Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 19
»Beim Tode! das ist ein elender Fürst, und ich habe große Lust, mich hier tödten zu lassen, um ihn mit meinem Blute für immer zu beflecken.«
»Stille! Herr von Mouy,« sagte eine Stimme, welche aus einer halb geöffneten Thüre hervorkam, »stille! denn es könnt Euch ein Anderer, als ich, hören.«
Von Mouy wandte sich rasch um und erblickte den Herzog von Alençon, der in einem Mantel eingehüllt, seinen bleichen Kopf in den Corridor ausstreckte, um sich zu versichern, ob von Mouy und er allein wären.
»Der Herr Herzog von Alençon,« rief von Mouy, »ich bin verloren.«
»Im Gegentheil,« murmelte der Prinz, »Ihr habt vielleicht sogar das gefunden, was Ihr sucht; zum Beweise sage ich Euch, daß Ihr Euch nicht hier tödten lassen sollt, wie Ihr es beabsichtigt. Glaubt mir, Euer Blut kann zu etwas Besserem angewendet werden, als um die Schwelle des Königs von Navarra roth zu färben.«
Bei diesen Worten öffnete der Herzog ganz weit die Thüre des Zimmers, das zuvor nur ein wenig geöffnet gewesen war.
»Dieses Zimmer ist das von zweien meiner Edelleute,« sprach der Herzog, »Niemand wird uns hier aufjagen, wir können also nach unserm Gefallen sprechen. Kommt, mein Herr.«
»Hier bin ich,« antwortete der Verschwörer sehr erstaunt.
Und er trat in das Zimmer, dessen Thüre der Herzog von Alençon nicht minder lebhaft hinter sich schloß, als es der König von Navarra gethan hatte.
Von Mouy war wüthend, in Verzweiflung, fluchend eingetreten, aber allmählich machte der kalte, feste Blick des jungen Herzogs Franz auf den hugenottischen Kapitän den Eindruck des Zauberspiegels, der den Rausch vertreibt.
»Monseigneur,« sagte er, »wenn ich richtig verstanden habe, will Euere Hoheit mit mir sprechen.«
»Ja, Herr von Mouy,« antwortete Franz. »Trotz Euerer Verkleidung hatte ich Euch zu erkennen geglaubt, und als Ihr vor meinem Bruder Heinrich das Gewehr präsentiertet, erkannte ich Euch vollends ganz. Nun, von Mouy, Ihr seyd also mit dem König von Navarra nicht zufrieden?«
»Monseigneur!«
»Auf! sprecht ohne Scheu mit mir. Ich gehöre, vielleicht ohne daß Ihr es vermuthet, zu Eueren Freunden.«
»Ihr, Monseigneur?«
»Ja. ich. Sprecht also.«
«Ich weiß nicht, was ich Euerer Hoheit sagen soll, Monseigneur. Die Dinge, über welche ich mit dem Könige von Navarra zu sprechen hatte, berühren Interessen, welche Euere Hoheit nicht begreifen dürfte. Ueberdieß,« fügte von Mouy mit einer Miene, der er eine gewisse Gleichgültigkeit zu verleihen suchte, bei, »überdieß handelte es sich um Bagatellen.«
»Um Bagatellen?« rief der Herzog.
»Ja, Monseigneur.«
»Um Bagatellen, für welche Ihr, in den Louvre zurückkehrend, wo Euer Kopf, wie Ihr wißt, sein Gewicht in Gold werth ist, Euer Leben wagtet? Denn glaubt mir, es ist nicht unbekannt, daß Ihr mit dem König von Navarra und dem Prinzen von Condé eines der vornehmsten Häupter der Hugenotten seyd.«
»Wenn Ihr das glaubt, so handelt gegen mich, wie es sich für den Bruder von König Karl und dem Sohn von der Königin Catharina geziemt.«
»Warum soll ich so handeln, während ich gegen Euch äußerte, ich gehöre zu Eueren Freunden? Sagt mir also die Wahrheit.«
»Monseigneur,« erwiederte von Mouy, »ich schwöre Euch…«
»Schwört nicht, mein Herr, die reformirte Religion verbietet die Eide, und besonders die falschen.«
Von Mouy runzelte die Stirne.
»Ich sage Euch, daß ich Alles weiß,« sprach der Herzog.«
Von Mouy schwieg fortwährend.
»Zweifelt Ihr daran,« versetzte der Prinz mit freundlicher Zudringlichkeit. »Nun, mein lieber von Mouy, ich muß Euch überzeugen, Ihr sollt selbst urtheilen, ob ich mich täusche. Habt Ihr meinem Schwager Heinrich nicht so eben dort« – der Herzog streckte die Hand nach dem Zimmer des Bearners aus – »Euere Hilfe und die der Eurigen angetragen, um ihn wieder in sein Königreich Navarra einzusetzen?«
Von Mouy schaute den Herzog mit verwirrter Miene an.
»Ein Antrag, den er mit Schrecken zurückgewiesen hat?«
Von Mouy blieb ganz erstaunt.
»Habt Ihr nicht Eure alte Freundschaft, die Erinnerung an die gemeinschaftliche Religion angerufen? Habt Ihr sodann nicht den König von Navarra mit einer Hoffnung so glänzend zu ködern gesucht, daß er davon geblendet war mit der Hoffnung auf die Krone von Frankreich? Nein! sagt, bin ich unterrichtet? Ist es das, was Ihr dem Bearner angetragen habt?«
»Monseigneur,« rief von Mouy, »es ist es so sehr, daß ich mich in diesem Augenblicke frage, ob ich nicht Eurer Hoheit sagen soll, sie habe gelogen, um auf diese Art einen Kampf aus Leben und Tod hervorzurufen und durch den Tod von Einem von uns Beiden das Erlöschen dieses furchtbaren Geheimnisses zu sichern.«
»Sachte, mein braver von Mouy, sachte,« sprach der Herzog, ohne das Gesicht zu verändern, ohne sich im Geringsten bei dieser furchtbaren Drohung zu bewegen, »das Geheimniß wird eher unter uns erlöschen, wenn wir Beide leben, als wenn Einer von uns stirbt. Hört mich und quält nicht länger den Griff Eures Degens. Zum dritten Male sage ich Euch, daß Ihr bei einem Freunde seyd. Antwortet mir also, wie einem Freunde. Hat der König von Navarra nicht Alles ausgeschlagen, was ihm von Euch angeboten worden ist?«
»Ja Monseigneur, und ich gestehe es, weil dieses Geständniß nur mich gefährden kann.«
»Habt Ihr nicht, als Ihr sein Zimmer verließet und Euren Hut mit den Füßen tratet, ausgerufen, er wäre ein feiger Fürst und nicht würdig, Euer Führer zu bleiben?«
»Das ist wahr, Monseigneur, ich habe es gesagt.«
»Ah, es ist wahr. Ihr gesteht es also?«
»Ja.«
»Und es ist immer noch Eure Ansicht?«
»Mehr als je, Monseigneur.«
»Nun wohl, ich, Herr von Mouy, ich, der dritte Sohn von Heinrich II., ich, ein Sohn von Frankreich, bin ich ein hinreichend guter Edelmann, um Euren Soldaten zu befehligen? Sprecht. Und haltet Ihr mich für rechtschaffen genug, daß Ihr auf mich bauen zu können glaubt?«
»Ihr, Monseigneur, Ihr, das Haupt der Hugenotten?«
»Warum nicht? Es ist die Zeit der Verwandlungen, wie Ihr wißt. Heinrich hat sich zum Katholiken gemacht, ich kann wohl Protestant werden.
»Allerdings, Monseigneur; ich erwarte auch, daß Ihr mir erklärt…«
»Nichts einfacher und ich will Euch mit zwei Worten die Politik aller Welt auseinandersetzen. Mein Bruder Karl tödtet die Hugenotten, um ungebundener zu regieren. Mein Bruder Anjou läßt sie tödten, weil er meinem Bruder Karl auf dem Throne folgen soll, und weil mein Bruder Karl, wie Ihr wißt, häufig krank ist. Ich aber … und das ist etwas ganz Anderes … ich werde nie in Frankreich regieren, wenigstens in Betracht, daß ich zwei ältere Brüder vor mir habe; ich, den der Fuß meiner Mutter und meiner Brüder noch mehr, als das Gesetz der Natur vom Throne entfernt; ich, der ich auf keine Familienliebe, auf keinen Ruhm, auf kein Königreich Anspruch zu machen habe, ich, der ich jedoch ein Herz so edel, als das meiner Brüder im Busen trage, ich, mein lieber Mouy, will mir mit meinem Schwerte in diesem Frankreich, das sie mit Blut bedecken, ein Königreich zu schneiden suchen. Das ist mein Wille, Mouy. Ich will König von Navarra werden, nicht durch die Geburt, sondern durch die Wahl. Und bemerkt wohl, daß Ihr mir hiergegen keine Einwendung zu machen habt, denn ich bin kein Thronräuber, da mein Schwager Eure Anerbietungen ausschlägt und sich in Schlafsucht begrabend laut anerkennt, daß dieses Königreich Navarra nur eine Fiktion ist. Mit Heinrich von Bearn habt Ihr nichts, mit mir habt Ihr ein Schwert und einen Namen, Franz von Alençon, Sohn von Frankreich, Schutzwache aller seiner Gefährten oder aller seiner Genossen, wie Ihr sie nennen wollt. Nun, was sagt Ihr zu diesem Anerbieten, Herr von Mouy?«
»Ich sage, daß es mich blendet, Monseigneur.«
»Mouy, Mouy, wir werden viele Hindernisse zu überwinden haben. Zeigt Euch daher nicht von Anfang an so anspruchsvoll und schwierig gegen einen Königssohn, und zwar gegen einen Königssohn, der Euch entgegenkommt.«
»Monseigneur, die Sache wäre bereits abgemacht, wenn ich allein meine Ansichten zu behaupten hätte, aber wir haben einen Rath und so glänzend auch das Anerbieten ist, vielleicht gerade, weil es so ist, werden die Parteiführer doch nicht unbedingt beistimmen.«
»Das ist etwas Anderes und die Antwort ist die eines ehrlichen Herzens und eines klugen Geistes. Aus der Art und Weise, wie ich zu Werke gegangen bin, von Mouy, mußtet Ihr meine Redlichkeit erkennen. Behandelt mich also Eurerseits als einen Mann, den man achtet und nicht als einen Prinzen, dem man schmeichelt. Von Mouy, habe ich Hoffnung?«
»Auf mein Wort, Monseigneur, und da Eure Hoheit wünscht, daß ich meine Meinung ausspreche, so sage ich, daß Eure Hoheit jede Hoffnung hat, seit von dem König von Navarra mein Anerbieten ausgeschlagen worden ist. Aber ich wiederhole, Monseigneur, daß eine Berathung mit meinen Führern für mich unerläßlich ist.«
»Thut es also, mein Herr,« erwiederte der Herzog. »Wann die Antwort?«
Von Mouy schaute den Prinzen stillschweigend an. Dann, als ob er einen Entschluß gefaßt hätte, antwortete er:
»Monseigneur, gebt mir Eure Hand, soll ich sicher seyn, daß ich nicht verrathen werde, so muß ein Sohn von Frankreich meine Hand berühren.«
Der Herzog streckte nicht nur seine Rechte gegen Mouy aus, sondern er nahm auch die Hand von Mouy und drückte sie.
»Nun, Monseigneur, bin ich ruhig,« sagte der junge Hugenott. »Würden wir verrathen, so könnte ich behaupten, Ihr hättet keinen Theil daran. Sonst, Monseigneur, und so wenig Ihr bei einem solchen Verrathe betheiligt seyn dürftet, wäret Ihr entehrt.«
»Warum sagt Ihr mir das, von Mouy, ehe Ihr mir sagt, Ihr würdet die Antwort Euren Häuptern überbringen?«
»Monseigneur, indem Ihr mich fragt, wann die Antwort? fragt Ihr mich zugleich, wo sind die Häupter? und wenn ich Euch sage: diesen Abend erfahrt Ihr zugleich, daß sie sich in Paris verborgen halten.«
Während von Mouy diese Worte sprach, heftete er mit einer Geberde des Mißtrauens sein durchdringendes Auge aus den unsichern, schwankenden Blick des jungen Mannes.
»Geht, Herr von Mouy,« versetzte der Herzog, »Ihr habt immer noch Zweifel. Aber ich kann nicht mit dem ersten Schlage ein volles Zutrauen von Euch fordern. Ihr werdet mich später besser kennen lernen. Es wird uns eine Gemeinschaft der Interessen verbinden, die Euch jeden Verdacht benimmt. Ihr sagt also diesen Abend, Herr von Mouy?«
»Ja, Monseigneur, denn die Zeit drängt. Diesen Abend also. Aber wo, wenn es Euch beliebt?«
»Im Louvre, hier in diesem Zimmer, seyd Ihr damit einverstanden?«
»Dieses Zimmer ist bewohnt?« entgegnete von Mouy mit dem Blicke die zwei Betten bezeichnend, welche einander gegenüberstanden.
»Von zweien meiner Edelleute, ja.«
»Monseigneur, es scheint mir für mich unklug in den Louvre zurückzukehren.«
»Warum dies?«
»Weil, wenn Ihr mich erkannt habt, Andere eben so gute Augen als Euere Hoheit haben, und mich auch erkennen können. Ich kehre jedoch in den Louvre zurück, wenn Ihr mir bewilligt, was ich mir von Euch erbitten werde.«
»Was?«
»Einen Schutzbrief.«
»Von Mouy,« antwortete der Herzog, »ein Schutzbrief von mir, den man bei Euch findet, richtet mich zu Grunde und rettet Euch nicht. Nur unter der Bedingung vermag ich etwas für Euch, daß wir in den Augen Aller einander völlig fremd sind. Die geringste Verbindung von meiner Seite mit Euch, würde mich, falls man sie meiner Mutter oder meinen Brüdern bewiese, das Leben kosten. Ihr seyd also beschützt durch mein eigenes Interesse, von dem Augenblicke an, wo ich mich mit den Anderen überwerfe. Frei in meiner Thätigkeits-Sphäre, stark, wenn ich unbekannt bin, so lange ich undurchdringlich bleibe, beschütze ich Euch Alle, vergeßt das nicht. Ruft Eueren Muth zum letzten Male zu Hilfe; versucht auf mein Wort, was Ihr auf das Wort meines Schwagers versuchtet. Kommt diesen Abend in den Louvre.«
»Aber wie soll ich dahin kommen? Ich kann mich in dieser Tracht nicht in die Zimmer wagen. Sie war höchstens gut für die Corridors und Höfe. Meine eigene ist noch viel gefährlicher, weil Jedermann mich hier kennt und sie mich keineswegs hier verbirgt.«
Der Herzog schaute umher und seine Augen fielen auf die Staatsgarderobe von La Mole, welche gerade auf dem Bette ausgebreitet lag, das heißt auf einen prachtvollen mit Gold gestickten kirschrothen Mantel, einen Hut, mit einer weißen Feder geschmückt und mit einer Schnur von Gold- und Silberperlen umgeben, und ein Wams von perlgrauem Atlas.
»Seht Ihr diesen Mantel, diese Federn und dieses Wamms?« sprach der Herzog, »sie gehören Herrn de La Mole, einem meiner Edelleute, einem Stutzer vom besten Tone. Dieser Anzug hat Furore bei Hofe gemacht und man erkennt Herrn de La Mole auf hundert Schritte, wenn er ihn trägt. Ich will Euch die Adresse des Schneiders geben, der ihm denselben gemacht hat; bezahlt Ihr ihm das Doppelte von dem, was er werth Ist, so habt Ihr heute Abend einen ähnlichen. Ihr werdet wohl den Namen von Herrn de La Mole behalten?«
Der Herzog von Alençon hatte kaum diese Worte gesprochen, als man einen Tritt, der sich im Corridor näherte, und einen Schlüssel hörte, der im Schlosse gedreht wurde.
»Wer ist da?« rief der Herzog, nach der Thüre eilend und den Riegel vorstoßend.
»Bei Gott,« antwortete eine Stimme von Außen, »ich finde die Frage sonderbar. Wer ist da? das frage ich Euch. Das ist doch lustig, daß man mir ein: Wer da? zuruft, wenn ich in mein Zimmer zurückkehren will.«
»Seyd Ihr es de La Mole?«
»Allerdings bin ich es. Aber wer seyd Ihr denn?«
Während La Mole sein Erstaunen darüber ausdrückte, daß er sein Zimmer bewohnt fand, und zu entdecken suchte, wer der neue Gast war, drehte sich der Herzog, die eine Hand an dem Riegel, die andere an dem Schlosse, rasch um und fragte von Mouy: »Kennt Ihr Herrn de La Mole?«
»Nein, Monseigneur.«
»Und er, kennt er Euch?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann steht Alles gut; gebt Euch den Anschein, als schautet Ihr zum Fenster hinaus.«
Von Mouy gehorchte, ohne zu antworten, denn La Mole fing an ungeduldig zu werden und trommelte mit beiden Fäusten an die Thüre.
Der Herzog warf einen letzten Blick auf Mouy und öffnete, als er sah, daß er den Rücken gedreht hatte.
»Monseigneur der Herzog!« rief La Mole und wich erstaunt zurück. »Oh! verzeiht! verzeiht, Monseigneur.«
»Es ist nichts, mein Herr, ich bedurfte Eures Zimmers, um Jemand zu empfangen.«
»Ganz nach Belieben, Monseigneur; aber erlaubt mir, ich bitte Euch, meinen Mantel und meinen Hut von dem Bette zu nehmen, denn ich habe beides diese Nacht auf dem Quai de la Grève verloren.«
»In der That, mein Herr,« erwiederte der Prinz lächelnd, indem er La Mole selbst die verlangten Gegenstände reichte, Ihr seyd schlimm zugerichtet und müßt es mit sehr hartnäckigen Dieben zu thun gehabt haben.«
Der junge Mann verbeugte sich und ging weg, um im Vorzimmer die Kleider zu wechseln, ohne sich im Geringsten um das zu bekümmern, was der Herzog in seinem Zimmer that; denn es war gebräuchlich im Louvre, daß die Wohnungen der Edelleute für die Prinzen, denen sie zugehörten, zugleich für alle möglichen Ausnahmen dienten.
Von Mouy näherte sich dem Herzog und beide horchten, um den Augenblick zu erfahren, wo La Mole fertig wäre und ausgehen würde. Als er aber die Kleider gewechselt hatte, entzog er sie selbst der Verlegenheit, denn er fragte, sich der Thüre nähernd:
»Um Vergebung, Monseigneur, hat Eure Hoheit nicht auf ihrem Wege dem Grafen von Coconnas begegnet?«
»Nein, mein Herr Graf, und er hatte doch diesen Morgen Dienst.«
»Dann wird man ihn mir ermordet haben,« sprach sprach La Mole zu sich selbst, während er sich entfernte.
Der Herzog hörte das Geräusch der Tritte, welche nach und nach schwächer wurden, dann öffnete er die Thüre, zog Mouy zu sich und sagte zu ihm:
»Seht, wie er geht, und versucht diese unvergleichliche Tournure nachzuahmen.«
»Ich werde mein Bestes thun,« erwiederte von Mouy. »Leider bin ich kein Damenknecht, sondern ein Soldat.«
»Jedenfalls erwarte ich Euch vor Mitternacht in diesem Corridor. Ist das Zimmer meiner Edelleute frei, so empfange ich Euch in demselben. Ist dies nicht der Fall, so werden wir ein anderes finden.«
»Gut, Monseigneur.«
»Also diesen Abend, vor Mitternacht?«
»Diesen Abend, vor Mitternacht.«
»Oh, von Mouy wiegt, den rechten Arm besonders stark, wenn Ihr geht; das ist eine Eigenthümlichkeit von Herrn de La Mole.«
III.
Die Rue Tizon und die Rue Cloche-Percée
La Mole lief eiligst durch den Louvre weg und durchjagte Paris, um den armen Coconnas zu entdecken.
Es war seine erste Sorge, sich in die Rue de l’Arbre-Sec zu begeben und bei Meister La Hurière einzutreten, denn La Mole erinnerte sich oft, den Piemontesen eine gewisse lateinische Devise aussprechen gehört zu haben, welche zu beweisen suchte, daß Amor, Bacchus und Ceres Götter erster Nothwendigkeit sind, und er hatte die Hoffnung, Coconnas werde, um den römischen Spruch zu befolgen, sich in dem schönen Gestirn nach einer Nacht eingestellt haben, welche für seinen Freund nicht minder stürmisch gewesen seyn mußte, als sie es für ihn selbst gewesen war.
La Mole fand nichts bei La Hurière als die Erinnerung an die übernommene Verbindlichkeit und ein Frühstück, das mit ebenso viel Freundlichkeit angeboten wurde, als es unser Edelmann trotz seiner Unruhe mit großem Appetit annahm.
Sobald in Ermanglung des Geistes wenigstens der Magen beruhigt war, setzte sich La Mole wieder in Lauf und ging an der Seine hinauf, wie jener Mann, der seine ertrunkene Frau suchte. Als er auf den Quai de la Grève kam, erkannte er die Stelle, wo er drei bis vier Stunden vorher ohne Zweifel angehalten worden war, und er fand auf dem Schlachtfelde ein kleines Stück von der Feder seines Hutes. Das Gefühl des Besitzes ist bei dem Menschen angeboren. La Mole besaß zehn Federn, von denen immer eine schöner war, als die andere. Nichts desto weniger blieb er stehen, um diese oder vielmehr die einzigen Trümmer, welche sie überlebt hatte, aufzuheben, und er betrachtete dieselben mit einer mitleidigen Miene, als schwere Tritte in seiner Nähe erschollen und grobe Stimmen ihn auf die Seite gehen hießen. La Mole schaute empor und erblickte eine Sänfte, zwei Pagen voraus und von einem Stallmeister begleitet.
La Mole glaubte die Sänfte zu erkennen und ging lebhaft auf die Seite.
Der junge Edelmann hatte sich nicht getäuscht.
»Herr de La Mole?« sagte eine Stimme voll Weichheit, welche aus der Sänfte hervorkam, während eine Hand, weiß und zart wie Atlas, die Vorhänge zurückschob.
»Ja, Madame, ich selbst,« antwortete La Mole sich verbeugend.
»Herr de La Mole, eine Feder in der Hand,« fuhr die Dame in der Sänfte fort, »seyd Ihr denn verliebt, mein Herr, und findet Ihr etwa hier die verlorenen Spuren?«
»Ja, Madame,« antwortete La Mole, »ich bin verliebt, und zwar sehr stark. Aber für den Augenblick sind es meine eigenen Spuren, die ich wieder finde, obgleich ich diese nicht gerade suche. Erlaubt mir aber Eure Majestät, mich nach ihrer Gesundheit zu erkundigen?«
»Vortrefflich, mein Herr. Ich habe mich, wie mir scheint, nie besser befunden. Es kommt wahrscheinlich davon her, daß ich die Nacht in der Einsamkeit zugebracht habe.«
»Ah, in der Einsamkeit,« sprach La Mole, Margarethe auf eine seltsame Weise anschauend.
»Ja wohl, was ist dabei zu staunen?«
»Darf man, ohne unbescheiden zu seyn, fragen, in welchem Kloster?«
»Allerdings, mein Herr, ich mache kein Geheimniß daraus. Im Kloster der Annunciaden. Aber Ihr, was macht Ihr hier, mit diesem ganz verblüfften Gesichte?«
»Madame, ich suche meinen verschwundenen Freund, und während ich ihn suchte, fand ich diese Feder wieder.«
»Welche von ihm herrührte? In der That, Ihr macht mir bange für ihn; der Platz ist schlimm.«
»Eure Majestät mag sich beruhigen, die Feder kommt von mir her, ich habe sie heute Morgen gegen halb sechs Uhr auf diesem Platze verloren. während ich mich aus den Händen von vier Banditen losmachte, die mich mit aller Gewalt ermorden wollten, wenigstens wie ich glaube.«
Margarethe drängte eine lebhafte Bewegung des Schreckens zurück.
»Oh, erzählt mir das,« sagte sie.
»Die Sache ist ganz einfach, Madame … Es war also, wie ich Euer Majestät zu bemerken die Ehre hatte, ungefähr halb sechs Uhr Morgens.«
»Und um halb sechs Uhr Morgens,« unterbrach ihn Margarethe, »waret Ihr schon ausgegangen?«
»Eure Majestät wird mich entschuldigen,« sprach La Mole, »ich war noch nicht zurückgekehrt.«
»Ah, Herr de La Mole, um fünf Uhr Morgens nach Hause kehren,« versetzte die Königin mit einem Lächeln, das für alle Andern boshaft gewesen wäre, von La Mole aber abgeschmackter Weise anbetungswürdig befunden wurde, »so spät nach Hause kehren, Ihr habt diese Strafe verdient.«
»Ich beklage mich auch nicht, Madame,« erwiderte La Mole, sich ehrfurchtsvoll verbeugend, »und wenn ich erdolcht worden wäre, so würde ich mich noch hundertmal glücklicher schätzen, als ich es zu seyn verdiene. Nun kurz, ich kehrte spät oder frühzeitig zurück, wie Eure Majestät will, als vier Manteldiebe aus der Rue de La Mortellerie hervorbrachen und mich mit unmäßig langen Krautmessern verfolgten. Das ist grotesk, nicht wahr, Madame, aber es ist einmal so. Ich mußte fliehen, denn ich hatte meinen Degen in dem Hause vergessen, wo ich die Nacht zubrachte.«
»Oh, ich begreife,« sagte Margarethe mit einem bewunderungswürdig naiven Lächeln, »und Ihr kehrt zurück, um Euern Degen zu suchen?«
La Mole schaute Margarethe an, als ob sich ein Zweifel in seinem Innern regte. »Madame, ich würde in der That dahin zurückkehren, und zwar sehr gerne in Betracht, daß mein Degen eine vortreffliche Klinge ist, aber ich weiß nicht, wo das Haus ist.«
»Wie, mein Herr,« versetzte Margarethe, »Ihr wißt nicht, wo das Haus ist, in welchem Ihr die Nacht zugebracht habt?«
»Nein, Madame, Satan soll mir das Leben rauben, wenn ich auch nur eine Vermuthung habe.«
«Das ist ganz sonderbar. Eure Geschichte ist ja ein wahrer Roman.«
»Wie Ihr sagt, ein wahrer Roman, Madame.«
»Erzählt sie mir.«
»Es ist ein wenig lange.«
»Gleichviel, ich habe Zeit.«
»Und besonders sehr unglaublich.«
»Macht fort, ich bin im höchsten Grade gläubig.«
»Euer Majestät befiehlt?«
»Ja doch, wenn es seyn muß.«
»Ich gehorche. Gestern speisten wir bei Meister La Hurière zu Nacht.«
»Vor Allem,« fragte Margarethe mit einem äußerst natürlichen Tone, »wer ist dieser Meister La Hurière?«
»Meister La Hurière, Madame,« sagte La Mole, Margarethe zum zweiten Male mit der zweifelhaften Miene anschauend, die man schon einmal bei ihm hatte wahrnehmen können, »Meister La Hurière ist der Herr des Gasthauses zum Schönen Gestirne in der Rue de I’Arbre-Sec.«
»Gut, ich sehe es von hier aus. Ihr speistet also bei Meister La Hurière mit Eurem Freunde Coconnas zu Nacht?«
»Ja, Madame, mit meinem Freunde Coconnas, als ein Mann eintrat, und jedem von uns ein Billet übergab.«
»Aehnlich?« fragte Margarethe.
»Vollkommen ähnlich.«
»Und es enthielt?«
»Nur folgende Zeile:«
»Ihr werdet in der Rue Saint-Antoine, der Rue de Jouy gegenüber, erwartet.«
»Und keine Unterschrift?« fragte Margarethe.
»Nein, aber drei Worte, drei reizende Worte, welche dreimal dasselbe, d. h. ein dreifaches Glück versprachen.«
»Und wie hießen diese drei Worte?«
»Eros, Cupido, Amor!«
»Das sind in der That drei süße Namen. Haben sie gehalten, was sie versprochen?«
»Oh, mehr, Madame, hundertmal mehr!« rief La Mole mit voller Begeisterung.
»Fahrt fort. Ich bin neugierig zu erfahren, was Euch in der Rue Saint-Antoine, der Rue de Jouy gegenüber, erwartete.«
»Zwei Damen, jede mit einem Taschentuch in der Hand. Wir sollten uns die Augen verbindet lassen. Eure Majestät erräth, daß wir keine Schwierigkeiten machten, sondern muthig unsere Köpfe darboten. Meine Führerin ließ mich links drehen, die Führerin meines Freundes ließ ihn rechts drehen, und wir trennten uns.«
»Und dann?« fuhr Margarethe fort, welche entschlossen schien, ihre Forschung bis zum Ende zu führen.
»Ich weiß nicht,« versetzte La Mole, »wohin mein Freund geführt wurde; vielleicht in die Hölle. Was aber mich betrifft, so weiß ich, daß meine Führerin mich an einen Ort geleitete, welchen ich für das Paradies halte.«
»Und woraus Ihr ohne Zweifel in Folge Eurer zu großen Neugierde vertrieben wurdet?«
»Ganz richtig, Madame, Ihr habt die Gabe der Devination. Ich erwartete den Tag mit Ungeduld, um zu sehen, wo ich wäre, als um halb fünf Uhr dieselbe Duenna zurückkehrte, mir die Augen abermals verband, mich versprechen ließ, keinen Versuch zu machen, die Binde abzunehmen, mich sodann hinausführte, und nachdem sie mich hundert Schritte begleitet hatte, mir einen Eid abforderte, daß ich die Binde erst abnehmen werde, wenn ich fünfzig gezählt hätte. Ich zählte bis auf fünfzig und befand mich in der Rue Saint-Antoine, der Rue der Jouy gegenüber.
»Als ich nun hier ein Stück von meiner Feder fand,« fuhr La Mole fort, »so bebte mein Herz vor Freude; ich hob sie auf und gelobte mir, sie als ein Andenken an diese glückliche Nacht aufzubewahren. Mitten aber in meinem Glücke quält mich ein Umstand, nämlich der, daß ich nicht weiß, was vielleicht aus meinem Gefährten geworden ist.«
»Er ist also nicht in den Louvre zurückgekehrt?«
»Ach nein, Madame. Ich suchte ihn überall, wo er seyn könnte, im goldenen Gestirne, beim Ballspiele und an vielen andern ehrenwerthen Orten; aber kein Annibal, und eben so wenig ein Coconnas.«
Während La Mole diese Worte mit Begleitung einer kläglichen Geberde sprach, öffnete er die Arme und schob seinen Mantel zurück, unter welchem man an verschiedenen Orten sein Wamms gähnen sah, das wie eben so viele elegante Schlitze das Futter durch die Risse zeigte.
»Man hat Euch gehörig gesiebt,« sprach Margarethe.
»Gesiebt! das ist das Wort,« sprach La Mole, dem es gar nicht unangenehm war, sich ein Verdienst aus der Gefahr zu machen, die er ausgestanden hatte.
»Seht, Madame, seht!«
»Warum habt Ihr nicht im Louvre Euer Wamms gewechselt, da Ihr dahin zurückgekehrt seyd?« fragte die Königin.
»Ach,« sagte La Mole, »es war Jemand in meinem Zimmer.«
»Wie, es war Jemand in Eurem Zimmer?« Sprach Margarethe, deren Augen das lebhafteste Erstaunen ausdrückten. »Und wer war denn in Eurem Zimmer?«
»Seine Hoheit.«
»Stille!« unterbrach ihn Margarethe.
Der junge Mann gehorchte.
»Qui ad Iecticam meam stant?« fragte sie de La Mole.
»Duo pueri et unus eques.«
»Optime, barbari,« sagte sie, »dic Moles, quem inveneris in cubiculo tuo.«
»Franciscum ducem.«
»Agentem?«
»Nescio quid.«
»Quocum?«
»Cum ignoto.«13
»Das ist sonderbar,« sprach Margarethe, »Ihr habt also Coconnas nicht wieder finden können,« fuhr sie fort, offenbar ohne an das zu denken, was sie sagte.
»Madame, ich sterbe auch vor Unruhe hierüber, wie ich Eurer Majestät zu sagen die Ehre gehabt habe.«
»Gut,« versetzte Margarethe lächelnd, »ich will Euch nicht länger Eurer Forschung entziehen; aber mir kommt es vor, ohne daß ich weiß warum: er wird sich selbst wieder finden. Gleichviel, geht immerhin.«
Und die Königin legte einen Finger auf den Mund. Da nun die schöne Margarethe La Mole kein Geheimniß anvertraut, kein Geständniß gemacht hatte, so begriff der junge Mann, daß diese reizende Geberde, insofern sie nicht ihm Stillschweigen anzuempfehlen beabsichtigen konnte, eine andere Bedeutung haben mußte.
Der Zug setzte sich wieder in Marsch und La Mole ging, um seine Nachforschungen zu verfolgen, an der Seine hinaus bis zu der Rue du Long-Pont, die ihn nach der Rue Saint-Antoine führte. Vor der Rue du Jouy blieb er stehen.
Hier hatten ihm und Coconnas am Tage vorher die zwei Duennen die Augen verbunden Er hatte sich rechts gewendet und dann zwanzig Schritte gezählt. Er fing dasselbe Manoeuvre wieder an und stand vor einem Hause oder vielmehr vor einer Mauer, hinter der sich ein Haus erhob. Mitten in dieser Mauer war eine Thüre mit Schirmdach und mit starken Nägeln beschlagen.
Dieses Haus lag in der Rue Cloche-Percée, einer schmalen, kleinen Straße, welche in der Rue Saint-Antoine anfing und nach der Rue du Roi de Sicile ausmündete.
»Sangbleu!« sprach La Mole, »hier ist es, darauf wollte ich schwören. Als ich bei meinem Abgange die Hand ausstreckte, fühlte ich die Nägel an der Thüre, dann stieg ich zwei Stufen hinab. Der Mensch, welcher mit dem Rufe zu Hilfe floh und in der Rue du Roi de Sicile getödtet wurde, kam gerade vorüber, als ich den Fuß auf die erste setzte. Wir wollen doch sehen.«
La Mole ging an die Thüre und klopfte.
Die Thüre öffnete sich und eine Art von Portier mit einem Schnurrbart trat auf die Schwelle.
»Was ist das?« fragte der Portier.14
»Ah, ah!« murmelte La Mole, »es scheint, wir sind in der Schweiz. Mein Freund,« fuhr er mit seiner freundlichsten Miene fort, »ich wünschte meinen Degen zu haben, den ich in diesem Hause gelassen habe, wo ich die Nacht zubrachte.«
»Ich verstehe nicht,« antwortete der Portier.
»Meinen Degen,« versetzte La Mole.
»Ich verstehe nicht,« wiederholte der Portier.
…»Den ich hier gelassen habe, … meinen Degen wünschte ich zu haben.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich habe ihn in diesem Hause gelassen, wo ich die Nacht zubrachte.«
»Geht zum Teufel!«
Und er warf ihm die Thüre vor der Nase zu.
»Bei Gott!« sprach La Mole, »wenn ich den Degen hätte, den ich zurückfordere, würde ich ihn diesem Burschen mit dem größten Vergnügen durch den Leib rennen. Aber ich habe ihn nicht, und muß es mir für ein andermal vorbehalten.«
Wonach La Mole seinen Weg bis zu der Rue du Roi de Sicile fortsetzte, sich rechts wandte, etwa fünfzig Schritte machte, dann abermals rechts ging und sich in der Rue Tizon befand, welche mit der Rue Cloche-Percée parallel läuft und dieser in allen Stücken ähnlich ist. Mehr noch: kaum hatte er dreißig Schritte gemacht, als er die kleine Thüre mit den großen Nägeln und dem Schirmdache, die zwei Stufen und die Mauer wieder fand. Es war, als hätte sich die Rue Cloche-Percée umgedreht, um ihn vorübergehen zu sehen.
La Mole bedachte nun, daß er möglicher Weise seine Rechte für seine Linke genommen, und klopfte an diese Thüre, um hier dieselbe Forderung zu stellen, die er bereits an der andern gemacht hatte. Aber diesmal mochte er immerhin klopfen, man öffnete nicht.
La Mole machte wiederholt denselben Gang, den er zuvor gemacht hatte, wodurch sich der ganz natürliche Gedanke bei ihm feststellte, das Haus habe zwei Eingänge, den einen nach der Rue Cloche-Percée, den andern nach der Rue Tizon.
Aber diese Betrachtung, so logisch sie auch war, gab ihm seinen Degen nicht zurück und belehrte ihn auch nicht, wo sich sein Freund befand.
Zwei Pagen und sein Stallmeister:
Gut, das sind Barbaren. Sagt mir La Mole, wen habt Ihr in Eurem Zimmer getroffen?
Den Herzog Franz.
Was that er?
Ich weiß es nicht.
Mit wem?
Mit einem Unbekannten.