Kitabı oku: «La San Felice Band 8», sayfa 7
Wenn um halb elf Uhr das Wunder nicht geschähe und Drohungen sich hören ließen, so sollten die hundertundzwanzig Grenadiere, die einen rechts, die anderen links, eine halbe Schwenkung machen und anstatt der Menge den Rücken zu kehren, ihr mit der Spitze der Bajonnette entgegen treten. Auf das Commando »Feuer!« sollte eine furchtbare Fusillade beginnen, denn jeder Grenadier hatte fünfzig Patronen zu verschießen.
Ueberdies war während der Nacht auf dem Mercatello eine Batterie aufgepflanzt worden, welche die ganze Toledostraße, eine andere auf der Strada dei Studi, weiche den Largo delle Pigne und die Strada Foria, und endlich zwei mit dem Rücken aneinander gelehnt, die eine in dem Castello d'Uovo, die andere auf der Vittoria, welche einerseits den ganzen Quai von Santa Lucia, die andere den ganzen Strand von Chiaja überstrich.
Das Castello Nuovo und das Castello del Carmine hielten sich, beide mit französischer Besatzung versehen, auf jedes Ereigniß bereit, und Nicolino, der mit einem Fernrohr in der Hand auf dem Walle des Castells San Elmo stand, brauchte einen Artilleristen nur einen Wink zu geben, um das Feuer zu beginnen, welches wie eine furchtbare Pulverschlange Neapel in Brand stecken sollte.
Championnet stand in Capodimonte mit einer Reserve von dreitausend Mann, an deren Spitze er je nach Umständen einen feierlichen und friedlichen Einzug in Neapel halten oder mit gefälltem Bajonnet in die Toledostraße eindringen sollte.
Man sieht, daß selbst abgesehen von jenem Gebet zum heiligen Januarius, welches entscheidend sein sollte und auf welches Championnet rechnete, alle Maßregeln getroffen waren, und daß, wenn man sich auf der einen Seite anschickte, anzugreifen, man auf der andern bereit war, sich zu vertheidigen.
Uebrigens hatten sich niemals drohendere Gerüchte in den Straßen über eine dichter gedrängte Menge hinwegbewegt und niemals hatte qualvollere Angst und Unruhe die Herzen Derer erfüllt, welche von ihren Balcons oder von ihren Fenstern auf diese Menge herabschauten und erwarteten, entweder, daß der Friede vollkommen hergestellt werde, oder daß das Gemetzel, die Brandstiftungen und die Plünderungen von Neuem ihren Anfang nähmen.
Mitten unter dieser Menge und sie zur Empörung anspornend, befanden sich dieselben Werkzeuge der Königin, welche wir schon so oft bei der Arbeit gesehen, die Pasquale von Simone, der Beccajo und jener fürchterliche calabresische Priester Rinaldi, welcher ebenso wie der Schaum sich nur an Tagen des Sturmes auf der Oberfläche des Meeres zeigt, nur an den Tagen der Emeute und des Gemetzels auf der Oberfläche der Gesellschaft erschien.
All dieses Geschrei, all dieser Tumult, alle diese Drohungen verstummten wie auf einen Zauberschlag, sobald man die erste Vibration des Hammers der Uhren hörte, welcher auf die Glocke schlug und die Stunde bezeichnete. Aufmerksam zählte man die einzelnen Hammerschläge, sobald aber dieselben zu Ende waren, erhob sich auch wieder jenes verworrene Getöse, welches mir mit dem Brüllen des Meeres zu vergleichen ist.
So zählte man die Schläge der achten, der neunten, der zehnten Stunde.
Schlag zehn Uhr nahmen unter dem Schweigen, welches abermals eintrat, während man die Stunde schlagen hörte, Salvatos Grenadiere die Blumensträuße von der Mündung ihrer Gewehre und steckten die Bajonnete auf.
Der Anblick dieses Manövers erbitterte die Zuschauer noch mehr.
Bis jetzt hatten die Lazzaroni sich begnügt, den französischen Soldaten die Faust zu zeigen; diesmal zeigten sie ihnen die Messer.
Die widerwärtigen alten Weiber, welche sich die Verwandten des heiligen Januarius nennen, und die, kraft dieser Verwandtschaft, das Recht zu haben glauben, sich gegen den Heiligen frei aussprechen zu dürfen, bedrohten ihn ihrerseits mit den furchtbarsten Verwünschungen, wenn das Wunder geschähe.
Niemals hatten sich so viel magere, runzlige Arme gegen den Heiligen ausgestreckt, niemals hatten so viele durch Wuth und Alter verzerrte Lippen die gemeinten und gröbsten Injurien an den Fuß des Altars geschleudert.
Der Canonicus, welcher das Fläschchen zeigte und der alle halbe Stunden abgelöst ward, war davon ganz betäubt und schien nahe daran, den Verstand zu verlieren.
Plötzlich hörte man draußen das Geschrei sich verdoppeln. Die Ursache davon war ein Peloton von fünfundzwanzig Mann Husaren, welche, den Carabiner auf der Hüfte, in den freigelassenen Raum, das heißt zwischen das von den französischen Soldaten von dem erzbischöflichen Palaste bis an die Kathedrale gebildete Spalier vorrückten.
Dieses von dem Adjutanten Villeneuve commandierte Detachement bog in eine der die Kathedrale umgebenden kleinen Gassen ein, und machte an der äußern Thür der Sacristei Halt.
Es schlug zehn Uhr und zugleich trat einer jener bereits erwähnten Momente des Schweigens ein.
Villeneuve stieg vom Pferde.
»Meine Freunde, sagte er zu den Husaren, »wenn Ihr mich um zehn Uhr fünfundzwanzig Minuten nicht zurückkommen sehet und das Wunder nicht geschehen ist, so dringet in die Sacristei, ohne Euch an die Drohungen oder selbst an Widerstand, den man Euch vielleicht entgegensetzt, zu kehren.«
Ein einfaches: »Ja, Herr Commandant,« war die Antwort.
Villeneuve ging hierauf in die Sacristei, wo sämtliche Canonici, mit Ausnahme dessen, welcher eben das Fläschchen küssen ließ, versammelt waren und sich gegenseitig ermuthigten, das Wunder nicht zu Stande kommen zu lassen.
Als die Villeneuve eintreten sahen, machten sie eine Bewegung des Erstaunens. Da es aber ein junger Officier von guter Familie mit einem sanften, mehr melancholischen, als strengen Gesichte war, und derselbe lächelnd herein trat, so faßten sie wieder Muth und schickten sich sogar an, ihn über eine solche Ungehörigkeit zur Rede zu stellen, als er auf sie zukommend sagte:
»Meine lieben Brüder, ich komme im Auftrage des Generals.«
»Zu welchem Zwecke?« fragte das Oberhaupt des Capitels in ziemlich sicherem Tone.
»Um dem Wunder beizuwohnen,« antwortete der Adjutant.
Die Priester schüttelten die Köpfe.
»Ah,« sagte Villeneuve, »wie es scheint, fürchten Sie, daß das Wunder nicht geschehen werde?«
»Wir dürfen Ihnen,« antwortete das Oberhaupt des Capitels, »nicht verhehlen, daß der heilige Januarius allerdings nicht günstig gestimmt zu sein scheint.«
»Nun,« entgegnete Villeneuve, »ich dagegen komme, um Ihnen etwas zu sagen, was ihn vielleicht in eine bessere Stimmung versetzt.«
»Das bezweifeln wir,« antworteten sämtliche Priester.
Villeneuve näherte sich hierauf immer noch lächelnd einem Tische und zog mit der linken Hand fünf Rollen, jede von hundert Louisdor, aus der Tasche, während er mit der rechten ein Paar Pistolen aus seinem Gürtel zog, dann seine Uhr herausnahm, und indem er dieselbe zwischen die fünfhundert Louis d'or und die Pistolen legte, sagte:
»Hier sind fünfhundert Louisdor, welche dem ehrenwerthen Capitel des h. Januarius gehören, wenn Schlag halb elf Uhr das Wunder bewirkt ist. Jetzt ist es, wie Sie sehen, Zehn Uhr vierzehn Minuten und Sie haben folglich noch sechzehn Minuten vor sich.«
»Und wenn das Wunder nicht geschieht?«, fragte der Vorsteher des Capitels in leicht spöttischem Tone.
»Ah, das ist etwas Anderes,« antwortete der Officier ruhig, aber indem er aufhörte zu lächeln. »Wenn um halb elf Uhr das Wunder nicht bewirkt ist, so lasse ich um zehn Uhr fünfunddreißig Minuten Sie Alle vom Ersten bis zum Letzten erschießen.«
Die Priester machten eine Bewegung, wie zu entfliehen, Villeneuve aber ergriff mit jeder Hand ein Pistol und rief:
»Daß keiner sich von der Stelle rühre! Mit Ausnahme dessen, welcher hinausgehen wird, um das Wunder zu bewirken.«
»Ich werde es bewirken,« sagte der Vorsteher des Capitels.
»Punkt halb elf Uhr!« bemerkte Villeneuve; »keine Minute eher, keine Minute später.«
Der Canonicus machte eine Geberde des Gehorsams und ging hinaus, nachdem er sich bis zur Erde verneigt.
Es war zehn Uhr zwanzig Minuten.
Villeneuve warf einen Blick auf seine Uhr.
»Sie haben noch zehn Minuten,« sagte er.
Dann, ohne die Augen von der Uhr wegzuwenden, fuhr er mit furchtbarer Kaltblütigkeit fort:
»Der heilige Januarius hat nur noch fünf Minuten. Der heilige Januarius hat nur noch drei Minuten! Der heilige Januarius hat nur noch zwei Minuten.«
Unmöglich wäre es, einen Begriff von dem Tumult zu geben, welcher immer höher steigend dem vereinigten Gebrüll des Meeres und Rollen des Donners glich, als nach zweimaligem vorausgegangenen Klingeln die halbe Stunde schlug.
Todtenstille trat ein.
Langsam dröhnten mitten in diesem Schweigen die beiden Schläge, dann hörte man die Stimme des Canonicus, welcher mit lauter, hallender Stimme in dem Augenblick, wo das Geschrei und die Drohungen wieder begannen, das Fläschchen hoch emporhebend, rief:
»Das Wunder ist geschehen!«
Sofort verstummten Tumult, Geschrei und Drohungen wie auf einen Zauberschlag. Alles stürzte mit dem Gesicht zur Erde nieder und rief: »Ruhm und Preis dem heiligen Januarius!« während Michele aus der Kirche hinauseilend vor der Höhe des Perrons seine Fahne schwenkend rief:
»Il miracolo è fatto!«
Alles fiel auf die Knie.
Dann begannen mit bewundernswürdigem Zusammenklang sämtliche Glocken von Neapel zu läuten.
Championnet hatte Recht gehabt, als er gesagt, er wisse ein Gebet, welches der heilige Januarius nicht verfehlen werde zu erhören.
Und, wie man sieht, der heilige Januarius hatte es wirklich erhört.
Eine von sämtlichen vier Castellen herabkrachende Geschützsalve verkündete Neapel und der ganzen Umgegend, daß der heilige Januarius sich für die Franzosen erklärt habe.
Elftes Capitel.
Die parthenopeische Republik
Kaum hörte Championnet das Glockengeläute und die vierfache Freudensalven, so begriff er sofort, daß das Wunder geschehen sei, und verließ Capodimonte, um seinen feierlichen Einzug in Neapel zu halten.
Er durchzog die ganze Stadt, zunächst die Strada dei Cristallini, den Largo delle Pigne, den Largo San Spirito und den Mercatello entlang, mitten unter der lärmendsten Freude und dem tausendfach wiederholten Ruf:
»Es leben die Franzosen! Es lebe die französische Republik! Es lebe die parthenopeiche Republik!«
Dieses ganze Volk, welches drei Tage lang gegen ihn gekämpft, welches seine Soldaten verstümmelt, erwürgt und verbrannt, welches eine Stunde vorher noch bereit war, die abermals zu erwürgen, zu verstümmeln, zu verbrennen, war durch das Wunder des heiligen Januarius sofort bekehrt worden und von dem Augenblicke an, wo der Heilige für die Franzosen war, fand es keinen Grund mehr, gegen dieselben zu sein.
»Der heilige Januarius weiß besser als wir, was zu thun ist,« sagten sie. »Thun wir daher wie der heilige Januarius.«
Von Seiten des mezzo ceto und des Adels, welche durch die französische Invasion der bourbonischen Tyrannei entrissen wurden, waren die Freude und der Enthusiasmus nicht weniger groß.
Alle Fenster waren mit dreifarbigen französischen und dreifarbigen neapolitanischen Fahnen geschmückt, welche ihre Falten und Farben miteinander mischten.
Tausende von jungen Frauen standen an den Fenstern, schwenkten ihre Tücher und riefen:
»Es lebe die Republik! Es leben die Franzosen! Es lebe der Obergeneral!«
Die Kinder liefen vor seinem Pferde her, indem sie kleine gelb-roth-schwarze Fähnchen hin- und herschwenkten.
Allerdings waren noch einige Blutflecken auf dem Pflaster zu sehen und die Trümmer vieler niedergebrannten Häuser rauchten noch, in diesem Lande der Sensation des Augenblicks aber, wo die Gewitter vorüberziehen, ohne an dem azurblauen Himmel Spuren zurückzulassen, war die Trauer schon vergessen.
Championnet begab sich direct nach der Kathedrale, wo der Erzbischof Copece Zurlo ein Te Deum an dem Altare sang, worauf das Haupt und das Blut des heiligen Januarius den Blicken Aller ausgestellt waren.
Aus Dankbarkeit für den besondern Schutz, welchen der Heilige den Franzosen gewährt, beschenkte Championnet ihn mit einer mit Diamanten besetzten Mitra, welche der Heilige auch anzunehmen geruhte und sich ohne Widerstand aufsetzen ließ.
Wir werden später sehen, wie theuer dem Erzbischof diese Schwäche für die Franzosen zu stehen kommen sollte.
Während man in der Kirche das Te Deum sang, ward an allen Straßenecken folgende Proclamation angeschlagen:
»Neapolitaner! [Wir citieren alle diese Originaldocumente, die sich in keiner Geschichte finden und von uns aus den Verstecken hervorgezogen worden sind, in welchen sie seit vierundsechzig Jahren vergraben lagen.]
»Seid frei und wisset eure Freiheit zu benutzen. Die französische Republik wird in eurem Glück eine reichliche Entschädigung für ihre Mühen und Kämpfe finden. Wenn es unter Euch noch Anhänger der gestürzten Regierung gibt, so steht denselben frei, dieses Land der Freiheit zu verlassen. Sie mögen ein Land fliehen, wo es nur noch Bürger gibt, und als Sclaven zu Sclaven zurückkehren.
»Von diesem Augenblick an nimmt die französische Armee den Namen der neapolitanischen Armee an und macht sich durch einen feierlichen Schwur verbindlich, eure Rechte aufrecht zu erhalten, und so oft als die Interessen eurer Freiheit es verlangen werden, für Euch die Waffen zu ergreifen. Die Franzosen werden den Cultus und die geheiligten Rechte des Eigenthums und der Person achten. Von Euch ernannte Behörden werden durch eine weise, väterliche Verwaltung über der Ruhe und dem Glück der Bürger wachen, die Gräuel der Unwissenheit verschwinden machen, die Wuth des Fanatismus beschwichtigen und Euch mit einem Worte ebensoviel Liebe beweisen, als die gestürzte Regierung Euch Treulosigkeit und Verrath bewiesen hat.«
Ehe Championnet die Kirche verließ, errichtete er, indem er Salvato der Freiheit zurückgab, eine Ehrengarde, welche den heiligen Januarius nach dem erzbischöflichen Palast zurückgeleiten und unter der Parole: »Achtung dem heiligen Januarius« bewachen sollte.
Schon am Morgen war in der sichern Erwartung, daß der heilige Januarius die Gefälligkeit haben würde, sein Wunder zu verrichten – eine Gefälligkeit, an welcher Championnet nicht zweifelte – eine provisorische Regierung eingesetzt worden.
Gleichzeitig hatte man sechs Comités ernannt, nämlich das Centralcomité, das Comité des Innern, das Comité der Finanzen, das Comité der Justiz und Polizei und das Comité der Gesetzgebung.
Sämtliche Mitglieder dieser Comités gehörten auch der provisorischen Regierung an.
Cirillo und Manthonnet, die Verschwörer in den ersten Capiteln unserer Geschichte, waren ebenfalls Mitglieder der provisorischen Regierung und Manthonnet überdies Minister des Krieges. Ettore Caraffa ward zum Chef der neapolitanischen Legion ernannt. Schipani sollte eines der ersten Commandos der Armee übernehmen, sobald dieselbe wieder organisiert sein würde. Nicolino blieb Commandant des ersten Castells San Elmo. Velasco hatte weiter nichts sein wollen als Freiwilliger.
Aus der Kathedrale begab sich Championnet nach der Kirche des heiligen Laurentius.
Diese Kirche ist für die Neapolitaner, welche sich seit dem zwölften Jahrhundert nie selbst regiert haben, eine Art Municipalität, in welche sie sich in den Tagen der Unruhe oder Gefahr zurückgezogen haben, um die Gewählten und Anführer des Volkes zu befragen.
Der General war von den Mitgliedern der provisorischen Regierung begleitet, welche, wie wir bereits bemerkt, gleichzeitig die Mitglieder der Comités waren.
Hier nahm Championnet, inmitten einer unzähligen Menge, das Wort und sagte in vortrefflichem Italienisch Folgendes:
»Bürger, Ihr werdet provisorisch die neapolitanische Republik regieren. Die definitive Regierung wird durch das Volk ernannt werden, sobald Ihr selbst, als Wähler und Gewählte nach den Vorschriften regierend, welche das Ziel dieser Revolution gewesen sind, die Arbeit, welche die Abfassung neuer Gesetze nöthig macht, abgekürzt haben werdet. In dieser Hoffnung habe ich Euch die Aufgabe der Gesetzgebung und der Regierung vorläufig übertragen. Ihr besitzt demnach unbeschränkte Autorität; zugleich aber lastet auch eine unermeßliche Verantwortlichkeit auf Euch. Bedenket, daß das öffentliche Wohl oder das schwerste Unheil des Vaterlandes, euer Ruhm oder eure Schande in euren Händen liegt. Ich habe Euch ernannt, eure Namen sind mir weder durch Gunst noch durch die Intrigue vorgeschlagen, sondern blos durch euren guten Ruf empfohlen worden. Ihr werdet durch eure Werke dem Vertrauen entsprechen, welches in Euch nicht blos Männer von Genie, sondern auch warme und aufrichtige Freunde des Vaterlandes sieht.
»Bei der Einsetzung der neapolitanischen Republik werdet Ihr, soviel die Sitten und Gesetze es erlauben, die französische Constitution, die Mutter der neuen Republik und der neuen Civilisation, zum Vorbild nehmen. Machet, indem Ihr euer Vaterland regiert, die parthenopeiche Republik zur Freundin, Bundesgenossin, Gefährtin und Schwester der französischen Republik. Laßt sie eins und untheilbar sein. Hoffet kein Glück getrennt von ihr. Wenn die französische Republik wankt, dann ist auch der Sturz der neapolitanischen nahe.
»Die französische Armee, welche für eure Freiheit bürgt, wird, wie ich Euch schon gesagt, den Namen der neapolitanischen Armee annehmen. Sie wird eure Rechte aufrecht erhalten und Euch bei euren Arbeiten unterstützen. Sie wird mit Euch und für Euch kämpfen, und indem sie für eure Vertheidigung stirbt, keinen andern Preis von Euch verlangen, als eure Bundesgenossenschaft und Freundschaft.«
Diese Rede endete unter dem Beifalle, dem Freudenrufe und den Freudenthränen des Volkes.
Dieses Schauspiel war neu für das Land, diese Worte waren den Neapolitanern unbekannt. Es war das erste Mal, daß man unter ihnen das große Gesetz der Verbrüderung der Völker, den höchsten Wunsch des Herzens, das letzte Wort der menschlichen Civilisation verkündete.
Auch war dieser Tag, der 24. Januar 1799, ein Festtag für die Neapolitaner, gerade so wie der 14. Juli für die Franzosen.
Die Republikaner umarmten sich, wenn sie einander in den Straßen begegneten, und hoben dankend die Augen gen Himmel empor.
Zum ersten Male fühlten die Körper und die Seelen sich frei in Neapel. Die Revolution von 1647 war die Revolution des Volkes, eine durch und durch materielle und fortwährend drohende gewesen. Die von 1799 war die Revolution des Bürgerstandes und des Adels, das heißt eine durch und durch intellectuelle und humane.
Die Revolution Masaniellos war die Zurückforderung der Nationalität eines besiegten Volkes von einem siegenden, Championnets Revolution dagegen war die Zurückforderung der Freiheit von Seiten eines unterdrückten Volkes einem Unterdrücker gegenüber.
Es bestand demnach zwischen den beiden Revolutionen ein ungeheurer Unterschied und ganz besonders ein ungeheurer Fortschritt.
Ein rührender Vorgang kennzeichnete den Beginn der neuen Aera.
Wir haben schon von den drei ersten Märtirern der italienischen Freiheit, Vitagliano, Galiano und Emanuele de Deo, gesprochen.
Dieser Letztere hatte die Begnadigung, welche man ihm bot, wenn er seine Mitschuldigen verriethe, zurückgewiesen. Es waren blutjunge Leute, die alle drei zusammen zweiundsechzig Jahre zählten, zwei davon waren gehängt und dann der dritte, Vitagliano, − da die Hinrichtung der beiden ersten eine gewisse Bewegung unter dem Volke hervorgerufen – von dem Henker aus Furcht, daß der Verurtheilte ihn durch einen augenblicklichen Aufstand zu seinen Gunsten entrissen werden könne, erdolcht, und todt, mit der blutenden Wunde in der Seite, aufgeknüpft worden.
Jetzt organisierte sich freiwillig eine patriotische Deputation und zehntausend Bürger ungefähr begrüßten im Namen der erwachten Freiheit die Familien der edlen jungen Männer, deren Blut den Platz geweiht, auf welchem man jetzt im Begriffe stand, den Freiheitsbaum zu pflanzen.
Am Abend wurden in allen Straßen und auf allen Plätzen Freudenfeuer angezündet und wie um sich mit dem heiligen Januarius, einem Nebenbuhler in der Volksgunst, zu verbünden, schleuderte der Vesuv Flammen welche mehr eine Theilnahme an der allgemeinen Freude als eine Drohung zu sein schienen.
Diese stummen und von keinem Lavaerguß begleiteten Flammen waren eine Art feuriger Busch, ein politischer Sinai.
Und Michele, der Narr, der, mit seiner prachtvollen Uniform bekleidet, auf einem prachtvollen Pferde unter seiner Lazzaroni-Armee hin- und hersprengte und heute ebenso: »Es lebe die Freiheit!« schrie, wie er am Tage vorher: »Es lebe der König!« geschrien, sagte zu diesem ganzen Gesindel:
»Da seht Ihr es selbst. Heute Morgen erklärte der heilige Januarius sich für die Jakobiner, und heute Abend setzt der Vesuv die rothe Mütze auf.«