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Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 36

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Neuntes bis zwölftes Bändchen

I.
Das Jagdbuch

Es waren fünf Tage seit den von uns erzählten Ereignissen abgelaufen. So eben hatte es vier Uhr geschlagen; doch bereits war im Louvre Alles wach, wie dies gewöhnlich an Jagdtagen geschah, als sich der Herzog von Alençon, einer ihm zugekommenen Einladung zufolge, zu der Königin Mutter begab.

Die Königin Mutter war nicht in ihrem Schlafgemach, aber sie hatte Befehl gegeben, ihren Sohn warten zu lassen, wenn er käme.

Nach einigen Minuten trat sie aus einem geheimen Cabinet, in das außer ihr Niemand kam. Sie pflegte sich in dasselbe zurückzuziehen, um ihre chemischen Operationen vorzunehmen.

Zugleich mit der Königin Mutter kam, sei es durch die halb geöffnete Thüre oder an ihren Kleidern hängend, der durchdringende Geruch eines scharfen Parfüm, und durch die Oeffnung dieser Thüre gewahrte Alençon einen dicken Dampf, dem eines verbrannten Gewürzes ähnlich, welcher in einer weißen Wolke in dem Laboratorium umher schwamm, das die Königin verließ.

Der Herzog konnte sich eines neugierigen Blickes nicht erwehren,

»Ja,« sagte Catharina von Medicis, »ja, ich habe einige alte Pergamente verbrannt, und diese strömten einen so stinkenden Geruch aus, daß ich Wachholder auf die Gluth warf.«

Alençon verbeugte sich.

»Nun,« sagte Catharina, in den langen Aermeln ihres Schlafrockes ihre Hände verbergend, welche mit leichten rötlich gelben Flecken besprengt waren, »was habt Ihr Neues seit gestern?«

»Nichts, meine Mutter.«

»Habt Ihr Heinrich gesehen?«

»Ja.«

»Weigert er sich immer noch, abzureisen?«

»Durchaus.«

»Der Schelm!«

»Was sagt Ihr, Madame?«

»Ich sage, daß er reist.«

»Ihr glaubt?«

»Ich bin dessen sicher.«

»Dann entgeht er uns.«

»Ja,« sprach Catharina.

»Und Ihr laßt ihn abziehen?«

»Ich lasse ihn nicht nur ziehen, sondern ich sage Euch noch mehr: er muß ziehen.«

»Ich begreife Euch nicht, meine Mutter.«

»Hört wohl, was ich Euch sagen werde, Franz. Ein sehr geschickter Arzt, derselbe, der mir das Jagdbuch geliehen hat, das Ihr ihm bringen werdet, gab mir die Versicherung, der König von Navarra wäre auf dem Punkte, von einer auszehrenden Krankheit befallen zu werden, von einer von den Krankheiten, für welche die Wissenschaft kein Mittel kennt. Ihr begreift aber, daß es, soll er einmal an einem so grausamen Uebel sterben, besser ist, wenn er ferne von uns, als wenn er hier am Hofe unter unsern Augen stirbt.«

»In der That, das würde uns zu viel Schmerz bereiten.«

»Besonders Eurem Bruder Karl,« sprach Catharina, »während der König, wenn Heinrich stirbt, nachdem er ihn verrathen hat, diesen Tod als eine Strafe des Himmels betrachten wird.«

»Ihr habt Recht, meine Mutter,«, sagte Franz voll Bewunderung. »Wißt Ihr aber auch gewiß, daß er es thun wird.«

»Alle seine Maßregeln sind getroffen. Der Zusammenkunftsort ist der Wald von Saint-Germain. Fünfzig Hugenotten sollen ihm als Geleite bis Fontainebleau dienen, wo fünfhundert andere seiner harren.«

»Und meine Schwester,« sprach Alençon mit leichtem Zögern und sichtbarem Erbleichen, »meine Schwester Margot geht mit ihm?«

»Ja,« antwortete Catharina, »das ist abgemacht. Ist aber Heinrich todt, so kehrt Margot als Wittwe und frei an den Hof zurück.«

»Und Heinrich wird sterben, Madame, Ihr seyd dessen gewiß?…«

»Der Arzt, der mir das Buch gegeben hat, behauptete es wenigstens.«

»Wo ist das Buch, Madame?«

Catharina kehrte mit langsamen Schritten in das geheimnißvolle Cabinet zurück und kam einen Augenblick nachher mit dem Buche in der Hand wieder heraus.

»Hier ist es,« sprach sie.

Alençon schaute das Buch, das ihm seine Mutter reichte, mit einem gewissen Schrecken an.

»Was für ein Buch ist dies, Madame?« fragte der Herzog zitternd.

»Ich habe es Euch bereits gesagt, mein Sohn, es ist eine Abhandlung, um Falken aufziehen und dressiren zu lernen, durch einen sehr gelehrten Mann für den Herrn Castruccio Castracani, den Tyrannen von Lucca, abgefaßt.«

»Und was soll ich damit machen?«

»Tragt es zu Euerem guten Freunde Heinrich, der Euch, wie Ihr mir sagt, darum gebeten hat, um sich in der Wissenschaft der Beize zu unterrichten. Da Ihr heute mit dem König auf die Falkenjagd reitet, so wird er nicht verfehlen, ein paar Seiten zu lesen, um Seiner Majestät zu beweisen, daß er ihren Rath befolgt und Lectionen nimmt. Das Ganze besteht nur darin, daß Ihr es ihm selbst übergebt.«

»Oh, ich werde nicht den Muth dazu haben,« versetzte Alençon bebend.

»Warum?« sprach Catharina, »es ist ein Buch, wie jedes andere, ausgenommen, daß die Blätter, weil es so lange eingeschlossen war, an einander kleben. Versucht es also nicht, darin zu lesen, denn man kann es nur thun, wenn man den Finger naß macht und die Seiten Blatt für Blatt umschlägt, was viel Zeit wegnimmt und viel Mühe verursacht.«

»So daß nur ein Mensch, welcher ein großes Verlangen hat, sich zu unterrichten, sich diese Zeit, und diese Mühe nehmen kann?«

»Ganz richtig, mein Sohn, Ihr begreift.«

»Oh!« sagte Alençon, »seht Henriot ist bereits im Hofe. Gebt, Madame, gebt, ich will seine Abwesenheit benutzen, um das Buch zu ihm zu tragen. Bei seiner Rückkehr wird er es finden.«

»Es wäre mir lieber, wenn Ihr es ihm selbst geben würdet, Franz; es kommt mir sicherer vor.«

»Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich nicht den Muth dazu hätte, Madame.«

»Geht doch; aber legt es wenigstens an einen Ort, wo es sehr in die Augen fällt.«

»Ich werde es an die sichtbarsten Stelle und ganz offen legen. Ist es ungeeignet, wenn es offen liegt?«

»Nein.«

Alençon nahm mit zitternder Hand das Buch, das Catharina mit fester Hand gegen ihn ausstreckte.

»Nehmt, nehmt, es ist keine Gefahr dabei, da ich es berühre. Ueberdieß habt Ihr Handschuhe.«

Diese Vorsichtsmaßregel genügte Alençon nicht, denn er wickelte das Buch in seinen Mantel.

»Eilt, eilt,« sprach Catharina, »Heinrich kann jeden Augenblick wieder heraufkommen.«

»Ihr habt Recht, Madame, ich gehe.«

Und der Herzog entfernte sich wankend vor Angst.

Wir haben bereits mehrere Male den Leser in die Wohnung des Königs von Navarra eingeführt! wir haben ihn in demselben lustigen und schrecklichen Sitzungen beiwohnen lassen, je nachdem der Schutzgeist des zukünftigen Königs von Frankreich lächelte oder drohte. Aber nie vielleicht war in diesem durch den Mord von Blut befleckten, von der Orgie mit Wein besprengten, durch die Liebe von balsamischen Düften durchzogenen Mauern, nie war in diesem Winkel des Louvre ein bleicheres Gesicht erschienen, als das des Herzogs von Alençon, der, sein Buch in der Hand, die Thüre des Schlafzimmers des Königs von Navarra öffnete.

Und dennoch war Niemand, wie es der Herzog erwartete, in diesem Zimmer, um mit neugierigem oder unruhigem Auge die Handlung zu beobachten, die er zu begehen im Begriffe war. Die ersten Strahlen des Tages erleuchteten das vollkommen leere Gemach.

An der Wand hing das Schwert bereit, das Herr von Mouy Heinrich mitzunehmen gerathen hatte. Einige Glieder eines Panzergürtels lagen auf dem Boden zerstreut. Eine anständig gefüllte Börse und ein kleiner Dolch waren auf einem Schranke sichtbar und leichte, noch in dem Kamin flackernde Asche, so wie andere Anzeichen sagten Alençon ganz deutlich, daß der König von Navarra ein Panzerhemd angelegt, Geld von seinem Schatzmeister verlangt und gefährdende Papiere verbrannt hatte.

»Meine Mutter täuschte sich nicht, der Schurke hat mich verrathen,« sprach Alençon.

Diese Ueberzeugung verlieh ohne Zweifel dem jungen Menschen eine neue Kraft; denn nachdem er mit dem Blicke alle Winkel des Zimmers durchforscht, nachdem er die Thürvorhänge aufgehoben, nachdem ihm ein großes Geräusch in den Höfen und ein tiefes in dem Gemache herrschendes Stillschweigen bewiesen hatten, daß Niemand daran dachte, ihn zu beobachten, zog er das Buch unter seinem Mantel hervor, legte es rasch auf den Tisch, wo die Börse war, und lehnte es an ein Pult von geschnitztem Eichenholz. Dann trat er sogleich zurück, streckte den Arm aus und öffnete mit einem Zögern, das seine Furcht verrieth, mit seiner behandschuhten Rechten das Buch an einer Stelle, wo sich ein Jagdkupferstich befand.

Als das Buch geöffnet war, machte Alençon sogleich einige Schritte rückwärts, zog seinen Handschuh aus und warf ihn in die noch glühende Kohle; welche kurz zuvor die Briefe verzehrt hatte. Das geschmeidige Leder knisterte auf den Kohlen, krümmte und breitete sich aus, wie der Leichnam einer Schlange, und ließ bald nur noch einen schwarzen, zusammengezogenen Ueberrest zurück.

Alençon blieb, bis die Flamme den Handschuh gänzlich verzehrt hatte. Dann rollte er den Mantel zusammen, in den das Buch gewickelt gewesen war, warf ihn unter seinen Arm und kehrte rasch in sein Zimmer zurück. Als er mit zitterndem Herzen hier eintrat, hörte er Tritte auf der Wendeltreppe, und da er nicht daran zweifelte, Heinrich käme zurück, so schloß er eiligst seine Thüre.

Dann stürzte er nach dem Fenster? aber man sah von hier aus nur einen Theil des Hofes vom Louvre. Heinrich war nicht in diesem Theile, und es bestätigte sich dadurch seine Ueberzeugung, dieser wäre zurückgekehrt.

Der Herzog setzte sich, öffnete ein Buch und versuchte es zu lesen. Es war eine Geschichte von Frankreich von Pharamond bis auf Heinrich II., für welche der König Karl ein paar Tage nach seiner Thronbesteigung ein Privilegium gegeben hatte. Aber der Geist des Herzogs war nicht bei der Sache. Das Fieber der Erwartung glühte in seinen Adern. Das Schlagen seiner Pulse wiederhallte in seinem Gehirn. Wie man in einem Traume oder in einer magnetischen Extase sieht, so kam es Franz vor, als schaute er durch die Mauern. Sein Blick senkte sich in das Zimmer von Heinrich, trotz des dreifachen Hindernisses, das ihn von diesem trennte.

Um den furchtbaren Gegenstand zu entfernen, den er mit den Augen des Geistes zu sehen glaubte, suchte der Herzog die Blicke seines Innern auf etwas Anderes zu lenken, als auf das furchtbare Buch, das auf dem Pulte von geschnitztem Eichenholz offen lag. Aber vergebens nahm er, eines nach dem andern seine Gewehre, einen nach dem andern seine Juwelen, vergebens ging er hundertmal im Zimmer auf und ab: jede Einzelheit des Bildes, das er in dem Buche nur flüchtig gesehen hatte, stand vor seinem Geiste. Es war ein Herr zu Pferde, der den Dienst eines Falkeniers verrichtend das Vorloß warf, um den Falken zurückzulocken, und im gestreckten Galopp über einen Moorgrund hin ritt. So gewaltig auch der Wille des Herzogs war, so triumphirte doch die Erinnerung über diesen Willen.

Dann war es auch nicht allein das Buch, was er vor sich sah, er sah auch den König von Navarra, wie er sich dem Buche näherte, das Bild betrachtete, die Blätter umzuwenden suchte, das Hinderniß wahrnahm, das sich dem Umwenden widersetzte, dieses Hinderniß, den Finger naß machend, besiegte und die Blätter zum Umwenden zwang.

Bei diesem, obgleich ganz der Phantasie entsprossenen, Anblick wankte Alençon und mußte sich mit einer Hand auf einen Schrank stützen, während er mit der andern seine Augen bedeckte, als ob er, wenn sie bedeckt wären, nicht noch besser das Schauspiel sehen würde, daß er fliehen wollte.

Dieses Schauspiel war sein eigener Gedanke.

Plötzlich sah Alençon Heinrich durch den Hof schreiten. Der Bearner blieb einen Augenblick bei Leuten stehen, welche auf zwei Maulthiere Jagdvorräthe packten, die in nichts Anderem bestanden, als in Silber und in Reiseeffecten, Sobald seine Befehle gegeben waren, durchschritt er in gerader Linie den Hof und ging sichtbar auf die Eingangsthüre zu.

Alençon blieb unbeweglich an seinem Platze, Heinrich war also nicht die geheime Treppe heraufgestiegen. Alle Angst, die er seit einer Viertelstunde gefühlt, hatte er vergebens gefühlt. Was er beendigt oder wenigstens seinem Ende nahe glaubte, sollte wieder anfangen.

Alençon öffnete die Thüre seines Zimmers und horchte an der des Corridor. Diesmal war keine Täuschung möglich, es mußte Heinrich seyn. Alençon erkannte seinen Tritt und sogar das besondere Geräusch seiner Spornrädchen; die Thüre der Wohnung von Heinrich öffnete sich und schloß sich wieder,

Alençon kehrte in sein Zimmer zurück und sank auf einen Stuhl.

»In dieser Stunde geht es so bei ihm,« sagte er zu sich selbst: »er hat sein Vorzimmer, dann sein erstes Zimmer durchschritten und ist in sein Schlafzimmer gelangt. Hier wird er mit den Augen seine Börse, sein Schwert und seinen Dolch gesucht haben, dann hat er das Buch offen auf dem Pulte gefunden.«

»»Was für ein Buch ist das?«« wird er sich gefragt haben, »»wer hat es mir gebracht?««

»Dann wird er sich ihm genähert und den Kupferstich betrachtet haben, der einen seinen Falken zurückrufenden Reiter darstellt. Er will es sofort lesen und versucht es, die Blätter umzuwenden.«

Hier lief ein, kalter Schweiß über die Stirne von Franz,

»Wird er rufen?« sprach er, »ist es ein rasch wirkendes Gift? Nein, nein, denn meine Mutter sagte mir, er müßte langsam an der Auszehrung sterben.«

Dieser Gedanke beruhigte ihn ein wenig.

So vergingen zwei Minuten, ein Jahrhundert des Todeskampfes Secunde für Secunde verbraucht, und jede von diesen Secunden lieferte, was die Einbildungskraft an wahnsinnigen Schrecknissen zu erfinden vermag, eine ganze Welt von Visionen.

Alençon konnte es nicht länger aushalten. Er stand auf und durchschritt sein Vorzimmer, das sich bereits mit Edelleuten zu füllen begann.

»Seyd gegrüßt, meine Herren,« sagte er, »ich gehe zum König hinab.«

Und um sich in seiner verzehrenden Unruhe selbst zu täuschen, vielleicht auch nur um ein Alibi vorzubereiten, ging Alençon wirklich zu seinem Bruder hinab. Warum begab er sich zu ihm? Er wußte es eigentlich nicht… Was hatte er ihm zu sagen? Nichts! Es war nicht Karl, den er suchte; es war Heinrich, den er floh.

Die Wachen ließen ihn eintreten, ohne ihm ein Hinderniß entgegenzusetzen; an Jagdtagen gab es keine Etiquette, keinen Befehl.

Franz durchschritt nach und nach das Vorzimmer, den Salon und das Schlafzimmer, ohne Jemand zu finden. Endlich dachte er, Karl wäre ohne Zweifel in seinem Waffencabinet, und öffnete die Thüre, welche vom Schlafzimmer in dieses Cabinet ging.

Karl saß vor einem Tische in einem großen Fauteuil mit hoher geschnitzter Lehne. Er wandte der Thüre, durch welche Franz eingetreten war, den Rücken zu.

Es schien, als wäre er in eine Beschäftigung vertieft, die ihn ganz und gar beherrschte.

Der Herzog näherte sich auf den Fußspitzen; Karl las.

»Bei Gott!« rief plötzlich der König, »das ist ein bewunderungswürdiges Buch. Ich habe davon sprechen hören, glaubte aber nicht, daß es in Frankreich vorhanden wäre.«

Alençon horchte und machte noch einen Schritt,

»Verfluchte Blätter!« sagte der König, seinen Daumen an seine Lippen legend und dann auf das Buch drückend, um das Blatt, das er gelesen, von dem zu trennen, welches er lesen wollte. »Man sollte glauben, man hätte die Blätter an einander geklebt, um den Blicken der Menschen die Wunder zu entziehen, die es enthält.«

Alençon machte einen Sprung vorwärts.

Das Buch, über das Karl sich beugte, war dasjenige, welches Alençon bei Heinrich niedergelegt hatte.

Ein dumpfer Schrei entfuhr ihm.

»Ah! Ihr seyd es, Alençon,« sprach Karl, »seyd willkommen und schaut das schönste Jagdbuch an, das je aus eines Menschen Feder hervorgegangen ist.«

Die erste Bewegung von Alençon war, das Buch den Händen seines Bruders zu entreißen, aber ein höllisches Lächeln fesselte ihn an seinen Platz, ein furchtbarer Gedanke umspielte seine bleichen Lippen; er fuhr mit der Hand über seine Augen hin, wie ein geblendeter Mensch.

Dann allmählich sich erholend, aber ohne einen Schritt vorwärts oder rückwärts zu thun, fragte Alençon:

»Sire, wie kommt dieses Buch in die Hände Eurer Majestät?«

»Das ist ganz einfach. Ich ging so eben zu Henriot hinauf, um zu sehen, ob er bereit wäre. Er war schon nicht mehr in seiner Wohnung; ohne Zweifel lief er in den Ställen umher; aber an seiner Stelle fand ich dieses unschätzbare Werk, das ich mitnahm, um es nach Bequemlichkeit lesen zu können.«

Und der König setzte abermals seinen Daumen an seine Lippen und drehte noch einmal das rebellische Blatt um.

»Sire,« stammelte Alençon, dessen Haare sich sträubten, dessen ganzer Leib von einer furchtbaren Angst geschüttelt wurde, »Sire, ich wollte Euch sagen…

»Laßt mich dieses Kapitel vollenden, Franz,« sprach Karl, »dann könnt Ihr mir sagen, was Ihr wollt. Ich habe bereits fünfundzwanzig Blätter gelesen, das heißt verschlungen.«

»Er hat fünfundzwanzig mal das Gift gekostet,« dachte Franz, »Mein Bruder ist todt!«

Dann meinte er, es gäbe einen Gott im Himmel, der vielleicht nicht der Zufall wäre.

Franz trocknete mit seiner zitternden Hand den Schweiß ab, der in großen Tropfen auf seiner Stirne stand, und wartete schweigend, wie ihm sein Bruder befohlen hatte, bis er das Kapitel vollends gelesen hätte.

II.
Die Beize

Karl las immer noch. In seiner Neugierde verschlang er das Buch, und jedes Blatt hing, wie gesagt, sey es wegen der Feuchtigkeit, der das Buch lange ausgesetzt gewesen war, sey es aus einem andern Grunde, an dem folgenden Blatte.

Alençon betrachtete mit starrem Auge dieses furchtbare Schauspiel, dessen Entwicklung er allein vorhersah.

»Ah,« murmelte er, »was geht denn hier vor? Wie! ich sollte abreisen, ich sollte mich verbannen, ich sollte einen eingebildeten Thron suchen, während Heinrich bei der ersten Kunde der Krankheit von Karl in irgend eine befestigte Stadt zwanzig Meilen von Paris zurückkehren würde, um auf diese Beute zu lauern, welche uns der Zufall preisgibt, und mit einem Schritt in der Hauptstadt seyn könnte, so daß, ehe der König von Polen nur Nachricht von dem Tode meines Bruders erhalten hätte, die Dynastie bereits verändert wäre; das ist unmöglich.«

Diese Gedanken beherrschten das erste Gefühl unwillkührlichen Abscheus, das Franz antrieb, Karl zurückzuhalten. Es war das beharrliche Geschick, das Heinrich zu bewachen und die Valois zu verfolgen schien, und gegen welches der Herzog noch einmal anzustreben versuchen wollte.

In einem Augenblicke änderte sich sein ganzer Plan in Beziehung auf Heinrich. Es war Karl und nicht Heinrich, der das vergiftete Buch gelesen hatte. Heinrich sollte sich entfernen, aber verurtheilt entfernen. Von dem Augenblick an, wo das Geschick ihn noch einmal rettete, mußte Heinrich bleiben, denn Heinrich war weniger zu fürchten als Gefangener in Vincennes oder in der Bastille, als wenn er König an der Spitze von dreißigtausend Mann gewesen wäre.

Der Herzog von Alençon ließ Karl sein Kapitel vollenden. Als der König aber das Haupt erhob, sagte er:

»Mein Bruder, ich wartete, weil Eure Majestät es mir so befohlen hatte, aber zu meinem großen Bedauern, da ich Euch Dinge von der größten Wichtigkeit mitzutheilen habe.«

»Ah, zum Teufel!« sprach Karl, dessen Wangen sich allmählich purpurroth färbten, mochte er nun mit zu großem Eifer gelesen haben, oder fing das Gift bereits an zu wirken, »zum Teufel! wenn Du mir abermals von derselben Sache sprechen willst. Du gehst ab, wie der König von Polen abgegangen ist. Ich habe mich seiner entledigt, und werde mich Deiner entledigen; kein Wort mehr hierüber.«

»Mein Bruder,« erwiederte Franz, »ich will auch nicht von meiner Abreise mit Euch sprechen, sondern von der eines Andern. Eure Majestät hat mich in meinen tiefsten, zartesten Gefühle verletzt, in meiner brüderlichen Ergebenheit für sie, in meiner Treue als Unterthan, und es liegt mir daran, ihr zu beweisen, daß ich kein Verräther bin.«

»Stille,« sprach Karl, stützte sich mit dem Ellenbogen auf das Buch, kreuzte die Beine übereinander und schaute Alençon wie ein Mann an, der gegen seine Gewohnheit einen Vorrath von Geduld sammelt, »stille, irgend ein neues Gerücht, irgend eine Beschuldigung am frühen Morgen?«

»Nein, Sire, eine Gewißheit, ein Complott, das mein lächerliches Zartgefühl allein Eurer Majestät zu enthüllen mich verhindert hatte.«

»Ein Complott?« sagte Karl, »laßt Euer Complott hören!«

»Sire, während Eure Majestät am Flusse und in der Ebene des Vesinet jagen wird, erreicht der König von Navarra den Wald von Saint-Germain. Eine Truppe von Freunden erwartet ihn in diesem Walde und soll mit ihm fliehen.«

»Ah! ich wußte es wohl,« sprach Karl. »Abermals eine schöne Verleumdung gegen meinen armen Henriot. Werdet Ihr einmal ein Ende mit ihm machen?«

»Eure Majestät braucht wenigstens nicht lange zu warten, um sich zu versichern, ob das, was ich ihr zu sagen die Ehre gehabt habe, eine Verleumdung ist oder nicht.«

»Wie dies?«

»Diesen Abend wird unser Schwager abgereist seyn.«

Karl stand auf und sprach:

»Hört! ich will noch einmal Miene machen, als glaubte ich an Eure Erfindung; aber ich kündige Euch, Dir und Deiner Mutter, an, daß dieses Mal das letzte Mal ist.«

Dann die Stimme erhebend, fügte er bei:

»Man rufe den König von Navarra!«

Eine Wache machte eine Bewegung, um zu gehorchen; aber Franz hielt sie durch ein Zeichen zurück.

»Ein schlechtes Mittel, mein Bruder. Auf diese Art werdet Ihr nichts erfahren, Heinrich wird leugnen, ein Signal geben, seine Genossen sind gewarnt und verschwinden; dann wird man meine Mutter und mich nicht nur der Geisterseherei, sondern auch der Verleumdung beschuldigen.«

»Was verlangt Ihr also?«

»Daß mich Eure Majestät im Namen unserer Bruderliebe höre, daß sie im Namen meiner Ergebenheit, welche sie erkennen wird, nicht zu hastig verfahre. Macht es so, Sire, daß der wahre Schuldige, daß derjenige, welcher Eure Majestät seit zwei Jahren in der Absicht verräth, bis er sie in der That verrathen kann, endlich durch einen unfehlbaren Beweis als schuldig erkannt und nach Verdienst bestraft wird.«

Karl antwortete nicht. Er ging an ein Fenster und öffnete es. Das Blut stieg ihm zu Kopfe.

Endlich wandte er sich um und sagte:

»Nun, was würdet Ihr thun? Sprecht, Franz.«

»Sire, ich würde den Wald von Saint-Germain durch drei Abtheilungen Chevauxlegers umstellen, die zu einer verabredeten Stunde, um elf Uhr etwa, sich in Marsch zu setzen und Alles, was sich im Walde befindet, an dem Pavillon von Franz I. zusammen zu treiben hätten, den ich wie durch Zufall als Sammelplatz für das Mittagessen bezeichnen würde. Dann, wenn ich, während ich den Schein hätte, als folgte ich meinem Falken, Heinrich sich entfernen sehen würde, ritte ich an den Sammelplatz, wo er mit allen seinen Genossen gefangen seyn wird.«

»Der Gedanke ist gut; man lasse meinen Kapitän der Garden kommen.«

Alençon zog aus seinem Wammse eine silberne, an einer goldnen Kette hängende Pfeife und pfiff.

Herr von Nancey erschien.

Karl ging auf ihn zu und gab ihm seine Befehle mit leiser Stimme.

Während dieser Zeit hatte sein großer Windhund Actäon eine Beute ergriffen, die er im Zimmer umherrollte und unter tausend tollen Sprüngen mit den Zähnen zerriß.

Karl wandte sich um und stieß einen furchtbaren Fluch aus. Die Beute, welche Actäon gemacht, war das kostbare Jagdbuch, von dem es erwähnter Maßen nur drei Exemplare in der ganzen Welt gab.

Die Strafe kam dem Fehler gleich. Karl ergriff eine Peitsche. Der Riemen pfiff und umhüllte das Thier mit einem dreifachen Knoten, Actäon schrie laut auf und verschwand unter einem Tische, der mit einem ungeheuren Teppich bedeckt war und ihm als Zufluchtsort diente.

Karl hob das Buch auf und sah zu seiner großen Freude, daß nur ein Blatt fehlte, und dieses Blatt gehörte nicht einmal zum Text, sondern war ein Kupferstich.

Karl schloß das Buch sorgfältig in einen Schrank ein. Alençon schaute ihm unruhig zu. Er hätte gewünscht, daß dieses Buch, nun da seine furchtbare Sendung erfüllt war, aus den Händen von Karl gekommen wäre.

Es schlug sechs Uhr,

Dies war die Stunde, zu der der König in den Hof hinab kommen sollte, welcher sich bereits mit prächtig gezäumten Pferden, mit reichgekleideten Männern und Frauen gefüllt hatte. Die Jäger hielten ihre behaubten Falken auf den Fäusten. An einigen Piqueurs sah man Hörner, mit denen sie sich versehen hatten, falls der König, der Beize müde, wie ihm dies zuweilen begegnete, ein Reh oder einen Damhirsch hetzen wollte.

Der König ging hinab, schloß aber zuvor sein Waffencabinet. Alençon folgte jeder seiner Bewegungen mit glühenden Blicken und sah ihn seinen Schlüssel in die Tasche stecken.

Die Treppe hinabsteigend blieb der König stille stehen, fuhr mit der Hand an die Stirne und sagte:

»Ich weiß nicht, was ich habe, aber ich fühle mich schwach.«

Die Beine des Herzogs von Alençon zitterten nicht weniger, als die des Königs.

»In der That,« stammelte der Herzog, »es scheint mir, es ist stürmisch Wetter.«

»Sturm im Monat März?« sagte Karl, »Ihr seyd ein Narr. Nein, ich habe Schwindel, meine Haut ist trocken, ich bin müde, das ist das Ganze.«

Dann fuhr er mit halber Stimme fort:

»Sie werden mich umbringen mit ihrem Hasse und ihren Complotten.«

Als er aber in den Hof trat, brachten die Morgenluft, das Geschrei der Jäger, die hundertfachen lärmenden Begrüßungen der Versammelten auf Karl die gewöhnliche Wirkung hervor.

Er athmete freier und lustiger. Mit dem ersten Blicke suchte er Heinrich; dieser befand sich in der Nähe von Margarethe. Die zwei vortrefflichen Gatten schienen sich nicht einen Augenblick verlassen zu können, so sehr liebten sie sich.

Als Heinrich den König erblickte, ließ er sein Pferd springen, und er war mit drei Courbetten seines Thieres bei seinem Schwager.

»Ah! ah!« sagte Karl, »Ihr seyd zur Parforcejagd beritten, Henriot; doch Ihr wißt, daß wir heute eine Falkenjagd machen.«

Dann, ohne die Antwort abzuwarten, fuhr der König seine Stirne faltend und mit beinahe drohendem Tone fort:

»Auf, meine Herren, vorwärts, wir müssen um neun Uhr bei der Jagd seyn.«

Catharina betrachtete Alles dies aus einem Fenster des Louvre. Ein aufgehobener Vorhang gewährte ihrem bleichen, verschleierten Kopfe freien Raum, während der schwarz gekleidete Körper im Halbschatten verschwand.

Auf den Befehl von Karl dehnte sich diese ganze goldene, gestickte, parfumirte Menge, den König an der Spitze, aus, um durch die Pforten des Louvre zu ziehen, und wälzte sich wie eine Lawine auf die Straße nach Saint-Germain, mitten unter dem Geschrei des Volkes, das seinen jungen König begrüßte, welcher sorgenvoll, nachdenkend, auf seinem schneeweißen Pferde einherritt.

»Was hat er Euch gesagt?« fragte Margarethe Heinrich.

»Er hat mir über die Schönheit meines Pferdes ein Compliment gemacht.«

»Sonst nichts?«

»Sonst nichts.«

»Dann weiß er etwas.«

»Ich befürchte es.«

»Wir müssen auf unserer Hut seyn.«

Heinrich erleuchtete sein Gesicht mit jenem feinen Lächeln, das bei ihm Gewohnheit war und für Margarethe besonders bedeutete: »Seyd unbesorgt, meine Theure.«

Kaum hatte der Zug den Hof des Louvre verlassen, als sich Catharina von dem Vorhange zurückzog.

Eines war ihr jedoch nicht entgangen: sie hatte die Blässe von Heinrich, seine Nervenzuckungen, seine leisen Unterredungen mit Margarethe wahrgenommen.

Heinrich war bleich, weil sein Blut, da er nicht den sanguinischen Muth besaß, unter allen Umständen, wo sein Leben auf das Spiel gesetzt war, statt ihm in den Kopf zu steigen, zum Herzen zurückströmte.

Er hatte Nervenzuckungen, weil die Art, wie ihn Karl empfangen, so verschieden von dem Empfange, der ihm gewöhnlich von dem König zu Theil wurde, einen gewaltigen Eindruck auf ihn gemacht hatte.

Er hatte sich mit Margarethe besprochen, weil, wie wir wissen, von dem Manne und der Frau in politischer Hinsicht eine Offensive- und Defensivallianz abgeschlossen worden war.

Catharina aber erklärte sich die Dinge ganz anders. »Diesmal,« murmelte sie mit ihrem florentinischen Lächeln, »diesmal wird der theure Henriot wohl hängen bleiben.«

Nachdem sie eine Viertelstunde gewartet hatte, um der ganzen Jagd Zeit zu lassen, sich aus Paris zu entfernen, ging sie, um sich von der Sache selbst zu überzeugen, aus ihrem Zimmer, schritt durch den Gang, stieg die kleine Wendeltreppe hinauf und öffnete mit Hilfe ihres doppelten Schlüssels die Wohnung des Königs von Navarra.

Aber vergebens suchte sie in der ganzen Wohnung das Buch, vergebens ging ihr glühender Blick von den Tischen zu den Stühlen, von den Stühlen zu den Pulten, von den Pulten zu den Fächern, von den Fächern zu den Schränken über; nirgends gewahrte sie, was sie suchte.

»Er hat es ohne Zweifel in irgend einen Schrank eingeschlossen,« sagte sie, »und wenn er es noch nicht gelesen hat, so wird er es lesen.«

Und sie stieg wieder hinab, diesmal fest überzeugt, ihr Plan wäre gelungen.

Der König verfolgte mittlerweile den Weg nach Saint-Germain, wo er nach anderthalb Stunden scharfen Rittes anlangte; man begab sich nicht einmal zu dem alten Schlosse, das sich mitten unter den auf dem Berge zerstreuten Häusern erhob. Man zog über die hölzerne Brücke, welche damals vor dem Baume lag, den man noch heut’ zu Tage die Sully’s Eiche nennt. Dann machte man den geschmückten Barken, welche der Jagd folgten, ein Zeichen damit der König und die Leute seines Hofes leichter über den Fluß gelangen könnten sich in Bewegung zu setzen.

In einem Augenblick bewegte sich diese ganze lustige, von so verschiedenartigen Interessen belebte, Jugend auf dem herrlichen Wiesengrunde, der von der waldigen Höhe von Saint-Germain herabläuft und plötzlich das Aussehen einer großen Stickerei mit buntscheckigen, tausendfarbigen Personen bekam, wobei der an seinem Ufer schäumende Fluß die silberne Franse bildete.

Vor dem König, der auf seinem weißen Rosse seinen Lieblingsfalken auf der Faust einherritt, marschirten die Jägerbursche mit grauen Wämmsern und hohen Stiefeln, welche, ein halbes Dutzend Hunde mit der Stimme beherrschend, die Rohre am Ufer niedertraten.

In diesem Augenblick kam plötzlich die bis jetzt hinter Wolken verborgene Sonne auf dem düstern Ocean hervor, in den sie getaucht war. Ein Strahl ihres Lichtes beleuchtete all’ dieses Gold, alle diese Juwelen, alle diese glühenden Augen, und aus dem ganzen Lichte wurde ein Feuerstrom.

Jetzt, und als hätte er nur diesen Moment erwartet, damit eine schöne Sonne seine Niederlage beleuchte, erhob sich ein Reiher, einen langen, klagenden Schrei ausstoßend, mitten aus dem Schilfe.

»Haw! haw!« rief Karl, seinem Falken die Haube abziehend und ihn dem Flüchtling nachwerfend.

»Haw! haw!« rief man einstimmig, um den Vogel zu ermuthigen.

Einen Augenblick von dem Lichte geblendet, drehte sich der Falke gleichsam um sich selbst und beschrieb einen Kreis, ohne vorzurücken oder zurückzuweichen; dann erblickte er plötzlich den Reiher und nahm rasch seinen Flug in der Richtung desselben.

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