Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 26
XIV.
Die Macht der Könige
Karl IX. marschirte indessen neben Heinrich auf dessen Arm gelehnt! es folgten ihm seine vier Edelleute und zwei Fackelträger gingen voraus.
»Verlasse ich den Louvre,« sagte der arme König, »so empfinde ich ein Vergnügen, dem ähnlich, wenn ich in einen schönen Wald trete: ich athme, ich lebe, ich bin frei.«
Lächelnd erwiederte Heinrich:
»Eure Majestät würde sich in meinen Gebirgen in Bearn wohl befinden.«
»Ja, ich begreife, daß Du Lust hast, dahin zurückzukehren; faßt Dich aber das Verlangen gar zu stark, Henriot, so nimm Deine Vorsichtsmaßregeln, das rathe ich Dir,« fügte Karl lachend bei: »denn meine Mutter Catharina liebt Dich so sehr, daß sie Deiner durchaus nicht entbehren kann.«
»Was wird Euere Majestät diesen Abend thun?« fragte Heinrich, von diesem gefährlichen Gespräche ablenkend.
»Ich will Dich eine Bekanntschaft machen lassen, Henriot; Du sollst mir Deine Meinung sagen.«
»Ich stehe Euerer Majestät zu Befehl?«
»Rechts! rechts! wir gehen in die Rue des Barres.«
Die zwei Könige hatten in Begleitung ihrer Escorte die Rue de la Savonnerie durchschritten, als sie auf der Höhe des Hotel Condé zwei Männer in große Mäntel gehüllt aus einer Thüre herauskommen sahen, welche einer derselben geräuschlos wieder verschloß.
»Oh! oh!« sagte der König zu Heinrich, der seiner Gewohnheit gemäß ebenfalls schaute, aber ohne etwas zu sprechen, »das verdient Beachtung.«
»Warum sagt Ihr das, Sire?« fragte der König von Navarra.
»Nicht Deinetwegen, Henriot, Du bist Deiner Frau sicher,« erwiederte Karl, »aber Dein Vetter Condé ist der seinigen nicht sicher, oder wenn er es ist, so hat er Unrecht, der Teufel soll mich holen!«
»Aber wer sagt Euch, Sire, diese Herren haben Frau von Condé besucht?«
»Eine Ahnung …. die Unbeweglichkeit dieser zwei Männer, die sich an die Thüre anschmiegen, seitdem sie uns gesehen haben, und sich nicht rühren; sodann ein gewisser Mantelschnitt des Kleineren von Beiden …. Bei Gott! es wäre seltsam.«
»Was?«
»Nichts, es ist mir nur ein Gedanke gekommen; vorwärts.«
Und er ging gerade auf die zwei Männer zu, die, als sie sahen, daß es wirklich auf sie abgezielt war, einige Schritte machten, um sich zu entfernen.
»Holla! meine Herren,« rief der König, »halt!«
»Spricht man mit uns?« fragte eine Stimme, welche Karl und seinen Gefährten beben machte.
»Nun, Henriot,« sagte Karl, »erkennst Du eine von diesen Stimmen?«
»Sire,« antwortete Heinrich, »wenn Euer Bruder, der Herzog von Anjou, nicht bei La Rochelle wäre, so würde ich schwören, er hätte gesprochen.«
»Wohl, er ist nicht bei La Rochelle; das ist das Ganze.«
»Aber wer ist bei ihm?«
»Du erkennst seinen Gefährten nicht?«
»Nein, Sire.«
»Er hat doch eine Gestalt, daß man sich nicht leicht täuschen kann. Warte, Du sollst ihn erkennen. He! holla!« wiederholte der König, »habt Ihr nicht gehört, Mord und Tod?«
»Seyd Ihr die Wache und wollt uns verhaften?« sagte der Größere von den zwei Männern, seinen Arm von den Falten des Mantels frei machend.
»Nehmt an, wir seyen die Wache,« sprach der König, »und bleibt stehen, wenn man es Euch befiehlt.«
Dann neigte er sich an das Ohr von Heinrich und flüsterte ihm zu:
»Du sollst den Vulkan Flammen speien sehen.«
»Ihr seyd zu acht,« sprach der Größere von den zwei Männern, dießmal nicht nur den Arm, sondern auch sein Gesicht zeigend, »aber wäret Ihr auch zu hundert …. gebt Raum und geht Eueres Wegs.«
»Ah! ah! der Herzog von Guise,« sagte Heinrich.
»Ah! unser Vetter von Lothringen,« sprach der König. »Ihr gebt Euch endlich zu erkennen; das ist ein Glück!«
»Der König!« rief der Herzog.
Bei diesen Worten begrub sich die andere Person völlig in ihren Mantel und blieb unbeweglich, nachdem sie zuvor aus Achtung den Kopf entblößt hatte.
»Sire,« sprach der Herzog von Guise, »ich machte meiner Schwägerin, Frau von Condé, einen Besuch.
»Ja, und Ihr habt einen von Euern Edelleuten mitgenommen. Welchen?«
»Sire,« antwortete der Herzog, »Euere Majestät kennt ihn nicht.«
»Dann wollen wir seine Bekanntschaft machen,« sprach der König, ging gerade auf die andere Gestalt zu, und hieß einen von den zwei Lackeien durch ein Zeichen näher kommen.
»Um Vergebung, mein Bruder,« sprach der Herzog von Anjou, seinen Mantel auseinanderschlagend und sich mit schlecht verhehltem Aerger verbeugend.
»Ah! ah! Heinrich, Ihr seyd es! … Nein, es ist nicht möglich, ich täusche mich. Mein Bruder Anjou hätte Niemand besucht, ohne zuvor bei mir gewesen zu seyn. Es ist ihm nicht unbekannt, daß es für die Prinzen von Geblüt, welche in die Hauptstadt zurückkehren, nur ein Thor in Paris giebt: das ist die Pforte des Louvre.«
»Verzeiht, Sire,« sagte der Herzog von Anjou, »ich bitte Euere Majestät, eine Unachtsamkeit zu entschuldigen.«
»Von Herzen gern,« antwortete der König mit spöttischem Tone, »aber was machtet Ihr denn in dem Hotel Condé, mein Bruder?«
»Ei, mein Gott,« versetzte der König von Navarra, mit seiner verschmitzten Miene, »was Euere Majestät so eben sagte.«
Und er flüsterte dem König etwas in das Ohr und schloß seine Rede mit einem schallenden Gelächter.
»Was ist denn das?« fragte hochmüthig der Herzog von Guise; denn wie Jedermann am Hofe hatte er die Gewohnheit angenommen, den König von Navarra auf eine grobe Weise zu behandeln. »Warum sollte ich meine Schwägerin nicht besuchen? Besucht der Herzog von Alençon nicht auch die seinige?«
Heinrich erröthete leicht.
»Welche Schwägerin?« fragte Karl. »Ich kenne keine andere Schwägerin von ihm, als Elisabeth.«
»Um Vergebung, Sire, ich hätte sagen sollen, seine Schwester Margarethe, welche wir vor einer halben Stunde in einer Sänfte, begleitet von zwei Stutzern, von denen jeder an einem Schlage trabte, vorüberkommen sahen.«
»Wirklich!« sagte Karl. »Was erwiedert Ihr hierauf?«
»Daß es der Königin von Navarra frei stehe, zu gehen, wohin sie wolle; …. ich bezweifle jedoch, ob sie den Louvre verlassen habe.«
»Und ich weiß es gewiß,« sprach der Herzog von Guise.
»Und ich auch,« versetzte der Herzog von Anjou, »und zum Beweise bemerke ich, daß sie in der Rue Cloche-Percée angehalten hat.«
»Euere Schwägerin, nicht diese,« sagte Heinrich auf das Hotel Condé deutend, »sondern jene da unten,« und er gab seinem Finger die Richtung nach dem Hotel Guise, »muß auch von der Partie seyn, denn wir haben sie beisammen verlassen, und sie sind, wie Ihr wißt, unzertrennlich.«
»Ich verstehe nicht, was Euere Majestät damit sagen will,« erwiederte der Herzog von Guise.
»Im Gegentheil, nichts ist klarer,« sprach der König, »und darum ist an jedem Schlage ein Stutzer gelaufen.«
»Wohl!« versetzte der Herzog, »wenn von Seiten der Königin und von Seiten meiner Schwägerinnen Skandal stattfindet, so wollen wir die Gerechtigkeit des Königs anrufen, um der Sache ein Ende zu machen.«
»Ah! bei Gott,« rief Heinrich, »laßt die Damen von Condé und Nevers. Der König kümmert sich nicht um seine Schwester, und ich habe Vertrauen zu meiner Frau.«
»Nein, nein,« sprach Karl, »ich will mit der Sache im Reinen seyn, wir werden unsere Angelegenheiten aber selbst abmachen. Die Sänfte hat in der Rue Cloche-Percée angehalten, sagt Ihr, Vetter?«
»Ja, Sire.«
»Würdet Ihr die Stelle wohl wieder erkennen?«
»Ja, Sire.«
»Gut, gehen wir dahin, und muß man das Haus abbrennen, um zu erfahren, wer da ist, so brennt man es ab.«
Mit dieser für die Sicherheit derjenigen, von welchen die Rede war, nicht sehr beruhigenden Stimmung schlugen die vier vornehmsten Herren der christlichen Welt den Weg nach der Rue Saint-Antoine ein.
Die vier Prinzen gelangten in die Rue Cloche-Percée; Karl, der seine Angelegenheiten in der Familie abmachen wollte, entließ die Edelleute seines Gefolges mit der Bemerkung, sie könnten über den Rest ihrer Nacht verfügen, sollten sich jedoch gegen sechs Uhr Morgens bei der Bastille mit zwei Pferden bereit halten.
Es waren nur drei Häuser in der Rue Cloche-Percée die Nachforschung wurde um so weniger schwierig, als bei zwei derselben sich durchaus nicht zu öffnen weigerten: es waren diejenigen, von welchen das eine an die Rue Saint-Antoine, das andere an die Rue du Roi de Sicile stieß.
Bei dem dritten verhielt es sich anders; dieses wurde von dem deutschen Portier bewacht, und der deutsche Portier war nichts weniger als schmiegsam. Paris schien bestimmt, in dieser Nacht das merkwürdigste Beispiel häuslicher Treue zu bieten.
Herr von Guise mochte immerhin in dem reinsten Sächsisch drohen, Heinrich von Anjou mochte immerhin eine Börse voll Gold bieten, Karl mochte immerhin erklären, er wäre der Lieutenant von der Wache, der brave Deutsche nahm weder auf die Erklärung, noch auf das Anerbieten, noch auf die Drohungen Rücksicht. Als er sah, daß man auf eine lästig werdende Weise auf seinem Willen einzudringen beharrte, schob er zwischen die eisernen Stangen das Ende einer gewissen Büchse, eine Kundgebung, worüber drei von den vier Herren lachten, – Heinrich hielt sich nämlich zurück, als ob die Sache ganz ohne Interesse für ihn wäre, – weil das Gewehr, da es nicht schräg durch die Stangen dringen konnte, kaum für einen Blinden gefährlich gewesen wäre, der sich vor dasselbe gestellt hätte.
Als der Herzog von Guise sah, daß man den Portier weder einschüchtern, noch bestechen, noch überreden konnte, stellte er sich, als ginge er mit seinen Gefährten weg; aber der Rückzug war nicht lange. An der Ecke der Rue Saint-Antoine fand der Herzog, was er suchte: einen von den Steinen, wie ihn dreitausend Jahre vorher Ajax Telamonios und Diomedes handhabten; er lud ihn auf die Schulter und kehrte, seinen Gefährten mit einem Zeichen bedeutend, sie mögen ihm folgen, zurück. Grade in diesem Augenblick schloß der Portier, als er diejenigen, welche er für Bösewichte hielt, sich hatte entfernen sehen, die Thüre wieder, ohne daß er noch Zeit gehabt hatte, die Riegel vorzustoßen. Der Herzog benützte diesen Augenblick, und schleuderte, eine wahre lebendige Katapulta, den Stein gegen die Thüre. Das Schloß flog auf und riß den Theil der Mauer, in welchem es befestigt war, mit sich. Die Thüre öffnete sich, den Deutschen umwerfend, der während seines Falles durch einen furchtbaren Schrei die Garnison aufmerksam machte, welche ohne diesen Schrei ertappt zu werden Gefahr lief.
Gerade in diesem Augenblick übersetzte La Mole mit Margarethe eine Idylle von Theokrit, während Coconnas unter dem Vorwande, er wäre auch ein Grieche, viel Syracuser mit Henriette trank. Die wissenschaftliche Unterhaltung und die bacchische Unterhaltung wurden gewaltsam unterbrochen.
Die Kerzen auslöschen, die Fenster öffnen, auf den Balcon stürzen, vier Männer in der Dunkelheit unterscheiden, ihnen alles Wurfgeschoß, das sie in die Hände bekamen, auf den Kopf schleudern und einen furchtbaren Lärmen mit Schwertstreichen machen, welche nur die Mauer trafen, das war das Mittel, zu welchem Coconnas und Mole unverzüglich griffen. Karl, der Wüthendste von den Angreifenden, bekam eine silberne Wasserkanne auf die Schulter, der Herzog von Alençon ein Becken voll von einer Compote von Orangen und Cedra, und der Herzog von Guise eine Wildschweinskeule. Heinrich bekam nichts. Er befragte ganz leise den Portier, den der Herzog von Guise an die Thüre gebunden hatte, und der ihm mit seinem ewigen: »Ich verstehe nicht« antwortete.
Die Frauen ermuthigten die Belagerten und gaben ihnen Wurfgeschosse, welche wie Hagel herabfielen.
»Mord und Teufel!« rief Karl IX., als er ein Tabouret auf den Kopf bekam, das ihm den Hut bis auf die Nase eindrückte, »man öffne sogleich, oder ich lasse Alles da oben hängen.«
»Mein Bruder!« sagte Margarethe leise zu La Mole. »Der König!« flüsterte dieser Henriette zu. »Der König! der König!« sprach die Letztere zu Coconnas, welcher eine Kiste an das Fenster zog und dem Herzog von Guise, mit dem er es, ohne ihn zu kennen, hauptsächlich zu thun hatte, ein Ende machen wollte. »Der König! sage ich Euch.«
Coconnas ließ die Kiste los und schaute ganz erstaunt umher.
»Der König?« fragte er.
»Ja, der König.«
»Dann rasch abgezogen!«
»La Mole und Margarethe haben sich schon aus dem Staube gemacht; kommt.«
»Wo hinaus?«
»Kommt, sage ich Euch.«
Und Henriette nahm Coconnas bei der Hand, zog ihn durch die geheime Thüre, welche in das anstoßende Haus führte, und alle Vier flohen, nachdem sie die Thüre wieder hinter sich verschlossen hatten, durch den Ausgang nach der Rue Tizon.
»Oh! oh!« sprach Karl, »ich glaube die Garnison ergiebt sich.«
Die Fürsten warteten einige Minuten, aber kein Geräusch gelangte mehr zu den Belagerern.
»Man bereitet irgend eine List,« sprach der Herzog von Guise.
»Oder man hat vielmehr die Stimme meines Bruders erkannt und giebt Fersengeld,« versetzte der Herzog von Anjou.
»Aber man muß doch hier herauskommen,« entgegnete Karl.
»Ja,« sagte der Herzog von Anjou, »wenn das Haus keine zwei Ausgänge hat.«
»Vetter,« sprach der König, »nehmt wieder Euren Stein und macht es mit der zweiten Thüre, wie mit der ersten.«
Der Herzog dachte, es wäre unnöthig, zu solchen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen; er hatte bemerkt, daß die zweite Thüre weniger stark war, als die erste, und trat sie mit einem einzigen Fußstoße ein.
»Fackeln! Fackeln!« rief der König.
Die Lackeien näherten sich; die Fackeln waren erloschen, aber sie hatten bei sich, was man bedurfte, um sie wieder anzuzünden.
Man that dieß. Karl nahm die eine und gab die andere dem Herzog von Anjou.
Der Herzog von Guise marschirte mit dem Degen in der Hand voraus.
Heinrich schloß den Zug.
Man gelangte in den ersten Stock.
In dem Speisesaale war das Abendbrod aufgetragen oder vielmehr abgetragen, denn das Abendbrod hatte hauptsächlich die Wurfgeschosse geliefert. Die Kandelaber waren umgeworfen, das Geräthe lag unter einander, und Alles war zerbrochen, mit Ausnahme des Silbergeschirrs.
Man ging in den Salon. Hier fand man eben so wenig Aufklärung über die Identität der Personen, als im ersten Zimmer. Man sah nichts als griechische und lateinische Bücher und einige musikalische Instrumente.
Das Schlafgemach war noch stummer. Eine Nachtlampe brannte in einer alabasternen, an der Decke ausgehängten, Kugel, aber man schien nicht einmal in dieses Zimmer gekommen zu sein.
»Es giebt wohl noch einen zweiten Ausgang,« sagte der König.
»Das ist wahrscheinlich,« versetzte der Herzog von Guise.
»Aber wo ist er?« sprach der Herzog von Anjou. Man suchte überall, und fand nichts.
»Wo ist der Portier?« fragte der König.
»Ich habe ihn an das Gitter gebunden,« erwiederte der Herzog von Guise.
»Befragt ihn, Vetter.«
»Er wird nicht antworten wollen.«
»Bah! man macht ein kleines, langsames Feuer um seine Beine,« sagte der König lachend »und er wird wohl sprechen müssen.«
Heinrich schaute rasch durch das Fenster.
»Er ist nicht mehr da,« sagte er.
»Wer hat ihn losgebunden?« fragte lebhaft der Herzog von Guise.
»Mord und Teufel!« rief der König, »wir werden nichts erfahren.«
»In der That, Sire,« sagte Heinrich, »Ihr seht, nichts beweist, daß meine Frau und die Schwägerin von Herrn von Guise in diesem Hause gewesen sind.«
»Es ist wahr,« sprach Karl. »Die Schrift lehrt uns: es gibt drei Dinge, welche keine Spur hinter sich lassen: der Vogel in der Luft, der Fisch im Wasser und die Frau …, nein, ich täusche mich, der Mann bei …«
»Also ist das Beste, was wir thun können …« unterbrach ihn Heinrich.
»Ja,« erwiederte Karl, »daß ich für meine Quetschung Sorge trage, daß Ihr Euren Orangensirup abwischt, Anjou, und daß Ihr die Flecken von dem Schweinsfett tilgt, Guise.«
Und hiernach entfernten sie sich, ohne sich die Mühe zu nehmen, die Thüre wieder zu schließen.
Als sie in der Rue Saint Antoine anlangten, sagte der König zu dem Herzog von Anjou und dem Herzog von Guise:
»Wohin geht Ihr, meine Herren?«
»Sire, wir gehen zu Nantouillet, der meinen Vetter von Lothringen und mich beim Abendbrot erwartet: beliebt Euerer Majestät, mit uns zu kommen?«
»Nein, ich danke, wir gehen in entgegengesetzter Richtung. Wollt Ihr einen von meinen Fackelträgern?«
»Ich danke, Sire,« erwiederte rasch der Herzog von Anjou.
»Gut; er befürchtet, ich könnte ihn bespähen lassen,« flüsterte Karl dem König von Navarra in das Ohr.
Dann nahm er den Letzteren unter den Arm und sagte:
»Komm Henriot, ich gebe Dir heute Abendbrot.«
»Wir kehren also nicht in den Louvre zurück?« fragte Heinrich.
»Nein, sage ich Dir, dreifacher Starrkopf, komm mit mir, da ich Dir sage, Du sollst kommen.«
Und er zog Heinrich durch die Rue Geoffroy Lasnier fort.
XV.
Anagramm
Mitten in der Rue Geoffroy-Lasnier mündete die Rue Garnier-sur-l’Eau aus, und am Ende der Rue Garnier-sur-l’Eau erstreckte sich rechts und links die Rue des Barres.
Hier, wenn man einige Schritte gegen die Rue de la Mortellerie machte, erhob sich ein kleines vereinzeltes Haus mitten in einem von hohen Mauern umschlossenen Garten mit einer einzigen Thüre.
Karl zog einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Thüre, welche sogleich nachgab, ließ Heinrich und den Lackeien, der die Fackel trug, vorausgehen und schloß die Thüre wieder hinter sich.
Ein kleines Fenster war allein erleuchtet. Karl deutete, Heinrich zulächelnd, mit dem Finger darauf.
»Sire, ich verstehe nicht,« sagte dieser.
»Du wirst verstehen, Henriot.«
Der König von Navarra schaute Karl erstaunt an; seine Stimme, sein Gesicht hatten einen Ausdruck von Sanftmuth angenommen, der von dem gewöhnlichen Charakter seiner Physiognomie so ferne war, daß ihn Heinrich nicht mehr erkannte.
»Henriot,« sprach der König zu ihm, »ich sagte Dir, als ich den Louvre verließ, ich verlasse die Hölle; wenn ich hier eintrete, trete ich in das Paradies ein.«
»Sire,« versetzte Heinrich, »ich bin glücklich, daß mich Eure Majestät würdig gefunden hat, mich die Reise nach dem Himmel mitmachen zu lassen.«
»Der Weg ist schmal,« sagte der König, sich nach einer kleinen Treppe wendend, »aber dieß ist nur der Fall, damit nichts bei der Vergleichung fehlt.«
»Und wer ist der Engel, der den Eingang Eures Edens bewacht, Sire?«
»Du sollst es sehen,« erwiederte Karl IX.
Und er bedeutete Heinrich durch ein Zeichen, er möge ihm nachfolgen, stieß eine erste Thüre auf, sodann eine zweite und blieb auf der Schwelle stehen.
»Schaue,« sagte er.
Heinrich näherte sich und verharrte das Auge auf eines der reizendsten Gemälde geheftet, die er je gesehen hatte.
Es war eine schlafende Frau von achtzehn bis neunzehn Jahren, deren Kopf unten auf dem Bette eines entschlummerten Kindes ruhte, dessen zwei Füßchen sie mit ihren Händen an die Lippen hielt, während ihre langen blonden Haare wie eine Goldwoge über ihre Schultern herabfielen. Man hätte glauben sollen, es wäre ein Gemälde von Albano, die Jungfrau und das Jesuskind darstellend.
»Oh! Sire,« sagte der König von Navarra, »wer ist dieses reizende Geschöpf?«
»Der Engel meines Paradieses, das einzige Wesen, das mich meinetwegen liebt.«
Heinrich lächelte.
»Ja, meinetwegen,« sprach Karl, »denn sie liebte mich, ehe sie wußte, daß ich König bin.«
»Und seitdem sie es weiß?«
»Nun, seitdem sie es weiß,« erwiederte Karl mit einem Seufzer, welcher bewies, daß ihm dieses blutige Königthum oft sehr drückend war, »seitdem sie es weiß, liebt sie mich immer noch; … urtheile also.«
Der König näherte sich ganz sachte und hauchte auf die blühende Wange der jungen Frau einen Kuß so leicht, wie die Biene aus eine Lilie.
Und dennoch erwachte die junge Frau.
»Karl,« murmelte sie, die Augen öffnend.
»Du siehst,« sprach der König, »sie nennt mich Karl; die Königin sagt: Sire.«
»Oh!« rief die junge Frau, »Ihr seyd nicht allein, mein König!«
»Nein, meine gute Marie. Ich wollte Dir einen andern König mitbringen, der glücklicher ist, als ich, denn er hat keine Krone; unglücklicher als ich, denn er besitzt keine Marie Touchet. Gott gleicht Alles aus.«
»Sire, es ist der König von Navarra?« fragte Marie.
»Er selbst, mein Kind. Komm’ näher Henriot.«
Der König von Navarra näherte sich, Karl nahm seine rechte Hand.
»Schau’ diese Hand an, Marie, es ist die Hand eines guten Schwagers, und redlichen Freundes. Ohne diese Hand, siehst Du …«
»Nun, Sire?«
»Nun, ohne diese Hand, Marie, hätte unser Kind heute keinen Vater mehr.«
Marie stieß einen Schrei aus, fiel auf die Kniee, ergriff die Hand von Heinrich und küßte sie.
»Gut! Marie, gut!« sagte Karl.
»Und was habt Ihr gethan, um ihm zu danken, Sire?«
»Ich habe Gleiches mit Gleichem vergolten.«
Heinrich schaute Karl erstaunt an.
»Du wirst eines Tages erfahren, was ich damit sagen will. Mittlerweile komm und sieh.«
Und er näherte sich dem Bette, wo das Kind immer noch schlief.
»Ei!« sagte er, »wenn dieser dicke Junge im Louvre schliefe, statt hier in dem kleinen Hause der Rue des Barres, das würde viele Dinge in der Gegenwart und vielleicht auch in der Zukunft ändern.21
»Sire,« sprach Marie, »Eure Majestät verzeihe mir, es ist mir lieber, wenn es hier schläft, es schläft besser.«
»Stören wir also seinen Schlummer nicht, es ist so gut, zu schlafen, wenn man nicht träumt.«
»Wohl, Sire,« sprach Marie, und streckte die Hand nach einer von den Thüren aus, welche nach diesem Zimmer gingen.
»Ja, Du hast Recht, Marie,« sagte Karl IX., »wir wollen zu Nacht speisen.«
»Mein vielgeliebter Karl,« versetzte Marie, »nicht wahr, Ihr entschuldigt mich bei dem König, Euerem Schwager?«
»Worüber?«
»Daß ich unsere Diener weggeschickt habe, Sire,« fuhr Marie, sich an den König von Navarra wendend, fort. »Ihr werdet erfahren, daß Karl nur von mir bedient seyn will.«
»Ventre-saint-gris! ich glaube es wohl,« sagte Heinrich.
Die zwei Männer gingen in das Speisezimmer, während die Mutter, unruhig und sorgsam, mit einem warmen Stoffe den kleinen Heinrich bedeckte, der mit dem guten Schlafe des Kindes, um welchen ihn sein Vater beneidete, nicht erwacht war.
Marie kam wieder zu ihnen.
»Es sind nur zwei Gedecke!« sagte der König. »Erlaubt, daß ich Eure Majestät bediene,« sprach Marie.
»Sieh, Du bringst mir Unglück, Heinrich,« versetzte der König.
»Wie, Sire?«
»Hörst Du nicht?«
»Verzeihung, Karl, Verzeihung.«
»Ich verzeihe Dir, Marie. Setze Dich hierher neben mich, zwischen uns Beide.«
»Ich gehorche,« sagte Marie. Sie brachte ein Gedeck, setzte sich zwischen die zwei Könige und bediente sie.
»Nicht wahr, es ist gut, Henriot,« sprach Karl, »wenn man in der Welt einen Ort hat, wo man zu essen und zu trinken wagt, ohne daß man vorher einen Andern seinen Wein und seine Speisen kosten lassen muß?«
»Sire,« erwiederte Heinrich, »glaubt mir, daß ich Euer Glück mehr als irgend Jemand zu schätzen weiß.«
»Sage ihr auch, Henriot, daß sie sich, damit wir so glücklich bleiben, nicht in die Politik mischen, nicht nach Hofe kommen soll; vor Allem darf sie meine Mutter nicht kennen lernen.«
»Die Königin Catharina liebt Euere Majestät in der That so leidenschaftlich, daß sie auf jede andere Liebe eifersüchtig werden könnte,« antwortete Heinrich, der durch ein Ausweichen der gefährlichen Vertraulichkeit des Königs entgehen wollte.
»Marie,« sagte der König, »ich stelle Dir einen der feinsten und geistreichsten Menschen, die ich kenne, vor. Bei Hofe, und das will nicht wenig sagen, hat er Jedermann hinter das Licht geführt; ich allein habe vielleicht hell gesehen: ich behaupte nicht in seinem Herzen, sondern in seinem Geiste.«
»Sire,« versetzte Heinrich, »es kränkt mich, daß Ihr das Eine übertreibend am Andern zweifelt.«
»Ich übertreibe nichts, Henriot. Er macht besonders vortreffliche Anagramme. Sage ihm. er möge eines aus Deinem Namen machen, und ich stehe dafür, er thut es.«
»Oh! was soll man in dem Namen eines armen Mädchens, wie ich bin finden? Was für ein anmuthiger Gedanke soll aus dem Namen Marie Touchet hervorgehen?«
»Das ist zu leicht,« sprach Heinrich, »und ich rechne es mir nicht zu einem großen Verdienste an, es zu finden?«
»Oh! es ist bereits gemacht,« sprach Karl, »Du siehst ….«
Heinrich zog aus der Tasche seines Wammses seine Schreibtafel hervor, riß ein Blatt heraus, schrieb den Namen:
MARIE TOUCHET,
und darunter:
JE CHARME TOUT.22
Dann gab er das Blatt der jungen Frau.
»In der That,« rief sie, das ist unglaublich.«
»Was hat er gefunden?« fragte Karl.
»Sire, ich wage nicht, es zu wiederholen.«
»Sire,« sprach Heinrich, »in dem Namen Marie Touchet findet sich Buchstabe für Buchstabe, wenn man aus dem I ein J macht, wie dies üblich ist: Je charme tout.«
»In der That,« rief Karl, »Buchstabe für Buchstabe. Dies soll Dein Wahlspruch seyn, hörst Du, Marie? Nie war ein Wahlspruch besser verdient. Ich danke Dir, Heinrich. Marie, ich gebe ihn Dir in Diamanten geschrieben.«
Das Abendbrod endigte sich; es schlug zwei Uhr auf Notre-Dame.
»Zum Lohne für sein Compliment,« sagte Karl. »gieb ihm nun einen Lehnstuhl, Marie, in welchem er bis zum Morgen schlafen kann; jedoch sehr ferne von uns, denn er schnarcht, daß man bange bekommt. Erwachst Du vor mir, so wecke mich, denn wir müssen um sechs Uhr an der Bastille seyn. Gute Nacht, Heinrich. Mache es Dir so bequem, als Du kannst. Aber,« fügte er bei, indem er sich dem König von Navarra näherte und ihm die Hand auf die Schulter legte, »bei Deinem Leben, hörst Du wohl, Heinrich, bei Deinem Leben, gehe nicht ohne mich von hier fort.«
Heinrich hatte in dem, was er nicht völlig begriffen, wenigstens zu viel geargwohnt, um den Worten des Königs nicht zu gehorchen.
Karl IX. ging in sein Zimmer, und Heinrich, der harte Gebirgsmann, machte es sich in seinem Lehnstuhle bequem, wo er bald die Vorsichtsmaßregel seines Schwagers, ihn weit von sich zu entfernen, rechtfertigte.
Am andern Morgen wurde er mit Tagesanbruch von Karl geweckt. Da er völlig angekleidet geblieben war, so brauchte er nicht lange Zeit zu seiner Toilette. Der König war glücklich und heiter, wie man ihn nie im Louvre sah. Die Stunden, die er in diesem kleinen Hause zubrachte, waren seine Sonnenstunden.
Beide gingen durch das Schlafzimmer zurück. Die junge Frau schlief in ihrem Bette, das Kind schlief in seiner Wiege. Beide lächelten im Schlafe.
Karl schaute sie einen Augenblick mit unaussprechlicher Zärtlichkeit an. Dann wandte er sich gegen den König von Navarra um und sagte:
»Henriot, solltest Du je erfahren, welchen Dienst ich Dir diese Nacht geleistet habe, und sollte mir je Unglück begegnen, so erinnere Dich dieses Kindes, das hier in seiner Wiege ruht.«
Dann küßte er Beide auf die Stirne, ohne Heinrich Zeit zu einer Frage zu lassen, flüsterte: »Auf Wiedersehen, mein Engel.« und entfernte sich.
Heinrich folgte ihm nachdenkend.
Pferde, von Edelleuten gehalten, welche Karl IX. zu diesem Behufe beschieden hatte, erwarteten sie an der Bastille. Karl hieß Heinrich durch ein Zeichen aufsteigen, schwang sich selbst in den Sattel, ritt durch den Jardin de l’Arbalète hinaus und folgte den äußeren Boulevards.
»Wohin gehen wir?« fragte Heinrich.
»Wir wollen sehen, ob der Herzog von Anjou nur wegen Frau von Condé allein zurückgekehrt ist,« erwiederte Karl, »und ob in diesem Herzen eben so viel Ehrgeiz als Liebe liegt.«
Heinrich begriff diese Erklärung nicht und folgte Karl, ohne etwas zu sagen.
Als man zu den Marais gelangte und von den Palissaden beschützt Alles das erblickte, was man damals die Faubourgs Saint-Laurent nannte, zeigte Karl dem König von Navarra durch den gräulichen Morgennebel Männer in große Mäntel gehüllt und Pelzmützen auf dem Kopfe, welche vor einem schwer beladenen Fourgon ritten. Diese Männer nahmen vorrückend immer mehr eine genaue Form an, und man konnte, zu Pferde wie sie und mit den Vornehmsten von ihnen plaudernd, einen andern Mann in einem langen braunen Mantel und die Stirne von einem Hute nach französischer Mode beschattet sehen.
»Ah! ah!« sprach Karl, »ich vermuthete es.«
»Ei, Sire,« versetzte Heinrich, »wenn ich mich nicht täusche, ist der Reiter im braunen Mantel der Herzog von Anjou.«
»Er selbst,« erwiederte Karl IX. »Reite ein wenig auf die Seite, Heinrich, damit er uns nicht gewahr wird.«
»Aber wer sind die Männer in den grünlichen Mänteln und mit den Pelzmützen? Und was ist in jenem Wagen?« fragte Heinrich.
»Diese Männer,« antwortete Karl, »sind die polnischen Gesandten, und in jenem Wagen ist eine Krone. Und nun komm’, Henriot,« fügte er, sein Pferd in Galopp setzend und den Weg nach der Porte du Temple einschlagend, bei, »komm’, ich habe Alles gesehen, was ich sehen wollte.«