Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 38
IV.
Die Nachforschungen
Das Schauspiel, welches die jungen Leute gewahrten, als sie in den Kreis traten, war eines von denjenigen, welche man nie vergißt, hätte man sie auch nur ein einziges Mal und nur einen Augenblick gesehen.
Karl IX. hatte, wie gesagt, alle die in der Hütte der Piqueurs eingeschlossenen und hinter einander von den Wachen herausgezogenen Hugenotten defiliren lassen.
Er und Alençon folgten jeder Bewegung mit gierigem Auge, in der Erwartung, den König von Navarra ebenfalls heraustreten zu sehen.
Sie wurden in ihrer Erwartung getäuscht.
Damit begnügte man sich aber nicht, man mußte wissen, was aus Heinrich und Margarethe geworden war.
Als man am Ende der Allee die beiden jungen Gatten erscheinen sah, erbleichte Alençon, während Karl sein Herz sich erweitern fühlte, denn er wünschte instinktartig, daß Alles, was ihn sein Bruder zu thun genöthigt hatte, auf diesen zurückfallen möchte.
»Er wird also entkommen,« murmelte Franz.
In diesem Augenblick wurde der König von so heftigen Schmerzen, in den Eingeweiden befallen, daß er den Zügel losließ, mit beiden Händen an seine Seiten faßte und Schreie ausstieß, wie ein Rasender.
Heinrich näherte sich ihm voll Eifer, aber während der Zeit, die er dazu brauchte, nur die zweihundert Schritte, die ihn vom König trennten, zu durcheilen, hatte sich Karl bereits wieder erholt.
»Woher kommt Ihr, mein Herr?« fragte Karl mit einer Härte der Stimme, welche Margarethe beben machte.
»Von der Jagd, mein Bruder,« erwiederte sie.
»Die Jagd war am Ufer des Flusses und nicht im Walde.«
»Mein Falke hat sich auf einen Fasanen geworfen, Sire,« sprach Heinrich, »und zwar in dem Augenblick, wo wir zurückgeblieben waren, um den Reiher zu sehen.«
»Wo ist der Fasan?«
»Hier, nicht wahr, ein schöner Hahn?«
Und hierbei überreichte Heinrich dem König mit der unschuldigsten Miene den Vogel mit dem Gefieder von Purpur, Azur und Gold.
»Ah! ah!« sprach Karl, »aber warum seyd Ihr mir nicht nachgeritten, nachdem dieser Fasan genommen war?«
»Weil er seinen Flug nach dem Parke gerichtet hatte, Sire, so daß wir, als wir am Ufer des Flusses hinabritten, Euch eine halbe Meile vor uns bereits wieder gegen den Wald hinausreiten sahen; dann fingen wir an, auf Eurer Spur fortzugaloppiren, denn da wir zu der Jagd Eurer Majestät gehören, so wollten wir sie auch nicht verlieren.«
»Und alle diese Edelleute,« versetzte Karl, »waren sie auch eingeladen?«
»Was für Edelleute?« erwiederte Heinrich, und schaute fragend rings umher.
»Euere Hugenotten, bei Gott!« rief Karl, »wenn sie Jemand eingeladen hat, so bin ich es jedenfalls nicht gewesen.«
»Nein, Sire,« antwortete Karl, »aber vielleicht war es Herr von Alençon,«
»Herr von Alençon, wie so?«
»Ich?« rief der Herzog.
»Oh! ja, mein Bruder,« erwiederte Heinrich, »habt Ihr gestern nicht, verkündigt, Ihr wäret König von Navarra? Nun, die Hugenotten, die Euch zum König verlangt haben, kommen, um Euch zu danken, daß Ihr die Krone angenommen, und dem König, daß er sie gegeben hat. Nicht wahr, meine Herren?«
»Ja! ja!« riefen zwanzig Stimmen: »es lebe der Herzog von Alençon! es lebe König Karl!«
»Ich bin nicht der König der Hugenotten,« sagte Franz, vor Zorn erbleichend, und verstohlen einen Blick auf Karl werfend, fügte er bei, »und ich hoffe es nie zu werden.«
»Gleichviel!« versetzte Karl, »Ihr sollt erfahren, Heinrich, daß ich diese Geschichte sehr sonderbar finde.«
»Sire,« sprach der König von Navarra mit Festigkeit, »Gott vergebe mir, man sollte glauben, ich stünde ein Verhör aus.«
»Und wenn ich Euch sagte, ich verhöre Euch, was würdet Ihr antworten?«
»Daß ich so gut König bin, wie Ihr, Sire,« entgegnete Heinrich mit stolzem Tone, »denn nicht die Krone, sondern die Geburt macht das Königthum, und daß ich meinem Bruder und Freunde, nie aber meinem Richter antworten werde.«
»Ich möchte doch wissen,« murmelte Karl, »woran ich mich in meinem Leben zu halten habe.«
»Man führe Herrn von Mouy herbei,« sprach Alençon, »Herr von Mouy muß festgenommen seyn.«
»Ist Herr von Mouy unter den Gefangenen?« fragte der König.
Heinrich hatte einen unruhigen Moment, und wechselte einen Blick mit Margarethe; aber dieser Moment war von kurzer Dauer.
Keine Stimme antwortete.
»Herr von Mouy ist nicht unter den Gefangenen,« sprach endlich Herr von Nancey, »einige von unsern Leuten glauben ihn gesehen zu haben, aber keiner ist seiner Sache gewiß.«
Alençon murmelte einen Fluch durch die Zähne.
»Ei!« sagte Margarete, auf La Mole und Coconnas deutend, die dieses Gespräch mit angehört hatten, und auf deren Einverständniß sie rechnen zu können glaubte, »Sire, hier sind zwei Edelleute von Herrn von Alençon, befragt sie, sie werden antworten.«
Der Herzog fühlte den Streich.
»Ich habe sie verhaften lassen, gerade um zu beweisen, daß sie nicht mein sind,« sprach der Herzog.
Der König betrachtete die zwei Edelleute und bebte, als er La Mole erkannte.
»Oh! oh! abermals dieser Provençal,« rief er.
Coconnas verbeugte sich auf das Zierlichste.
»Was machtet Ihr, als man Euch verhaftete?« fragte der König.
»Sire, wir plauderten über Kriegs- und Liebesabenteuer.«
»Zu Pferde! bis unter die Zähne bewaffnet! bereit zur Flucht?«
»Nein, Sire,« sprach Coconnas. »Euere Majestät ist schlecht unterrichtet, wir lagen unter dem Schatten einer Buche,sub tegmine fagi.«
»Ah! Ihr laget unter dem Schatten einer Buche.«
»Und wir wären sogar zu fliehen im Stande gewesen, wenn wir auf irgend eine Weise den Zorn Eurer Majestät auf uns geladen zu haben geglaubt hätten. Sprecht, meine Herren, auf Euer Soldatenwort,« sagte Coconnas, sich gegen die Chevauxlegers umwendend, »glaubt Ihr, wir hätten entkommen können, wenn es unser Wille gewesen wäre.«
»Es ist allerdings wahr, daß diese Herren keine Bewegung gemacht haben, um die Flucht zu ergreifen,« sagte der Lieutenant.
»Weil ihre Pferde ferne waren,« rief der Herzog von Alençon,
»Ich bitte Monseigneur unterthänigst um Verzeihung,« entgegnete Coconnas, »ich hatte das meinige zwischen den Beinen und mein Freund, der Herr Graf de La Mole hielt das seinige am Zaum.«
»Ist das wahr, meine Herren?« fragte der König.
»Es ist wahr, Sire,« antwortete der Lieutenant, »Herr von Coconnas ist sogar von dem seinigen abgestiegen, als er uns erblickte.«
Coconnas machte eine lächelnde Grimasse, welche wohl bedeuten sollte: »Ihr seht, Sire.«
»Aber die Handpferde, die Maulthiere, die Kisten, mit denen sie beladen sind?« fragte Franz.
»Sind wir Stallknechte?« entgegnete Coconnas, »laßt den Burschen kommen, der sie bewachte.«
»Er findet sich nicht,« sprach der Herzog wüthend.
»Dann wird er wohl Angst bekommen und sich geflüchtet haben,« versetzte Coconnas, »von einem Bauernburschen kann man nicht die Ruhe eines Edelmannes verlangen.«
»Immer dasselbe System,« sprach Alençon und bleckte die Zähne. »Zum Glücke, Sire, habe ich Euch mitgetheilt, daß diese Herren seit einigen Tagen nicht mehr in meinem Dienste sind.«
»Ich,« rief Coconnas, »ich sollte das Unglück haben, nicht mehr Eurer Hoheit zu gehören?«
»Ei, Mord und Tod! mein Herr, Ihr wißt besser, als irgend Jemand, daß Ihr Eure Entlassung in einem ziemlich unverschämten Briefe genommen habt, den ich, Gott sey Dank, aufbewahrte und glücklicher Weise bei mir habe.«
»Oh!« erwiederte Coconnas, »ich hoffte, Eure Hoheit hätte mir meinen Brief verziehen, der in der ersten Aufwallung schlechter Laune geschrieben wurde. Ich erfuhr nämlich, daß Eure Hoheit in einem Gange des Louvre meinen Freund La Mole hatte erdrosseln wollen.«
»Was sagt Ihr da?« unterbrach ihn der König.
»Ich glaubte, Eure Hoheit wäre allein gewesen,« fuhr Coconnas treuherzig sort, »Seitdem ich aber erfahren habe, daß drei andere Personen …«
»Stille!« sprach Karl, »wir sind hinreichend unterrichtet.«
Dann sich an den König von Navarra wendend.
»Euer Wort, daß Ihr nicht entfliehen werdet?«
»Ich gebe es Eurer Majestät.«
»Kehrt mit Herrn von Nancey nach Paris zurück und nehmt den Arrest in Eurem Zimmer. Ihr, meine Herren,« rief er, sich an die zwei Edelleute wendend, »gebt Eure Degen ab.«
La Mole schaute Margarethe an. Sie lächelte. Sogleich übergab La Mole seinen Degen dem Kapitän, der ihm zunächst stand.
Coconnas that dasselbe.
»Und Herr von Mouy, hat man ihn wieder gefunden?« fragte der König.
»Nein, Sire,« antwortete Herr von Nancey, »entweder war er nicht im Walde oder er hat sich geflüchtet.«
»Desto schlimmer!« sprach der König. »Kehren wir zurück. Mich friert, und ich bin wie geblendet.«
»Sire, das ist der Zorn,« sagte Franz.
»Vielleicht, es flimmert mir vor den Augen. Wo sind denn die Gefangenen? Ich sehe sie nicht mehr. Ist es denn schon Nacht? Oh, Barmherzigkeit! ich brenne!… Zu Hilfe! zu Hilfe!«
Und der unglückliche König ließ die Zügel seines Pferdes los, streckte die Arme aus und fiel, unterstützt von den über diesen zweiten Anfall erschrockenen Höflingen, rückwärts.
Franz wischte sich den Schweiß von der Stirne, denn er allein kannte die Ursache des Uebels, das seinen Bruder marterte.
Bereits unter der Bewachung von Herrn von Nancey betrachtete der König von Navarra diese ganze Scene mit wachsendem Erstaunen.
»Ei, ei,« murmelte er mit jener wunderbaren anschauenden Erkenntniß, die aus ihm in gewissen Augenblicken gleichsam einen Erleuchteten machte, »sollte ich zufälliger Weise zu meinem Glück verhaftet worden seyn?«
Er schaute Margot an, deren vom Erstaunen erweiterte Augen sich von ihm auf den König, und vom König auf ihn wandten.
Diesmal war der König ohne Bewußtsein. Man ließ eine Tragbahre bringen, auf welche man ihn legte. Man bedeckte ihn mit einem Mantel, den einer von den Reitern von seinen Schultern losmachte, und der Zug schlug ruhig wieder den Weg nach Paris ein, von wo man am Morgen flinke Reiter und einen lustigen König hatte ausziehen sehen, und wohin man nun einen sterbenden König, umgeben von gefangenen Rebellen zurückkehren sah.
Margarethe hatte bei Allem dem weder die Freiheit ihres Körpers, noch die ihres Geistes verloren. Sie machte ihrem Gemahl ein letztes Zeichen des Einverständnisses und ritt dann so nahe an La Mole vorüber, daß dieser die zwei griechischen Worte auffassen konnte, welche sie fallen ließ:
Μη δείδε
Das heißt:
»Fürchte nichts.«
»Was hat sie gesagt?« fragte Coconnas.
»Sie hat mir gesagt, ich solle nichts fürchten.«
»Desto schlimmer,« murmelte der Piemontese, »desto schlimmer, das bedeutet, daß es nicht gut für uns hier steht. So oft mir dieses Wort als Ermuthigung zugerufen wurde, habe ich von irgend woher eine Kugel oder einen Degenstich in den Leib oder einen Blumentopf auf den Kopf bekommen. Fürchte nichts! wurde es in hebräischer, griechischer, lateinischer oder französischer Sprache ausgesprochen, bedeutete stets für mich:Nimm dich in Acht!«
»Vorwärts, meine Herren!« rief der Lieutenant der Chevauxlegers.
»Ohne unbescheiden seyn zu wollen,« sagte Coconnas,«erlaube ich mir die Frage: wohin führt man uns?«
»Nach Vincennes, glaube ich,« erwiederte der Lieutenant.
»Ich würde lieber anderswohin gehen,« versetzte Coconnas. »aber man hat in dieser Hinsicht nicht immer freie Wahl.«
Unterwegs erholte sich der König von seiner Ohnmacht und kam wieder ein wenig zu Kräften. In Nanterre wollte er sogar zu Pferde steigen, aber man verhinderte ihn daran.
»Benachrichtigt den Meister Ambroise Paré,« sprach Karl bei seiner Ankunft im Louvre.
Er stieg von seiner Sänfte herab, ging, sich auf den Arm von Tavannes stützend, die Treppe hinauf und erreichte seine Gemächer, in welche ihm auf seinen Befehl Niemand folgen durfte.
Jedermann fiel sein tiefer Ernst auf. Während des ganzen Marsches war er in Gedanken versunken, sprach mit Niemand ein Wort und beschäftigte sich weder mehr mit der Verschwörung, noch mit den Verschwörern. Offenbar nahm ihn nichts Anderes mehr in Anspruch, als seine Krankheit, eine so plötzlich erscheinende, so seltsame, so schmerzliche Krankheit, wobei einige Symptome ganz dieselben waren, wie man sie bei seinem Bruder Franz II. kurze Zeit vor seinem Tode wahrgenommen hatte.
Es wunderte sich auch Niemand, daß der Eintritt bei dem König für Jeden mit Ausnahme von Meister Paré verboten war. Misanthropie bildete bekanntlich den Grundcharakter des Fürsten.
Karl trat in sein Schlafgemach, setzte sich auf ein Ruhebett, stützte den Kopf auf Kissen und wollte, bedenkend, Meister Ambroise Paré könnte vielleicht nicht zu Hause seyn, die Zeit des Wartens benutzen.
Demzufolge klatschte er mit den Händen. Ein Mann von der Wache erschien.
»Meldet dem König von Navarra, ich wolle ihn sprechen,« sagte Karl.
Der Mann verbeugte sich und gehorchte.
Karl warf seinen Kopf zurück. Eine furchtbare Schwere des Gehirns ließ ihm kaum die Fähigkeit, seine Gedanken mit einander zu verbinden. Eine blutige Wolke schwamm vor seinen Augen, sein Mund war trocken und er hatte bereits, ohne seinen Durst zu stillen, eine ganze Flasche Wasser geleert.
Mitten unter dieser schlafartigen Betäubung öffnete sich die Thüre und Heinrich erschien: Herr von Nancey kam hinter ihm, blieb aber im Vorzimmer stehen.
Der König von Navarra wartete, bis die Thüre wieder geschlossen war, und schritt dann vor.
»Sire,« sagte er, »Ihr habt mich rufen lassen; hier bin ich.«
Der König bebte bei dieser Stimme und streckte maschinenmäßig die Hand aus.
»Sire,« versetzte Heinrich und ließ die Hände an seinen Seiten herabhängen, »Eure Majestät vergißt, daß ich nicht mehr ihr Bruder, sondern ihr Gefangener bin.«
»Ah, das ist wahr!« sprach Karl, »ich danke, daß Ihr mich daran erinnert habt. Mehr noch: es fällt mir ein, Ihr habt mir versprochen, offenherzig zu antworten, wenn wir allein wären.«
»Ich bin bereit, dieses Versprechen zu halten. Fragt Sire.«
Der König goß kaltes Wasser in seine Hand und hielt es an seine Stirne.
»Was ist an der Anschuldigung des Herzogs von Alençon wahr? Antwortet, Heinrich.«
»Nur die Hälfte; Herr von Alençon sollte fliehen, und ich sollte ihn begleiten.«
»Und warum solltet Ihr fliehen?« fragte Karl. »Seyd Ihr unzufrieden mit mir, Heinrich?«
»Nein, Sire, im Gegentheil, ich habe mich nur über Eure Majestät glücklich zu preisen, und Gott, der, in den Herzen liest, sieht in dem meinigen die tiefe Zuneigung, die ich für meinen Bruder und König hege.«
»Es scheint mir,« sagte Karl, »es ist nicht in der Natur gegründet, daß man die Leute flieht, die man liebt, und die uns lieben.«
«Ich floh auch nicht diejenigen, welche mich lieben; ich floh die Menschen, die mich hassen. Erlaubt mir Euere Majestät, offenherzig zu sprechen?«
»Sprecht.«
«Diejenigen, welche mich hier hassen, Sire, sind Herr von Alençon und die Königin Mutter.«
»Bei Alençon sage ich nicht nein,« versetzte Karl, »aber die Königin Mutter überhäuft Euch mit Aufmerksamkeiten aller Art.«
»Gerade deshalb mißtraue ich ihr, Sire, und es ist mir wohl bekommen, daß ich ihr mißtraue.«
»Ihr?«
»Ihr, oder ihrer Umgebung. Ihr wißt, Sire, das Unglück der Könige ist nicht immer, daß sie zu schlecht, sondern daß sie zu gut bedient werden,«
»Erklärt Euch, Ihr habt Euch verbindlich gemacht, mir Alles zu sagen.«
»Und Eure Majestät sieht, daß ich meine Verbindlichkeit erfülle.«
»Fahrt fort.«
»Euere Majestät liebt mich, wie sie mir gesagt hat?«
»Das heißt, ich liebte Euch vor Eurem Verrath, Henriot.«
»Gesetzt, Ihr liebtet mich immer noch, Sire.«
»Gut!«
»Wenn Ihr mich liebt, so müßt Ihr wünschen, daß ich lebe.«
»Ich wäre in Verzweiflung gewesen, wenn Euch ein Unglück getroffen hätte.«
»Wohl, Sire, zweimal wäre Euere Majestät beinahe in diese Verzweiflung versetzt worden.«
«Wie dies?«
»Ja, denn zweimal hat mir die Vorsehung allein das Leben gerettet. Allerdings hatte das zweite Mal die Vorsehung die Züge Euerer Majestät angenommen.«
»Und welche Maske trug sie das erste Mal?«
»Die eines Mannes, der sehr erstaunt wäre, wenn er sich mit ihr vermengt sehen würde, die Maske von René. Ja, Ihr, Sire, Ihr habt mich vom Schwerte errettet.«
Karl runzelte die Stirne, denn er erinnerte sich der Nacht, in welcher er Heinrich in die Rue des Barres geführt hatte.
»Und René?« sagte er.
»René hat mich vom Gift gerettet.«
»Teufel, Du Hast Glück, Henriot,« sprach der König und suchte zu lächeln, während ein heftiger Schmerz ein Zusammenziehen seiner Nerven verursachte. »Das ist sonst nicht sein Gewerbe.«
»Zwei Wunder haben mich also gerettet, Sire; ein Wunder der Reue von Seiten des Florentiners, ein Wunder der Güte von Eurer Seite. Ich gestehe nun Eurer Majestät, ich befürchtete, der Himmel könnte des Wunderthuns müde werden, und wollte in Betracht des Axioms: Hilf dir und Gott wird dir helfen, fliehen.«
»Warum hast Du mir das nicht früher gesagt, Heinrich?«
»Sagte ich diese Worte gestern, so war ich ein Denunciant.«
»Und indem Du sie heute sagst?«
»Heute ist es etwas Anderes; ich bin angeklagt und vertheidige mich.«
»Und Du bist des ersten Versuches sicher, Henriot?«
»So sicher als des zweiten.«
»Und man versuchte, Dich zu vergiften?«
»Man hat es versucht.«
»Womit?«
»Mit Opiat.«
»Wie vergiftet man mit Opiat?«
»Verdammt! Sire, fragt René. Man vergiftet wohl mit Handschuhen.«
Karl runzelte die Stirne, allmählich aber entfaltete sich sein Antlitz wieder.
»Ja, ja,« sagte er, als spräche er mit sich selbst, »es liegt in der Natur geschaffener Wesen, den Tod zu fliehen. Warum sollte der Verstand nicht thun, was der Instinkt thut?«
»Nun, Sire,« fragte Heinrich, »ist Euere Majestät mit meiner Offenherzigkeit zufrieden? Glaubt sie, ich habe ihr Alles gesagt?«
»Ja, Henriot, ja, Du bist ein braver Junge, Du meinst also, diejenigen, welche Dich hassen, seyen noch nicht müde, … neue Versuche seien gemacht worden?«
»Sire, jeden Abend wundere ich mich, daß ich noch lebe.«
»Siehst Du, Henriot, weil man weiß, daß ich Dich liebe, wollen sie Dich umbringen. Aber sey unbesorgt, sie sollen für ihren bösen Willen bestraft werden. Mittlerweile bist Du frei.«
»Steht es mir auch frei, Paris zu verlassen?« fragte der König.
»Nein; Du weißt wohl, daß ich Deiner unmöglich entbehren kann. Tausend Teufel! ich muß doch Jemand haben, der mich liebt.«
»Sire, wenn Euere Majestät mich bei sich behält, so wolle sie mir eine Gnade bewilligen.«
»Welche?«
»Mich nicht in der Eigenschaft eines Freundes, sondern in der eines Gefangenen zu behalten.«
»Wie, eines Gefangenen?«
»Ja. Sieht Eure Majestät nicht, daß ihre Freundschaft mich in das Verderben stürzt?«
»Du ziehst also meinen Haß vor?«
»Einen scheinbaren Haß, Sire. Dieser Haß wird mich retten, so lange man mich in Ungnade glaubt. Man wird weniger Eile haben, mich todt sehen zu wollen.«
»Henriot,« sagte Karl, »ich weiß nicht, was Du wünschest, ich weiß nicht, was Dein Zweck ist; aber wenn Deine Wünsche nicht in Erfüllung gehen, wenn Du den Zweck, den Du im Auge hast, verfehlst, so muß ich mich sehr darüber wundern.«
»Ich kann also auf die Strenge des Königs zählen?«
»Ja.«
»Dann bin ich zufrieden. Was befiehlt nun Euere Majestät?’
»Kehre in Deine Wohnung zurück, Henriot. Ich bin leidend, will meine Hunde sehen und mich zu Bette legen.«
»Sire,« sprach Heinrich, »Eure Majestät sollte einen Arzt kommen lassen, Ihre heutige Unpäßlichkeit ist vielleicht ernster, als sie denkt.«
»Ich habe Meister Ambroise Paré in Kenntnis setzen lassen.«
»Dann entferne ich mich ruhiger,«
»Bei meiner Seele,« sprach der König, »ich glaube. Du bist von der ganzen Familie der Einzige, der mich wahrhaft liebt.«
»Ist das wirklich Eure Meinung, Sire?«
»So wahr ich ein Edelmann bin.«
»Nun, so empfiehlt mich Herrn von Nancey als einen Menschen, dem Euer Zorn keinen Monat mehr zu leben gibt: dies ist das Mittel, daß ich Euch lange liebe.«
»Herr von Nancey!« rief der König.
Der Kapitän der Garden trat ein.
»Ich gebe den Schuldigsten des Königreichs in Eure Hände,« sprach der König. »Ihr haftet mir mit Eurem Kopfe für ihn.«
Und mit bestürzter Miene ging Heinrich hinter Herrn von Nancey aus dem Zimmer.
V.
Actäon
Als Karl allein war, wunderte er sich, daß er weder das eine noch das andere von seinen zwei Getreuen hatte erscheinen sehen: seine zwei Getreuen waren seine Amme Madeleine und sein Windhund Actäon.
»Die Amme wird wohl zu den Hugenotten ihrer Bekanntschaft gegangen seyn, um Psalmen mit ihnen zu singen,« sagte er zu sich selbst, »und Actäon schmollt noch mit mir wegen des Peitschenhiebes, den ich ihm diesen Morgen gegeben habe.«
Karl nahm wirklich eine Kerze und ging zu der guten Frau. Die gute Frau war nicht zu Hause. Eine Thüre der Wohnung von Madeleine ging, wie man sich erinnert, in das Waffencabinet. Er näherte sich dieser Thüre.
Mittlerweile erfaßte ihn wieder eine von den Krisen, wie sie bereits plötzlich auf ihn hereingebrochen waren. Der König litt, als ob man ihm die Eingeweide mit einem feurigen Eisen durchwühlen würde; ein unauslöschlicher Durst peinigte ihn; er sah eine Tasse Milch auf einem Tische, leerte sie mit einem Zuge und fühlte sich etwas beruhigt.
Dann nahm er die Kerze, die er auf einen Schrank gestellt hatte, und trat in das Cabinet.
Zu seinem großen Erstaunen kam ihm Actäon nicht entgegen. Hatte man ihn eingeschlossen? In diesem Falle würde er riechen, daß sein Herr von der Jagd zurückgekommen wäre, und schreien.
Karl pfiff, rief; es erschien nichts.
Er machte vier Schritte vorwärts, und als das Licht bis in die Ecke des Cabinets drang, gewahrte er in dieser eine träge, auf dem Boden ausgestreckte Masse.
»Holla! Actäon, holla!« rief Karl.
Er pfiff abermals.
Der Hund regte sich nicht.
Karl lief auf ihn zu und berührte ihn: das arme Thier war steif und kalt. Aus seiner vom Schmerze zusammengezogenen Schnauze waren einige Tropfen Galle vermischt mit einem blutigen, schaumigen Geifer gefallen. Es hatte in dem Cabinet ein Barett seines Herrn gefunden und seinen Kopf auf diesen Gegenstand legend, der ihm einen Freund darstellte, sterben wollen.
Bei diesem Schauspiel, das ihn seine eigenen Schmerzen vergessen ließ und ihm seine ganze Energie wieder verlieh, kochte der Zorn in den Adern von Karl; er wollte schreien, aber eingezwängt in ihre Größe besitzen die Könige nicht die Freiheit dieser ersten Bewegung, welche jeder Mensch zu Gunsten seiner Leidenschaft oder seiner Vertheidigung benützt. Karl bedachte, es könnte hier ein Verrath obwalten, und schwieg.
Er kniete bei seinem Hund nieder und untersuchte die Leiche mit dem Blicke eines Erfahrenen. Das Auge war glasig, die Zunge war roth und von Eiterblattern durchlöchert; es war eine seltsame Krankheit, welche Karl beben machte.
Der König zog seine Handschuhe wieder an, welche er ausgezogen und in seinen Gürtel gesteckt hatte, hob die bleifarbige Lippe auf, um die Zähne zu untersuchen, und bemerkte in den Zwischenräumen einige weißliche Bruchstücke, die sich angehängt hatten.
Er machte diese Bruchstücke los und sah, daß es Papier war.
In der Nähe dieses Papiers war die Geschwulst heftiger, das Zahnfleisch ganz aufgelaufen und die Haut wie von Vitriol zerfressen.
Karl schaute aufmerksam um sich her. Auf dem Teppich lagen einige Stückchen Papier, dem ähnlich, welches er bereits in dem Rachen des Hundes wahrgenommen hatte; eines von diesen Stückchen, das etwas größer war, als die andern, bot Spuren von einem Holzschnitte.
Die Haare sträubten sich auf Karl's Haupte; er erkannte ein Bruchstück von dem Bilde, einen Herrn aus der Falkenjagd darstellend, das Actäon aus seinem Jagdbuche gerissen hatte.
»Ah!« sagte er erbleichend, »das Buch war vergiftet.«
Dann seine Erinnerungen wiederbelebend, rief der König plötzlich:
»Tausend Teufel! ich habe jedes Blatt mit meinem Finger berührt und bei jedem Blatte habe ich den Finger an den Mund gethan, um ihn zu befeuchten. Diese Ohnmachten, diese Schmerzen, dieses Erbrechen!… Ich bin todt!…«
Karl blieb einen Augenblick unbeweglich unter dem Gewichte dieses furchtbaren Gedankens. Dann erhob er sich mit einem dumpfen Geschrei, stürzte nach der Thüre seines Cabinets und rief:
»Meister René! Meister René! man laufe nach dem Pont Saint-Michel und bringe mir den Florentiner; in zehn Minuten muß er hier seyn. Einer von Euch nehme ein Pferd und ein Handpferd, um früher zurück zu seyn. Kommt Meister Ambroise Paré, so laßt ihn warten.«
Ein Mann von der Leibwache lief weg, um dem Befehle Folge zu leisten.
»Ah!« murmelte Karl, »ich werde erfahren, wer dieses Buch Henriot gegeben hat, und sollte ich die ganze Welt foltern lassen.«
Schweiß auf der Stirne, die Hände krampfhaft zusammengezogen, die Brust keuchend, starrte Karl seinen Hund an.
Nach zehn Minuten klopfte der Florentiner schüchtern und nicht ohne Bangigkeit an die Thüre des Königs. Es giebt Gewissen, für welche der Himmel nie rein ist,
»Herein!« sprach Karl.
Der Parfumeur erschien. Karl ging mit gebieterischer Miene auf ihn zu.
»Euere Majestät hat mich rufen lassen,« sagte René zitternd.
»Ja. Ihr seyd ein geschickter Chemiker, nicht wahr?«
»Sire…«
»Und Ihr wißt Alles, was die geschicktesten Aerzte wissen?«
»Eure Majestät übertreibt.«
»Nein, meine Mutter hat es mir gesagt. Ueberdies habe ich Vertrauen zu Euch und will lieber Euch um Rath fragen, als jeden Anderen. Seht,« sagte er, die Leiche des Hundes entblößend, »seht, was dieses Thier zwischen den Zähnen hat, und sagt mir, woran es gestorben ist.«
Während René sich, eben so sehr um seine Unruhe zu verbergen, als um dem König zu gehorchen, mit der Kerze in der Hand bis auf den Boden bückte, erwartete Karl aufrecht stehend, die Augen auf diesen Menschen geheftet, mit leicht begreiflicher Ungeduld auf das Wort, welches sein Todesurtheil oder das Unterpfand seiner Rettung seyn sollte.
René zog eine Art von Scalpel aus seiner Tasche, öffnete es, machte mit der Spitze von dem Rachen des Windhundes die an dem Zahnfleische hängenden Papierstückchen los und betrachtete lange und aufmerksam das Blut und die Galle, welche jede Wunde von sich gab.
»Sire,« sprach er zitternd, »das sind traurige Symptome.«
Karl fühlte, wie ein eisiger Schauer alle seine Adern durchlief und bis in sein Herz drang.
»Ja,« sagte er, »nicht wahr, dieser Hund ist vergiftet worden?«
»Ich befürchte es, Sire.«
»Mit welcher Art von Gift?«
»Mit einem mineralischen Gifte, wie ich vermuthe.«
»Könntet Ihr Gewißheit darüber erlangen, daß er vergiftet worden ist?«
»Allerdings, wenn ich ihn öffnen und den Magen untersuchen würde?«
»Oeffnet ihn, ich will keinen Zweifel haben.«
»Man müßte Jemand rufen, der mir helfen würde.«
»Ich werde Euch helfen,« sagte Karl.
»Ihr, Sire!«
»Ja, ich. Und welche Symptome werden wir finden, wenn er vergiftet ist?«
»Rothe Platten und Herborisationen im Magen.«
»Vorwärts, zum Werke,« sprach Karl.
René öffnete mit einem Scalpelschnitte die Brust des Windhundes und schob sie kräftig auseinander, während Karl, ein Knie auf der Erde mit zitternder Hand leuchtete.
«Seht, Sire,« sprach René, »hier sind die deutlichen Spuren. Diese rothen Platten sind die von mir vorher bezeichneten: diese mit Blut gefüllten Adern, welche die Wurzeln einer Pflanze zu seyn scheinen, sind das, was ich unter dem Namen Herborisationen bezeichnet habe. Ich finde hier Alles, was ich suchte.«
»Der Hund ist also vergiftet?«
»Ja. Sire.«
»Mit einem mineralischen Gifte?»
»Aller Wahrscheinlichkeit nach.«
»Und was würde ein Mensch empfinden, der aus Unachtsamkeit von demselben Gifte verschluckt hätte?«
»Heftigen Kopfschmerz, Brennen im Innern, als ob er glühende Kohlen im Leibe hätte, Schmerzen in den Eingeweiden, Erbrechen.«
»Auch Durst?«
«Einen unauslöschlichen Durst,«
»Das ist es, das ist es,« murmelte der König.
»Sire, vergebens suche ich den Zweck aller dieser Fragen.«
»Wozu ihn suchen? Ihr braucht den Zweck nicht zu wissen; beantwortet meine Fragen, weiter habt Ihr nichts zu thun.«
»Eure Majestät mag mich befragen.«
»Welches Gegengift wäre einem Menschen zu geben, der dieselbe Substanz verschlungen hätte, wie mein Hund?«
René dachte einen Augenblick nach.
»Es gibt mehrere mineralische Gifte,« sagte er, »ehe ich antworte, wünschte ich wohl zu wissen, um welches es sich handelt. Hat Eure Majestät irgend einen Gedanken über die Art und Weise, wie ihr Hund vergiftet worden ist?«
»Ja,« sprach Karl, »er hat ein Blatt aus einem Buche gefressen.«
»Ein Blatt aus einem Buche?«
»Und Eure Majestät besitzt dieses Buch?«
»Hier ist es,« sprach Karl, nahm das Jagdmanusscript von dem Fache, in welches er es gelegt hatte, und zeigte es René.
René machte eine Bewegung des Erstaunens, die dem König nicht entging.
»Er hat ein Blatt aus diesem Buche gefressen?« stammelte René.
»Dieses.«
Karl zeigte das zerrissene Blatt.
»Erlaubt Ihr, daß ich noch ein anderes zerreiße?«
»Thut es.«
René zerriß ein Blatt und brachte es in die Nähe der Kerze. Das Papier fing Feuer, und es verbreitete sich ein starker Knoblauchgeruch in dem Cabinet.
»Er ist mit einer Mischung von Arsenik vergiftet worden,« sagte René.
»Seyd Ihr dessen gewiß?«
«Wie wenn ich es selbst bereitet hätte.«
«Und das Gegengift?«
René schüttelte den Kopf.
»Wie?« sprach Karl mit dumpfer Stimme, »Ihr kennt kein Gegengift?« …
»Das Beste ist Eiweiß in Milch geschlagen, aber…«
»Was aber?«
»Es müßte sogleich genommen werden, sonst…«
»Sonst?«
»Sire, es ist ein furchtbares Gift,« versetzte René.
»Es tödtet jedoch nicht sogleich?« sprach Karl. »Nein, aber es tödtet sicher, wie viel Zeit man auch zum Sterben braucht, und zuweilen ist dies eine Berechnung.«
Karl stützte sich auf den Marmortisch.
»Sagt nun,« sprach er, die Hand auf die Schulter von René legend, »Ihr kennt dieses Buch?«
»Ich, Sire?«
»Ja, Ihr.«
»Sire, ich schwöre Euch …«
»René,« sprach Karl, »hört mich wohl: Ihr habt die Königin von Navarra mit Handschuhen vergiftet; Ihr habt den Prinzen von Porcian mit dem Rauche einer Lampe vergiftet; Ihr habt den Prinzen von Condé mit einem Riechapfel zu vergiften gesucht. René, ich lasse Euch das Fleisch, Fetzen für Fetzen, mit einer glühenden Zange vom Leibe reißen, wenn Ihr mir nicht sagt, wem dieses Buch gehört.«
Der Florentiner sah, daß mit dem Zorne von Karl IX. nicht zu scherzen war, und beschloß mit Dreistigkeit zu bezahlen.
»Und wenn ich die Wahrheit sage, Sire, wer bürgt mir dafür, daß ich nicht noch grausamer gestraft werde, als wenn ich schweige?«
»Ich.«
»Gebt Ihr mir Euer königliches Wort?«
»Bei meinem adeligen Worte, Euer Leben soll geschont werden,« sprach der König.
»Dieses Buch gehört mir.«
»Euch!« rief Karl zurückweichend und den Giftmischer mit irrem Auge anschauend.
»Ja, mir.«
»Und wie ist es aus Euern Händen gekommen?«