihm präsentirte:
»Gott erhalte Seine Majestät den König von Navarra!«
Bei diesem Wunsche und besonders bei dem Tone der Stimme, die ihn aussprach, bebte der Bearner.
Er wandte sich um und machte einen Schritt rückwärts.
»Von Mouy,« murmelte er.
»Ja, Sire, von Mouy.«
»Was macht Ihr hier?«
»Ich suche Euch.«
»Was wollt Ihr von mir?«
»Ich muß Eure Majestät sprechen.«
»Unglücklicher,« sagte der König, sich ihm nähernd, »weißt Du nicht, daß Du Deinen Kopf wagst?«
»Ich weiß es.«
»Nun?«
»Nun, hier bin ich.«
Heinrich erbleichte leicht, denn er begriff, daß er die Gefahr theilte, welche der glühende junge Mann lief. Er schaute deßhalb unruhig um sich her und wich zum zweiten Male, nicht minder rasch als das erste Mal, zurück.
Sogleich sein Wesen und seine Haltung verändernd, nahm Heinrich die Muskete aus den Händen von Mouy, der, wie gesagt, Schildwache stand, und sprach, während er sich die Miene gab, als untersuchte er das Gewehr:
»Mouy, es geschieht gewiß nicht ohne wichtigen Grund, daß Ihr hierher kommt und Euch in den Rachen des Wolfes werft.«
»Nein, Sire, seit acht Tagen lauere ich auf Euch. Gestern erst erfuhr ich, daß Eure Majestät heute Morgen dieses Pferd probieren würde, und nahm den Posten an der Pforte des Louvre.«
»Aber wie in dieser Tracht?«
»Der Kapitän der Compagnie ist Protestant und einer meiner Freunde.«
»Hier ist Eure Muskete, stellt Euch wieder an Euren Posten. Man beobachtet uns. Bei meiner Rückkehr werde ich versuchen, ein Wort mit Euch zu reden. Spreche ich aber nicht mit Euch, so haltet mich nicht zurück. Gott befohlen.«
Von Mouy begann wieder seinen abgemessenen Marsch und Heinrich ging auf das Pferd zu.
»Was ist das für ein hübsches kleines Pferd?« fragte der Herzog von Alençon von seinem Fenster aus.
»Ein Pferd, das ich diesen Morgen probieren sollte,« antwortete Heinrich.
»Das ist aber kein Herrenpferd?«
»Nein, es war auch für eine schöne Dame bestimmt.«
»Nehmt Euch in Acht, Heinrich, Ihr seyd indiskret; denn wir werden die schöne Dame auf der Jagd sehen, und wenn ich nicht weiß, wessen Ritter Ihr seyd, so weiß ich doch wenigstens, wem Ihr als Stallmeister angehört.«
»Mein Gott, Ihr werdet es nicht erfahren,« sagte Heinrich mit seiner scheinbaren Gutmüthigkeit, »denn die schöne Dame wird nicht ausreiten können, da sie diesen Morgen sehr unpäßlich ist.« Und er schwang sich in den Sattel.
»Ah, bah!« sprach Alençon lachend, »die arme Frau von Sauves!«
»Franz, Franz! Ihr seyd indiscret!«
»Was fehlt ihr denn, der schönen Charlotte?« versetzte der Herzog von Alençon.
»Ich weiß es nicht,« erwiederte Heinrich, indem er sein Pferd in kurzen Galopp setzte und einen Manegekreis beschreiben ließ, »ich weiß es nicht, der Kopf ist ihr schwer, wie mir Dariole gesagt hat, eine Art von Erstarrung durch den ganzen Körper, eine allgemeine Schwäche.«
»Wird Euch das hindern, uns Gesellschaft zu leisten?« sagte der Herzog.
»Mich, warum?« versetzte Heinrich. »Ihr wißt, daß ich ein leidenschaftlicher Jäger bin und daß mich nichts bewegen könnte, bei der Jagd zu fehlen.«
»Diese werdet Ihr doch verfehlen, Heinrich,« sagt der Herzog, nachdem er sich umgewendet und einen Augenblick mit einer Person gesprochen hatte, welche für die Augen von Heinrich unsichtbar geblieben war, weil sie von dem Hintergrunde des Zimmers aus sprach, »denn Seine Majestät läßt mir so eben sagen, die Jagd könne nicht statt finden.«
»Bah!« versetzte Heinrich mit einer ärgerlichen Miene. »Warum dieß?«
»Sehr wichtige Briefe von Herrn von Nevers, wie es scheint. Es findet eine Berathung zwischen dem König, der Königin Mutter und meinem Bruder, dem Herzog von Anjou, statt.«
»Ah, ah!« sagte Heinrich zu sich selbst, »sollten Nachrichten aus Polen eingetroffen seyn?«
Dann fuhr er laut fort:
»In diesem Falle ist es unnöthig, daß ich mich länger auf dem Glatteise gefährde. Auf Wiedersehen, mein Bruder.«
Hierauf hielt er sein Pferd vor Mouy an und sagte zu diesem:
»Mein Freund, rufe einen von Deinen Kameraden, daß er den Wachtdienst für Dich vollends versieht. Hilf dem Reitknechte dieses Pferd abgürten, nimm den Sattel auf den Kopf und trage ihn zu dem Goldschmiede der Geschirrkammer. Es ist eine Stickerei daran zu machen, die er für heute zu vollenden nicht mehr Zeit hatte. Du kommst dann in meine Wohnung, um mir Antwort zu sagen.«
Von Mouy beeilte sich zu gehorchen, denn der Herzog von Alençon war vom Fenster verschwunden und hatte offenbar irgend einen Verdacht geschöpft.
Er hatte wirklich kaum das Pförtchen hinter sich, als der Herzog von Alençon erschien. Ein wirklicher Schweizer war an dem Platze von Mouy.
Der Herzog schaute mit großer Aufmerksamkeit die Schildwache an, wandte sich sodann nach Heinrich um und sagte zu diesem:
»Ihr habt so eben nicht mit diesem Menschen gesprochen, nicht wahr, mein Bruder?«
»Der Andere ist ein Bursche aus meinem Hause, den ich zu den Schweizern brachte; ich habe ihm einen Auftrag gegeben, den er in diesem Augenblicke besorgt.«
»Ah!« rief der Herzog, als ob ihm die Antwort genügte.
»Und wie geht es Margarethe?«
»Ich will sie fragen, mein Bruder.«
»Habt Ihr sie seit gestern nicht gesehen?«
»Nein. Ich fand mich gestern Nacht gegen elf Uhr bei ihr ein, aber Gillonne sagte mir, sie wäre müde und schliefe.«
»Ihr werdet sie nicht in ihren Gemächern finden; sie ist ausgegangen.«
»Ja,« sagte Heinrich, »das ist möglich, sie sollte sich in das Annonciade-Kloster begeben.«
Es ließ sich das Gespräch nicht weiter treiben; Heinrich schien entschlossen, nur zu antworten.
Die zwei Schwäger verließen sich also, der Herzog von Alençon, um Neuigkeiten zu erfahren, wie er sagte, der König von Navarra, um in seine Wohnung zurückzukehren.
Einen Augenblick, nachdem die zwei Schwäger sich getrennt hatten, klopfte man an die Thüre des Schlafzimmers von Heinrich.
»Wer ist da?« fragte er.
»Sire,« antwortete eine Stimme, in der Heinrich die von Mouy erkannte, »die Antwort Goldschmieds der Sattelkammer.«
Heinrich ließ, sichtbar bewegt, den jungen Mann eintreten und schloß die Thüre hinter ihm.
»Ihr seyd es, von Mouy?« sprach Heinrich, »ich dachte, Ihr würdet überlegen.«
»Sire, »antwortete von Mouy, »ich überlege seit drei Monaten; das ist genug, nun ist es Zeit zu handeln.»
Heinrich machte eine Bewegung der Unruhe.
»Fürchtet Euch nicht, Sire, wir sind allein, und ich beeile mich, denn die Augenblicke sind kostbar. Euere Majestät kann uns durch ein einziges Wort zurückgeben, was die Sache der Religion durch die Ereignisse des Jahres verloren hat. Wir wollen klar, kurz, offenherzig seyn.«
»Ich höre, mein braver Mouy,« antwortete Heinrich, als er sah, daß es unmöglich war, die Erklärung zu vereiteln.
»Ist es wahr, daß Eure Majestät die protestantische Religion abgeschworen hat?«
»Es ist wahr,« sprach Heinrich.
»Ja, aber mit den Lippen oder mit dem Herzen?«
»Man ist immer dankbar gegen Gott, wenn Er uns das Leben rettet,« erwiederte Heinrich, die Frage umdrehend, wie es bei solchen Fällen seine Gewohnheit war, »und Gott hat mich bei dieser grausamen Gefahr sichtbar geschont.«
»Sire,« versetzte von Mouy, »gestehen wir Eines.«
»Was?«
»Daß Eure Abschwörung keine Sache der Ueberzeugung, sondern der Berechnung ist. Ihr habt abgeschworen, damit Euch der König das Leben lasse, und nicht, weil es Gott Euch erhalten hat.«
»Was auch die Ursache meiner Bekehrung seyn mag, von Mouy, ich bin darum nicht minder Katholik.»
»Ja, aber werdet Ihr es bleiben? Werdet Ihr bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, Eure Existenz- und Gewissens-Freiheit wieder zu erlangen, diese nicht ergreifen? Wohl, diese Gelegenheit bietet sich: La Rochelle ist im Aufruhr begriffen, Roussillon und Bearn warten nur auf ein Wort, um zu handeln; in der Guyenne schreit Alles nach Krieg. Sagt mir nur, daß Ihr ein gezwungener Katholik seyd, und ich stehe für die Zukunft.«
»Man nöthigt einen Edelmann von meiner Geburt nicht, mein lieber von Mouy, Was ich gethan habe, habe ich aus freien Stücken gethan.«
»Aber, Sire,« sagte der junge Mann, das Herz gepreßt über diesen Widerstand, den er nicht erwartete, »Ihr bedenkt nicht, daß Ihr durch Eure Handlungsweise uns verlaßt, verrathet.«
Heinrich blieb unempfindlich.
»Ja,« fuhr Mouy fort, »ja, Ihr verrathet uns, Sire, denn mehrere von uns sind auf Gefahr ihres Lebens gekommen, um Eure Ehre und Eure Freiheit zu retten. Wir haben Alles vorbereitet, um Euch einen Thron zu geben, Sire, versteht Ihr wohl? Nicht allein die Freiheit, sondern die Wacht, einen Thron nach Euerem Wohlgefallen; denn in zwei Monaten könnt Ihr wählen zwischen Navarra und Frankreich.«
»Von Mouy,« sagte Heinrich, seinen Blick verschleiernd, der unwillkührlich bei diesem Vorschlag einen Blitz geschleudert hatte, »von Mouy, ich bin unverletzt, ich bin Katholik, ich bin der Gemahl von Margarethe, ich bin der Bruder des Königs Karl, ich bin der Schwiegersohn meiner guten Mutter Catharina. Von Mouy, indem ich diese verschiedenen Stellungen annahm, berechnete ich nicht nur die Chancen, sondern auch die Verpflichtungen.«
»Aber, Sire.« versetzte von Mouy, »woran soll man glauben? Man sagt mir Euere Ehe sey noch nicht vollzogen, man sagt mir, Ihr seid frei im Grunde des Herzens, man sagt mir, der Haß von Catharina….«
»Lüge, Lüge,« unterbrach ihn der Bearner. »Ja, man hat Euch unverschämt getäuscht, mein Freund. Diese Margarethe ist wohl meine Frau; Catharina ist wohl meine Mutter; der König Karl IX. endlich ist wohl der Herr und Meister meines Lebens und meines Herzens.«
Von Mouy bebte; ein beinahe verächtliches Lächeln zog über seine Lippen hin.
»Also Sire,« sprach er, indem er entmuthigt seine Arme sinken ließ und mit dem Blicke diese Seele voll Finsterniß zu ergründen suchte, »das ist die Antwort, die ich meinen Brüdern zu bringen habe? Ich werde ihnen sagen, der König von Navarra reiche seine Hand und gebe sein Herz denen, welche uns erwürgt haben, ich werde ihnen sagen, er sey der Schmeichler der Königin Mutter und der Freund von Maurevel geworden.«
»Mein lieber von Mouy,« versetzte Heinrich, »der König verläßt den Rath, und ich muß mich bei ihm nach den Gründen erkundigen, welche ihn veranlaßt haben, eine so wichtige Sache, wie eine Jagdpartie, zu verschieben. Gott befohlen, mein Freund, ahmt mich nach, kehrt zum König zurück und hört die Messe.«
Und Heinrich führte oder stieß vielmehr den jungen Mann zurück, dessen Erstaunen der Wuth Platz zu machen anfing,
Kaum hatte er die Thüre geschlossen, als er, außer Stands, der Gierde zu widerstehen, an irgend Etwas, in Ermangelung von irgend Jemand sich zu rächen, seinen Hut zwischen den Händen zerknitterte, auf den Boden warf und ihn mit den Füßen stampfend, wie ein Stier den Mantel des Matadors, ausrief: