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Kitabı oku: «La San Felice Band 2», sayfa 7

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»Aber, Sire,« entgegnete Ruffo, »diesmal muß ich Ihrer Majestät der Königin und dem Generalcapitän Recht geben. Ein außerordentlicher Cabinetsrath scheint mir dringend nothwendig zu sein und je eher er stattfindet, desto besser wird es sein.«

»Nun gut. Dann werden Sie aber auch mit dabei sein, mein lieber Cardinal.«

»Ich, Sire? Ich habe nicht das Recht, dem Cabinetsrath beizuwohnen.«

»Aber ich habe das Recht, Sie dazu einzuladen.«

Ruffo verneigte sich.

»Ich nehme Ihr Anerbieten an, Sire,« sagte er. »Andere werden ihr Genie mitbringen, ich werde meine Treue und Anhänglichkeit bringen.«

»Gut, gut. Sagt der Königin, ich würde morgen zu der Stunde, welche sie bezeichnet, das heißt um neun Uhr, im Cabinetsrath sein. Sie verstehen, Eminenz?«

»Ja, Sire.«

Der Thürsteher der Königin entfernte sich.

Ruffo wollte ihm folgen, als man den Hufschlag eines Pferdes hörte, welches unter dem Gewölbe des Palastes hindurchgaloppierte.

Der König ergriff die Hand des Cardinals.

»Das ist jedenfalls Ferrari,« sagte er. »Sie, Eminenz, werden einer der Ersten sein, die von dem, was mein lieber Neffe antworten wird, Kenntniß erhalten.«

»Ich danke, Sire.«

»Gute Nacht, Eminenz. Man möge sich morgen im Cabinetsrath nur tapfer halten. Ich sage der Königin und dem Herrn Generalcapitän im Voraus, daß ich nicht bei guter Laune sein werde.«

»Ach, Sire,« sagte der Cardinal lachend, »guter Rath kommt über Nacht.«

Der König trat in sein Schlafzimmer und läutete, daß die Glocke hätte bersten mögen. Der Kammerdiener kam ganz erschrocken herbeigeeilt, denn er glaubte, der König sei plötzlich unwohl geworden.

»Man kleide mich aus und bringe mich zu Bett!« rief der König mit Donnerstimme. »Ein andermal werdet Ihr übrigens nicht vergessen meine Jalousien zu schließen, damit man nicht sieht, daß mein Zimmer um drei Uhr Morgens noch erleuchtet ist.«

Erzählen wir nun, was in dem dunklen Zimmer der Königin vorgegangen war, während wir erzählt, was in dem erleuchteten Zimmer des Königs geschah.

Achtes Capitel.
Das dunkle Zimmer

Kaum hatte die Königin ihre Appartements betreten, als der Generalcapitän Acton sich anmelden ließ, weil er ihr zwei wichtige Neuigkeiten mitzutheilen habe. Ohne Zweifel war aber nicht er es, den die Königin erwartete, oder er war nicht der Einzige, den sie erwartete, denn sie antwortete ziemlich kurz:

»Gut, er möge in den Salon treten; sobald ich frei bin, werde ich zu ihm kommen.«

Acton war an dergleichen kurze Abfertigungen gewöhnt. Schon seit langer Zeit bestand zwischen ihm und der Königin keine Liebe mehr. Er war der Geliebte dem Namen nach, wie er Premierminister war, was auch nicht hinderte, daß es außer ihm noch andere Minister gab.

Nur das Band der Politik fesselte dieses ehemalige Liebespaar noch aneinander. Acton bedurfte, um am Ruder zu bleiben, des Einflusses, den die Königin auf den König besaß, und die Königin bedurfte für die Pläne ihrer Rache oder ihrer Sympathien, welche sie mit gleicher Leidenschaftlichkeit verfolgte, Actons Genie für die Intrigue und seine grenzenlose Gefälligkeit, welcher bereit war, um ihretwillen Alles zu ertragen.

Die Königin entledigte sich rasch ihrer ganzen Galatoilette, ihrer Blumen, ihrer Diamanten, ihrer Juwelen. Sie wischte die rothe Schminke ab, womit die Frauen und besonders die Hofdamen zu jener Zeit ihre Wangen bemalten, und warf einen langen weißen Pudermantel über, ergriff einen kleinen Leuchter, betrat einen einsamen Gang und gelangte, nachdem sie beinahe eine ganze Etage durch- schritten, in ein isoliertes, einfach möbliertes Zimmer, aus welchem eine geheime Treppe, zu welcher die Königin einen Schlüssel und ihr Sbirre Pasquale de Simone einen zweiten hatte, auf die Straße führte.

Die Fenster dieses Zimmers blieben während des Tages vollständig geschlossen, so daß nicht der mindest Lichtstrahl hineindrang.

Eine bronzene Lampe nahm die Mitte des Tisches auf welchem sie festgeschraubt war, und ein über Flamme gestülpter Schirm war so construiert, daß er dieses Licht blos auf den Umkreis des Tisches concentrirte und das ganze übrige Zimmer im Dunkel gehüllt ließ.

Hier erwartete man die Denunciationen. Wenn die Denunzianten, trotz des Schattens, welcher in den Tiefen des Zimmers herrschte, erkannt zu werden fürchteten, so konnten sie mit verlarvtem Gesicht eintreten, oder in dem Vorzimmer eine jener langen Büßerkutten anlegen, welche den Leichnam auf den Kirchhof oder den Delinquenten aufs Schaffot begleiten – furchtbare Gewänder, welche die Menschen einem Gespenst ähnlich machen und, indem sie nur Platz für die Augen lassen, die zu diesem Zwecke angebrachten Löcher den leeren Augenhöhlen eines Todtenschädels gleichen lassen.

Die drei Inquisitoren, welche an diesem Tische saßen, haben eine so traurige Berühmtheit erlangt, daß ihre Namen unsterblich geworden sind. Sie hießen Castel Cicala, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Guidobaldi, Vicepräsident der seit vier Jahren in Permanenz erklärten Staatsjunta, und Vanni, Fiscalproeurator. Die Königin hatte zur Belohnung seiner guten Dienste letzteren kürzlich zum Marquis gemacht.

In dieser Nacht aber war der Tisch leer, die Lampe erloschen, das Zimmer einsam. Das einzig lebende oder scheinbar lebende Wesen, welches es bewohnte, war eine Wanduhr, deren eintöniger Pendelschlag allein das düstere Schweigen störte, welches von der Decke sich herabzusenken und auf dem Fußboden zu lasten schien.

Es war als hätte die Finsterniß, welche ewig in diesem Zimmer herrschte, die Luft desselben verdickt und jenem Dunste gleichgemacht, welcher über den Sümpfen schwebt. Man fühlte, wenn man eintrat, daß man nicht blos in eine andere Temperatur, sondern auch in eine andere Atmosphäre kam und daß diese, welche nicht mehr aus den Elementen bestand, welche die äußere Luft bilden, immer schwieriger zu athmen ward.

Das Volk, welches die Fenster dieses Zimmers fortwährend geschlossen sah, hatte ihm den Namen des dunklen Zimmers gegeben, und in Folge der unbestimmten Gerüchte, welche darüber, wie über alles Geheimnißvolle, in Umlauf gekommen, mit dem furchtbaren Divinationsinstinct, der es charakterisiert, beinahe gesehen, was darin vorging.

Da jedoch nicht das Volk es war, welches durch diese unheimliche Finsterniß bedroht ward, da die Machtsprüche, welche aus diesem düsteren Zimmer ergingen, über sein Haupt hinweg weit Höhergestellte trafen, so war es wohl der gemeine Mann, der am meisten von diesem Zimmer sprach, aber er war es auch zugleich, der, wenn es um und um kam, am wenigsten davon fürchtete.

In dem Augenblicke, wo die Königin bleich und von dem Scheine der Kerze, die sie in der Hand hielt, beleuchtet, wie Lady Macbeth in dieses Zimmer mit der dumpfen Atmosphäre eintrat, ließ jenes Ausheben sich hören, welches dem Schlage vorangeht, und gleich darauf schlug die Wanduhr halb drei.

Das Zimmer war, wie schon bemerkt, leer und die Königin schien, als ob sie erwartet hätte irgend Jemand zu finden, sich über diese Einsamkeit zu wundern.

Einen Augenblick zögerte sie, vorwärts zu gehen, bald aber überwand sie den Schrecken, der sie bei dem unerwarteten Geräusche der Uhr ergriffen, warf einen Blick in die beiden Ecken des Zimmers, welche der Seite, auf welcher sie eingetreten, entgegengesetzt waren, und nahm langsam und nachdenklich an dem Tische Platz.

Dieser Tisch war ganz im Gegensatze zu dem in dem Zimmer des Königs mit Actenstücken bedeckt, wie das Bureau eines Gerichtshofes und mit Schreibmaterialien für drei Personen versehen.

Die Königin blätterte zerstreut in den Papieren umher. Ihre Augen durchliefen dieselben, ohne sie zu lesen, ihr gespanntes Ohr versuchte das mindeste Geräusch zu erhaschen, ihr Geist irrte weit außerhalb ihres Körpers umher.

Nach Verlauf von einigen Minuten konnte sie ihre Ungeduld nicht mehr bemeistern. Sie erhob sich, ging an die Thür, welche auf die geheime Treppe führte, lehnte das Ohr daran und horchte.

Nach einigen Augenblicken hörte sie das Knarren eines Schlüssels, welcher im Schlosse umgedreht ward, und murmelte jenes Wort, welches die Ungeduld verrieth, mit welcher sie wartete:

»Endlich!«

Dann öffnete sie die auf eine dunkle Treppe führende Thür und fragte:

»Bist Du es, Pasquale?«

»Ja, Majestät,« antwortete eine Männerstimme vom Fuße der Treppe herauf.

»Du kommst sehr spät,« sagte die Königin, indem sie sich mit finsterer Miene und gerunzelter Stirn wieder auf ihren Platz setzte.

»Meiner Treu, es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ich gar nicht gekommen, antwortete der, welchem der Vorwurf gemacht worden, daß er sich nicht genug beeilt habe.

Die Stimme näherte sich immer mehr.

»Und warum wärest Du beinahe gar nicht gekommen?«

»Weil ich ein sehr schweres Stück Arbeit zu verrichten hatte, sagte der Mann, welcher nun endlich an der Thür des Zimmers erschien.

»Aber es ist doch wenigstens verrichtet?« fragte die Königin.

»Ja, Madame, Dank sei Gott und dem heiligen Pasquale, meinem Schutzpatrone. Es ist verrichtet, und gut verrichtet, aber es ist theuer zu stehen gekommen.«

Indem der Sbirre diese Worte sagte, legte er auf einen Sessel einen Mantel, welcher Gegenstände enthielt, die bei Berührung mit dem Möbel einen Metallklang hören ließen.

Die Königin sah ihm mit einem Ausdrucke zu, in welchem sich Neugier und Widerwillen mischten.

»Wieso, theuer zu stehen gekommen?«, fragte sie.

»Einer von meinen Leuten ist getödtet und drei sind verwundet worden, weiter nichts.«

»Es ist gut; man wird der Witwe eine Pension aussetzen und den Verwundeten angemessene Gratifikationen bewilligen.«

Der Sbirre verneigte sich zum Zeichen des Dankes.

»Dann waren es also Mehrere?« fragte die Königin.

»Nein, Madame, er war allein, aber dieser Mensch ist ein wahrer Löwe und ich mußte auf zehn Schritte Entfernung mit meinem Messer nach ihm werfen, sonst wäre es um mich eben so geschehen gewesen wie um die Andern.«

»Aber endlich?«

»Endlich ward ich mit ihm fertig.«

»Und Du hast ihm dann die Papiere mit Gewalt abgenommen?«

»O nein, er hat sie vielmehr gutwillig hergegeben; er war todt.«

»Ah,« sagte die Königin mit einem leichten Schauder. »Dann sahst Du Dich also genöthigt, ihn zu tödten?«

»Ja wohl, eher zweimal als einmal. Und dennoch that es mir wehe. Ich schwöre Ihnen, Majestät, wenn es nicht für Ihren Dienst gewesen wäre, so hätte ich es nicht gethan.«

»Wie, es hat Dir Ueberwindung gekostet, einen Franzosen umzubringen? Ich hätte nicht geglaubt, daß Du gegen die Soldaten der Republik so weichherzig wärest.«

»Es war kein Franzose, Madame,« sagte der Sbirre, den Kopf schüttelnd.

»Was erzählst Du mir da für eine Geschichte?«

»Niemals hat ein Franzose den neapolitanischen Dialect so gesprochen, wie dieser arme Teufel ihn sprach.«

»Was!« rief die Königin. »Ich will doch nicht hoffen, daß Du einen Fehlgriff begangen hat? Ich hatte Dir ganz bestimmt einen Franzosen bezeichnet, welcher zu Pferde von Capua nach Pozzuolo gekommen war.«

»Ganz recht, Majestät, und der sich dann in einer Barke von Pozzuolo nach dem Palast der Königin Johanna hinüberrudern ließ.«

»Einen Adjutanten des Generals Championnet.«

»Ganz recht, dieser ist es, mit dem wir zu thun gehabt haben. Uebrigens hat er Sorge getragen, uns auch selbst zu sagen, daß er es sei.«

»Du hast ihn also angeredet?«

»Ja wohl, Madame. Als ich ihn so flott neapolitanisch plappern hörte, fürchtete ich einen Mißgriff zu begehen und fragte ihn, ob er wirklich der wäre, den ich beauffragt war zu tödten.«

»Wie dumm!«

»Nicht gar so dumm, denn er antwortete mir ja.«

»Er hat Dir ja geantwortet?«

»Sie begreifen, Majestät, daß er mir recht wohl etwas Anderes hätte antworten können. Er hätte sagen können, er sei von Baffo Porto oder von Porta Capuana, und er hätte mich in große Verlegenheit gebracht, denn ich wäre außer Stand gewesen, ihm das Gegentheil zu beweisen. Es fiel ihm aber gar nicht ein, Ausflüchte zu machen. Ich bin der, welchen Ihr suchet, sagte er und piff! paff! lagen zwei meiner Leute von zwei Pistolenschüssen niedergestreckt und flitsch! flatsch! stürzten zwei andere von Säbelhieben getroffen ebenfalls zu Boden. Er erachtete es wahrscheinlich seiner unwürdig, eine Lüge zu machen, denn er war ein wackerer Mann, dafür stehe ich.«

Die Königin runzelte die Stirn bei dieser Lobrede, welche der Mörder seinem Schlachtopfer hielt.

»Und er ist todt?«

»Ja, Majestät, er ist todt.«

»Und was habt Ihr mit der Leiche gemacht?«

»Es näherte sich gerade eine Patrouille und da ich wenn ich mich compromittiert, auch zugleich Euer Majestät compromittiert hätte, so überließ ich dieser Patrouille die Mühe, die Todten aufzuheben und die Verwundeten verbinden zu lassen.«

»Dann wird man ihn als einen französischen Officier erkennen.«

»Woran denn? Hier ist ein Mantel, hier sind seine Pistolen, hier ist ein Säbel, was ich Alles von dem Schlachtfelde mit fortgenommen habe. Ah, er wußte sich dieses Säbels und dieser Pistolen sehr gut zu bedienen, das kann ich versichern. Was seine Papiere betraf, so hatte er weiter nichts bei sich als dieses Portefeuille und diesen Wisch der daran kleben geblieben ist.«

Und der Sbirre legte ein mit Blut besudeltes Portefeuille auf den Tisch. Ein Zettel, der einem Briefe glich, klebte daran und ward durch das getrocknete Blut festgehalten.

Der Sbirre riß den Zettel mit gleichgültiger Miene von dem Portefeuille ab und warf dann beides wieder auf dem Tisch.

Die Königin streckte die Hand aus, ohne Zweifel aber zögerte sie, dieses blutige Portefeuille zu berühren, denn sie hielt inne und fragte:

»Und seine Uniform, was hast Du mit dieser gemacht?«

»Das war wieder etwas, was ich mir nicht erklären kann. Er hatte gar keine Uniform an, sondern trug unter seinem Mantel einfach weiter nichts als ein kurzes Röckchen von grünem Sammet mit schwarzen Schnüren. Da ein fürchterliches Ungewitter tobte, so hat er wahrscheinlich seine Uniform bei einem Freunde gelassen, der ihm dafür diesen Rock geliehen.«

»Das ist sonderbar, sagte die Königin. »Man hatte mir doch das Signalement genau angegeben. Uebrigens werden die in diesem Portefeuille enthaltenen Papiere alle unsere Zweifel beseitigen.«

Und mit ihren beschuhten Fingern, deren Spitzen roth gefärbt waren, öffnete sie das Portefeuille und nahm aus demselben einen Brief, welcher die Aufschrift trug:

»An den Bürger Garat, Gesandten der französischen Republik in Neapel.«

Die Königin erbrach das Siegel mit dem Wappen der Republik, öffnete den Brief und stieß bei den ersten Zeilen, die sie las, einen Freudenruf aus.

Diese Freude stieg, so wie die Königin weiterlas, immer höher, und als sie fertig war, sagte sie:

»Pasquale, Du bist ein kostbarer Mann und ich werde dein Glück machen.«

»Das haben Sie mir schon sehr lange versprochen, Majestät, antwortete der Sbirre.

»Diesmal werde ich Wort halten; sei unbesorgt. Hier ist mittlerweile eine Abschlagszahlung.«

Sie ergriff ein Stück Papier und schrieb einige Zeilen darauf.

»Nimm diese Anweisung auf tausend Ducaten. Fünf hundert davon sind für Dich und fünfhundert für deine Leute.«

»Ich danke, Majestät, sagte der Shirre, indem er auf das Papier blies, um die Tinte zu trocknen, ehe er es in die Tasche steckte. »Ich habe Ihnen aber noch nicht Alles gesagt was ich zu sagen habe, Majestät.«

»Und ich habe Dich noch nicht um Alles gefragt, was ich Dich zu fragen habe. Vorher aber laß mich noch einmal diesen Brief lesen.«

Die Königin las den Brief zum zweiten Mal und schien dieses zweite Mal nicht weniger befriedigt zu sein als das erste Mal.

Nachdem sie fertig war, fragte sie:

»Nun, mein treuer Pasquale, was hattest Du mir zu jagen?«

»Ich hatte Ihnen zu sagen, Majestät, daß von dem Augenblick an, wo dieser junge Mann von halb zwölf Uhr an bis ein Uhr Morgens in den Ruinen des Palastes der Königin Johanna gewesen, daß er von dem Augenblick an, wo er seine militärische Uniform gegen einen bürgerlichen Rock vertauscht, nicht allein geblieben ist. Ohne Zweifel hatte er von seinem General auch Briefe an noch andere Personen als den französischen Gesandten.«

»Das dachte ich eben in dem Augenblick, wo Du mir es sagtest, mein lieber Pasquale. Und hast Du in Bezug auf diese Personen irgend welche Vermuthung?« setzte sie hinzu.

»Nein, noch nicht; ich hoffe aber, daß wir bald etwas Neues erfahren werden.«

»Ich höre Dich, Pasquale,« sagte die Königin, indem sie den Sbirren mit dem Licht ihrer Augen so zu sagen überflutete.

»Von den acht Mann, die ich für die Expedition dieser Nacht commandiert, schickte ich zwei wieder fort, weil ich glaubte, daß sechs genug wären, um mit diesem Adjutanten fertig zu werden. Es wäre mir beinahe theuer zu stehen gekommen, daß ich mit falschem Gewicht gewogen, aber das thut weiter nichts. Jene zwei Mann habe ich nämlich oberhalb des Palastes der Königin Johanna in den Hinterhalt gelegt und ihnen befohlen, den Leuten, welche vor oder mit dem Manne, mit welchem ich es selbst zu thun, herauskommen würden, nachzuschleichen und zu ermitteln, wer sie sind oder wenigstens, wo sie wohnen.«

»Nun und?«

»Nun, ich habe ihnen befohlen, dann mit mir am Fuße der Statue des Riesen wieder zusammenzutreffen, und wenn Sie erlauben, Majestät, so will ich jetzt gehen und sehen, ob sie auf ihrem Posten sind.«

»Geh und wenn sie da sind, so bringe sie mit hierher. Ich will sie selbst befragen.«

Pasquale de Simone verschwand in dem Corridor und man hörte das Geräusch seiner Tritte, so wie er die Stufen der Treppe hinabging, allmälig verhallen.

Als die Königin allein war, warf sie einen Blick auf den Tisch und erblickte hier jenes zweite Papier, welches der Sbirre einen Wisch genannt und, nachdem er es von dem Portefeuille, an welchem es klebte, abgerissen, mit diesem zugleich auf den Tisch geworfen.

Ueber ihrem Eifer, den Brief des Generals Championnet zu lesen, und in ihrer Freude, nachdem sie denselben gelesen, hatte sie das Papier ganz vergessen.

Es war ein Brief auf feinem Papier geschrieben. Die Handschrift war die einer Dame und zierlich, fein, aristokratisch. Gleich bei den ersten Worten erkannte die Königin einen Liebesbrief.

Er begann mit den beiden Worten:

»Caro Nicolino.«

Zum Unglück für die Neugier der Königin hatte das Blut beinahe die ganze beschriebene Seite überschwemmt. Man konnte nur das Datum, welches der 20. September war, erkennen und in den letzten Zeilen das Bedauern lesen, welches die Person, die den Brief geschrieben, empfand, daß sie sich nicht an dem gewohnten Ort einfinden könne, weil sie die Königin begleiten müsse, die dem Admiral Nelson entgegenführe.

Die Unterschrift bestand nur in einem einzigen Buchstaben, einem Anfangsbuchstaben, einem E.

Diesmal wußte die Königin nicht, was sie denken sollte.

Ein Brief von Frauenhand, ein Liebesbrief, ein Brief vom 20. September datiert, ein Brief endlich von einer Person, welche sich entschuldigte, daß sie an dem gewohnten Orte nicht erscheinen könne, weil sie die Königin begleiten müsse, ein solcher Brief konnte nicht an den Adjutanten Championnets geschrieben worden sein, welcher am 20. September, das heißt drei Tage vorher, noch fünfzig Meilen von Neapel entfernt war.

Es gab nur eine Wahrscheinlichkeit und der Scharfsinn der Königin kam sehr bald darauf.

Dieser Brief hatte sich ohne Zweifel in der Tasche des Rockes befunden, welchen der Abgesandte des General Championnet von einem seiner Mitverschworenen in dem Palast der Königin Johanna geliehen erhalten. Der Adjutant hatte sein Portefeuille, nachdem er es aus seiner Uniform genommen, in dieselbe Tasche gesteckt. Das aus der Wunde fließende Blut hatte den Brief an das Portefeuille geleimt, obschon dieser Brief und dieses Portefeuille durchaus nichts miteinander gemein hatten.

Die Königin erhob sich, ging an den Sessel, auf welchen Pasquale den Mantel gelegt, untersuchte diesen Mantel und fand, indem sie ihn auseinanderschlug, den Säbel und die Pistolen, welche darin lagen. Der Mantel war augenscheinlich ein einfacher Dienstmantel, wie ihn die französischen Cavallerieofficiere zu tragen pflegten.

Der Säbel war, ebenso wie der Mantel, dienstmäßig. Er hatte jedenfalls dem Unbekannten angehört, aber nicht so war es mit den Pistolen.

Diese waren sehr elegant, stammten aus der königlichen Gewehrfabrik in Neapel, waren rothgeschäftet und zeigten auf einem Plättchen den eingravierten Buchstaben N.

Es begann in dieser geheimnißvollen Angelegenheit allmälig zu tagen. Ohne Zweifel gehörten diese Pistolen demselben Nicolino, an welchen der Brief adressiert war.

Die Königin legte die Pistolen mit dem Briefe bei Seite, und wartete auf weitere Ergebnisse. Es war dies wenigstens der Anfang einer Spur, welche zur Ermittelung der Wahrheit führen konnte.

In diesem Augenblicke kam Simone zurück und brachte seine beiden Leute mit.

Die Aufschlüsse, welche diese gaben, waren von geringem Werthe.

Fünf oder sechs Minuten nach dem Weggange des Adjutanten hatten sie geglaubt, ein mit drei Mann besetztes Boot sich entfernen zusehen, als ob es nach der Stadt ginge, denn das Meer war mittlerweile ruhig geworden.

Zwei von diesen Personen ruderten. Lange hatte dieses Boot nicht beobachtet werden können, denn es entzog sich den Blicken der Sbirren, die ihm nicht auf dem Wasser folgen konnten, natürlich sehr bald.

Beinahe in demselben Augenblicke aber erschienen zur Entschädigung der Spione drei andere Personen an der Thür, welche auf die Straße des Pausilippo herausführte.

Nachdem sie sich eine Weile umgeschaut, ob die Straße frei wäre, wagten sie sich heraus, indem sie zugleich die Thür hinter sich verschlossen.

Anstatt jedoch die Straße in der Richtung von Mergellina, wie der junge Adjutant gethan, hinunter zu gehen, gingen sie dieselbe in der Richtung der Villa des Lucullus hinauf.

Die beiden Sbirren folgten den drei Unbekannten.

Nachdem man etwa hundert Schritte zurückgelegt, erstieg einer der Unbekannten die Böschung rechts und schlug einen kleinen Fußsteig ein, auf welchem er hinter den Aloe- und Cactusgebüschen verschwand.

Er mußte sehr jung sein. Es ließ sich dies aus der Leichtigkeit abnehmen, womit er die Böschung erkletterte, ebenso wie aus dem frischen Klange der Stimme, womit er seinen beiden Freunden zurief:

»Auf Wiedersehen!«

Die Andern erstiegen den Abhang ebenfalls, aber langsamer, und zwar mittelt eines Pfades, welcher längs der Felsenwand hinführte und in der Richtung nach Neapel sie nach Vomero bringen mußte.

Die Sbirren schlugen denselben Weg ein, als aber die beiden Unbekannten sahen, daß man ihnen folgte, blieben sie stehen, zogen jeder ein paar Pistolen aus Gürtel und riefen den Sbirren zu:

»Keinen Schritt weiter, oder wir schießen Euch nieder!«

Da diese Drohung in einem Tone erfolgte, welcher in Bezug auf die Ausführung derselben keinen Zweifel übrig ließ so blieben die beiden Sbirren, welche keine Instruction hatten, die Sache aufs Aeußerste zu treiben und übrigens auch nur mit ihren Messern bewaffnet waren, unbeweglich stehen und begnügten sich, den beiden Unbekannten mit den Augen zu folgen, bis sie die Gestalten aus dem Gesichte verloren.

Es war demnach von diesen Leuten kein weiterer Aufschluß zu erwarten, und der einzige Faden, mit Hilfe dessen man die in dem Labyrinthe des Palastes der Königin Johanna verlorene Verschwörung wieder aufsuchen konnte, war jener an Nicolino adressierte Liebesbrief und die in der königlichen Gewehrfabrik gekauften und mit einem N bezeichneten Pistolen.

Die Königin gab Pasquale durch einen Wink zu verstehen, daß er sich mit seinen Leuten entfernen könne. Dann warf sie den Säbel und den Mantel, die ihr für den Augenblick von keinem Nutzen sein konnten, in einen Schrank und nahm das Portefeuille, die Pistolen und den Brief mit.

Acton wartete immer noch.

Die Königin legte die Pistolen und das Portefeuille in das Schubfach eines Secretärs und behielt blos den blutbefleckten Brief, mit welchem sie in den Salon trat.

Als Acton sie erscheinen sah, erhob er sich und begrüßte sie, ohne über sein langes Warten die mindeste Ungeduld zu verrathen. Die Königin ging auf ihn zu.

»Sie sind Chemiker, nicht wahr?« fragte sie.

»Wenn ich auch nicht Chemiker in der vollen Bedeutung des Wortes bin, Majestät,« antwortete Acton, »so besitze ich wenigstens einige Kenntnisse von der Chemie.«

»Glauben Sie, daß man das Blut, welches diesen Brief besudelt, entfernen könne, ohne daß zugleich die Schrift verschwindet?«

Acton betrachtete den Brief und seine Stirn verdüsterte sich.

»Majestät, sagte er, »zum Schrecken und zur Strafe Derer, welche es vergießen, hat die Vorsehung gewollt, daß das Blut Spuren zurücklasse, welche ungemein schwer zu entfernen sind. Wenn die Tinte, mit welcher dieser Brief geschrieben, wie eine andere gewöhnliche Tinte blos aus einem einfachen Farbstoff und einem Aetzmittel zusammengesetzt ist, so wird die Operation schwierig sein, denn der Chlorkalk, welcher das Blut entfernt, wird auch die Tinte angreifen. Enthält dagegen, was aber nicht wahrscheinlich ist, die Tinte alpetersaures Silber, oder ist sie aus thierischer Kohle und Copalgummi zusammengesetzt, so wird eine Chlorauflösung das Blut hinwegnehmen, ohne der Tinte zu schaden.«

»Es ist gut. Thun Sie Ihr Möglichstes. Es kommt sehr viel darauf an, daß ich den Inhalt dieses Briefes kennen lerne.«

Acton verneigte sich.

Die Königin hob wieder an:

»Sie haben mir sagen lassen, daß Sie mir zwei wichtige Neuigkeiten mitzutheilen hätten. Worin bestehen dieselben?«

»Der General Mack ist heute Abend während des Festes angelangt und, da ich ihn eingeladen, bei mir abgestiegen, wo ich ihn nach meiner Nachhausekunft vorfand.«

»Er ist willkommen und ich glaube, daß ganz entschieden die Vorsehung für uns ist. Worin besteht die zweite Neuigkeit?«

»Dieselbe ist nicht weniger wichtig als die erste, Majestät. Ich habe einige Worte mit dem General Nelson gewechselt und er ist im Stande, in Bezug auf das Geld Alles zu thun, was Sie wünschen, Majestät.«

»Ich danke. Dies macht die Reihe der guten Nachrichten vollständig.«

Caroline trat an das Fenster, schlug die Vorhänge auseinander, warf einen Blick nach dem Zimmer des Königs und sagte, als sie dasselbe noch erleuchtet sah:

»Zum Glück ist der König noch wach. Ich werde ihm schreiben, daß heute Morgen eine außerordentliche Sitzung des Cabinetrathes stattfinden wird und daß er derselben durchaus beiwohnen müsse.«

»Wenn ich nicht irre, so beabsichtigte er heute eine Jagd zu veranstalten, entgegnete der Minister.

»Gleichviel, sagte die Königin in verächtlichem Tone. »Er kann sie auf einen andern Tag verschieben.«

Dann ergriff sie eine Feder und schrieb den Brief, welchen wir bereits kennen.

Acton blieb immer noch stehen und schien einen letzten Befehl zu erwarten.

»Gute Nacht, mein lieber General,« sagte die Königin mit huldvollem Lächeln. »Es thut mir leid, daß ich Sie so lange aufgehalten, wenn Sie aber erfahren werden, was ich gemacht habe, so werden Sie sehen, daß ich meine Zeit nicht verloren habe.«

Sie reichte Acton die Hand. Dieser küßte sie ehrerbietig, verneigte sich tief und that einige Schritte, um sich zu entfernen.

»Apropos,« sagte die Königin.

Acton drehte sich wieder um.

»Der König wird in dem Cabinetsrath bei sehr schlechter Laune ein.«

»Das fürchte ich auch,« sagte Acton lächelnd.

»Empfehlen Sie Ihren Collegen, kein Wort zu sprechen und nur zu antworten, wenn sie gefragt werden. Die ganze Komödie muß zwischen dem König und mir gespielt werden.«

»Und ich bin überzeugt, sagte Acton, »daß Sie, Majestät, die gute Rolle gewählt haben.«

»Ich glaube es selbst,« sagte die Königin. »Uebrigens werden Sie ja sehen.«

Acton verneigte sich zum zweiten Male und entfernte sich.

»Ha,« murmelte die Königin, indem sie ihren Frauen klingelte, »wenn Emma thut, was sie mir versprochen, so wird. Alles gut gehen.«