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Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 37

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Der Reiher aber, der sich als ein kluger Vogel auf mehr als hundert Schritte von den Jägerburschen erhob, hatte, während der König seinem Falken die Haube abnahm und dieser sich an das Licht gewöhnte, Raum oder vielmehr Höhe gewonnen. So kam es, daß er, als ihn sein Feind erblickte, mehr als fünf hundert Schritte entfernt war, und da er in den höheren Zonen die für seine mächtigen Flügel erforderliche Luft fand, stieg er rasch empor.

»Haw! haw! Bec-de-Fer,« rief Karl seinen Falken ermuthigend,«beweise uns, daß du Race hast. Haw! haw!«

Das edle Thier schoß, als hätte es diese Ermutigung verstanden, wie ein Pfeil fort, wobei es eine schräge Linie verfolgte, welche in die senkrechte Linie auslaufen sollte, die der Reiher nahm, der fortwährend stieg, als wollte er im Aether verschwinden.

»Ah! zweifacher Feigling,« rief Karl, als hätte ihn der Flüchtige hören können, setzte sein Pferd in Galopp und folgte der Jagd, so gut er konnte, wobei er den Kopf zurücklegte, um die zwei Vögel nicht eine Sekunde aus dem Auge zu verlieren. »Ah! zweifacher Feigling du fliehst. Aber Bec-de-Fer hat Race; warte! warte! haw! Bec-de-Fer, haw!«

Der Kampf war wirklich interessant; die zwei Vögel näherten sich einander, oder vielmehr der Falke näherte sich dem Reiher. Es fragte sich nur, wer bei diesem ersten Angriff die Oberhand behalten würde.

Die Furcht hatte bessere Flügel, als der Muth.

Von seinem Fluge fortgerissen schoß der Falke unter dem Bauche des Reihers durch, den er hätte beherrschen sollen. Der Reiher benützte seine Ueberlegenheit und brachte ihm einen Schlag mit seinem langen Schnabel bei.

Wie von einem Dolchstoße getroffen, machte der Falke ganz betäubt drei Wendungen um sich selbst, und man hätte einen Augenblick glauben sollen, er werde sich herablassen. Aber wie ein verwundeter Krieger, der sich furchtbarer erhebt, stieß er einen schrillen, drohenden Schrei aus und nahm seinen Flug wieder nach dem Reiher.

Der Reiher halte seinen Vortheil benützt und die Richtung seines Fluges verändernd eine Biegung gegen den Wald gemacht, wobei er dießmal Raum zu gewinnen und durch die Entfernung statt durch die Höhe zu entkommen suchte.

Aber sein Verfolger war von edler Race und hatte den Flügelschlag eines Geierfalken. Er wiederholte dasselbe Manoeuvre und flog schräge auf den Reiher zu, der zwei oder drei Angstschreie ausstieß und senkrecht sich zu erheben suchte, wie er es das erste Mal gethan hatte. Kaum waren zehn Sekunden in diesem doppelten Kampfe hingegangen, als die zwei Vögel in den Wolken zu verschwinden schienen. Der Reiher war kaum noch so groß wie eine Lerche, und der Falke erschien wie ein schwarzer Punkt, der jeden Augenblick, unmerklicher wurde.

Karl und sein Hof folgten den zwei Vögeln nur noch mit dem Blicke. Jeder war, die Augen auf den Flüchtling und seinen Verfolger geheftet, an seinem Platze geblieben.

«Bravo! bravo! Bec-de-Fer!« rief plötzlich der König. »Seht, seht, meine Herren, er hat die Oberhand. Haw! Haw!«

»Meiner Treue, ich gestehe, daß ich weder den einen, noch den andern sehe,« sprach Heinrich.

»Ich auch nicht,« sagte Margarethe.

»Ja, aber wenn Du sie nicht siehst, Henriot, so kannst Du sie doch noch hören,« versetzte Karl, »den Reiher wenigstens. Hörst Du, hörst Du, er bittet um Gnade!«

Es stiegen in der That einige Klageschreie, die nur ein geübtes Ohr aufzufassen vermochte, vom Himmel zur Erde herab.

»Schau! schau!« rief Karl, »und Du wirst sie sogleich schneller herabsinken sehen, als sie hinaufgestiegen sind.«

Als der König diese Worte sprach, erschienen die zwei Vögel wirklich allmählich wieder. Es waren nur zwei schwarze Punkte, aber an der Verschiedenheit der Größe dieser Punkte konnte man leicht sehen, daß der Falke obenauf war.

»Seht! seht!« rief Karl, »Bec-de-Fer hält ihn.«

Von dem Raubvogel beherrscht, versuchte es der Reiher nicht einmal mehr, sich zu vertheidigen. Er sank rasch herab, beständig von dem Falken geschlagen und nur durch sein Geschrei antwortend. Plötzlich zog er die Flügel zusammen und ließ sich wie einen Stein herabfallen; aber sein Gegner that dasselbe, und als der Flüchtling wieder seinen Flug nehmen wollte, betäubte ihn ein letzter Flügelschlag; er setzte seinen Sturz sich um sich selbst drehend fort, und in dem Augenblick, wo er die Erde berührte, ließ sich der Falke auf ihn nieder und stieß ein Siegesgeschrei aus, welches das Niederlagsgeschrei des Besiegten bedeckte.

»Zum Falken! zum Falken!« rief Karl und sprengte in der Richtung der Stelle fort, wo die zwei Vögel niedergefallen waren.

Aber plötzlich parirte er sein Roß, stieß einen Schrei aus, ließ den Zügel los und klammerte sich mit einer Hand an die Mähne seines Pferdes an, während er mit der andern nach seinem Magen griff, als hätte es seine Eingeweide zerreißen wollen.

Bei diesem Schrei eilten alle Höflinge herbei.

»Es ist nichts, es ist nichts,« sagte Karl, das Gesicht entflammt, die Augen wild, verstört, »es kam mir nur vor, als ob ein glühendes Eisen durch meinen Magen dränge. Geht, geht, es ist nichts.«

Und er setzte sein Pferd abermals in Galopp.

Alençon erbleichte.

»Was gibt es denn wieder?« fragte Heinrich seine Gemahlin.

»Ich weiß es nicht,« erwiederte Margarethe.«Doch habt Ihr meinen Bruder gesehen? er war purpurroth.«

»Es ist sonst nicht seine Gewohnheit,« sagte Heinrich.

Die Höflinge schauten einander erstaunt an und folgten dem König.

Man gelangte zu der Stelle, wo sich die zwei Vögel niedergelassen halten. Der Falke zerhackte bereits das Gehirn Reihers.

Karl sprang von seinem Pferde, um den Kampf näher zu betrachten.

Als er aber die Erde berührte, war er genöthigt, sich am Sattel zu halten, denn der Boden drehte sich um ihn. Er fühlte einen gewaltigen Drang, sich zu erbrechen.

»Mein Bruder! mein Bruder!« rief Margarethe, »was habt Ihr?«

»Ich habe,« erwiederte Karl, »was Porcia haben mußte, als sie die glühenden Kohlen verschluckt hatte; ich brenne und es ist mir, als stünde mein Athem in Flammen.«

In demselben Augenblick stieß Karl seinen Atem aus und schien erstaunt, daß er kein Feuer aus seinen Lippen hervorkommen sah.

Man hatte indessen den Falken wieder aufgenommen und behaubt und alle Welt war um Karl versammelt.

»Nun, nun, was soll was bedeuten? Beim Leibe Christi, es ist nichts oder wenn es etwas ist, so sprengt mir die Sonne den Kopf und höhlt meine Augen aus. Vorwärts, zur Jagd, meine Herren. Hier ist eine ganze Compagnie von jungen Wildenten. Laßt Alles los! Corboeuf, wir wollen uns belustigen.«

Man nahm wirklich fünf bis sechs Falken die Hauben ab, schleuderte sie und sie schossen in der Richtung des Wildprets fort, während die ganze Jagd abermals das Ufer des Flusses erreichte.

»Nun, was sagt Ihr, Madame?« fragte Heinrich seine Gemahlin.

»Daß der Augenblick günstig ist,« erwiederte Margarethe, »und daß wir, wenn sich der König nicht umwendet, von hier aus leicht zum Walde gelangen können.«

Heinrich rief den Jägerburschen, der den Reiher trug, und während die lärmende, vergoldete Lawine sich auf der Böschung fortwälzte, welche gegenwärtig die Terrasse bildet, blieb er allein zurück, dem Anscheine nach, um den Leichnam des Besiegten zu untersuchen.

In diesem Augenblick, und als wollte er ihm zu Hilfe kommen, erhob sich ein Fasan.

Heinrich ließ seinen Falken los; er hatte, um sich von der allgemeinen Jagd zu entfernen, den Vorwand einer besondern Jagd.

III.
Der Pavillon von Franz I

Es war etwas Schönes um die Falkenjagd, durch Könige gemacht, besonders als Könige noch beinahe Halbgötter waren und die Jagd nicht allein zu den Vergnügungen, sondern zu den Künsten gehörte.

Nichtsdestoweniger müssen wir dieses königliche Schauspiel verlassen, um an einen Ort des Waldes zu dringen, wo alle Schauspieler der Scene, die wir so eben erzählt haben, bald wieder zu uns kommen werden.

Rechts von der Allee des Violettes, einer langen Arcade von Laubwerk, wo unter den Lavendeln und Heidekräutern ein Hase unruhig von Zeit zu Zeit die Ohren spitzt, während der Hirsch mit hohem Geweih die Nasenlöcher aufsperrt und horcht, ist eine Lichtung, weit genug entfernt, um von der Straße aus nicht gesehen zu werden, aber doch nicht ferne genug, daß man von dieser Lichtung aus die Straße nicht sehen sollte.

Mitten in dieser Lichtung lagen zwei Männer auf dem Rasen: sie hatten unter sich einen Reisemantel, an ihrer Seite ein langes Schwert und in ihrer Nähe, jeder eine Muskete mit ausgeschweiftem Schlunde, damals Poitrinal genannt. Nach der Eleganz ihrer Tracht glichen sie von Ferne den lustigen Plauderern des Decameron, von Nahem aber durch das Bedrohliche ihrer Waffen jenen Banditen, welche Salvator Rosa hundert Jahre später auf seinen Landschaften nach der Natur malte.

Einer von ihnen stützte sich auf ein Knie und horchte, wie einer von den Hasen oder Hirschen, von denen wir so eben gesprochen haben.

»Es scheint mir,« sagte er, »die Jagd hätte sich uns bedeutend genähert. Ich hörte sogar das Geschrei der Jäger, wie sie den Falken ermuthigten.«

»Und nun,« sagte der Andere, der die Ereignisse mit viel mehr Philosophie als sein Kamerad zu erwarten schien, »nun höre ich nichts mehr: sie müssen sich entfernt haben. Ich sagte es Dir wohl, es wäre ein schlechter Ort zum Beobachten. Man wird allerdings nicht gesehen, aber man sieht auch nicht.«

»Was Teufel, mein lieber Annibal,« versetzte der Erste von den Sprechenden, »wir mußten irgendwo unsere eigenen Pferde, dann die zwei Handpferde und endlich die zwei Maulthiere unterbringen, welche so beladen sind, daß ich nicht weiß, wie sie es machen wollen, um uns zu folgen. Ich kenne aber nur diese alten Buchen und die hundertjährigen Eichen, welche sich dieses schwierigen Geschäftes auf eine geeignete Weise zu entledigen vermögen. Weit entfernt also Herrn von Mouy, wie Du es thust, zu tadeln, erkenne ich in allen Vorbereitungen zu dem Unternehmen, das er geleitet hat, den Scharfsinn eines wahren Verschwörers.«

»Gut,« sagte der zweite, Edelmann, »das Wort ist heraus, ich erwartete es. Daran fasse ich Dich. Wir verschwören uns also, wir conspiriren?«

»Wir conspiriren nicht, wir dienen dem König und der Königin.«

»Diese aber conspiriren, und es kommt somit ganz auf das Gleiche heraus.«

»Coconnas, ich habe Dir bereits gesagt,« versetzte La Mole, »ich zwinge Dich nicht im Geringsten, mir bei einem Abenteuer zu folgen, das mich einzig und allein ein besonderes Gefühl, welches Du nicht theilst und nicht theilen kannst, unternehmen läßt.«

»Ei Mord und Tod! wer sagt denn, Du zwingst mich? Ich kenne vor Allem gar keinen Menschen, der Coconnas zu zwingen vermöchte, das zu thun, was er nicht thun will; aber glaubst Du, ich werde Dich gehen lassen, ohne Dir zu folgen, besonders wenn ich sehe, daß Du zum Teufel gehst.«

«Annibal! Annibal!« sagte La Mole, »ich glaube, ich sehe dort ihren weißen Zelter, Oh! es ist doch sonderbar, daß schon bei dem Gedanken, sie werde kommen, mein Herz schlägt.«

»In der That, es ist seltsam,« versetzte Coconnas gähnend, »mein Herz schlägt nicht im Mindesten.«

»Sie ist es nicht,« sagte La Mole. »Was ist denn geschehen? es hat doch zwölf Uhr geschlagen, wie es mir scheint.«

»Ohne Zweifel irrst Du Dich, die Mittagsstunde ist noch nicht da, und wir haben noch Zeit, einen Schlaf zu machen.

Und in dieser Ueberzeugung streckte sich Coconnas auf seinem Mantel aus, wie ein Mensch, der den Beweis mit den Worten verbinden will. Als aber sein Ohr den Boden berührte, hob er den Finger auf und bedeutete La Mole durch ein Zeichen, er solle schweigen.

»Was gibt es?« fragte dieser.

»Stille, diesmal höre ich etwas; ich täusche mich nicht.«

»Es ist sonderbar, ich mag immerhin horchen, ich höre nichts.«

»Du hörst nichts?«

»Nein.«

»Nun, so schau’ jenen Hirsch an,« sprach Coconnas aufstehend und die Hand auf den Arm von La Mole legend.

»Wo?«

»Dort.«

Und Coconnas zeigte das Thier La Mole mit dem Finger.

»Nun?«

»Du wirst sehen.«

La Mole betrachtete das Thier, das seinen Kopf zur Erde senkte, als schickte es sich an, zu grasen. Es horchte unbeweglich. Bald hob es seine mit prachtvollem Geweih beladene Stirne empor und spitzte das Gehör nach der Seite, von welcher ohne Zweifel das Geräusch kam. Dann jagte es plötzlich ohne eine scheinbare Ursache rasch wie der Blitz fort.

»Oh! oh!« sagte La Mole, »ich glaube Du hast Recht, denn der Hirsch entflieht.«

»Da er nun entflieht,« versetzte Coconnas, »so geschieht es, weil er das hört, was Du nicht hörst.«

Ein dumpfes, kaum vernehmbares Geräusch bebte wirklich durch das Gras; für minder geübte Ohren wäre es der Wind gewesen; für Reiter war es ein entfernter Galopp von Pferden.

La Mole war in einer Sekunde auf den Beinen. »Hier sind sie,« sprach er, »frisch auf!«

Coconnas erhob sich, aber ruhiger; die Lebhaftigkeit des Piemontesen schien in das Herz von La Mole übergegangen zu seyn, während es im Gegentheil den Anschein hatte, als hätte sich die Sorglosigkeit des Letzteren seines Freundes bemächtigt. Der Eine handelte in dieser Sache aus Enthusiasmus, der Andere wider seinen Willen.

Bald schlug ein gleichmäßiger Lärmen an das Ohr der zwei Freunde. Das Wiehern eines Pferdes machte, daß die Rosse, welche sie zehn Schritte von ihnen entfernt bereit hielten, die Ohren spitzten, und in der Allee erschien, rasch wie ein Schatten vorüberziehend, eine Frau, die sich nach ihrer Seite wand, ein seltsames Zeichen machte und wieder verschwand.

»Die Königin!« riefen Beide gleichzeitig.

»Was bedeutet dies?« fragte Coconnas. »Sie hat mit dem Arme so gemacht,« erwiederte La Mole,«das bedeutet: sogleich.«

»Sie hat so gemacht,« sagte Coconnas, »das bedeutet: Geht!«

»Dieses Zeichen heißt: »Wartet auf mich!«

»Dieses Zeichen heißt: »Rettet Euch

»Nun, so wollen wir jeder nach seiner Ueberzeugung handeln,« sagte La Mole, »Gehe, ich werde bleiben.«

Coconnas zuckte die Achseln und legte sich wieder nieder.

In demselben Augenblicke kam in der entgegengesetzten Richtung des Weges, den die Königin verfolgt hatte, aber durch dieselbe Allee mit verhängten Zügeln eine Truppe von Reitern, in denen die zwei Freunde Protestanten erkannten. Glühend, beinahe wüthend sprangen ihre Pferde wie die Heuschrecken, von denen Hiob spricht, Sie erschienen und verschwanden.

»Pest! das wird ernst,« sagte Coconnas, abermals aufstehend, »Laßt uns in den Pavillon von Franz dem Ersten gehen!«

»Im Gegentheil gehen wir nicht dahin,« erwiederte La Mole, »wenn wir entdeckt sind, wird sich die Aufmerksamkeit des Königs zuerst nach diesem Pavillon richten, weil er der allgemeine Versammlungsort ist.«

»Diesmal kannst Du wohl Recht haben,« brummte Coconnas.

Coconnas hatte kaum diese Worte gesprochen, als ein Reiter wie ein Blitz mitten unter den Bäumen erschien und über Gräben, Gebüsche, Schranken setzend, zu den zwei Edelleuten gelangte. Er hielt in jeder Hand eine Pistole und lenkte sein Pferd bei diesem wüthenden Laufe nur mit den Knieen.

»Herr von Mouy!« rief Coconnas unruhig und nun flinker geworden als La Mole, »Herr von Mouy flieht! Man flüchtet sich also?«

»Rasch, rasch!« rief der Hugenott, »schnell aufgepackt! Ich habe einen Umweg gemacht, um es Euch zu sagen. Vorwärts Marsch!«

Und da er, während er diese Worte sprach, nicht zu rennen aufhörte, so war er bereits weit, als er vollendet hatte und als von La Mole und Coconnas der Sinn seiner Rede völlig aufgefaßt war.

»Und die Königin?« rief La Mole.

Aber die Stimme des jungen Mannes verlor sich im weiten Raume. Herr von Mouy hatte bereits eine zu große Entfernung erreicht, um ihn zu hören, und besonders um ihm zu antworten.

Coconnas hatte bald seinen Entschluß gefaßt, während La Mole unbeweglich blieb und mit den Augen Herrn von Mouy verfolgte, der zwischen den Zweigen verschwand, welche sich vor ihm öffneten und hinter ihm wieder schlossen. Er lief nach den Pferden, führte sie herbei, sprang auf das seinige, warf den Zügel des andern La Mole in die Hände und schickte sich an, fortzureiten.

»Vorwärts, vorwärts!« sprach er. »Ich wiederhole, was Herr von Mouy gesagt hat: Vorwärts, Marsch! Und von Mouy ist ein Mann, welcher gut spricht. Vorwärts, vorwärts, La Mole!«

»Einen Augenblick,« versetzte La Mole, »wir sind aus einer gewissen Ursache hierher gekommen.«

»Wenn wir nicht gehenkt werden sollen,« erwiederte Coconnas,«so rathe ich Dir, keine Zeit zu verlieren. Ich ahne, Du wirst Rhetorik machen, das Wort Flucht umschreiben, von Horaz sprechen, der seinen Schild wegwarf, und von Epaminondas, welchen man auf dem seinigen zurückbrachte. Ich aber sage Dir nur ein einziges Wort: Wo Herr von Mouy Saint-Phale flieht, kann alle Welt fliehen…«

»Herr von Mouy Saint-Phale,« sprach La Mole, »ist nicht beauftragt, die Königin Margaretha zu entführen; Herr von Mouy Saint-Phale liebt die Königin Margarethe nicht.«

»Mord und Tod! daran thut er recht, wenn die Liebe ihn veranlassen würde, Dummheiten zu begehen, denen ähnlich, auf welche ich Dich sinnen sehe. Fünfmal hunderttausend Teufel mögen die Liebe holen, welche den Kopf der zwei bravsten Edelleute kosten kann. Corne de bœuf, wie König Karl sagt, wir conspiriren, mein Lieber, und wenn man schlecht conspirirt, muß man wohl die Flucht ergreifen. Zu Pferde, zu Pferde, La Mole!«

»Rette Dich, mein Lieber, ich hindere nicht daran, sondern fordere Dich sogar noch dazu auf. Dein Leben ist kostbarer, als das meinige; vertheidige es also.«

»Man muß mir sagen: Coconnas, lassen wir uns mit einander hängen, und nicht: Coconnas, rette Dich ganz allein.«

«Bah, mein Freund,« erwiederte La Mole, »der Strick ist für Bauernkerle gemacht, und nicht für Edelleute wie wir sind!«

«Ich fange an zu glauben,« sagte Coconnas mit einem Seufzer, »daß die Vorsichtsmaßregel, welche ich getroffen habe, nicht schlecht ist.«

»Welche?«

»Daß ich mir den Henker zum Freund gemacht habe.«

»Du bist bitter, mein lieber Coconnas.«

»Aber was machen wir?« rief dieser ungeduldig.

»Wir wollen die Königin aufsuchen.«

»Wo dieß?«

»Ich weiß es nicht… Den König aufsuchen.«

»Wo dieß?«

»Ich weiß es nicht, aber wir werden sie finden, und zu zwei thun, was fünfzig Personen nicht vermochten, oder nicht zu thun gewagt haben.«

»Du fassest mich bei der Eitelkeit, Hyacinth; das ist schlimm!«

»Gut; aber nun zu Pferde, und vorwärts.«

»Mir ganz lieb.«

La Mole wandte sich, um nach dem Sattelknopf zu greifen, in dem Augenblick, wo er den Fuß aus den Steigbügel hob, ließ sich eine gebieterische Stimme vernehmen:

»Halt! ergebt Euch!« sprach die Stimme.

Zu gleicher Zeit erschien die Gestalt eines Mannes hinter einer Eiche, dann eine andere, dann dreißig, Es waren die Chevauxlegers, die sich auf dem glatten Bauche durch das Heidekraut gearbeitet hatten und das Gehölze durchsuchten,

»Was habe ich Dir gesagt?« murmelte Coconnas.

Eine Art von dumpfem Stöhnen war die Antwort von La Mole.

Die Chevauxlegers waren noch ungefähr dreißig Schritte von den zwei Freunden entfernt.

»Laßt hören!« fuhr der Piemontese ganz laut mit dem Lieutenant der Chevauxlegers und ganz leise mit La Mole sprechend fort:«Meine Herren, was gibt es denn?«

Der Lieutenant befahl, auf die zwei Freunde anzuschlagen.

Coconnas sagte ganz leise.

»Aufgesessen! La Mole, es ist noch Zeit; schwinge Dich auf Dein Pferd, wie ich es Dich hundertmal habe machen sehen.«

Dann sich gegen die Chevauxlegers umwendend:

»Ei! den Teufel, meine Herren, schießt nicht, Ihr könntet Freunde tödten.«

Nun wieder zu La Mole:

»Durch die Bäume schießt man schlecht; sie werden schießen und uns fehlen.«

»Unmöglich,« erwiederte La Mole, »wir können das Pferd von Margarethe und die zwei Maulthiere nicht mit uns fortnehmen. Dieses Pferd und diese zwei Maulthiere würden sie compromittiren, während ich durch meine Antworten, jeden Verdacht beseitigen werde. Gehe, mein Freund, gehe!«

»Meine Herren,« sagte Coconnas den Degen ziehend und in die Lust erhebend, »meine Herren, wir ergeben uns.«

Die Chevauxlegers erhoben ihre Musketen.

»Aber vor Allem sagt uns, warum müssen wir uns ergeben?«

»Ihr möget den König von Navarra fragen.«

»Welches Verbrechen haben wir begangen?«

»Der Herzog von Alençon wird es Euch sagen.«

Coconnas und La Mole schauten sich an, der Name ihres Feindes war in diesem Augenblick durchaus nicht geeignet, sie zu beruhigen.

Es leistete jedoch weder der Eine noch der Andere Widerstand. Coconnas wurde aufgefordert, vom Pferde zu steigen, ein Manoeuvre, das er ohne Bemerkung ausführte. Dann wurden Beide in die Mitte der Chevauxlegers genommen, und man schlug den Weg nach dem Pavillon von Franz I. ein.

»Du wolltest den, Pavillon von Franz I. sehen,« sagte Coconnas zu La Mole, als er durch die Bäume die Mauern eines reizenden gothischen Gebäudes erblickte, »nun wohl, es scheint, Du wirst ihn sehen.«

La Mole reichte, ohne zu antworten, Coconnas die Hand.

Neben diesem reizenden Pavillon, der zur Zeit von Ludwig XII. erbaut worden war und der Pavillon von Franz I. genannt wurde, weil dieser ihn stets zu seinen Jagdrendezvous wählte, hatte man eine Art von Hütte für die Piqueurs errichtet, welche gewissermaßen unter den Musketen, Hellebarden und Schwertern verschwand, wie ein Maulwurfshügel unter einer reifenden Ernte.

In diese Hütte hatte man die Gefangenen geführt.

Beleuchten wir nun die, besonders für die zwei Freunde sehr wolkenreiche, Lage der Dinge durch die Erzählung dessen, was vorgefallen war.

Die protestantischen Edelleute hatten sich verabredetermaßen in dem Pavillon von Franz I. versammelt, zu welchem Herr von Mouy, wie man weiß, einen Schlüssel besaß.

Herren des Waldes, wenigstens wie sie glaubten, stellten sie an verschiedenen Orten Wachen auf, deren sich die Chevauxlegers mittelst einer Verwandlung weißer Schärpen in rothe Schärpen, – eine Vorsichtsmaßregel, die von dem geistvollen Eifer von Herrn von Nancey herrührte, – ohne einen Schwertstreich durch kräftige Ueberrumpelung bemächtigten.

Die Chevauxlegers setzten, den Pavillon umschließend, ihr Treibjagen fort. Aber Herr von Mouy, der, wie gesagt, den König am Ende der Allee des Violettes erwartete, sah diese rothen Schärpen mit Wolfstritten einherschleichen, und von diesem Augenblicke an kamen ihm die rothen Schärpen auch verdächtig vor. Er warf sich auf die Seite, um nicht gesehen zu werden, und bemerkte, daß sich der weite Kreis immer mehr verengte, so daß er den ganzen Wald durchstreichen und den Sammelplatz umhüllen mußte.

Zu gleicher Zeit sah er im Hintergrunde der Hauptallee die weißen Reiherbüsche hervorragen und die Büchsen der Leibwache des Königs glänzen. Endlich erkannte er den König selbst, während er auf der entgegengesetzten Seite den König von Navarra erblickte.

Nun durchschnitt er die Luft kreuzweise mit seinem Hute, was das verabredete Zeichen war, um anzudeuten, Alles wäre verloren.

Auf dieses Zeichen kehrte der König auf der Stelle um und verschwand.

Sogleich drückte Herr von Mouy seine großen Spornräder seinem Pferde in den Bauch, ergriff die Flucht und schleuderte, indem er floh, La Mole die von uns erwähnten Warnungsworte zu.

Der König, der das Verschwinden von Heinrich und Margarethe wahrgenommen hatte, kam in Begleitung von Herrn von Alençon herbei, um Beide aus der Hütte hervortreten zu sehen, worin auf seinen Befehl Alles, was sich nicht nur in dem Pavillon, sondern auch in dem Walde finden würde, eingeschlossen werden sollte.

Alençon galoppirte voll Vertrauen neben dem König, dessen schlechte Laune sich noch durch furchtbare Schmerzen vermehrte. Mehrere Male war er einer Ohnmacht nahe gewesen, und ein Mal hatte er sogar Blut gebrochen.

»Vorwärts! vorwärts!« sprach der König anlangend, »es drängt mich in den Louvre zurück. Schießt nur alle diese Parpaillots aus dem Bau weg; es ist heute Saint Blasius, der Vetter von Sanct-Bartholomäus.«

Bei diesen Worten des Königs setzte sich der ganze Haufen von Spießen und Büchsen in Bewegung, und man nöthigte die Hugenotten, die man theils im Walde, theils in dem Pavillon verhaftet hatte, einen nach dem andern aus der Hütte herauszutreten.

Aber von dem König von Navarra, von Margarethe und von Herrn von Mouy war nichts zu sehen.

»Nun,« sagte der König, »wo ist Heinrich, wo ist Margot. Ihr habt mir sie versprochen, Alençon und Corboeuf! man muß mir sie finden.«

»Der König und die Königin von Navarra?« versetzte Herr von Nancey, »wir haben sie nicht einmal gesehen,«

»Hier sind sie,« rief Frau von Nevers.

Es erschienen wirklich in diesem Augenblick am Ende einer Allee, welche nach dem Flusse führte, Heinrich und Margot. Beide ganz ruhig, als ob gar nichts vorginge; Beide den Falken auf der Faust und nach der Art der Verliebten mit so viel Kunst an einander geschlossen, daß ihre Pferde, nicht minder vereinigt als sie, im Galoppiren sich mit den Nüstern zu liebkosen schienen,

Wüthend ließ nun Alençon die Umgegend durchsuchen, und bei dieser Gelegenheit geschah es, daß man La Mole und Coconnas unter ihrer Epheulaube fand.

Sie zogen auch in den Kreis ein, welchen die Garden mit brüderlicher Durchschlingung bildeten. Nur konnten sie sich, da sie keine Könige waren, keine so gute Haltung geben, wie Heinrich und Margarethe. La Mole war zu bleich, Coconnas zu roth.

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04 aralık 2019
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