Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 33
»Bist Du verrückt?«
»Es ist wahr, er würde wieder anfangen; … doch gleichviel, das soll nicht so hingehen.«
»Stille, Coconnas, beruhige Dich und vergiß nicht, daß es so eben halb elf Uhr geschlagen hat, und daß Du diesen Abend den Dienst hast.«
»Ich kümmere mich den Teufel um den Dienst. Ah, gut, er mag darauf rechnen! Mein Dienst! Ich einem Menschen dienen, der die Schnur gehalten hat!… Du scherzest! Nein!…. Das ist ein Wink der Vorsehung. Es steht geschrieben, daß ich Dich wiederfinden soll, um Dich nie mehr zu verlassen. Ich bleibe hier.«
»Unglücklicher, bedenke doch, Du bist nicht betrunken.«
»Glücklicherweise, denn wenn ich es wäre, würde ich den Louvre in Brand stecken.«
»Sey vernünftig, Annibal,« versetzte La Mole, »kehre nach Hause, der Dienst ist etwas Heiliges.«
»Kehrst Du mit mir zurück?«
»Unmöglich.«
»Sollte man noch daran denken, Dich umzubringen?«
»Ich glaube nicht; ich bin zu unwichtig, als daß gegen mich ein bestimmtes Complott stattfinden, ein fester Entschluß verfolgt werden sollte. In einem Anfall von Laune wollte man mich tödten, und weiter nicht. Die Prinzen waren an jenem Abend heiter.«
»Was machst Du dann?«
»Ich? nichts: ich gehe spazieren, ich schweife umher.«
»Wohl, ich werde spazieren gehen, wie Du, ich werde mit Dir umherschweifen; das ist ein reizender Zustand. Wenn man Dich sodann angreift, so sind wir zu zwei, und wir werden ihnen wohl zu schaffen machen. Ah, Dein Insekt von einem Herzog mag kommen; ich spieße ihn wie einen Schmetterling an die Wand.«
»Verlange doch Deinen Abschied von ihm.«
»Das werde ich thun.«
»Benachrichtige ihn wenigstens, daß Du ihn verlässest.«
»Nichts ist gerechter, und ich willige auch ein; ich werde ihm schreiben!«
»Ihm schreiben, Coconnas, das ist sehr keck, einem Prinzen von Geblüt schreiben.«
»Ja, von Geblüt, dem es nach dem Geblüt meines Freundes gelüstet. Höre wohl,« rief Coconnas, seine großen tragischen Augen im Kopfe rollend, ich mache mir einen Spaß aus dergleichen Etiquette-Angelegenheiten.«
»In der That,« sagte La Mole zu sich selbst, »in einigen Tagen wird er weder des Prinzen, noch irgend einer andern Person mehr bedürfen, denn wenn er mit uns kommen will, so kann er dies wohl thun.«
Coconnas nahm eine Feder, ohne daß sein Freund länger Widerstand leistete, und entwarf in Eile folgendes Stück seiner Beredtsamkeit.
»Monseigneur,
Eure Hoheit muß sehr bewandert in den Schriftstellern des Alterthums, nothwendig die Geschichte von Orestes und Pylades kennen, welche zwei durch ihr Unglück und ihre Freundschaft berühmte Helden waren. Mein Freund La Mole ist nicht minder unglücklich als Orestes und ich bin nicht minder zärtlich als Pylades. Er hat in diesem Augenblick große Geschäfte, welche meine Hilfe in Anspruch nehmen. Ich kann mich also unmöglich von ihm trennen, weshalb ich unter Voraussetzung der Genehmigung Eurer Hoheit einen kleinen Abschied nehme, entschlossen, mich mit seinem Glücke zu verbinden, wohin es mich auch führen mag. Damit sage ich Eurer Hoheit, wie groß die Gewalt ist, die mich ihrem Dienste entreißt, und aus diesen Grund verzweifle ich nicht, meine Begnadigung zu erhalten. und wage es, mich mit aller Achtung fortwährend zu nennen
Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigsten gehorsamsten
Annibal von Coconnas,
unzertrennlichen Freund von Herrn
de La Mole.«
Als dieses Meisterwerk vollendet war, las Coconnas dasselbe mit lauter Stimme La Mole vor, welcher die Achseln zuckte.
»Nun, was sagst Du?« fragte Coconnas, der diese Bewegung nicht gesehen hatte, oder sich wenigstens den Anschein gab, als habe er sie nicht gesehen.
«Ich sage,« antwortete La Mole, »daß Herr von Alençon über uns spotten wird.«
»Ueber uns?«
»Ueber Beide.«
»Mir scheint, das ist noch besser, als wenn er uns einzeln erdrosselt.«
»Bah!« rief La Mole lachend, »das Eine wird das Andere vielleicht nicht verhindern.«
»Nun, es mag kommen, was da will, ich schicke den Brief morgen früh ab…. Wo gehen wir schlafen, wenn wir uns von hier entfernen?«
»Bei Meister La Hurière. Du weißt in dem kleinen Zimmer, wo Du mich erdolchen wolltest, als wir noch nicht Orestes und Pylades waren.«
»Gut, ich werde meinen Brief durch unsern Wirth in den Louvre tragen lassen.«
In diesem Augenblick öffnete sich der Thürvorhang.
»Nun?« fragten die zwei Prinzessinnen, »wo sind Pylades und Orestes?«
»Mordi! Madame,« antwortete Coconnas, »Pylades und Orestes sterben vor Hunger und Liebe.«
Meister La Hurière trug wirklich am andern Tage das ehrfurchtsvolle Sendschreiben von Annibal von Coconnas in den Louvre.
XXIV.
Orthon
Heinrich war, selbst nach der Weigerung des Herzogs von Alençon, welche Alles bis auf seine Existenz in Frage stellte, ein wo möglich noch größerer Freund des Prinzen geworden, als zuvor.
Catharina schloß aus dieser Innigkeit, die zwei Prinzen verständen sich nicht nur, sondern sie conspirirten auch miteinander. Sie befragte hierüber Margarethe: aber Margarethe war ihre mündige Tochter und die Königin von Navarra, deren größtes Talent dann bestand, eine mißliche Erklärung zu vermeiden, war so wohl auf ihrer Hut gegen die Fragen ihrer Mutter, daß sie diese, nachdem sie alle beantwortet hatte, verlegener verließ, als Catharina vorher gewesen war.
Die Florentinerin hatte also zum Leitfaden nichts Anderes, als den intriganten Instinkt, den sie von Toscana, dem intrigantesten der kleinen Staaten jener Zeit, mitgebracht hatte, und die Leidenschaft des Hasses, die sie an dem Hofe von Frankreich geschöpft, der in Beziehung auf Interessen und Meinungen der getheilteste Hof derselben Epoche war.
Sie begriff vor Allem, daß dem Bearner ein Theil seiner Kraft aus seiner Verbindung mit dem Herzog von Alençon zufloß, und sie beschloß daher, ihn zu vereinzelnen.
Von dem Tage, an welchem sie diesen Entschluß gefaßt hatte, umgab sie ihren Sohn mit der Geduld und dem Talente des Fischers, der, wenn er die Bleie fern von den Fischen hat fallen lassen, dieselben unmerklich anzieht, bis er seine Beute von allen Seiten umgarnt hat.
Der Herzog Franz gewahrte diese verdoppelte Freundlichkeit und kam seiner Mutter einen Schritt entgegen. Heinrich stellte sich, als bemerkte er nichts, bewachte aber seinen Verbündeten schärfer, als bis dahin.
Jedermann erwartete ein Ereigniß.
Als aber Jedermann in Erwartung dieses für die Einen gewissen, für die Anderen wahrscheinlichen Ereignisses lebte, ging, da die Sonne sich eines Morgens rosig, die laue Wärme und den süßen Wohlgeruch, die Anzeigen eines schönen Tages, hervorrufend erhoben hatte, ein bleicher, auf einen Stock gestützter Mensch, aus einem kleinen Hause, das hinter dem Arsenal lag und wanderte durch die Rue du Petit-Musc. In der Nähe der Porte Saint-Antoine, und nachdem er an der Promenade hingezogen war, die sich wie ein Wiesengrund um die Gräben der Bastille wandte, ließ er das Boulevard links und trat in den Schützengarten, dessen Verwalter ihn mit tiefen Bücklingen empfing.
Es war Niemand in diesem Garten, welcher, wie sein Namen anzeigt, einer Gesellschaft, der der Armbrustschützen angehörte. Aber hätten sich auch Spaziergänger darin befunden, so wäre doch der bleiche Mann ihrer ganzen Theilnahme würdig gewesen; denn sein langer Schnurrbart, sein militärischer Gang, obgleich dieser durch ein Leiden geschwächt und langsamer schien, deuteten hinreichend an, daß es ein in neuester Zeit verwundeter Offizier war, welcher seine Kräfte in einer mäßigen Leibesübung versuchte und in der Sonne wieder Leben schöpfte.
Als aber der Mantel, in den dieser scheinbar harmlose Mensch trotz der zunehmenden Wärme gehüllt war, sich öffnete, sah man seltsamer Weise ein Paar lange Pistolen, welche an silbernen Agraffen von dem Gürtel herabhingen, der überdieß einen großen Dolch und einen Degen festhielt, welcher so kolossal war, daß er denselben nicht ziehen zu können schien, und dieses lebendige Arsenal vervollständigend mit seiner Scheide an magere, zitternde Beine schlug.
Ueberdieß und zu weiterer Vorsicht warf der Spaziergänger, obgleich ganz einsam, bei jedem Schritte einen Rundblick umher, als wollte er jede Biegung der Allee, jedes Gebüsch, jeden Graben befragen.
So drang dieser Mensch weiter in dem Garten vor, und erreichte allmählich eine Sommerlaube, welche auf die Boulevards ging, von denen er nur durch eine dichte Hecke und einen kleinen Graben getrennt war. Hier streckte er sich auf einer Rosenbank unfern von einem Tischchen aus, auf welches der Wächter der Anstalt, der mit dem Titel eines Verwalters die Industrie des Schenkwirthes verband, nach wenigen Augenblicken eine Art von herzstärkendem Tranke setzte.
Der Kranke war ungefähr zehn Minuten hier und hatte wiederholt die Faiencetasse, deren Inhalt er in kleinen Schlucken zu sich nahm, an den Mund gesetzt, als plötzlich sein Gesicht trotz der interessanten Blässe, die dasselbe bedeckte, einen furchtbaren Ausdruck annahm. Er hatte einen Reiter erblickt, welcher, in einen großen Mantel gehüllt, von der Croix-Faubin auf einem Fußpfade, der heutzutage die Rue de Naples ist, herbeikam, in der Nähe der Bastei anhielt und wartete.
Derselbe war hier ungefähr fünf Minuten, und der Mann mit dem bleichen Gesichte, in welchem der Leser vielleicht bereits Maurevel erkannt hat, hatte kaum Zeit gehabt, sich etwas von der Aufregung zu erholen, von der er durch die Gegenwart des Andern ergriffen worden war, als ein junger Mensch mit einem Wammse so knapp, wie das eines Pagen, auf dem Wege erschien, der seitdem die Rue des Fosses-Saint-Nicolas geworden ist, und mit dem Reiter zusammentraf.
In seiner Laube verborgen konnte Maurevel Alles genau sehen und sogar ohne Mühe ein Gespräch hören, dessen Wichtigkeit für ihn man begreifen wird, wenn man erfährt, daß der Reiter von Mouy und der junge Mann mit dem Wammse Orthon war.
Der Eine wie der Andere schauten mit der größten Aufmerksamkeit umher. Maurevel hielt den Athem an sich.
»Ihr könnt sprechen, mein Herr,« sagte zuerst Orthon, der als der Jüngere mehr Vertrauen besaß, »Niemand hört. Niemand sieht Euch.«
»Es ist gut,« erwiederte Mouy, »Du gehst zu Frau von Sauves, und giebst ihr dieses Billet, wenn Du sie zu Hause findest. Ist sie nicht zu Hause, so legst Du es hinter ihren Spiegel, wohin der König die seinigen zu legen die Gewohnheit bat. Dann wartest Du im Louvre. Gibt man Dir eine Antwort, so bringst Du sie, Du weißt wohin. Hast Du keine, so suchst Du mich diesen Abend mit einer Büchse an dem Orte, den ich Dir bezeichnet habe und von welchem ich herkomme.«
»Gut,« sprach Orthon, »ich weiß.«
»Ich verlasse Dich; ich habe den ganzen Tag viel zu thun. Beeile Dich nicht zu sehr, es wäre unnöthig. Du brauchst nicht in den Louvre zu kommen, ehe er dort ist, und ich glaube, daß er diesen Morgen eine Lektion in der Beize nimmt. Geh’, und zeige Dich muthig. Du bist wiederhergestellt und erscheinst, um Frau von Sauves für die Güte zu danken, welche sie während Deiner Genesung für Dich gehabt hat. Gehe, mein Kind, gehe.«
Maurevel hörte mit starren Augen und Schweiß auf der Stirne. Seine erste Bewegung war, eine Pistole von dem Haken loszumachen und auf Mouy anzuschlagen. Als sich aber einen Augenblick der Mantel des Letzteren öffnete, sah er unter demselben einen sehr festen Panzer. Es war also wahrscheinlich, daß die Kugel an diesem Panzer abprallen oder irgend eine Stelle des Körpers treffen würde, wo die Wunde nicht tödtlich wäre. Überdies dachte er, kräftig und wohl bewaffnet hätte Mouy leichte Arbeit mit ihm, dem Verwundeten, und mit einem Seufzer zog er die bereits nach dem Hugenotten ausgestreckte Pistole wieder an sich.
»Welch ein Unglück!« murmelte er, »daß ich ihn hier nicht niederstrecken kann, wo kein anderer Zeuge wäre, als dieser kleine Räuber, dem mein zweiter Schuß so wohl bekommen würde.«
Maurevel aber überlegte sich nun, daß das von Mouy Orthon eingehändigte Billet welches dieser Frau von Saure zustellen sollte, vielleicht wichtiger wäre, als das Leben des Hugenottenhäuptlings.
»Ah!« sagte er, »diesen Morgen entgehst Du mir noch. Zieh unversehrt Deines Weges; aber die Reihe wird bald an mich kommen, und sollte ich Dir bis in die Hölle folgen, aus der Du hervorgegangen bist, um mich zu verderben wenn ich Dich nicht verderbe.«
In diesem Augenblicke schlug Herr von Mouy seinen Mantel über dem Gesichte zusammen und entfernte sich rasch in der Richtung des Temple. Orthon folgte wieder den Gräben, die ihn an den Rand des Flusses führten.
Mit mehr Kraft und Behendigkeit, als er dieß zu hoffen wagte, erhob sich nun Maurevel, kehrte in die Rue de la Cerisaie zurück, trat in seine Wohnung, ließ ein Pferd satteln und ritt sodann, so schwach er auch war, auf die Gefahr, seine Wunden wieder zu öffnen. im Galopp durch die Rue Saint-Antoine, erreichte die Quais und drang in den Louvre.
Fünf Minuten, nachdem er im Thorwege verschwunden war, wußte Catharina den ganzen Vorgang, und Maurevel empfing die tausend Goldthaler, die man ihm für die Verhaftung des Königs von Navarra versprochen hatte.
»Wenn mich nicht Alles täuscht,« sagte Catharina, »so ist von Mouy der schwarze Fleck, den René in dem Horoskop des verfluchten Bearners gefunden hat.«
Eine Viertelstunde nach Maurevel kam Orthon in den Louvre, ließ sich sehen, wie ihm dieß Herr von Mouy empfahl, und gelangte in das Gemach von Frau von Sauves, nachdem er mit mehreren Bewohnern des Palastes gesprochen hatte.
Dariole allein war in dem Zimmer ihrer Gebieterin. Catharina hatte diese kommen lassen, um für sie gewisse wichtige Briefe abzuschreiben, und sie befand sich seit fünf Minuten bei der Königin.
»Es ist gut,« sagte Orthon, »ich werde warten.«
Mit den Oertlichkeiten vertraut, ging der junge Mann in das Schlafzimmer der Baronin und legte, nachdem er sich überzeugt hatte, daß er allein war, das Billet hinter den Spiegel.
In dem Augenblick, wo er seine Hand von dem Spiegel zurückzog, trat Catharina ein.
Orthon erbleichte, denn es kam ihm vor, als wäre der rasche, durchdringende Blick der Königin zuerst nach dem Spiegel gerichtet gewesen.
»Was machst Du da, Kleiner?« fragte Catharina. »Suchst Du nicht Frau von Sauves?«
»Ja, Madame, ich habe sie lange nicht gesehen, und mußte befürchten, für einen Ungezogenen zu gelten, wenn ich länger gesäumt hätte, ihr meinen Dank abzustatten.«
»Du liebst sie also sehr, diese theure Charlotte?«
»Von ganzem Herzen, Madame.«
»Und Du bist treu, wie man mir sagt?«
»Eure Majestät wird begreifen, daß dieß etwas ganz Natürliches ist, wenn sie erfährt, daß mich Frau von Sauves auf eine Weise gepflegt hat, welche ich als ein einfacher Diener nicht erwarten durfte.«
»Bei welcher Veranlassung hat sie Dich so gepflegt?« fragte Catharina, als wüßte sie nichts von dem Abenteuer, das dem jungen Menschen begegnet war.
»Madame, als ich verwundet wurde.«
»Armes Kind!« sagte Catharina, »Du bist verwundet worden?«
»Ja, Madame.«
»Wann dieß?«
»An dem Abend, da man den König von Navarra verhaften wollte. Ich hatte so gewaltig bange, als ich Soldaten sah, daß ich schrie und um Hilfe rief; der Eine von ihnen gab mir einen Schlag auf den Kopf und ich fiel ohnmächtig nieder.«
»Armer Junge! Nun bist Du aber völlig wiederhergestellt?«
»Ja, Madame.«
»Und Du suchst wohl den König von Navarra auf, um wieder bei ihm einzutreten?«
»Nein, Madame; als der König von Navarra erfuhr, daß ich mich den Befehlen Eurer Majestät widersetzt hatte, jagte er mich ohne Gnade und Barmherzigkeit fort.«
»Wirklich?« sprach Catharina mit teilnahmsvollem Tone. »Nun wohl, ich übernehme diese Angelegenheit. Doch wenn Du Frau von Sauves erwartest, wartest Du vergeblich: sie ist unten bei mir in meinem Cabinet beschäftigt.«
Catharina dachte, Orthon hätte vielleicht nicht Zeit gehabt, das Billet hinter dem Spiegel zu verbergen, und trat in das Cabinet von Frau von Sauves, um dem jungen Menschen jede Freiheit zu lassen.
In demselben Augenblick und während Orthon unruhig über die unerwartete Erscheinung der Königin Mutter sich fragte, ob eben diese Erscheinung nicht ein Complott gegen seinen Herrn verberge, hörte er drei schwache Schläge am Plafond. Dieß war das Zeichen, das er selbst seinem Herrn im Falle der Gefahr geben mußte, wenn sein Herr bei Frau von Sauves war, und, er über ihn wachte.
Diese drei Schläge machten ihn beben. Eine geheimnisvolle Offenbarung erleuchtete ihn und er dachte, der Rath wäre diesmal ihm gegeben. Er lief also an den, Spiegel und zog das Billet hervor, das er bereits hinter denselben gelegt hatte.
Catharina folgte durch eine Oeffnung der Tapete allen Bewegungen des jungen Menschen und sah, wie er nach dem Spiegel stürzte, aber sie wußte nicht, ob dies geschah, um das Billet zu verbergen oder zurückzuziehen.
»Nun,« murmelte die ungeduldige Florentinern, »warum zögert er denn, sich zu entfernen?«
Und sie kehrte sogleich mit lächelndem Gesichte in das Zimmer zurück.
»Noch hier, kleiner Junge?« fragte sie »worauf wartest Du denn? Habe ich Dir nicht gesagt, ich werde für Dein Glück Sorge tragen? Zweifelst Du, wenn ich etwas sage?«
»Oh, Madame, Gott soll mich behüten!« erwiederte Orthon.
Und er näherte sich der Königin, setzte ein Knie auf die Erde, küßte den Saum ihres Kleides und entfernte sich rasch.
Als er wegging, sah er in dem Vorzimmer den Kapitän der Garden, … welcher auf Catharina wartete. Dieser Anblick war durchaus nicht geeignet, seinen Verdacht zu beseitigen; er verdoppelte denselben im Gegentheil.
Catharina hatte nicht sobald wahrgenommen, daß der Thürvorhang sich hinter Orthon wieder schloß, als sie auf den Spiegel losstürzte; aber vergeblich streckte sie ihre vor Ungeduld zitternde Hand hinter denselben; sie fand kein Billet.
Und dennoch war sie gewiß, gesehen zu haben, wie das Kind sich dem Spiegel genähert hatte. Es war dieß also geschehen, um das Billet zu nehmen, nicht um es niederzulegen. Das Schicksal verlieh ihren Gegnern eine gleiche Kraft. Ein Kind wurde zum Mann in dem Augenblick, wo es gegen sie kämpfte.
Sie durchwühlte, beschaute Alles: nichts war zu finden.
»Oh, der Unglückliche!« rief sie, »ich meinte es nicht böse mit ihm, und nun geht er, das Billet zurückziehend, seinem Geschicke entgegen. Holla, Herr von Nancey!«
Die vibrirende Stimme der Königin Mittler scholl durch den Salon und drang bis in das Vorzimmer, wo sich der Kapitän der Garden aufhielt.
Herr von Nancey lief herbei.
»Hier bin ich, Madame. Was wünscht Eure Majestät?«
»Ihr waret im Vorzimmer?«
»Ja, Madame.«
»Ihr habt einen jungen Menschen, ein Kind herausgehen sehen?«
»In diesem Augenblick.«
»Er kann noch nicht ferne seyn?«
»Kaum auf der Hälfte der Treppe.«
»Ruft ihn zurück.«
»Wie heißt er?«
»Orthon. Weigert er sich, zurückzukehren, so bringt ihn mit Gewalt. Erschreckt ihn jedoch nicht, wenn er keinen Widerstand leistet. Ich muß ihn sogleich sprechen.«
Der Kapitän der Garden eilte weg.
Orthon war, wie er es vorhergesehen hatte, kaum auf der Hälfte der Treppe, denn er ging langsam hinab, in der Hoffnung, den König von Navarra oder Frau von Sauves auf der Treppe zu treffen oder in irgend einem Gange zu erblicken.
Er hörte seinen Namen rufen und bebte.
Es war sein erster Gedanke, zu fliehen. Aber mit einer über seinem Alter stellenden Geistesgegenwart begriff er, daß er fliehend Alles verderben würde.
Er blieb also stille stehen.
»Wer ruft mich?«
»Ich, Herr von Nancey,« antwortete der Capitän der Garden, die Stufen hinab springend.
»Aber ich habe Eile,« sprach Orthon.
»Auf Befehl Ihrer Majestät der Königin Mutter,« erwiederte Herr von Nancey bei ihm anlangend.
Das Kind trocknete sich den Schweiß ab, der von seiner Stirne lief, und stieg wieder hinauf.
Der erste Plan von Catharina war, den jungen Menschen festzunehmen, ihn durchsuchen zu lassen und sich des Billets zu bemächtigen, das sie bei ihm verborgen wußte. In Folge hiervon gedachte sie ihn des Diebstahls anzuklagen, und hatte deßhalb bereits eine Diamant-Agraffe, deren Entwendung sie auf dem Kinde lasten lassen wollte, von der Toilette losgemacht. Aber sie überlegte sich, daß dieses Mittel gefährlich wäre, insofern es den Verdacht des jungen Menschen erwecken müßte, welcher seinen Herrn benachrichtigen könnte, der sodann mißtrauen und sich in seinem Mißtrauen nicht bloßstellen würde.
Allerdings konnte sie den jungen Menschen in irgend einen Kerker führen lassen; aber das Gerücht von seiner Verhaftung würde sich, so geheim man diese vornehmen würde, im Louvre verbreiten, und ein einziges Wort müßte Heinrich von Navarra behutsam machen.
Catharina bedurfte jedoch durchaus dieses Billets, denn ein Billet von Mouy an den König von Navarra, ein so sorgfältig empfohlenes Billet mußte nothwendig eine ganze Verschwörung enthalten.
Sie legte also die Agraffe an den Ort, wo sie dieselbe genommen hatte.
»Nein, nein,« sagte sie, »ein Sbirrengedanke, ein schlechter Gedanke! Für ein Billet, … das vielleicht keinen Werth hat,« fuhr sie die Stirne faltend und so leise sprechend fort, daß sie selbst kaum das Geräusch ihrer Worte hören konnte. »Ei, meiner Treue! das ist nicht mein Fehler; es ist der seinige. Warum hat die kleine Schlange das Billet nicht dahin gelegt, wohin sie es legen sollte? Ich muß dieses Billet haben.«
In diesem Augenblick trat Orthon ein.
Das Gesicht von Catharina hatte ohne Zweifel einen furchtbaren Ausdruck, denn der junge Mensch blieb erbleichend auf der Schwelle stehen. Er war noch zu jung, um sich vollkommen bemeistern zu können.
»Madame,« sagte er, »Ihr habt mir die Ehre erwiesen, mich zurückzurufen. Worin kann ich Einer Majestät dienen?«
Das Antlitz von Catharina hellte sich auf, als ob es ein Sonnenstrahl beleuchtet hätte.
»Ich habe Dich zurückrufen lassen, Kind, weil Dein Gesicht mir gefällt: dann habe ich Dir auch versprochen, mich mit Deinem Glücke zu beschäftigen, und will dieses Versprechen ohne Verzug halten. Man klagt uns Königinnen der Vergeßlichkeit an. Unser Herz ist es nicht, wohl aber unser Geist, der von den Ereignissen fortgerissen wird. Nun aber erinnerte ich mich, daß die Könige das Geschick der Menschen in ihren Händen haben, und rief Dich zurück. Komm’, mein Kind, und folge mir.«
Herr von Nancey, der diese Scene im Ernste nahm, betrachtete das freundliche Wohlwollen von Catharina mit großem Erstaunen.
»Kannst Du reiten, Kleiner?« fragte Catharina.
»Ja, Madame.«
»Dann komm, in mein Cabinet, ich will Dir eine Botschaft übertragen, die Du nach Saint-Germain zu bringen hast.«
»Ich stehe zu den Befehlen Eurer Majestät.«
»Laßt ein Pferd für ihn bereit halten, Nancey.«
Herr von Nancey verschwand.
»Komm’, Kind,« sagte Catharina.
Sie ging voraus, Orthon folgte ihr.
Die, Königin Mutter stieg einen Stock hinab, schritt dann in den Corridor, wo die Gemächer des Königs und des Herzogs von Alençon waren, erreichte die Wendeltreppe, stieg noch einen Stock hinab, öffnete eine Thüre, welche nach einer kreisförmigen Gallerie führte, zu der Niemand, den König und sie ausgenommen, den Schlüssel hatte, ließ Orthon voraus, trat nach ihm ein und zog hinter sich die Thüre zu. Diese Gallerie umgab wie ein Wall gewisse Abtheilungen der Wohnung des Königs und der Königin Mutter. Es war wie der Gang in der Engelsburg in Rom und wie der des Palastes Pitti in Florenz ein für den Fall der Gefahr vorbehaltener Rückzugsort.
Sobald die Thüre zugezogen war, fand sich die Königin mit dem jungen Menschen in dem dunkeln Gange eingeschlossen. Beide machten etwa zwanzig Schritte, Catharina schritt voraus. Orthon folgte Catharina.
Plötzlich wandte sich Catharina um, und Orthon fand auf ihrem Gesichte wieder denselben düstern Ausdruck, den er zehn Minuten vorher wahrgenommen hatte. Ihre runden, denen einer Katze oder eines Panthers ähnlichen, Augen schienen in der Dunkelheit Feuer aufzuwerfen.
»Halt!« sagte sie.
Orthon fühlte seine Schultern von einem Schauer berührt. Eine tödtliche Kälte fiel wie ein Eismantel von dem Gewölbe herab. Der Boden erschien finster, wie ein Sargdeckel. Der Blick von Catharina war, wenn man so sagen darf, spitzig und drang bis in die Brust des jungen Menschen.
Er drückte sich ganz zitternd an die Wand,
»Wo ist das Billet, das Du der Königin von Navarra zuzustellen beauftragt warst?«
»Das Billet?« … stammelte Orthon.
»Ja, oder in ihrer Abwesenheit hinter den Spiegel stecken solltest?«
»Ich, Madame? Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt.«
»Das Billet, das Dir Herr von Mouy vor einer halben Stunde hinter dem Schützengarten übergeben hat.«
»Ich habe kein Billet, Euere Majestät täuscht sich sicherlich.«
»Du lügst!»rief Catharina. »Gieb das Billet und ich halte das Versprechen, das ich Dir geleistet habe.«
»Welches?«
»Ich bereichere Dich.«
»Ich habe kein Billet.«
Catharina begann ein Zähneknirschen, das in einem Lächeln endigte.
»Giebst Du es mir, so erhältst Du tausend Goldthaler,« sagte sie.
»Ich habe kein Billet, Madame.«
»Zweitausend Thaler.«
»Unmöglich; da ich keines habe, so kann ich Euch auch keines geben.«
»Zehntausend Thaler, Orthon.«
Orthon, der den Zorn wie eine Fluth vom Herzen auf die Stirne der Königin steigen sah, dachte, das einzige Mittel, seinen Herrn zu retten, wäre, das Billet zu verschlingen. Er fuhr mit der Hand an seine Tasche. Catharina errieth seine Absicht und hielt ihm die Hand zurück.
»Gehe, Kind!« sagte sie lachend »Du bist treu. Wollen sich die Könige einen Diener wählen, so thun sie wohl daran, sich zu versichern, ob er ein ergebenes Herz hat. Ich weiß nun, was ich von Dir zu hallen habe. Nimm, hier ist meine Börse als erster Lohn. Ueberbringe das Billet Deinem Herrn und sage ihm, Du seyst von heute an in meinem Dienste. Gehe, Du kannst ohne mich durch die Thüre hinaus, durch die wir eingetreten sind, sie öffnet sich von innen.«
Nach diesen Worten warf Catharina die Börse dem erstaunten jungen Menschen zu, ging einige Schritte vorwärts und legte ihre Hand an die Mauer.
Der Jüngling blieb indessen zögernd stehen. Er konnte nicht glauben, die Gefahr, die er über seinem Haupte hatte zusammenziehen sehen, sey beseitigt.
»Zittere nicht so,« sprach Catharina, »habe ich Dir nicht gesagt, es stehe Dir frei, zu gehen, und wenn Du zurückkommen wolltest, wäre Dein Glück gemacht?«
»Ich danke, Madame,« erwiederte Orthon. »Ihr begnadigt mich also?«
»Mehr noch, ich belohne Dich, Du bist ein guter Briefträger, ein vortrefflicher Liebesbote; nur vergissest Du, daß Dich Dein Herr erwartet.«
»Ah! das ist wahr,« sprach der Jüngling und eilte nach der Thüre.
Aber kaum halte er drei Schritte gemacht, als der Boden unter seinen Füßen wich. Er wankte, streckte seine beiden Hände von sich, stieß einen furchtbaren Schrei aus und verschwand in der Onbliette des Louvre, an deren Feder Catharina gedrückt hatte.
»Gut,« murmelte Catharina, »nun werde ich wegen der Standhaftigkeit dieses Burschen hundert und fünfzig Stufen hinabsteigen müssen.«
Catharina ging in ihre Wohnung, zündete eine Blendlaterne an, kehrte in den Corridor zurück, brachte die Feder wieder in Ordnung, öffnete die Thüre einer Wendeltreppe, welche sich in die Eingeweide der Erde zu versenken schien, und gedrängt von dem unersättlichen Durste einer Neugierde, die nur die Dienerin ihres Hasses war, gelangte sie an eine eiserne Thüre, die sich rückwärts öffnete und auf den Grund der Onbliette ging.
Hier lag blutig, zermalmt, gerädert durch einen Sturz von hundert Fuß, aber noch zuckend, der arme Orthon. Hinter der Mauer hörte man das Wasser der Seine rollen, welches eine unterirdische Infiltration bis an den Fuß der Treppe führte.
Catharina trat in die feuchte, übelriechende Grube, welche seit ihrem Bestande Zeugin vieler solcher Stürze hatte seyn müssen, durchwühlte den Körper, nahm den Brief, versicherte sich, daß es derjenige war, welchen sie zu haben wünschte, stieß mit dem Fuße den Leichnam zurück und drückte mit dem Daumen an einer Feder; er Boden wankte und von seinem eigenen Gewichte fortgezogen glitt der Leichnam über die schiefe Flüche hinab und verschwand in der Richtung der Seine.
Dann schloß sie die Thüre, stieg wieder hinauf, ging in ihr Cabinet und las das Billet, welches in folgenden Worten abgefaßt war:
»Diesen Abend um zehn Uhr, Rue de l’Arbre-Sec, Gasthof zum Schönen Gestirne. Wenn Ihr kommt, so antwortet nicht, kommt Ihr nicht, so sagt dem Ueberbringer Nein .«
Von Mouy Saint-Phale.
Als Catharina dieses Billet gelesen hatte, trat ein Lächeln auf ihre Lippen, sie dachte nur an den Sieg, den sie davon tragen sollte, und vergaß völlig, um welchen Preis sie diesen Sieg erkaufte.
Was war aber auch Orthon? Ein treues Herz, eine ergebene Seele, ein schönes Kind – und weiter nichts.
Das vermochte, wie man sich leicht denken kann, nicht einen Augenblick die Schale der Wage hinabzudrücken, worauf die Geschicke der Völker gewogen werden.
Als Catharina das Billet gelesen hatte, stieg sie sogleich zu Frau von Sauves hinaus und steckte es hinter den Spiegel.
Bei ihrer Rückkehr fand sie am Eingang des Corridors den Kapitän der Garden.
»Madame,« sagte Herr von Nancey, »das Pferd steht den Befehlen Euerer Majestät gemäß bereit.«
»Mein lieber Baron,« erwiederte Catharina, »das Pferd ist unnöthig: ich habe den Jungen zum Sprechen gebracht, und er ist in der That zu albern, als daß ich ihm das Geschäft übertragen könnte, das ich ihm anvertrauen wollte. Ich hielt ihn für einen Lackeien und es war höchstens ein Stallknecht; ich gab ihm Geld und schickte ihn durch die kleine Pforte zurück.«
»Aber der Auftrag?« fragte Herr von Nancey.
»Der Auftrag?« …. wiederholte Catharina.
»Ja, den er in Saint-Germain besorgen sollte? Befiehlt Euere Majestät, daß ich ihn vollziehe oder daß ich ihn durch einen meiner Leute besorgen lasse?«
»Nein, nein,« erwiederte Catharina, »Ihr werdet diesen Abend mit Eueren Leuten etwas Anderes zu thun haben.«
Und Catharina kehrte in ihre Gemächer zurück, in der Hoffnung noch diesen Abend das Schicksal des verfluchten Heinrich in der Hand zu halten.