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Kitabı oku: «La San Felice Band 7», sayfa 5

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Man würde den französischen Moralisten und ganz besonders Allen, welche das südliche Italien nicht kennen, ein großes Unrecht anthun, wenn man den Mord in Neapel und in den neapolitanischen Provinzen von dem Gesichtspunkt aus betrachten wollte, von welchem aus wir ihn in Frankreich betrachten.

Neapel und selbst Oberitalien haben verschiedene Namen, um den Mord zu bezeichnen, je nachdem er an einem gewöhnlichen Individuum oder an einem Tyrannen ausgeübt wird.

Es gibt in Italien den Menschenmord und den Tyrannenmord.

Der Menschenmord findet zwischen Individuum und Individuum statt. Der Tyrannenmord ist der Mord des Bürgers an dem Tyrannen oder an dem Werkzeuge des Despotismus.

Uebrigens lehrt die Erfahrung, daß nordische Völker – wir nennen hier beispielsweise die Deutschen – diesen schweren moralischen Irrthum theilen. Die Deutschen haben Karl Sand, welcher Kotzebue ermordete, und Staps, welcher Napoleon zu ermorden suchte, beinahe Altäre errichtet.

Der unbekannte Mörder Rossis und Agefilas Milano, welcher den König Ferdinand den Zweiten bei einer Revue durch einen Bajonnetstich zu ermorden versuchte, werden in Rom und in Neapel nicht als gemeine Mörder, sondern als Tyrannenmörder betrachtet.

Dies rechtfertigt die Attentate der Italiener allerdings nicht, wohl aber erklärt es dieselben.

Unter welchem Despotismus Italien auch gebeugt worden sein mag, so ist die Erziehung der Italiener doch immer classisch und folglich republikanisch gewesen.

Nun aber glorificirt die classische Erziehung den politischen Mord, den unsere Gesetze brandmarken, den unser Gewissen verwirft.

Dies ist so wahr, daß die Popularität des Königs Ludwig Philipp durch die zahlreichen Attentate, deren Opfer er im Laufe seiner achtzehnjährigen Regierung beinahe geworden wäre, nicht blos aufrecht erhalten, sondern sogar gesteigert ward.

Man lasse in Frankreich eine Messe für Fieschi, Alibaud oder Lecomte lesen, und kaum werden eine alte Mutter, eine fromme Schwester, ein unschuldiger Sohn des verbrecherischen Vaters derselben beizuwohnen wagen.

An jedem Jahrestage von Milanos Tode wird in Neapel eine Messe für sein Seelenheil gelesen und an jedem dieser Jahrestage vermag die Kirche die Zahl der Betenden nicht zu fassen.

Und in der That, die ruhmreiche Geschichte Italiens liegt zwischen dem Mordversuche des Mucius Sävola gegen den König der Etrusker und der Ermordung Cäsars durch Brutus und Cassius.

Und was thut der Senat, mit dessen Zustimmung Mucius Scävola das Attentat auf Porenna unternommen, als der von dem Feinde Roms begnadigte Mörder mit seinem verbrannten Arme nach Rom zurückgekehrt?

Im Namen der Republik votiert er dem Mörder eine Belohnung und gibt ihm im Namen der Republik, die er gerettet, ein hohes Amt.

Was thut Cicero, der in Rom für den ehrlichen Mann par excellence gilt, als Brutus und Cassius den Cäsar ermorden? Er fügt seinem Buche de officiis ein Capitel bei, um zu beweisen, daß, wenn ein Mitglied der Gesellschaft schädlich ist, jeder Bürger das Recht hat, sich in einen politischen Wundarzt zu verwandeln und dieses Glied von dem socialen Körper abzulösen.

Aus dem, was wir so eben gesagt, geht hervor, daß, wenn wir stolzer Weise glaubten, unser Buch besitze eine Bedeutung, die es nicht hat, wir die Philosophen und selbst die Rechtsgelehrten auffordern würden, diese Betrachtungen zu erwägen, welche es weder den Vertheidigern noch den Angeklagten selbst einfällt, geltend zu machen, wenn ein Italiener und ganz besonders ein Italiener der südlichen Provinzen bei irgend einem politischen Mordattentat ins Spiel kommt.

Nur Frankreich ist in der Civilisation so weit vorgeschritten, daß es Louvel und Sacemaire auf eine und dieselbe Stufe stellt, und wenn es zu Gunsten Charlottens Corday eine Ausnahme macht, so geschieht es in Folge des physischen und moralischen Abscheues, welchen der Batrachier Marat einflößte.

Siebentes Capitel.
In welchem geschieht, was geschehen mußte

Der Waffenstillstand ward, wie wir gesagt haben, am 10. Januar unterzeichnet und die Stadt Capua ward gemäß der getroffenen Uebereinkunft am 11. den Franzosen übergeben.

Am 13. ließ der Fürst Pignatelli die Vertreter der Stadt in seinen Palast kommen.

Dieser Ruf hatte den Zweck, die aufzufordern, die Hälfte der Contribution von dritthalb Millionen Ducati, welche den drittnächsten Tag bezahlt werden sollte, auf die großen Grundeigenthümer und die ersten Handelshäuser von Neapel zu repartiren.

Die Deputierten aber, welche jetzt zum ersten Male höflich empfangen wurden, weigerten sich entschieden, diese impopuläre Mission zu übernehmen, indem sie sagten, diese Sache ginge sie durchaus nichts an, und wer die Verbindlichkeit übernommen, der möge sie auch erfüllen.

Am 14. Januar – die Ereignisse werden mit jedem Tage ernster, so daß wir sie nur bis zum 20. zu notieren brauchen – am 14. gelangten die an den Mündungen des Volturno eingeschifften achttausend Mann des Generals Naselli mit ihren Waffen und ihrer Munition in dem Golf von Neapel an. Man konnte diese achttausend Mann nehmen, damit die Straße von Capua nach Neapel besetzen, sie durch dreißigtausend Mann Lazzaroni unterstützen und auf diese Weise die Stadt uneinnehmbar machen.

Der Fürst Pignatelli, der nicht die mindeste Popularität besaß, hielt sich mit Recht für nicht stark genug, um einen solchen Entschluß zu fassen, den gleichwohl der nahe bevorstehende Bruch des Waffenstillstandes nothwendig machte. Wir sagen »nahebevorstehend«, denn wenn die fünf Millionen, zu welchen man bis jetzt noch keinen Heller aufgetrieben, am nächstfolgenden Tage nicht bereit lagen, so ward der Waffenstillstand von selbst ungültig.

Andererseits wünschten die Patrioten den Bruch dieses Waffenstillstandes, der die Franzosen, ihre Gesinnungsgenossen, abhielt, auf Neapel zu marschieren.

Der Fürst Pignatelli traf in Bezug auf die achttausend Mann, welche in den Hafen einliefen, keine Maßregel.

Als die Lazzaroni dies sahen, bestiegen sie sämtliche Boote, welche von der Magdalenenbrücke bis zur Mergellina am Strande lagen, ruderten bis an die Felucken und bemächtigen sich der Kanonen, der Musketen und der Munition, während die Soldaten sich entwaffnen ließen, ohne den mindesten Widerstand zu leisten.

Wir brauchen nicht erst zu sagen, daß unsere Freunde Michele, Pagliuccello und Frau Pacifico sich ganz natürlich an der Spitze dieser Expedition befanden, durch welche ihre Leute sich mit einem Male auf bewunderungswürdige Weise bewaffnet sahen.

Als dies geschehen war, fingen die achttausend Lazzaroni an zu schreien: »Es lebe der König! Es lebe die Religion!« und »Nieder mit den Franzosen!«

Was die Soldaten betraf, so wurden sie ans Land gesetzt und erhielten Erlaubniß, sich zu begeben, wohin sie wollten.

Anstatt sich aber zu entfernen, rotteten sie sich in einen Haufen zusammen und schrien lauter als die Andern: »Es lebe der König! Es lebe die Religion!« und »Nieder mit den Franzosen!«

Als der Commandant des Castello Nuovo, Namens Massa, hörte, was vorging und als er dieses Geschrei hörte, begriff er, daß er höchst wahrscheinlich sehr bald angegriffen werden würde und sendete einen seiner Officiere, den Capitän Simonei, ab, um fragen zu lassen, welche Instructionen für den Fall eines Angriffs der Generalvicar ihm ertheile.

»Vertheidigen Sie das Castell,« antwortete der Generalvicar, »aber hüten Sie sich wohl, dem Volke etwas zu Leide zu thun.«

Simonei rapportierte dem Commandanten diese Antwort, welche letzterem ebenso wie Simonei selbst an einem eigenthümlichen Mangel von Klarheit zu leiden schien.

Und in der That, man muß zugeben, daß es schwierig war, das Castell gegen das Volk zu vertheidigen, ohne diesem etwas zu Leide zu thun.

Der Commandant schickte daher den Capitän Simonei nochmals ab, um eine bestimmtere Antwort zu verlangen.

»Lassen Sie blind feuern,« ward ihm geantwortet; »dies wird hinreichen, um die Menge zu zerstreuen.«

Simonei entfernte sich achselzuckend, auf dem Palaisplatz kam ihm aber der Herzog von Geno, einer der Unterhändler des Waffenstillstandes von Sparanisi nachgeeilt, um ihm im Namen des Fürsten Pignatelli zu befehlen, gar nicht feuern zu lassen.

In das Castello Nuovo zurückgekehrt, erzählte Simonei seine beiden Unterredungen mit dem Generalvicar.

In demselben Augenblicke aber, wo er seine Erzählung begann, stürzte sich eine unzählige Menge Volk auf das Castell, sprengte das erste Thor und bemächtigte sich der Brücke und schrie:

»Die königliche Fahne! Die königliche Fahne!«

In der That war seit der Abreise des Königs die königliche Fahne von dem Castell verschwunden, ebenso wie in Abwesenheit des Staatsoberhauptes die Fahne von der Kuppel der Tuilerien verschwindet.

Die königliche Fahne ward dem Wunsche des Volkes gemäß wieder entfaltet.

Nun verlangten die Eindringenden und besonders die Soldaten, welche sich soeben hatten entwaffnen lassen, Waffen und Munition.

Der Commandant antwortete, da er die Waffen und die Munition auf Rechnung habe und dafür verantwortlich sei, so könne er ohne Befehl des Generalvicars weder eine einzige Flinte noch eine einzige Patrone aushändigen. Käme man dagegen mit einem schriftlichen Befehl vom Generalvicar, so sei er bereit, Alles auszuliefern, selbst das ganze Castell.

Während aber der Inspector Minichini mit dem Volke parlamentierte, öffnete das sämtliche Regiment, welches die Thore zu bewachen hatte, dieselben dem Volke.

Die Menge strömte sofort in das Schloß hinein und verjagte den Commandanten und die Officiere.

An demselben Tage und zur selben Stunde bemächtigten sich wie auf Verabredung – und wahrscheinlich hatte auch eine solche stattgefunden – die Lazzaroni der drei andern Forts, nämlich des Castells San Elmo, des Castells del Uovo und des Castells del Carmine.

War diese Bewegung des Volkes eine freiwillige oder geschah sie auf Anstiften des Generalvicars, welcher in der Volksdictatur ein doppeltes Mittel sah, die Plane der Patrioten zu durchkreuzen und die feindseligen Absichten der Königin auszuführen?

Dies blieb ein Geheimniß; obschon aber die Ursachen verborgen blieben, so wurden doch die Thatsachen sichtbar.

Am nächsten Tage, den 15. Januar, gegen zwei Uhr Nachmittags, rollten fünf Kaleschen mit französischen Officieren besetzt, unter welchen sich der Commissär Archambal, Unterzeichner des Tractats von Sparanisi befand, durch die Porta Capuana und nach dem Albergo reale, wo die Herren ausstiegen.

Sie kamen, um die erste Hälfte der fünf Millionen in Empfang zu nehmen, welche dem General Championnet als Entschädigung bezahlt werden sollten, und um, da überall, wo Franzosen sind, auch der französische Charakter sich geltend macht, in das Theater San Carlo zu gehen.

Sofort verbreitete sich das Gerücht, daß sie kämen, um Besitz von der Stadt zu nehmen, daß der König verrathen sei und daß man den König rächen müsse.

Wer hatte ein Interesse daran, dieses Gerücht zu verbreiten? Ohne Zweifelder, welcher fünf Millionen zahlen sollte, aber nicht im Stande war, diese eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, und der, da er nicht in Geld bezahlen konnte, auf irgend eine Weise loszukommen suchte, wie verwerflich und strafbar dieselbe auch wäre.

Gegen sieben Uhr Abends begaben sich fünfzehn- bis zwanzigtausend Soldaten oder bewaffnete Lazzaroni mit dem Rufe: »Es lebe der König! Es lebe die Religion! Nieder mit den Franzosen!« nach dem Albergo reale.

An der Spitze dieser ungeheuren Rotte standen dieselben Männer, welche man an der Spitze der Emeute gesehen, durch welche die Brüder della Torre den Tod gefunden, so wie der, bei welcher der unglückliche Ferrari in Stücke gerissen worden, das heißt die Pasquale, die Rinaldi, die Beccajo.

Was Michele betraf, so werden wir später sagen, wo er war.

Zum Glücke befand sich Archambal im Palaste bei Pignatelli, welcher, da er ihn nicht in Geld bezahlen konnte, ihn mit schönen Worten zu bezahlen suchte.

Die andern Officiere waren im Theater.

Die ganze fanatisierte Rotte stürzte weiter nach San Carlo. Die Schildwachen an der Thür desselben wollten Widerstand leisten und wurden sofort niedergestoßen.

Man sah plötzlich eine heulende, drohende Flut Lazzaroni das Parterre überschwemmen.

Der Ruf: »Nieder mit den Franzosen!« hallte in der Straße, in den Corridors, in dem Zuschauerraume.

Was vermochten zwölf oder fünfzehn blos mit ihren Säbeln bewaffnete Officiere gegen Tausende von Mördern? Eine Anzahl Patrioten umringten sie, bildeten mit ihren Körpern eine Schutzmauer und drängten sie in den dem Volke unbekannten und nur zum Gebrauch des Königs bestimmten Corridor, welcher aus dem Theater in den Palast führte.

Hier fanden die Archambal bei dem Fürsten, und ohne von den fünf Millionen auch nur einen Heller erhalten zu haben, aber nachdem sie in Lebensgefahr geschwebt, machten sie sich, von einem starken Piket Cavallerie escortiert, wieder auf den Weg nach Capua.

Beim Anblick dieser in das Theater eindringenden Volksmassen hatten die Schauspieler den Vorhang fallen lassen und die Vorstellung unterbrochen.

Was die Zuschauer betraf, so dachten diese, ohne sich darum zu kümmern, was den Franzosen zustoßen könne, nur daran, sich in Sicherheit zu bringen.

Wer die Flinkheit der neapolitanischen Hände kennt, kann sich einen Begriff von der Plünderung machen, welche während der Invasion stattfand. Mehrere Personen wurden an den Ausgangsthüren erdrückt, andere auf den Treppen über den Haufen gerannt und zertreten.

Die Plünderung setzte sich bis auf die Straße hinaus fort. Diejenigen, welche nicht in das Theater hineingekommt, mußten doch auch ihren Antheil an der Beute haben.

Unter dem Vorwand, sich zu überzeugen, ob nicht Franzosen darin versteckt seien, öffnete man alle vorüberfahrenden Wagen und wer darin saß, ward ausgeplündert.

Die Mitglieder der Municipalität, die Patrioten, die angesehensten Männer von Neapel versuchten vergebens, Ordnung unter dieser Menge herzustellen, welche, die Straßen durchziehend, raubte, stahl und mordete.

Sie begaben sich, als sie dies sahen, zu dem Erzbischof von Neapel, Monsignore Capece Zurlo, einem von Allen hochgeachteten Mann von sanftem Gemüth und exemplarischem Lebenswandel, und baten ihn, Alles und wenn nöthig den Pomp der Religion aufzubieten, um diesen verworfenen Pöbel, der sich wie ein Lavastrom durch die Straßen von Neapel wälzte, zur Ordnung zu bringen.

Der Erzbischof stieg in einen offenen Wagen, gab seinen Dienern Fackeln in die Hände und durchpflügte sozusagen diese Menge nach allen Richtungen, ohne jedoch einem einzigen seiner Worte Gehör verschaffen zu können, denn seine Stimme ward fortwährend übertäubt durch die Rufe: »Es lebe der König! Es lebe die Religion! Es lebe der heilige Januarius! Nieder mit den Jakobinern!«

Und in der That, das Volk war, da es die drei Castelle in seiner Gewalt hatte, Meister der ganzen Stadt und begann die Einweihung seiner Dictatur dadurch, daß es unmittelbar unter den Augen des Erzbischofs den Mord und die Plünderung organisierte.

Seit Masaniello, das heißt seit hundert und zweiundfünfzig Jahren, war das Roß, welches das Volk von Neapel zum Wappen hat, nicht ohne Zaum und Zügel losgelassen worden. Jetzt stürzte es sich mit Wollust in diesen Zustand und brachte die versäumte Zeit wieder ein.

Bis jetzt waren die Ermordungen so zu sagen zufällig gewesen; von diesem Augenblick an aber wurden sie systematisch.

Jeder elegant gekleidete Mann, welcher kurz abgeschnittenes Haar trug, ward mit dem Namen Jakobiner bezeichnet und dieser Name war ein Todesurtheil.

Die Frauen der Lazzaroni, welche an den Tagen der Revolution stets wilder und grausamer sind als ihre Männer, begleiteten dieselben, mit Scheren, Messern und Rasiermessern bewaffnet, und vollführten unter Geheul und Gelächter an den Unglücklichen, die von ihren Männern verurtheilt worden, die gräßlichsten und obscönsten Verstümmlungen.

In diesem verhängnißvollen Augenblicke, wo das Leben aller rechtschaffenen Leute in Neapel nur an einer Laune, einem Worte, einem Faden hing, dachten einige Patrioten an ihre gefangenen Freunde, welche von Vanni in den Kerkern der Vicaria und del Carmine vergessen worden.

Sie verkleideten sich als Lazzaroni und schrien, man müsse die Gefangenen befreien, um die Streitmacht des Volkes durch so viel tapfere Arme zu vermehren.

Der Vorschlag ward mit lautem Beifall aufgenommen. Man eilte nach den Gefängnissen, man befreite die Gefangenen, mit diesen aber auch zugleich fünf- bis sechstausend Sträflinge, Veteranen des Mordes und des Raubes, welche sich in der Stadt verbreiteten und den Tumult und die Verwirrung verdoppelten.

Es ist bemerkenswerth, welche Rolle in Neapel und überhaupt in den südlichen Provinzen Italiens die Sträflinge bei allen Revolutionen spielen.

Da die despotischen Regierungen, welche in Süditalien von den spanischen Vicekönigen bis zum Sturze Franz des Zweiten, das heißt seit 1503 bis 1860 auf einander gefolgt sind, es sich stets vor allen Dingen zum Princip gemacht haben, das moralische Gefühl zu corrumpieren, so folgt daraus, daß der Galeerenclave dort nicht denselben Abscheu einflößt wie bei uns.

Anstatt in ihre Bagnos eingeschlossen und von der Gesellschaft, welche sie ausgestoßen, abgeschnitten zu sein, mischen sie sich dort unter die Bevölkerung, weil sie beiderseitig an einander nichts zu verderben haben.

Ihre Zahl ist ungeheuer, beinahe doppelt so groß als in Frankreich, und in einem gegebenen Augenblicke sind sie für die Könige, welche ihren Beistand nicht verschmähen, denn derselbe ist eine mächtige und furchtbare Hilfe in Neapel, worunter wir hier sämtliche neapolitanische Provinzen verstehen.

Lebenslängliche Galeerenstrafe gibt es nicht. Wir haben eine übrigens sehr leicht anzustellende Berechnung gemacht, bei welcher sich für die lebenslängliche Galeere ein durchschnittlicher Zeitraum von neun Jahren herausstellt. So haben sich seit 1799, das heißt seit fünfundsechzig Jahren, die Thore der Galeeren sechsmal geöffnet und allemal durch das Königthum, welches 1799, 1806, 1809, 1821, 1848 und 1860 die Reihen seiner Kämpfer auf diesem Wege recrutierte.

Wir werden sehen, wie der Cardinal Ruffo mit diesen seltsamen Hilfstruppen zu thun hatte und da er nicht wußte, wie er sich derselben entledigen sollte, sie bei allen Gelegenheiten ins Feuer trieb.

Ich hatte während der dritthalb Jahre, die ich in Neapel verlebt, etwa hundert Galeerensträflinge zu Nachbarn, welche ein in derselben Straße gelegenes, zum Bagno gehörendes Haus bewohnten.

Diese Menschen waren bei keiner Arbeit beschäftigt und verbrachten ihre Zeit in der vollkommensten Unthätigkeit. In den frischen Stunden des Sommers, das heißt von sechs bis zehn Uhr Morgens und von vier bis sechs Uhr Abends, lagen oder saßen sie auf der Mauer und betrachteten den prachtvollen Horizont, der nur das sicilische Meer zur Grenze hat.

»Was sind das für Leute?« fragte ich eines Tages einen Beamten.

»Gentiluomini (Gentlemen),« antwortete der Gefragte.

»Was haben sie denn gethan?«

»Nulla! Hanno amazzato. (Nichts! Sie haben gemordet.)« Und in der That ist in Neapel der Mord weiter nichts als eine Handbewegung und der unwissende Lazzarone, der niemals über die Geheimnisse des Lebens und des Todes nachgedacht, raubt das Leben und gibt den Tod, ohne weder eine philosophische noch moralische Idee von dem zu haben, was er raubt und was er gibt.

Man denke ich hiernach die blutige Rolle, welche in Situationen wie die, in welcher wir so eben Neapel gezeigt, Menschen spielen, deren Urbilder die Mammone sind, welche das Blut ihrer Gefangenen trinken, und die La Gala, welche dieselben kochen lassen und verzehren.

Achtes Capitel.
Der Fürst von Malinterno

Es mußte so schnell als möglich, Abhilfe geschafft werden, oder Neapel war verloren und die Befehle der Königin wurden buchstäblich ausgeführt, das heißt der Bürgerstand und der Adel verschwanden in einem allgemeinen Blutbade und es blieb nichts übrig als das Volk oder vielmehr der Pöbel.

Die Deputierten der Stadt versammelten sich in der alten Basilika San Lorenzo, in welcher die Rechte des Volks und die der königlichen Gewalt so oft discutirt worden.

Die republikanische Partei, welche, wie wir gesehen, zu dem Fürsten von Malinterno schon in Beziehung gestanden und diesen Versprechungen gemäß auf ihn rechnen zu können glaubte, weil sie den von ihm in dem Feldzuge von 1796 bewiesenen Muth kannte und wußte, was er erst vor einigen Tagen für die Vertheidigung von Capua gethan brachte ihn als General in Vorschlag.

Die Lazzaroni, welche ihn gegen die Franzosen kämpfen gesehen, hatten kein Mißtrauen und begrüßten seinen Namen mit Beifall.

Sein Einzug sollte mitten unter dem allgemeinen Enthusiasmus erfolgen.

In dem Augenblick, wo das Volk schrie: »Ja! ja! Malinterno! Es lebe Malinterno! Nieder mit den Franzosen! Nieder mit den Jakobinern!« erschien Malinterno zu Pferde und bis an die Zähne bewaffnet.

Das neapolitanische Volk ist ein Volk von Kindern und leicht durch theatralische Effekte zu kirren. Die Ankunft des Fürsten in der Mitte der Bravos, welche eine Ernennung kund gaben, erschien ihm als eine Fügung der Vorsehung.

Bei seinem Anblick verdoppelte sich das Geschrei. Man umringte ein Pferd, wie man am Abend vorher und noch am Morgen den Wagen des Erzbischofs umrungen, und jeder heulte mit jener Stimme, die man nur in Neapel hört:

»Es lebe Malinterno! Es lebe unser Vertheidiger! Es lebe unser Vater!«

Maliterno stieg vom Pferde, überließ es den Händen der Lazzaroni und trat in die Kirche San Lorenzo.

Von dem Volke schon angenommen, ward er von dem Municipium als Dictator proclamiert und mit unumschränkter Gewalt bekleidet, während man ihm zugleich freistellte, sich einen Lieutenant oder Stellvertreter selbst zu wählen.

Noch in derselben Sitzung und ehe noch Maliterno die Kirche verließ, meldete man eine Deputation, welche beauftragt war, sich zum Generalvicar zu begeben und ihm zu sagen, daß die Stadt und das Volk fernerhin keinem andern Anführer gehorchen wollten, als dem, welchen sie gewählt, und daß dieser so eben erwählte Anführer der Signor San Girolamo, Fürst von Maliterno, sei.

Der Generalvicar sollte daher durch die Deputation aufgefordert werden, die von dem Municipium geschaffenen und von dem Volke angenommenen und proclamierten neuen Gewalten anzuerkennen.

Die Deputation, welche sich freiwillig erboten und angenommen worden, bestand aus Manthonnet, Cirillo, Schipani, Velasco und Pagano.

Sie begab sich nach dem Palast.

Die Revolution hatte seit zwei Tagen Riesenschritte gemacht. Das von ihr getäuschte Volk lieh ihr augenblicklich seine Unterstützung und diesmal kamen die Deputierten nicht mehr als Bittende, sondern als Herren.

Diese Veränderungen werden unsere Leser, welche dieselben unter ihren Augen haben stattfinden sehen, nicht in Erstaunen setzen.

Cirillo ward beauftragt, das Wort zu führen.

Seine Anrede war kurz. Er ließ den Titel Fürst und selbst das Prädicat Excellenz weg.

»Mein Herr,« sagte er zu dem Generalvicar, »wir kommen im Namen der Stadt, um Sie aufzufordern, auf die Vollmacht zu verzichten, welche Sie vom König empfangen, und um Sie zu bitten, uns, oder vielmehr der Municipalität, die zu Ihrer Verfügung liegenden Staatsgelder zu übergeben und durch ein Edict – das letzte, welches Sie erlassen werden – unbedingten Gehorsam gegen die Municipalität und gegen den vom Volke zum General ernannten Fürsten von Maliterno zu gebieten.«

Der Generalvicar gab keine bestimmte Antwort, sondern verlangte vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, indem er sagte, guter Rath komme über Nacht.

Der gute Rath, den die Nacht ihm brachte, war, sich mit dem Rest des königlichen Schatzes bei Tagesanbruch nach einem eben nach Sicilien abgehenden Schiffe zu flüchten.

Kehren wir jetzt zu dem Fürsten von Maliterno zurück. Die Hauptsache war, das Volk zu entwaffnen und dadurch den Metzeleien Einhalt zu thun.

Der neue Dictator verließ, nachdem er den Patrioten sein Wort gegeben und geschworen, in jeder Beziehung Hand in Hand mit ihnen zu gehen, die Kirche, bestieg wieder sein Pferd, zog den Säbel und ernannte, nachdem er den Ruf: »Es lebe Maliterno!« durch den Ruf: »Es lebe das Volk!« beantwortet, Don Lucio Caracciolo, Herzog von Rocca Romana, der wegen seines glänzenden Kampfes bei Calazza fast ebenso populär war als er selbst, zu einem Lieutenant.

Der Name des schönen Edelmanns, welcher seit fünfzehn Jahren dreimal die Meinung gewechselt und sich dafür durch einen dritten Verrath Verzeihung erkaufen sollte, ward mit ungeheuer betäubendem Beifall begrüßt.

Der Fürst von Maliterno hielt hierauf eine Rede, um das Volk aufzufordern, die Waffen in einem benachbarten Kloster niederzulegen, welches bestimmt war, als Hauptquartier zu dienen, und befahl bei Todesstrafe Gehorsam gegen alle Maßregeln, welche er für nothwendig halten würde, um die öffentliche Ruhe wieder herzustellen.

Gleichzeitig ließ er, um seinen Worten mehr Nachdruck zu geben, in allen Straßen und auf allen Plätzen Galgen errichten und die Stadt von aus den muthigsten und rechtschaffenden Bürgern zusammengesetzten Patrouillen durchstreifen, welche beauftragt waren, die auf frischer That ergriffenen Diebe und Mörder festzunehmen und ohne Weiteres aufzuknüpfen.

Zunächst beschloß man dann, anstatt der weißen Fahne, das heißt der königlichen, die Fahne des Volkes, das heißt die dreifarbige, aufzupflanzen.

Die drei Farben des neapolitanischen Volkes waren blau, gelb und roth.

Denen, welche Erklärungen über diese Veränderung verlangten und etwas dagegen einzuwenden versuchten, antwortete Malitermo, er wechsele die neapolitanische Fahne deshalb, um nicht den Franzosen eine zu zeigen, welche vor ihnen geflohen sei.

Das Volk, nicht wenig stolz darauf, seine Fahne zu haben, war damit einverstanden.

Als man am Morgen des 17. Januar in Neapel die Flucht des Generalvicars und das neue Unheil erfuhr, womit diese Flucht Neapel bedrohte, wendete die Wuth des Volkes, da man es für zwecklos hielt, Pignatelli, den man einmal nicht einholen konnte, zu verfolgen, sich ausschließlich gegen Mack.

Eine Bande Lazzaroni machte sich auf, um ihn zu suchen.

Nach ihrer Behauptung war Mack ein Verräther, welcher mit den Jakobinern und den Franzosen complottirt hatte und der folglich gehängt zu werden verdiente.

Diese Bande schlug die Richtung nach Caserta ein, wo man ihn zu finden glaubte.

Er befand sich auch mit dem Major Reischach, dem einzigen Officier, der ihm in diesem großen Unglücke treu geblieben, in der That hier, als man ihn von der Gefahr, in der er schwebte, in Kenntniß setzte.

Diese Gefahr war eine sehr ernste. Der Herzog von Salamtra, welchen die Lazzaroni auf der Straße von Caserta getroffen und den sie für Mack gehalten, hätte beinahe das Leben eingebüßt.

Es blieb dem unglücklichen General Mack nur noch ein Ausweg, nämlich der, ein Asyl unter dem Zelte Championnet's zu suchen.

Man erinnert sich aber, daß er diesen in dem Briefe, den er ihm beim Beginne des Feldzuges durch den Major Reischach zugesendet, gröblich beleidigt, und daß er übrigens, als er Rom verließ, gegen die Franzosen einen so grausamen Tagesbefehl erlassen, daß er auf die Großmuth des französischen Generals nicht zu hoffen wagte.

Der Major Reischach beruhigte ihn jedoch, indem er sich erbot, voran zu reisen und ihm den Weg zu bahnen.

Mack nahm dieses Anerbieten an und zog sich, während der Major seine Mission erfüllte, in ein kleines Haus zu Cirnao zurück, welches er wegen seiner einsamen Lage für völlig sicher hielt.

Championnet campirte vor der kleinen Stadt Aversa und hatte eben, sich immer noch für historische Monumente interessierend, mit einem getreuen Thiébaut in einem alten verlassenen Kloster die Trümmer des Schlosses besucht, wo Johanna ihren Gemahl ermordet, ja sogar die Ruinen des Balcons, wo Andreas mit der von der Königin selbst aus Seide und Golddraht geflochtenen zierlichen Schnur gehängt worden.

Er erklärte dem in dergleichen Dingen weniger bewanderten Thiébaut, wie Johanna für dieses Verbrechen dadurch Absolution erhalten, daß sie Avignon dem Papste Clemens dem Vierzehnten für sechzigtausend Thaler verkauft, als plötzlich ein Reiter an der Thür des Zeltes Halt machte und Thiébaut einen Ruf der Freude und der Ueberraschung ausstieß, als er seinen ehemaligen Cameraden, den Major Reischach, erkannte.

Championnet empfing den jungen Officier mit derselben Artigkeit, wie er ihn in Rom empfangen, und gab ihm sein Bedauern zu erkennen, daß er nicht eine Stunde früher gekommen, um an der soeben gemachten archäologischen Promenade Theil zu nehmen.

Dann bot er ihm, ohne sich nach dem Beweggrund, der ihn hierhergeführt, zu erkundigen, seine Dienste wie einem Freunde an, und als ob dieser Freund nicht die neapolitanische Uniform trüge.

»Vor allen Dingen, mein lieber Major, sagte er, »erlauben Sie, daß ich mit einem Danke beginne. Ich habe bei meiner Rückkunft nach Rom den Palast Corsini, den ich Ihnen anvertraut hatte, in dem bestmöglichen Zustand gefunden. Es fehlte kein Buch, keine Karte, keine Feder. Ich glaube sogar, daß man während der beiden Wochen, die er bewohnt gewesen ist, sich keines der Gegenstände bedient hatte, deren ich mich alle Tage bediene.«

»Wohlan, Herr General, wenn Sie für den kleinen Dienst, den Sie von mir empfangen zu haben behaupten, sich mir zu so großem Danke verpflichtet fühlen, so können Sie mir Ihrerseits einen großen leisten.«

»Und was wäre das für einer?« fragte Championnet lächelnd.

»Zweierlei zu vergessen.«

»Bedenken Sie wohl! Vergessen ist weniger leicht als sich erinnern. Was soll ich vergessen? Laffen Sie hören!«

»Erstens den Brief, den ich Ihnen vom General Mack nach Rom überbrachte.«

»Ich sollte meinen, Sie hätten sehen müssen, daß ich diesen Brief schon fünf Minuten, nachdem ich ihn gelesen, vergessen hatte. Was ist das Zweite, was ich vergessen soll?«

»Die Proclamation in Bezug auf die Spitäler.«

»Diese,« antwortete Championnet, »kann ich nicht vergessen, aber ich verzeihe sie.«

Reischach verneigte sich.

»Mehr kann ich von Ihrer Großmuth nicht verlangen,« sagte er. »Der unglückliche General Mack ist jetzt –«

»Ja, ich weiß es. Man verfolgt ihn. Man spürt ihm nach, man will ihn ermorden. Wie Tiberius sieht er sich genöthigt, jede Nacht in einem andern Zimmer zu schlafen. Warum kommt er aber nicht einfach zu mir? Allerdings kann ich ihm nicht, wie der König von Persien dem Themistokles, fünf Städte eines Königreichs zu einem Unterhalt geben, aber ich habe mein Zelt. Es ist für Zwei groß genug und unter diesem Zelt wird er die Gastfreundschaft des Soldaten empfangen.«

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30 kasım 2019
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