Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 29
»Oh!« rief La Mole, »ich verlange ihn nur, weil ich ausgehen will; wenn ihn aber Seine Hoheit noch länger zu behalten wünschte…«
»Nein, Herr Graf, es ist schon abgemacht.«
Der Page ging ab; La Mole häkelte seinen Mantel zu.
»Nun, wozu bestimmst Du Dich?« fragte La Mole.
»Ich weiß es nicht.«
»Werde ich Dich diesen Abend finden?«
»Wie soll ich Dir dieß sagen?«
»Du weißt nicht, was Du in zwei Stunden thun wirst?«
»Ich weiß wohl, was ich thun werde, aber ich weiß nicht, was man mir thun wird.«
»Die Herzogin von Nevers?«
»Nein, der Herzog von Alençon.«
»Ich bemerke in der That, daß er Dir seit einiger Zeit viel Freundschaft erzeigt.«
»Allerdings.«
»Dann ist Dein Glück gemacht,« versetzte La Mole lachend.
»Bah!…« rief Coconnas, »ein jüngerer Prinz.«
»Oh! er hat so große Lust, der ältere zu werden, daß der Himmel vielleicht zu seinen Gunsten ein Wunder thun wird. Du weißt also nicht, wo Du diesen Abend seyn wirst?«
»Nein.«
»Zum Teufel! oder vielmehr Gott befohlen.«
»Dieser La Mole ist furchtbar,« sagte Coconnas, »daß er immer wissen will, wo man ist! Weiß man es? Uebrigens habe ich, wie es mir scheint, Lust zu schlafen.« Und er legte sich wieder nieder.
La Mole nahm seinen Flug nach den Gemächern der Königin.
In dem uns bekannten Corridor begegnete er dem Herzog von Alençon.
»Ah! Ihr seyd es, Herr de La Mole?« sagte dieser.
»Ja, Monseigneur,« erwiederte La Mole, sich ehrfurchtsvoll verbeugend.
»Geht Ihr aus dem Louvre?«
»Nein, Hoheit, ich will Ihrer Majestät der Königin von Navarra meine Huldigung darbringen.«
»Um welche Stunde verlaßt Ihr sie?«
»Hat mir Monseigneur Befehle zu ertheilen?«
»Für den Augenblick nicht, aber ich wünsche Euch diesen Abend noch zu sprechen.«
»Um welche Stunde?«
»Zwischen neun und zehn Uhr.«
»Ich werde die Ehre haben, mich zu dieser Stunde Stunde bei Eurer Hoheit einzufinden.«
»Gut, ich zähle auf Euch.«
La Mole verbeugte sich und setzte seinen Weg fort.
»Dieser Herzog,« sagte er, »hat Augenblicke, wo er leichenbleich aussieht; das ist sonderbar!«
Und er klopfte an die Thüre der Königin; Gillonne, welche auf seine Erscheinung zu lauern schien, führte ihn zu Margarethe.
Diese war mit einer Arbeit beschäftigt, welche sie sehr zu ermüden schien; ein Papier voll ausgestrichener Stellen und ein Band von Isokrates lagen vor ihr. Sie bedeutete La Mole durch ein Zeichen, er möge sie einen Paragraphen vollenden lassen; als dieß geschehen war, was nicht lange dauerte, warf sie ihre Feder weg und lud den jungen Mann ein, sich neben sie zu setzen.
La Mole strahlte. Er war nie so schön, so heiter gewesen.
»Griechisch!« rief er, einen Blick in das Buch werfend: »eine Rede von Isokrates! Was wollt Ihr damit machen? Oh! oh! auf diesem Papiere Lateinisch!Ad Sarmatiælegatos reginæMargaritæconcio … Wollt Ihr mit diesen Barbaren in lateinischer Sprache reden?«
»Ich muß wohl,« erwiederte Margaretha, »da sie nicht Französisch sprechen.«
»Aber, wie könnt Ihr die Antwort machen, ohne die Anrede gehört zu haben?«
»Eine Gefallsüchtigere als ich würde Euch an eine Improvisation glauben lassen, aber für Euch, mein Hyacinth, habe ich keine solche Täuschungen: man hat mir die Rede im Voraus mitgetheilt, und ich antwortete darauf.«
»Werden diese Botschafter bald ankommen?«
»Sie sind bereits diesen Morgen angekommen.«
»Niemand weiß davon.«
»Sie sind incognito angekommen. Ihr feierlicher Einzug ist, wie ich glaube, auf übermorgen verschoben. Ihr werdet übrigens sehen,« sprach Margarethe mit einer zufriedenen Miene, welche von Pedanterie nicht ganz frei war, »was ich diesen Abend gemacht habe, ist ziemlich ciceronionisch; doch lassen wir diese Nichtswürdigkeiten. Sprechen wir von dem, was Euch begegnet ist.«
»Mir?«
»Ja.«
»Was ist mir denn begegnet?«
»Ah! Ihr möget immerhin den Muthigen spielen, ich finde Euch etwas bleich.«
»Das kommt von zu langem Schlafen her; ich klage mich dessen in Demuth an.«
»Stille, stille, seyd kein Prahler, ich weiß Alles.«
»Habt also die Güte, mich auf das Laufende zu bringen, meine Perle, denn ich weiß nichts.«
»Antwortet mir unumwunden. Was hat Euch die Königin Mutter gefragt?«
»Die Königin Mutter, mich! Sie hatte also mit mir zu sprechen?«
»Wie, Ihr habt sie nicht gesehen?«
»Nein.«
»Und den König Karl?«
»Nein.«
»Und den König von Navarra?«
»Nein.«
»Aber den Herzog von Alençon habt Ihr gesehen?«
»Ja, ich habe ihm so eben im Corridor begegnet.«
»Was hat er Euch gesagt?«
»Er wolle mir zwischen neun und zehn Uhr diesen Abend Befehle ertheilen.«
»Nichts Anderes?«
»Nichts.«
»Das ist sonderbar!«
»Was findet Ihr denn sonderbar, sagt es mir?«
»Das Ihr von Nichts habt sprechen hören.«
»Was ist denn vorgefallen?«
»Es ist vorgefallen, Unglücklicher… daß Ihr diesen ganzen Tag über einem Abgrunde schwebtet!«
»Ich?«
»Ja, Ihr.«
»Aus welchem Anlaß?«
»Hört. Diese Nacht in dem Zimmer des Königs von Navarra überrascht, den man verhaften wollte, hat von Mouy drei Menschen getödtet und sich sodann geflüchtet, ohne daß man etwas Anderes von ihm erkannte, als den berühmten rothen Mantel.«
»Nun?«
»Dieser rothe Mantel nun, der mich einmal täuschte, hat auch Andere getäuscht; man hatte Euch im Verdacht, klagte Euch sogar dieses dreifachen Mordes an. Diesen Morgen wollte man Euch verhaften, richten, wer weiß?… vielleicht verurtheilen, denn Ihr hättet, um Euch zu retten, gewiß nicht sagen wollen, wo Ihr waret, nicht wahr?«
»Sagen, wo ich war!« rief La Mole, »Euch compromittiren, meine edle Königin! meine reizende Majestät! Oh! Ihr habt Recht, ich wäre singend gestorben, um Euren schönen Augen eine Thräne zu ersparen.«
»Ach! mein armer Freund,« sprach Margarethe, »meine schönen Augen hätten viel geweint!«
»Aber wie hat sich dieser große Sturm gelegt?«
»Errathet.«
»Was weiß ich?«
»Es gab nur ein Mittel, zu beweisen, daß Ihr nicht in dem Zimmer des Königs von Navarra gewesen seyd.«
»Welches?«
»Zu sagen, wo Ihr waret.«
»Nun?«
»Ich habe es gesagt.«
»Wem?«
»Meiner Mutter.«
»Und die Königin Catharina?«
»Die Königin Catharina weiß, daß ich Euch liebe.«
»Oh! Madame, nachdem Ihr so viel für mich gethan habt, könnt Ihr Alles von Euerem Diener fordern. Oh! es ist schön und groß, was Ihr da gethan habt, Margarethe. Oh! Margarethe, mein Leben gehört ganz und gar Euch!«
»Ich hoffe es, denn ich habe es denjenigen entrissen, welche es mir nehmen wollten; aber jetzt seyd Ihr gerettet.«
»Und durch Euch,« rief der junge Mann, »durch meine angebetete Königin.«
In demselben Augenblick machte sie ein heftiges Geräusch beben. La Mole warf sich, von einem unbestimmten Schrecken erfaßt, zurück; Margaretha stieß einen Schrei aus und sah mit starren Augen nach einer zerbrochenen Fensterscheibe.
Durch diese Scheibe war ein Kieselstein von der Größe eines Eis geflogen, der noch auf dem Boden fortrollte.
La Mole sah ebenfalls die zerbrochene Scheibe und erkannte die Ursache des Geräusches.
»Welch ein Unverschämter« rief er und lief an das Fenster.
»Einen Augenblick,« sagte Margarethe, »es scheint mir, es ist etwas an diesen Stein angebunden.«
»In der That,« versetzte La Mole, »ein Stückchen Papier.«
Margarethe stürzte auf das seltsame Wurfgeschoß und riß das dünne Blatt davon ab, das wie ein schmales Band zusammengelegt mitten um den Kiesel gewickelt war.
Dieses Papier wurde durch einen Faden gehalten, der durch die Oeffnung der zerbrochenen Scheibe ging.
Margarethe entfaltete den Brief und las.
»Unglücklicher!« rief sie.
Sie reichte das Papier La Mole, welcher bleich, unbeweglich wie die Statue des Schreckens, dastand.
La Mole las, das Herz von einer schmerzlichen Ahnung zusammengeschnürt, folgende Worte:
»Man erwartet Herrn de La Mole mit langen Degen in dem Corridor, welcher zu dem Herzog von Alençon führt. Vielleicht würde er lieber zu diesem Fenster hinaussteigen und sich zu Herrn von Mouy in Mantes begeben.«
»Ei?« fragte La Mole, nachdem er gelesen hatte, »sind diese Degen, von denen die Rede ist, länger als der meinige?«
»Nein, aber es sind zehn gegen einen.«
»Und wer ist der Freund, der uns dieses Billet schickt?« fragte La Mole.
Margarethe nahm es noch einmal aus den Händen des jungen Mannes und heftete einen glühenden Blick darauf.
»Die Handschrift des Königs von Navarra!« rief sie, »da er warnt so muß die Gefahr wirklich vorhanden seyn. Flieht, La Mole, flieht! ich bitte Euch darum.«
»Und wie soll ich fliehen?«
»Durch dieses Fenster! ist denn in dem Billet nicht von diesem Fenster die Rede?«
»Befehlt, meine Königin, und ich springe aus diesem Fenster, und sollte ich tausendmal beim Falle zerschmettert werden.«
»Wartet, wartet,« sprach Margarethe, »es scheint mir, dieser Bindfaden trägt eine Last.«
»Wir wollen sehen,« sagte La Mole.
Und sie zogen Beide den an der Schnur hängenden Gegenstand an sich und sahen zu ihrer unsäglichen Freude das Ende einer Leiter von Roßhaar und Seide erscheinen.
»Ihr seyd gerettet!« rief Margarethe.
»Das ist ein Wunder vom Himmel.«
»Nein, es ist eine Wohlthat des Königs von Navarra.«
»Wenn es im Gegentheil eine Falle wäre,« sprach La Mole, »wenn diese Leiter unter meinen Füßen brechen sollte! Madame, habt Ihr nicht heute Euere Liebe für mich zugestanden?«
Margarethe, der die Freude ihre Farbe wieder verliehen hatte, wurde abermals todtenbleich.
»Ihr habt Recht,« sagte sie, »das ist möglich.«
Und sie eilte nach der Thüre.
»Was wollt Ihr thun?« rief La Mole.
»Mich selbst überzeugen, ob es wahr ist, daß man Euch im Corridor erwartet.«
»Nie! nie! damit der Zorn auf Euch fällt!«
»Was soll man einer Tochter von Frankreich, einer Frau und Prinzessin von Geblüt thun? Ich bin doppelt unverletzlich.«
Die Königin sprach diese Worte mit einer solchen Würde, daß La Mole begriff, sie wagte nichts und er müßte sie machen lassen, wie es ihr gut dünkte.
Margarete ließ La Mole unter der Obhut von Gillonne und stellte es seiner Klugheit anheim, je nach dem, was sich ergeben würde, zu fliehen oder ihre Rückkehr abzuwarten, und ging in den Corridor, der durch eine Verzweigung in die Bibliothek, so wie in mehrere Empfangszimmer führte und, wenn man ihm in seiner ganzen Länge folgte, nach den Gemächern des Königs, der Königin Mutter und der kleinen geheimen Treppe ausmündete, auf der man zu dem Herzog von Alençon und zu Heinrich hinaufstieg. Obgleich die Glocke kaum erst neun Uhr geschlagen hatte, waren doch alle Lichter ausgelöscht und der Corridor, abgesehen von einem schwachen Schimmer, der von einem Seitengange kam, in vollkommene Finsterniß gehüllt. Die Königin von Navarra wanderte festen Schrittes vorwärts: als sie aber kaum den dritten Theil des Corridors erreicht hatte, hörte sie ein Flüstern von Stimmen, welche durch die Mühe, die man sich gab, sie zu dämpfen, einen geheimnißvollen, erschreckenden Ausdruck bekamen. Doch beinahe in demselben Augenblick hörte das Geräusch auf, als ob es ein höherer Befehl erstickt hätte, und Alles versank in Stillschweigen und Finsterniß, denn sogar jener Schimmer, so schwach er auch war, schien abzunehmen.
Margarethe setzte ihren Weg fort, gerade der Gefahr entgegen, welche, wenn sie vorhanden war, hier ihrer wartete. Sie war scheinbar ruhig, obgleich ihre krampfhaft zusammengezogenen Hände eine furchtbare Nervenspannung andeuteten. Wie sie näher kam, verdoppelte sich das finstere Stillschweigen, und ein Schatten, dem einer Hand ähnlich, verdunkelte den zitternden, unsichern Schimmer.
Als sie an den Seitengang des Corridors gelangte, machte plötzlich ein Mann zwei Schritte vorwärts, enthüllte einen Handleuchter von Vermeil, beleuchtete sie damit und rief:
»Hier ist er!«
Margarethe stand ihrem Bruder Karl gegenüber. Hinter ihm sah sie, eine seidene Schnur in der Hand, den Herzog von Alençon. Ganz im Hintergrunds erschienen neben einander zwei Schatten, ohne ein anderes Licht von sich zu geben, als das, welches das bloße Schwert ausstrahlte, das sie in der Hand hielten.
Margarethe umfaßte das ganze Gemälde mit einem einzigen Blicke. Sie rief ihre Entschlossenheit zu Hilfe und erwiederte, Karl zulächelnd:
»Ihr wollt sagen:hier ist sie! Sire.«
Karl wich einen Schritt zurück. Die Andern blieben unbeweglich.
»Du, Margot,« sagte er, »und wohin gehst Du zu dieser Stunde?«
»Zu dieser Stunde,« entgegnete Margarethe, »ist es denn so spät?«
»Ich frage Dich, wohin Du gehst?«
»Ich will ein Buch der Reden von Cicero holen, das ich, wie ich glaube, bei unserer Mutter gelassen habe.«
»So ohne Licht?«
»Ich wähnte, der Corridor wäre beleuchtet.«
»Und Du kommst aus Deinen Zimmern?«
»Ja.«
»Was machst Du denn diesen Abend?«
»Ich bereite meine Rede an die polnischen Gesandten. Findet morgen nicht Rathsversammlung statt, und ist es nicht verabredet, daß jeder seine Rede Euerer Majestät vorlegen soll?«
»Und Du hast nicht irgend Jemand, der Dir bei Deiner Arbeit hilft?«
Margarethe raffte alle ihre Kräfte zusammen und erwiederte:
»Ja, mein Bruder, Herr de La Mole; er ist sehr gelehrt.«
»So gelehrt,« sprach der Herzog von Alençon, »daß ich ihn bat, wenn er bei Euch fertig wäre, meine Schwester, mich aufzusuchen und mir, der ich nicht so stark bin, wie Ihr, seinen Rath zu geben.«
»Und Ihr erwartet ihn?« sagte Margarethe mit dem allernatürlichsten Tone.
»Ja,« erwiederte Alençon ungeduldig.
»Dann will ich ihn Euch schicken, mein Bruder, denn wir sind fertig.«
»Und Euer Buch?« fragte Karl.
»Ich werde es durch Gillonne holen lassen.«
Die zwei Brüder wechselten ein Zeichen.
»Geht,« sprach Karl, »und wir wollen unsere Runde fortsetzen.«
»Euere Runde?« versetzte Margarethe, »was sucht Ihr denn?«
»Das rothe Männchen,« erwiederte Karl. »Wißt Ihr nicht, daß es ein rothes Männchen giebt, welches im Louvre umhergeht. Mein Bruder Alençon behauptet es gesehen zu haben, und wir suchen dasselbe auf.«
»Gute Jagd,« sprach Margarethe.
Und sie kehrte um, jedoch nicht ohne einen Blick zurückzuwerfen. Da sah sie an der Wand des Corridors die vier Schatten vereinigt und, wie es schien, in einer Berathung begriffen.
In einer Sekunde war sie an der Thüre ihrer Wohnung.
»Oeffne, Gillonne, öffne,« sagte sie.
Gillonne gehorchte.
Margarethe stürzte in das Zimmer und fand La Mole, der ihrer harrte, kalt und entschlossen, aber das Schwert in der Faust.
»Flieht!« rief sie, »flieht, ohne eine Sekunde zu verlieren. Sie erwarten Euch im Corridor, um Euch zu tödten.«
»Ihr befehlt es?« sprach La Mole.
»Ich will es. Wir müssen uns trennen, um uns wiederzusehen.«
Während der Abwesenheit von Margarethe hatte La Mole die Leiter an die Fensterstange befestigt, er schwang sich hinaus; aber ehe er den Fuß auf die erste Sprosse setzte, küßte er der Königin zärtlich die Hand und sprach:
»Wenn diese Leiter eine Falle ist und ich für Euch sterbe, Margarethe, so erinnert Euch Eueres Versprechens.«
»Es ist kein Versprechen, La Mole, es ist ein Schwur. Befürchtet nichts. Gott befohlen!«
Und voll kecken Muthes glitt La Mole mehr hinab, als er auf der Leiter zu Boden stieg.
In demselben Augenblick klopfte man an die Thüre.
Margarethe folgte La Mole mit den Augen bei seinem gefährlichen Unternehmen, und wandte sich erst um, als sie gewiß wußte, daß seine Füße die Erde berührt hatten.
»Madame!« sagte Gillonne. »Madame!«
»Nun?« fragte Margarethe.
»Der König klopft an die Thüre.«
»Oeffne.«
Gillonne gehorchte.
Die vier Prinzen standen, ohne Zweifel des Wartens müde, auf der Schwelle. Karl trat ein.
Margarethe kam Karl, ein Lächeln auf den Lippen, entgegen.
Der König warf einen raschen Blick umher.
»Was sucht Ihr, mein Bruder?« sagte Margarethe.
»Ich suche … ich suche …« antwortete Karl, ei! der Teufel! ich suche Herrn de La Mole.«
»Herrn de La Mole?«
»Ja, wo ist er?«
Margarethe nahm ihren Bruder bei der Hand und führte ihn an das Fenster.
In diesem Augenblicke sprengten zwei Männer im stärksten Galoppe ihrer Pferde davon und erreichten bereits den hölzernen Thurm; der Eine derselben löste seine Binde und ließ zum Zeichen des Abschiedes die weiße Seide in der Nacht flattern; diese zwei Männer waren Orthon und La Mole.
Margarethe zeigte Karl die zwei Männer mit der Fingerspitze.
»Nun!« fragte der König, »was soll dieß bedeuten?«
»Dieß soll bedeuten,« erwiederte Margarethe, »daß der Herr Herzog von Alençon seine Schnur in die Tasche und die Herren Anjou und Guise ihre Schwerter in die Scheide stecken können, insofern Herr de La Mole diese Nacht nicht durch den Korridor zurückgehen wird.«
XIX.
Die Atriden
Seit seiner Rückkehr nach Paris hatte Heinrich von Anjou seine Mutter, deren vielgeliebter Sohn er bekanntlich war, noch nicht offen gesehen.
Es war nicht mehr die leere Befriedigung einer Etiquette, nicht mehr die peinliche Vollziehung einer Ceremonie, sondern die Erfüllung einer süßen Pflicht für diesen Sohn, der, wenn er seine Mutter nicht liebte, doch wenigstens überzeugt war, daß er von ihr zärtlich geliebt würde.
Catharina zog wirklich diesen Sohn vor, sei es nun wegen seiner Tapferkeit, sey es wegen seiner Schönheit, denn in Catharina war außer der Mutter auch die Frau zu finden, sey es endlich, weil, wie einige Scandal-Chroniken behaupten, Heinrich von Anjou die Florentinerin an eine gewisse glückliche Epoche geheimnißvoller Liebschaften erinnerte.
Catharina wußte allein von der Rückkehr des Herzogs von Anjou nach Paris, von der Karl nichts erfahren hätte, würde ihn nicht der Zufall gerade in dem Augenblick vor das Hotel Condé geführt haben, in welchem sein Bruder heraustrat. Karl erwartete ihn erst am andern Tage, und Anjou hoffte ihm die zwei Schritte zu verbergen, die seine Ankunft um einen Tag beschleunigt hatten, nämlich seinen Besuch bei der schönen Marie von Kleve, Prinzessin von Condé, und seine Besprechung mit den polnischen Gesandten.
Diesen letzten Schritt, über dessen Zweck Karl noch ungewiß geblieben war, hatte der Herzog von Anjou seiner Mutter zu erklären, und dem Leser, der, wie Heinrich von Navarra, sicherlich in einem Irrthum befangen war, wird diese Erklärung benützen.
Als der Herzog von Anjou, längst erwartet, bei Catharina eintrat, öffnete Catharina, sonst so kalt, so abgemessen, Catharina, welche seit der Abreise ihres vielgeliebten Sohnes nur Coligny, der am andern Tage ermordet werden sollte, mit einer gewissen Begeisterung umarmt hatte, öffnete Catharina, sagen wir, dem Kinde ihrer Liebe die Arme und drückte es mit einem Ergusse mütterlicher Zärtlichkeit an die Brust, die man nur mit Erstaunen an diesem vertrockneten Herzen wahrnehmen konnte.
Dann trat sie zurück, schaute ihn an, und begann abermals, ihn zu umarmen.
»Oh! Madame,« sagte er, »da mir der Himmel die Freude gönnt, meine Mutter ohne Zeugen zu umarmen, so tröstet den unglücklichsten Menschen dieser Welt.«
»Mein Gott! mein liebes Kind,« rief Catharina, »was ist Euch denn begegnet?«
»Nichts, was Ihr nicht wüßtet, meine Mutter. Ich liebe, ich werde geliebt, aber gerade diese Liebe, welche das Glück eines Andern bilden würde, macht mein Unglück.«
»Erklärt mir das, mein Sohn.«
»Oh! meine Mutter … diese Gesandten, diese Abreise …«
»Ja,« sprach Catharina, »die Gesandten sind angekommen, die Abreise drängt.«
»Sie hat keine Eile, meine Mutter, aber mein Bruder wird darauf dringen; er haßt mich; ich mache ihm Schatten und er will sich meiner entledigen.«
Catharina lächelte.
»Indem er Euch einen Thron giebt, armer, unglücklicher Gekrönter!«
»Oh! gleichviel, meine Mutter,« versetzte Heinrich, »ich will nicht abreisen. Ich, ein Sohn von Frankreich, erzogen inmitten der feinsten Sitten, in der Nähe der besten Mutter, geliebt von einer der reizendsten Frauen der Erde, soll da hinaus in die Schneefelder, an das Ende der Welt, langsam sterben unter plumpen, rohen Menschen, welche sich vom Morgen bis zum Abend betrinken und die Fähigkeiten ihres Königs nach denen eines Fasses ermessen. Nein, meine Mutter … ich will nicht abreisen.… Ich würde darüber sterben!«
»Sprecht, Heinrich,« sagte Catharina und drückte ihrem Sohne beide Hände, »sprecht, ist dieß die wahre Ursache?«
Heinrich schlug die Augen nieder, als wagte er es nicht, seiner Mutter zu gestehen, was in seinem Herzen vorging.
»Ist es nicht eine andere,« fuhr Catharina fort, »eine minder romanhafte, aber mehr vernünftige, mehr politische?«
»Meine Mutter, es ist nicht mein Fehler, wenn dieser Gedanke in meinem Geiste geblieben ist, und er nimmt vielleicht mehr Platz darin ein, als er einnehmen sollte. Sagtet Ihr mir aber nicht selbst, das Horoskop, das man meinem Bruder Karl bei seiner Geburt gezogen, verdamme ihn, jung zu sterben?«
»Ja,« erwiederte Catharina, »aber ein Horoskop kann lügen, mein Sohn. Ich selbst hoffe in diesem Augenblick, daß die Horoskope insgesamt nicht wahr seien.«
»Aber sprecht, sagte dieß nicht sein Horoskop?«
»Sein Horoskop, sprach von einem Vierteljahrhunderte, aber es sagte nicht, ob damit sein Leben oder seine Regierung gemeint sei.«
»Nun wohl, meine, Mutter, macht daß ich bleibe. Mein Bruder ist beinahe vierundzwanzig Jahre alt, in einem Jahre wird die Frage entschieden sein.«
Catharina versank in tiefes Nachdenken.
»Ja, gewiß,« sagte sie nach einer Weile, »es wäre besser, wenn das so sein könnte.«
»Oh! urtheilt doch selbst, meine Mutter, welch’ eine Verzweiflung für mich, wenn ich die Krone von Frankreich gegen die von Polen vertauscht hätte! Wenn ich dort sollte von dem Gedanken gemartert werden, daß ich im Louvre inmitten dieses eleganten, wissenschaftlich gebildeten Hofes, in der Nähe der besten Mutter der Welt regieren könnte, in der Nähe einer Mutter, welche gewohnt war, mit meinem Vater einen Theil der Bürde des Staates zu tragen, gern sie auch mit mir getragen hätte. Oh! meine Mutter, ich wäre ein großer König gewesen!«
»Ruhig, ruhig, liebes Kind,« sprach Catharina, für welche diese Zukunft stets die süßeste Hoffnung gewesen war, »ruhig, verzweifelt nicht. Habt Ihr nicht Euerer Seits an irgend ein Mittel gedacht, die Sache zu ordnen?«
»Oh! gewiß, und gerade deßhalb bin ich zwei oder drei Tage früher gekommen, als man mich erwartete, wobei ich indessen meinen Bruder glauben ließ, es wäre Frau von Condé zu Liebe geschehen. Dann ritt ich Lasco, dem Gewichtigsten von den polnischen Gesandten entgegen, gab mich ihm zu erkennen und that bei dieser ersten Zusammenkunft Alles, was mir möglich war, um mich hassenswert zu machen, und ich hoffe, es ist mir gelungen.«
»Oh! mein liebes Kind,« sprach Catharina, »das ist schlimm! Ihr müßt mehr Werth auf das Interesse Frankreichs, als auf Eueren Widerwillen legen.«
»Meine Mutter, will das Interesse Frankreichs, daß, wenn meinem Bruder Unglück widerfährt, der Herzog von Alençon oder der König von Navarra regiere?«
»Oh! der König von Navarra, nie! nie!« murmelte Catharina, und die Unruhe bedeckte ihre Stirne mit dem sorgenvollen Schleier, der sich immer darüber ausbreitete, so oft diese Frage sich darbot.
»Meiner Treue,« fuhr Heinrich fort, »mein Bruder Alençon ist kaum besser und liebt Euch nicht mehr.«
»Nun, was hat Lasco gesagt?« versetzte Catharina.
»Lasco zögerte selbst, als ich in ihn drang, eine Audienz zu verlangen. Oh! wenn er nach Polen schreiben, diese Wahl zu Nichte machen könnte.«
»Tollheit, mein Sohn, Tollheit! Was ein Reichstag geheiligt hat, ist geheiligt.«
»Aber, meine Mutter, könnte man diese Polen nicht veranlassen, meinen Bruder statt meiner zu nehmen?«
»Das ist, wenn nicht unmöglich, doch wenigstens schwierig.«
»Gleichviel! versucht es, sprecht mit meinem Bruder, werft Alles auf meine Liebe für Frau von Condé. Mutter, sagt ihm, ich sei wie ein Verrückter in sie verliebt, ich verliere den Verstand darüber. Er hat mich gerade aus dem Hotel des Prinzen mit Guise gehen sehen, der mir dort alle Dienste eines guten Freundes leistet.«
»Ja, um die Ligue zu bilden. Ihr seht das nicht, aber ich sehe es.«
»Allerdings, meine Mutter, allerdings, aber mittlerweile benütze ich ihn. Sind wir denn nicht glücklich, wenn ein Mensch uns dient, während er sich selbst dient?»
»Und was sagte der König, als er Euch begegnete?«
»Er schien an das zu glauben, was ich ihn versicherte, nämlich die Liebe allein hätte mich nach Paris zurückgeführt.«
»Hat er Euch aber nicht über den Rest der Nacht um Rechenschaft gefragt?«
»Gewiß, aber ich speiste bei Nantouillet zu Nacht, wo ich einen abscheulichen Lärmen machte, damit sich das Gerücht hiervon verbreiten und der König nicht daran zweifeln würde, ich wäre dort.«
»Also weiß er nichts von Euerem Besuche bei Lasco?«
»Durchaus nichts.«
»Desto besser; ich werde es versuchen, mit ihm für Euch zu sprechen; aber Ihr wißt, es gibt keinen wirklichen Einfluß auf diese rauhe Natur.«
»Oh! meine Mutter, meine Mutter, welch’ ein Glück, wenn ich bliebe; ich würde Euch, wenn es möglich wäre, noch viel mehr lieben, als ich Euch jetzt liebe.«
»Wenn Ihr bleibt, wird man Euch abermals in den Krieg schicken.«
»Oh! mir gleichviel, wenn ich nur Frankreich nicht verlasse.«
»Ihr werdet machen, daß man Euch tödtet!«
»Meine Mutter, man stirbt nicht an Streichen … man stirbt vor Schmerz, vor Kummer. Aber Karl wird mir nicht erlauben, zu bleiben; er haßt mich.«
»Er ist eifersüchtig auf Euch, mein schöner Sieger, das ist eine abgemachte Sache; warum seid Ihr auch so brav und so glücklich? Warum habt Ihr, kaum zwanzig Jahre alt, Schlachten gewonnen, wie Alexander und Cäsar? Mittlerweile entdeckt Euch aber Niemand, stellt Euch zufrieden, macht dem König den Hof. Noch heute versammelt man sich im geheimen Rathe, um die Reden, welche bei der Festlichkeit gehalten werden sollen, zu lesen und zu besprechen; spielt den König von Polen und überlaßt mir das Uebrige. Doch sagt, wie ging es mit Euerer Expedition gestern Abend?«
»Sie ist gescheitert; der Liebhaber war gewarnt und entfloh durch das Fenster.«
»Endlich werde ich doch einmal erfahren,« sagte Catharina, »wer der böse Genius ist, der alle meine Pläne durchkreuzt. Vorläufig habe ich eine Vermuthung… und wehe ihm!«
»Also meine Mutter?«
»Laßt mich diese Angelegenheit leiten.«
Und sie küßte Heinrich zärtlich auf die Augen und verließ ihr Cabinet.
Bald erschienen bei der Königin die Prinzen ihres Hauses. Karl war in guter Laune, denn die Haltung seiner Schwester Margot hatte ihn mehr gefreut, als geärgert; er grollte La Mole nicht und hatte im Corridor nur eifrig auf ihn gewartet, weil es eine Art von Jagd auf den Anstand war.
Alençon war im Gegentheil sehr aufgebracht. Die Abneigung, die er immer gegen La Mole hegte, hatte sich in dem Augenblick in Haß verwandelt, wo er erfuhr, daß La Mole von seiner Schwester geliebt wurde.
Margarethe war zugleich träumerisch und aufgeweckt. Sie hatte zugleich sich zu erinnern und zu wachen.
Die polnischen Abgeordneten hatten den Text der Reden geschickt, welche sie halten wollten.
Margarethe, mit der man von der Scene des vorhergehenden Abends nicht mehr gesprochen hatte, als ob diese Scene gar nicht vorgefallen wäre, las die Reden, und außer Karl brachte Jeder zur Sprache, was er antworten würde. Karl ließ Margarethe antworten, wie es ihr beliebte. Er zeigte sich sehr schwierig in Beziehung auf die Wahl der Ausdrücke bei Alençon. Die Rede von Heinrich von Anjou aber behandelte er mehr als böswillig, er tadelte und änderte daran mit hartnäckiger Leidenschaftlichkeit.
Diese Sitzung, obgleich sie noch nichts zum Ausbruch brachte, hatte doch eine dumpfe Erbitterung der Geister zur Folge. Heinrich der seine Rede beinahe ganz neu zu machen hatte, entfernte sich, um diese Arbeit vorzunehmen. Margarethe, welcher von dem König von Navarra keine Nachricht seit der zugekommen war, die er ihr zum Nachtheil ihrer Fensterscheibe gegeben hatte, kehrte in ihre Wohnung zurück, in der Hoffnung, ihn dort erscheinen zu sehen. Alençon, welcher das Zögern in den Augen seines Bruders Anjou gelesen und einen Blick des Verständnisses zwischen ihm und seiner Mutter ertappt hatte, ging in seine Gemächer, um über das zu träumen, was er als eine entstehende Kabale betrachtete. Karl wollte in seine Schmiede gehen, um einen Spieß zu vollenden, den er sich selbst verfertigte, als Catharina ihn zurückhielt.
Karl vermuthete, er würde bei seiner Mutter irgend eine Opposition gegen seinen Willen finden, blieb stehen, schaute sie fest an und fragte sie:
»Nun, was haben wir noch?»
»Wir haben ein letztes Wort zu sprechen, Sire. Wir haben dieses Wort vergessen, und doch ist es von einigem Belang. Welchen Tag bestimmen wir für die öffentliche Versammlung?«
»Ah! das ist wahr,« sagte der König, sich wieder setzend, »wir wollen darüber sprechen, meine Mutter. Nun, welchen Tag gefällt es Euch dazu zu bestimmen?«
»Ich glaube,« antwortete Catharina, »daß in dem Stillschweigen Euerer Majestät, in dem scheinbaren Vergessen etwas tief Berechnetes lag.«
»Nein; warum dies, meine Mutter?«
»Weil, wie es mir scheint, mein Sohn, die Polen uns nicht mit so viel Hitze ihrer Krone nachlaufen sehen sollten.«
»Im Gegentheil, meine Mutter, sie haben sich beeilt und kommen in forcirten Märschen von Warschau hierher… Ehre für Ehre, Artigkeit für Artigkeit.«
»Euere Majestät kann in einer Beziehung Recht haben, wie ich in einer andern nicht Unrecht haben dürfte. Es ist also Eure Meinung, daß die öffentliche Sitzung beschleunigt werden soll?«
»Meiner Treue, ja, Mutter; ist es zufällig nicht auch die Eurige?«
»Ihr wißt, daß ich nie eine andere Ansicht habe, als diejenige, welche am meisten zu Erhöhung Eueres Ruhmes beitragen kann; ich sage Euch also, daß ich befürchte, wenn Ihr Euch so sehr beeilt, dürfte man Euch beschuldigen, Ihr benütztet sehr schnell die Gelegenheit, die sich Euch bietet, das Haus Frankreich von den Lasten zu befreien, die Euch Euer Bruder auferlegt, Euch aber sicherlich in Ruhm und Ergebenheit zurückerstattet.«
»Meine Mutter,« sprach Karl, »ich werde meinen Bruder bei seiner Abreise auf dem Lande so reich dotiren, daß Niemand es wagen wird, nur zu denken, was Ihr befürchtet, man werde es sagen.«
»Gut, ich ergebe mich, da Ihr eine so gute Antwort auf jeden von meinen Einwürfen habt. Aber, um dieses kriegerische Volk zu empfangen, welches die Macht der Staaten nach den äußeren Zeichen beurteilt, bedarf es einer beträchtlichen Schaustellung von Truppen, und ich denke, es sind nicht hinreichend aus der Ile-de-France23 zusammenberufen.«
»Verzeiht, meine Mutter, ich sah dieses Ereigniß vorher und bereitete mich darauf vor. Ich habe zwei Bataillons aus der Normandie und eines aus der Guyenne einberufen; meine Compagnie Bogenschützen ist gestern aus der Bretagne eingetroffen; die in der Touraine zerstreuten Chevauxlegers werden morgen im Verlauf des Tages in Paris ankommen; und während man glaubt, ich habe kaum über vier Regimenter zu verfügen, kann ich zwanzig tausend Mann aufmarschiren lassen.«