Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 30
»Ah! ah!« sagte Catharina erstaunt, »also fehlt es Euch nur noch an Einem, aber man wird es sich verschaffen können.«
»An was?«
»An Geld. Ich glaube, Ihr seid nicht übermäßig damit versehen.«
»Im Gegentheil, Madame, im Gegentheil,« sprach Karl IX. »Ich habe vierzehn mal hundert tausend Thaler in der Bastille; meine Privatersparniß hat sich in diesen Tagen auf acht mal hundert tausend Thaler belaufen, die in meinem Keller im Louvre vergraben sind, und im Falle der Noth hat Nantouillet noch weitere dreimal hundert tausend Thaler zu meiner Verfügung.«
Catharina bebte, denn sie hatte Karl bis jetzt heftig und aufbrausend, aber nie vorsichtig gesehen.
»Euere Majestät denkt in der That an Alles,« sagte sie. »Das ist bewunderungswürdig; und wenn sich die Schneider, die Stickerinnen und die Juweliere ein wenig beeilen, so wird Euere Majestät im Stande seyn, die Sitzung vor sechs Wochen halten zu lassen.«
»Sechs Wochen!« rief Karl. »Meine Mutter, die Schneider, die Stickerinnen, die Juweliere arbeiten seit dem Tage, an welchem man die Ernennung meines Bruders erfahren hat. Es könnte im Ganzen Alles heute bereit seyn; aber ganz sicher ist Alles in drei bis vier Tagen fertig.
»Oh! Ihr seyd noch eiliger, als ich glaubte, mein Sohn,« murmelte Catharina.
»Ehre für Ehre, sage ich Euch.«
»Gut. Es schmeichelt Euch also diese dem Hause Frankreich erwiesene Ehre, nicht wahr?«
»Sicherlich.«
»Und einen Sohn von Frankreich auf dem polnischen Throne zu sehen, ist Euer theuerster Wunsch?«
»Ihr sprecht die Wahrheit.«
»Es ist also die Sache und nicht der Mensch, um was Ihr Euch kümmert und wer dort regieren mag…«
»Nein, nein, meine Mutter, bleiben wir, wo wir sind, bei Gott! Die Polen haben gut gewählt. Diese Leute sind gewandt und stark! Eine militärische Nation, ein Volk von Soldaten, nehmen sie einen Feldherrn zum Fürsten; den Teufel, das ist logisch! Anjou ist ganz geeignet für ihre Sache. Der Held von Jarnac und und Montcontour paßt ihnen wie ein Handschuh. Wen soll ich ihnen schicken? Alençon, einen Feigen? das würde ihnen einen schönen Begriff von den Valois geben. Alençon würde bei der ersten Kugel fliehen, die ihm um die Ohren zischte, während Heinrich von Anjou, ein Schlachtenlenker, gut! … Stets das Schwert in der Faust, stets vorwärts marschirend, zu Fuß oder zu Pferd! … Frisch auf! zugeritten niedergehauen totgeschlagen! Ah, mein Bruder Anjou ist ein geschickter Mann, ein Muthiger, der sie vom Morgen bis zum Abend, vom ersten Tage des Jahres bis zum letzten schlagen läßt. Er trinkt schlecht, das ist wahr, aber er wird sie mit kaltem Blute tödten lassen, und das ist die Hauptsache. Der gute Heinrich wird dort in seiner Sphäre sein. Auf! auf! zum Schlachtfelde! Bravo, Trommeln und Trompeten! Es lebe der König! es lebe der Sieger! es lebe der Feldherr! Man ruft ihn dreimal des Jahrs zum Imperator aus. Das wird herrlich werden für das Haus Frankreich und die Ehre der Valois. Man tödtet ihn vielleicht dort, aber bei allen Teufeln, das wird ein glorreicher Tod seyn!«
Catharina bebte, ein Blitz zuckte aus ihren Augen und sie rief:
»Sagt, daß Ihr ihn entfernen wollt; sagt, daß Ihr Euern Bruder nicht liebt.«
»Ah! ah! ah!« rief Karl in ein nerviges Gelächter ausbrechend, »Ihr habt es errathen, daß ich ihn entfernen wollte? Ihr habt es errathen, daß ich ihn nicht liebe? Und wenn dies wäre, sprecht! Meinen Bruder lieben! Warum sollte ich ihn denn lieben? Ah! ah! ah! wollt Ihr lachen?…« Und je mehr er sprach, desto mehr belebten sich seine bleichen Wangen mit einer fieberhaften Röthe. »Liebt er mich? Liebt Ihr mich? Giebt es, meine Hunde, Marie Touchet und meine Amme ausgenommen, überhaupt Jemand, der mich je geliebt hätte? Nein, nein, ich liebe meinen Bruder nicht, ich liebe nur mich, versteht Ihr? Und ich halte meinen Bruder nicht ab, zu thun, was ich thue.«
»Sire,« sprach Catharina, sich ebenfalls belebend, »da Ihr mir Euer Herz enthüllt, so muß ich auch das meinige öffnen. Ihr handelt als ein schwacher König, als ein schlecht berathener Monarch; Ihr entfernt Euren zweiten Bruder, die natürliche Stütze des Thrones, einen Mann, der in jeder Beziehung würdig ist, Euch in der Regierung zu folgen, sollte Euch Unglück widerfahren und Eure Krone dadurch erledigt werden. Denn Alençon ist, wie Ihr sagtet, jung, unfähig, schwach, mehr als schwach, feig! … Und der Bearner erhebt sich hinter ihm, versteht Ihr?«
»Ei! Mord und alle Teufel!« rief Karl, »was kümmere ich mich um das, was geschehen wird, wenn ich nicht mehr bin? Der Bearner erhebt sich hinter meinem Bruder, sagt Ihr? Bei Gott! desto besser. Ich sagte vorhin, ich liebte Niemand… das war ein Irrthum: ich liebe Henriot, ja ich liebe diesen guten Henriot, er hat eine treuherzige Miene, eine warme Hand, während ich rings um mich her nur falsche Augen erblicke und eisige Hände berühre. Er ist eines Verrathes gegen mich unfähig, darauf schwöre ich. Ueberdieß bin ich ihm eine Entschädigung schuldig, man hat ihm seine Mutter vergiftet, armer Junge! Leute aus meiner Familie, wie ich sagen hörte. Ich befinde mich wohl: träfe mich aber eine Krankheit, so würde ich ihn rufen, er sollte mich nicht verlassen, ich würde nichts annehmen, außer von seiner Hand, und wenn ich sterbe, so mache ich ihn zum König von Frankreich und Navarra. Bei des Papstes Bauch! statt bei meinem Tode zu lachen, wie es meine Brüder thun würden, würde er weinen oder sich wenigstens den Anschein geben, als weinte er.«
Hätte der Blitz zu den Füßen von Catharina eingeschlagen, sie würde minder darüber erschrocken seyn, als über diese Worte. Sie blieb wie niedergeschmettert und schaute Karl mit starren Augen an; nach einigen Sekunden aber rief sie:
»Heinrich von Navarra! Heinrich von Navarra, König von Frankreich! zum Nachtheil meiner Kinder! Oh! heilige Mutter Gottes, wir werden sehen! Deshalb also wollt Ihr meinen Sohn entfernen?«
»Euren Sohn… Und wer bin ich denn? Der Sohn einer Wölfin, wie Romulus!« rief Karl zitternd vor Zorn und das Auge funkelnd, als hätte es sich stellenweise entzündet. »Euren Sohn, Ihr habt Recht, der König von Frankreich ist nicht Euer Sohn; der König von Frankreich hat keine Brüder, der König von Frankreich hat keine Mutter; der König von Frankreich hat nur Unterthanen. Der König von Frankreich bedarf keiner Gefühle, er hat seine Willensmeinung. Er wird die Liebe entbehren können, aber er fordert Gehorsam.«
»Sire, Ihr habt meine Worte schlecht ausgelegt; ich nannte denjenigen meinen Sohn, welcher mich verlassen sollte. Ich liebe ihn in diesem Augenblicke mehr, weil er der ist, welchen ich am meisten zu verlieren befürchten muß. Ist es ein Verbrechen von einer Mutter, zu wünschen, daß ihr Kind sie nicht verlasse?«
»Und ich, ich sage Euch, er wird Euch verlassen, ich sage Euch, er wird Frankreich verlassen, er wird nach Polen geben, und zwar in zwei Tagen, und wenn Ihr noch ein Wort beifügt, so geschieht es morgen, und wenn Ihr nicht die Stirne beugt, wenn Ihr nicht die Drohung Eurer Augen erstickt, so erdrossle ich ihn diesen Abend, wie man nach Eurem Willen den Liebling Eurer Tochter erdrosseln sollte. Nur werde ich ihn nicht verfehlen, wie wir La Mole verfehlt haben.«
Catharina beugte wirklich unter dieser Drohung die Stirne, erhob sie aber alsbald wieder und sprach:
»Ah! armes Kind, Dein Bruder will Dich tödten. Doch sey ruhig. Deine Mutter vertheidigt Dich.«
»Ah! man trotzt mir,« rief Karl. »Nun wohl, bei dem Blute Christi! er wird sterben, nicht diesen Abend, sondern sogleich, auf der Stelle! Ah! eine Waffe! einen Degen! ein Messer!… Ah!«
Und nachdem er vergeblich um sich her geschaut hatte, um zu suchen, was er forderte, gewahrte er den kleinen Dolch, den seine Mutter am Gürtel trug, stürzte darauf los, riß ihn aus der mit Silber incrustirten Scheide und sprang aus dem Zimmer, um Heinrich von Anjou niederzustoßen, wo er ihn finden würde. Als er aber in den Vorsaal kam, verließen ihn seine über das Maß der menschlichen Stärke ausgereizten und angespannten Kräfte plötzlich; er streckte den Arm aus, ließ die spitzige Waffe fallen, welche im Boden stecken blieb, stieß ein Klagegeschrei aus, drehte sich um sich selbst und stürzte nieder.
Zu gleicher Zeit schoß das Blut in Masse aus Mund und Nase.
»Jesus!« rief er, »man mordet mich! Herbei! Hilfe!«
Catharina, die ihm gefolgt war, sah ihn fallen; sie schaute ihn einen Augenblick gefühllos und ohne sich zu rühren an; dann, nicht durch die mütterliche Liebe, sondern durch die Schwierigkeit der Lage, zu sich zurückgerufen öffnete sie und rief:
»Der König befindet sich unwohl. Zu Hilfe! zu Hilfe!»
Auf diesen Ruf drängte sich eine Welt von Dienern, Offizieren und Höflingen um den jungen König. Aber vor dieser Welt stürzte eine Frau herbei; sie schob die Zuschauer auf die Seite und hob den leichenbleichen Karl auf.
»Man mordet mich, Amme, man mordet mich!« murmelte der König, in Schweiß und Blut gebadet.
»Man mordet Dich, mein Karl?« rief die gute Frau und ließ aus allen Gesichtern einen Blick umherlaufen, der sogar Catharina zurückweichen machte, »und wer ermordet Dich denn?«
Karl stieß einen schwachen Seufzer aus und sank vollends in Ohnmacht.
»Ah! ah!« sprach der Arzt Ambroise Paré, den man sogleich hatte holen lassen, »der König ist sehr krank.«
»Nun mag es freiwillig oder mit Gewalt geschehen,« sagte die unversöhnliche Catharina zu sich selbst, »er muß eine Frist gestatten.«
Und sie verließ den König, um ihren zweiten Sohn aufzusuchen, der ängstlich im Betzimmer den Erfolg der für ihn so wichtigen Unterredung erwartete.
XX.
Das Horoskop
Als Catharina aus dem Betzimmer trat, wo sie ihrem vielgeliebten Sohne Alles, was vorgefallen war, mitgeteilt hatte, fand sie René in ihrem Gemache.
Es war das erste Mal, daß die Königin und der Astrolog sich seit dem Besuche von Catharina in seiner Bude auf dem Pont Saint-Michel wieder sahen. Die Königin hatte ihm am Tage zuvor geschrieben, und es war die Antwort auf dieses Billet, welche ihr René in Person überbrachte.
»Nun, habt Ihr ihn gesehen?«
»Ja.«
»Wie geht es ihm?«
»Eher besser als schlechter.«
»Kann er sprechen?«
»Nein. Der Degen hat den Kehlkopf durchdrungen.«
»Ich sagte Euch, Ihr solltet ihn in diesem Falle schreiben lassen.«
»Ich versuchte es; er raffte selbst alle seine Kräfte zusammen; aber seine Hand vermochte nur zwei beinahe unleserliche Buchstaben zu schreiben, und er fiel in Ohnmacht. Die Halsader wurde geöffnet und der Blutverlust hat ihm alle seine Kräfte geraubt.«
»Habt Ihr diese Buchstaben gelesen?«
»Hier sind sie.«
René zog aus seiner Tasche ein Papier und bot es Catharina, die es rasch entfaltete.
»Ein M und ein O,« sagte sie, »sollte es wirklich La Mole sehn, und wäre diese ganze Komödie von Margarethe nur ein Mittel, um den Verdacht abzuwenden?«
»Madame,« sprach René, »wenn ich es wagte, meine Meinung in einer Angelegenheit auszusprechen, wo Eure Majestät zögert, die ihrige zu fassen, so würde ich sagen, ich halte Herrn de La Mole für zu verliebt, um sich ernstlich mit der Politik zu beschäftigen.«
»Glaubt Ihr?«
»Ja, und besonders zu verliebt in die Königin von Navarra, um mit Ergebenheit dem König zu dienen; denn es gibt keine wahre Liebe ohne Eifersucht.«
»Und Ihr haltet ihn also für ganz und gar verliebt?«
»Ich bin dessen gewiß.«
»Sollte er seine Zuflucht zu Euch genommen haben?«
»Ja.«
»Hat er Euch um irgend einen Liebestrank gebeten?«
»Nein, wir haben uns an die Wachsfigur gehalten.«
»In das Herz gestochen?«
»In das Herz gestochen.«
»Und diese Figur ist noch vorhanden?«
»Ja, sie ist bei Euch.«
»Sie ist bei mir…? Es wäre doch seltsam,« sprach Catharina, »wenn diese kabalistischen Vorbereitungen wirklich den Einfluß hätten, den man ihnen zuschreibt.«
»Eure Majestät ist mehr im Stande darüber zu urtheilen, als ich.«
»Liebt die Königin von Navarra Herrn de La Mole?«
»Sie liebt ihn so sehr, daß sie sich für ihn in das Verderben stürzen würde. Gestern hat sie ihn mit Gefahr ihrer Ehre und ihres Lebens vom Tode errettet. Ihr seht, Madame, und dennoch zweifelt Ihr.«
»Woran?«
»An der Wissenschaft.«
»Weil mich die Wissenschaft ebenfalls verrathen hat,« erwiederte Catharina und schaute dabei René fest an. Doch dieser hielt ihren Blick auf eine bewunderungswürdige Weise aus.
»Bei welcher Gelegenheit?«
»Oh, Ihr wißt, was ich sagen will! es sey denn, es war der Gelehrte und nicht die Wissenschaft.«
»Ich weiß nicht, was Ihr sagen wollt, Madame,« entgegnete der Florentiner.
»René, haben Eure Parfumes ihren Geruch verloren?«
»Nein, Madame, wenn sie von mir angewendet werden; aber es ist möglich, daß, wenn sie durch die Hand von Andern gehen…«
Catharina lächelte, schüttelte den Kopf und sprach:
»Euer Opiat hat Wunder gethan, René, und Frau von Sauves hat frischere Lippen als je.«
»Dazu darf man nicht meinem Opiat Glück wünschen, Madame, denn die Baronin von Sauves hat von dem Rechte jeder hübschen Frau, launenhaft zu seyn, Gebrauch machend, nicht mehr von diesem Opiat gesprochen. Und ich hielt es, nach der Vorschrift Eurer Majestät, für geeignet, ihr nicht davon zu schicken. Die Kapseln sind daher insgesamt noch in meinem Hause, so wie Ihr sie dort gelassen habt, eine ausgenommen, welche verschwand, ohne daß ich weiß, wer die Person war, die mir sie genommen hat, noch was diese Person damit machen wollte.«
»Es ist gut, René,« sprach Catharina, »wir kommen vielleicht später hierauf zurück. Mittlerweile sprechen wir von etwas Anderem.«
»Ich höre, Madame.«
»Was braucht man, um die wahrscheinliche Lebensdauer eines Menschen zu schätzen?«
»Zuerst muß man den Tag seiner Geburt, sein Alter und das Zeichen wissen, unter welchem er das Tageslicht erblickt hat.«
»Ferner? …«
»Muß man von seinem Blut und von seinen Haaren haben.«
»Und wenn ich Euch von seinem Blut und seinem Haare bringe, wenn ich Euch sage, unter welchem Zeichen er zuerst das Licht der Welt erblickt hat, wenn ich Euch den Tag seiner Geburt und sein Alter nenne, könnt Ihr mir dann die wahrscheinliche Epoche seines Todes offenbaren?«
»Ja, auf einige Tage.«
»Gut, ich habe bereits von seinen Haaren und werde mir von seinem Blute verschaffen.«
»Ist die betreffende Person bei Tag oder bei Nacht geboren?«,
»Um fünf Uhr drei und zwanzig Minuten Abends.«
»Seyd morgen um fünf Uhr bei mir. Die Probe muß genau zur Stunde der Geburt gemacht werden.«
»Es ist gut,« sprach Catharina, »wir werden dort seyn.«
René verbeugte sich und trat ab, ohne daß er das:wir werden dort seyn, bemerkt zu haben schien, welches doch andeutete, Catharina würde wider ihre Gewohnheit nicht allein kommen.
Am andern Morgen begab sich Catharina bei Tagesanbruch zu ihrem Sohne. Um Mitternacht habe sie sich nach ihm erkundigen lassen und die Antwort erhalten, Meister Ambroise Paré befinde sich bei ihm und würde ihm eine Ader öffnen, wenn die Nervenaufregung fortdauerte.
Noch bebend in seinem Schlummer, noch bleich von dem Blutverluste, schlief Karl auf der Schulter seiner treuen Amme, die an sein Bett gelehnt, aus Furcht, die Ruhe ihres lieben Kindes zu stören, seit drei Stunden ihre Stellung nicht verändert hatte.
Ein leichter Schaum drang von Zeit zu Zeit aus den Lungen des Kranken hervor, und die Amme trocknete ihn mit seinem Battist ab. Aus dem Kopfkissen lag ein Sacktuch, auf welchem viele große Blutflecken sichtbar waren.
Catharina hatte einen Augenblick im Sinne, sich dieses Sacktuches zu bemächtigen; aber sie dachte, das mit Speichel vermischte Blut könnte vielleicht nicht die selbe Wirksamkeit haben. Sie fragte die Amme, ob der Arzt ihrem Sohne nicht zur Ader gelassen, wie dies nach der Meldung, die man ihr gemacht, hätte geschehen sollen. Die Amme antwortete bejahend, denn es hatte ein so starker Aderlaß stattgefunden, daß Karl zweimal in Ohnmacht gefallen war.
Die Königin Mutter, welche einige medizinische Kenntnisse besaß. wie alle Fürstinnen jener Epoche, verlangte das Blut zu sehen. Nichts war leichter, der Arzt hatte befohlen, es aufzubewahren, um die Phänomene zu erforschen.
Es war in einem Wasserbecken in dem Cabinet neben dem Zimmer. Catharina ging hinein, um es zu untersuchen, und während sie es untersuchte, füllte sie mit der rothen Flüssigkeit ein Fläschchen, das sie zu diesem Behufe mitgebracht hatte. Dann kehrte sie zurück, verbarg jedoch in ihren Taschen ihre Finger, deren Spitzen die Entheiligung verriethen, welche sie begangen hatte.
In dem Augenblick, wo sie wieder auf der Schwelle des Cabinets erschien, öffnete Karl die Augen und wurde von dem Anblick seiner Mutter berührt. Da erinnerte er sich, wie in Folge eines Traumes, aller seiner von heftigem Zorne erfüllten Gedanken und rief:
»Ah, Ihr seyd es, Madame! Kündigt Eurem vielgeliebten Sohne, Eurem Heinrich von Anjou, an, daß es morgen geschehen soll.«
»Mein lieber Karl,« sprach Catharina, »an welchem Tage Ihr wollt. Beruhigt Euch und schlaft.«
Karl, als fügte er sich diesem Rathe, schloß wirklich die Augen, und Catharina, die ihn gegeben hatte, wie man dies thut, um einen Kranken oder ein Kind zu trösten, verließ sein Gemach. Aber hinter ihr und sobald er die Thüre schließen hörte, richtete sich Karl auf und sprach plötzlich mit einer von dem Anfalle, an welchem er noch litt, gepreßten Stimme:
»Meinen Kanzler, die Siegel, den Hof… man lasse Alles dies kommen!«
Mit zarter Gewalt legte die Amme den Kopf des Königs auf ihre Schulter zurück und suchte ihn, um ihn wieder einzuschläfern, zu wiegen, wie zur Zeit, da er noch ein Kind war.
»Nein, nein, Amme,« sagte er, »ich werde nicht mehr schlafen. Ruft meine Leute, ich will diesen Morgen arbeiten.«
Wenn Karl so sprach, mußte man gehorchen, und selbst die Amme wagte es, trotz der Vorrechte, die ihr königlicher Säugling ihr bewahrt hatte, nicht, seinen Befehlen zuwider zu handeln. Man ließ diejenigen, welche der König verlangte, kommen, und die Sitzung wurde nicht auf den andern Tag, denn dies war unmöglich, sondern aus fünf Tage nachher anberaumt.
Zur verabredeten Stunde, das heißt um fünf Uhr begaben sich die Königin Mutter und der Herzog von Anjou zu René, welcher, wie man weiß, von diesem Besuche unterrichtet. Alles zu der geheimnißvollen Zusammenkunst vorbereitet hatte.
In dem Zimmer rechts, das heißt in dem für die Opfer bestimmten Zimmer röthete sich auf einem glühenden Rechaud eine Stahlplatte, welche bestimmt war, durch ihre seltsamen Arabesken die Ereignisse des Schicksals darzustellen, über das man das Orakel um Rath fragte. Auf dem Altar lag das Zauberbuch, und René hatte während der Nacht, welche sehr hell gewesen war, den Gang und die Stellung der Gestirne studiren können.
Heinrich von Anjou trat zuerst ein. Er hatte falsche Haare, eine Maske bedeckte sein Gesicht und ein großer Nachtmantel umhüllte seine Gestalt. Seine Mutter kam nach ihm, und wenn sie nicht gewußt hätte, daß ihr Sohn ihrer hier harrte, so würde sie ihn selbst nicht erkannt haben. Catharina nahm ihre Maske ab; der Herzog von Anjou behielt im Gegentheil die seinige.
»Hast Du in dieser Nacht Deine Beobachtungen angestellt?« fragte Catharina.
»Ja, Madame,« erwiederte René, »und die Antwort der Gestirne hat mich bereits über die Vergangenheit belehrt. Derjenige, für welchen Ihr mich befragt, hat, wie alle Personen, die unter dem Zeichen des Krebses geboren sind, ein glühendes, beispiellos stolzes Herz. Er ist mächtig, er hat beinahe ein Vierteljahrhundert gelebt, der Himmel hat ihm bis jetzt Ruhm und Reichthum verliehen. Ist es so, Madame?«
»Es kann seyn,« erwiederte Catharina.
»Habt Ihr die Haare und das Blut?«
»Hier.«
Uno Catharina übergab dem Negromanten eine gelblichblonde Haarlocke und eine Phiole mit Blut.
René nahm die Phiole, schüttelte sie, um den Faserstoff und die wässerigen Theile gut zu verbinden, und ließ auf die glühende Platte einen großen Tropfen von dem Blute fallen, das sogleich kochte und sich bald in phantastischen Zeichnungen auf der Fläche ausbreitete.
»Oh, Madame,« rief René, »ich sehe, wie er sich in furchtbaren Schmerzen krümmt; hört Ihr, wie er seufzt, wie er um Hilfe ruft? Gewahrt Ihr, wie Alles um ihn her Blut wird? Bemerkt Ihr, wie um sein Sterbebett her sich große Kämpfe entspinnen? Seht Ihr die Lanzen, seht Ihr die Schwerter?«
»Wird es lange dauern?« fragte Catharina vor unsäglicher Aufregung zitternd und die Hand von Heinrich von Anjou ergreifend, der sich in seiner glühenden Neugierde über die Gluthpfanne beugte.
René näherte sich dem Altar und sprach ein kabalistisches Gebet, wobei er mit einem Feuer und einer Ueberzeugung zu Werke ging, daß die Adern seiner Schläfe anschwellen ließ, daß er die prophetischen Convulsionen und Nervenzuckungen bekam, von welchen die Pythien des Alterthums auf dem Dreifuße erfaßt und bis an ihr Todesbett verfolgt wurden.
Endlich stand er auf und kündigte an, es wäre Alles bereit, nahm mit der einen Hand das noch zu drei Viertheilen volle Fläschchen, und mit der andern die Haarlocke, hieß Catharina das Buch auf den Zufall öffnen und ihren Blick auf die erste beste Stelle fallen lassen, goß auf die Stahlplatte alles Blut und warf in die Gluthpfanne alle Haare, wobei er eine kabalistische Phrase bestehend aus Worten sprach, die er selbst nicht verstand.
Sogleich sahen der Herzog von Anjou und Catharina, wie sich auf dieser Platte eine weiße Figur, ähnlich der eines in sein Schweißtuch gehüllten Leichnames, ausbreitete.
Eine andere Figur, wie es schien die einer Frau, neigte sich über die erste.
Zu gleicher Zeit entflammten sich die Haare, gaben aber nur einen hellen, raschen, einer rothen Zunge ähnlichen, Brand.
»Ein Jahr!« rief René, »kaum ein Jahr, und dieser Mensch wird todt sehn, und eine Frau wird allein um ihn weinen. Doch nein, hier unten am Ende der Platte ist noch eine andere Frau, die ihn wie ein Kind in ihren Armen hält.«
Catharina schaute ihren Sohn an, und schien ihn, obgleich sie Mutter war, zu fragen, wer wohl diese zwei Frauen wären?
Aber René hatte kaum geendigt, als die Stahlplatte wieder weiß wurde; Alles hatte sich allmählich auf derselben verwischt.
Catharina öffnete nun das Buch auf den Zufall und las mit einer Stimme, deren Bewegung sie trotz aller ihrer Selbstbeherrschung nicht zu verbergen vermochte, folgenden Vers:
Es herrschte einen Augenblick tiefe Stille um die Gluthpfanne.
»Und wie sind die Zeichen dieses Monats für denjenigen, welchen Du kennst?« fragte Catharina.
»Blühend, wie immer, Madame; wenn nicht das Geschick durch einen Kampf mit Gott besiegt wird, so ist die Zukunft für diesen Mann sehr sicher; jedoch, …«
»Was jedoch?«
»Einer von den Sternen, welche seine Plejade bilden, ist während der Zeit meiner Beobachtungen von einer schwarzen Wolke bedeckt geblieben.«
»Oh!« rief Catharina, »eine schwarze Wolke! Es wäre also einige Hoffnung vorhanden?«
»Von wem sprecht Ihr, Madame?« fragte der Herzog von Anjou.
Catharina führte ihren Sohn aus dem Schimmer der Gluthpfanne und sprach leise mit ihm.
Während dieser Zeit kniete René nieder und goß bei der Helle der Flamme in seine Hand einen letzten Blutstropfen. der im Grunde der Phiole zurückgeblieben war.
»Seltsamer Widerspruch!« sagte er, »ein Widerspruch, der zum Beweise dient, wie wenig haltbar die Zeugnisse der einfachen Wissenschaft sind, welche die gewöhnlichen Menschen treiben. Für jeden Andern als für mich, für einen Arzt, für einen Gelehrten, sogar für Meister Ambroise Paré ist dieß ein so reines, so fruchtbares Blut, ein Blut so voll von animalischen Säften, daß es dem Körper dessen, aus welchem es hervorgegangen ist, ein langes Leben verspricht, und dennoch muß diese ganze Stärke bald verschwinden, muß dieses Leben vor einem Jahre erlöschen.«
Catharina und Heinrich von Anjou hatten sich umgewendet und hörten. Die Augen des Prinzen glänzten durch seine Maske.
Oh!« fuhr René fort, »dem gewöhnlichen Gelehrten gehört nur die Gegenwart, während uns die Vergangenheit und die Zukunft gehören.«
»Ihr glaubt also beharrlich,« sagte Catharina, »daß er vor einem Jahre sterben wird?«
»So gewiß als wir hier drei lebende Personen sind, welche ebenfalls eines Tages im Sarge ruhen werden.«
»Ihr sagtet jedoch, das Blut wäre rein und fruchtbar? Ihr sagtet, es verhieße ein langes Leben?«
»Ja, wenn die Dinge ihren gewöhnlichen Lauf verfolgen würden. Aber ist es nicht möglich, daß ein Unfall ….«
»Ah! ja, Ihr versteht, ein Unfall,« sprach Catharina zu Heinrich.
»Ach,« versetzte dieser, »ein Grund mehr, um zu bleiben.«
»Oh, was das betrifft, daran denkt nicht, das ist unmöglich.«
Der junge Mann wandte sich sodann gegen René und sagte zu diesem mit verändertem Stimmtone:
»Ich danke, nimm diese Börse.«
»Kommt,Graf,« sprach Catharina, ihren Sohn absichtlich mit einem Titel nennend, der René in seinen Vermuthungen irre leiten sollte.
Und sie entfernten sich.
»Oh, meine Mutter, Ihr seht,« sprach Heinrich, »ein Unfall! … Und wenn dieser Unfall eintritt, bin ich nicht hier, bin ich vierhundert Meilen von Euch entfernt.«
»Vierhundert Meilen macht man in acht Tagen, mein Sohn.«
»Ja, aber wer weiß, ob diese Leute mich zurückkehren lassen! Warum kann ich nicht warten, meine Mutter!«
»Wer weiß!« sprach Catharina, »ist der Unfall, von dem René spricht, nicht derjenige, welcher seit gestern den König an ein Schmerzenslager fesselt? Kehrt auf Eurer Seite zurück, mein Kind; ich will durch die kleine Pforte des Klosters der Augustinerinnen gehen; mein Gefolge erwartet mich in diesem Kloster. Geht, Heinrich, geht, und hütet Euch, Euren Bruder in Harnisch zu bringen, wenn Ihr ihn seht.«
früher, zu Früh, wenn nicht Klugheit wäre.