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Kitabı oku: «Liebesdramen», sayfa 16

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Die Mütter sind in solchen Verhältnissen stolz auf ihren Sprößling, wenn ein richterliches Urtheil erklärt, daß ihr Söhnlein unwiderstehlich war.

Frau von Fontanieu besaß dieselbe Schwäche wie alle französischen Matronen. Die Laufbahn ihres Sohnes war unterbrochen, und die Opfer, welche sie gebracht, konnte sie als verloren betrachten, allein die Dame fühlte sich durch den Gedanken, daß ihr Sohn eine solche Eroberung gemacht, in ihrer Eitelkeit geschmeichelt, und als sie während der Gerichtsverhaudlung, welche sie nicht versäumen wollte, sogar bemerkte, wie die Augen der Zuhörerinnen auf ihn gerichtet waren, da schwieg ihr Gewissen und sie fühlte nur Mitleid nicht nur mit ihm, sondern auch mit der Marquise. Sie weinte, als Emma die Rede ihres Vertheidigers durch eine so energische Einrede unterbrach.

Frau von Fontanieu glaubte freilich, die Liebe der beiden jungen Leute werde nun ein Ende nehmen. Sobald sie in ihren Unterredungen mit ihrem Sohne erfuhr, welche Absichten er hatte, bekam sie eine ganz andere Ansicht von den Verhältnissen. Seine Liebe mußte auf seine ganze Zukunft einen entscheidenden Einfluß haben. Wie er früher der mütterlichen Eitelkeit geschmeichelt, erregte er jetzt die Besorgniß der Dame. Bisher hatte man ihn entschuldigt, von nun an mußte er ein Gegenstand ernster Mißbilligung werden; man hatte ihn bedauert, von nun an war nur ein schonungsloses Urtheil zu erwarten. Die materiellen Interessen entscheiden heutzutage selbst über Fragen, bei denen nur das sittliche Gefühl betheiligt ist.

Frau von Fontanieu bot Alles auf, was in ihren Kräften stand, um ihren Sohn den Folgen eines ungesetzlichen Verhältnisses zu entreißen. Sie suchte mit Bitten, Thränen, Vorwürfen, Drohungen seinen Widerstand zu besiegen; sie beschwor ihn bei seiner kindlichen Liebe, bei seiner Schwester, welche keine andere Stütze als ihn hatte. Es würde ihr wahrscheinlich gelungen sein, ihren Sohn von Emma abwendig zu machen und sein Herz, wenn auch gebrochen, zerrissen, blutend, wieder zu gewinnen; aber leider sind die Mütter nicht frei von kleinlichen Eifersüchteleien und anderen weiblichen Schwächen. Frau von Fontanieu eiferte unaufhörlich gegen Emma, welche ihr den Sohn rauben wolle; sie wiederholte, einiges einfältige Geschwätz, welches sich in ihrem Munde zu Verleumdungen gestaltete; die von ihr selbst bewunderte edle Entrüstung der Marquise über die gegen Louis vorgebrachten Beschuldigungen nannte sie jetzt Schamlosigkeit und Frechheit.

Louis von Fontanieu ward durch die Thränen seiner Mutter tief gerührt; er fühlte wohl, daß ihm Pflicht und Ehre das Opfer geboten, welches von ihm verlangt wurde; aber nach den unzeitigen Angriffen der Matrone schwieg er; seine Stirn verfinsterte sich, feine Stimmung ward plötzlich umgewandelt, sein Benehmen wurde frostig, abgemessen, ehrerbietig. Eine Eiswand, die aus der Erde hervorgezaubert zu sein schien, trennte ihn fortan von seiner Mutter.

Frau von Fontanieu errieth was in der Seele ihres Sohnes vorging; sie sah wohl ein, daß es ihr nicht gelingen werde, die eisige Scheidewand zu durchbrechen; sie drückte ihr Schnupftuch auf’s Gesicht und entfernte sich schluchzend.

Louis that keinen Schritt, sprach kein Wort, um sie zurückzuhalten. Seine Mutter erschien nicht wieder im Gefängniß; er schrieb, aber ohne die Ursachen dieses Entschlusses zu erforschen, nahm er denselben vielmehr als vollendete Thatsache hin.

Eine leidenschaftliche Liebe gleicht dem Baum, in dessen Schatten der Pflanzenwuchs verkümmert; wenn am Fuße des Baumes etwa ein Grashalm hervorkommt, so wird Saft und Kraft von dem Stamme angezogen und der Halm stirbt ab.

Als Louis von Fontanieu aus dem Gefängniß entlassen wurde, begab er sich nicht zu seiner Mutter. Sein Entschluß war unerschütterlich; seine Liebe kam freilich mit der Sohnespflicht und mit den Erinnerungen an seine Kindheit in Widerstreit; aber seine Gedanken und Wünsche waren, wie bei Emma, obschon aus einem minder edlen Gefühl, ausschließlich auf das Glück gerichtet, das ihm in drei Monaten zu theil werden sollte.

Er besaß noch etwas Geld, das er von Châteaudun mitgebracht hatte. Er suchte in der Nähe von Paris einen verborgenen, einsamen Aufenthalt. Als er eine ihm zusagende Wohnung gefunden hatte, ließ er dieselbe mit der zärtlichen Sorgfalt meubliren, mit welcher der Vogel sein Nest baut.

Dabei schrieb er täglich an die Marquise von Escoman, und täglich erhielt er eine Antwort von ihr.

Die Briefe Emma’s waren gewiß der treueste, wahrste Ausdruck des Gefühls, welches sie erfüllte; sie sprach in denselben ihre Liebe und Hingebung, ihre Selbstverläugnung und ihre Hoffnungen aus, und doch mußten sie ihm kalt erscheinen im Vergleich mit denen, die ihm seine aufgeregte Phantasie dictirte, mit den sich beständig wiederholenden Schilderungen seiner Leidenschaft.

Endlich kam der Augenblick, wo das ersehnte, so theuer erkaufte Glück zur Wahrheit werden sollte.

Einen Theil der letzten Nacht, welche Emma im Gefängniß zubrachte, wanderte Fontanieu um das düstere Gebäude und wiederholte in seinem Herzen die aufrichtigsten Schwüre des Dankes und der Liebe. Als er nach Hause ging, um ein paar Stunden zu ruhen, raubte ihm das Geräusch des Uhrpendels den Schlaf.

Lange vor der Stunde, in welcher er Emma und Susanne am Ende der Pariserallee erwarten sollte, um mit ihr eine Stadt zu verlassen, die ihnen Beiden nur traurige Erinnerungen hinterließ, war er bereit. Er ging unruhig in seinem kleinen Zimmer auf und ab. Bei dem mindesten Geräusch, das sich draußen hören ließ, erschrak er. Oft fragte er sich, ob sich auch die Erde nicht aufthun werde, um ihm das ersehnte Glück zu rauben. Er zitterte bei dem Gedanken, daß Emma durch ein unerwartetes Hinderniß abgehalten werden könne, sich an dem verabredeten Orte einzufinden. Er glaubte den Verstand verlieren zu müssen, wenn das Wiedersehen durch einen Zufall nur um einen Tag verschoben würde.

Ein aufmerksamer Beobachter würde vielleicht einige Zweifel in die Zukunft dieser Liebe gesetzt haben, wenn er bemerkt hätte, welche Sorgfalt Louis von Fontanieu, trotz seiner Befangenheit, seinem Anzuge gewidmet hatte.

Elftes Capitel.
Idylle

Im Marnethale, vier Stunden von Paris, am Wege von dem Dorfe Champigny nach der Mühle von Bonneuil steht ein Gehöfte, dessen graue Wände und rothen Dächer mitten unter Pappeln und Weidenbäumen so versteckt sind, daß man es erst in der Nähe bemerkt.

An dem ländlichen Aussehen, an den kleinen Fensterscheiben, an dem schweren, plumpen Hofthor, an den halbverfallenen Scheunen und Ställen erkannte man es leicht als einen vormaligen Meierhof, den ein für Naturschönheiten empfänglicher Eigenthümer in ein Landhaus verwandelt hatte.

Weder diese Liebhaberei noch die glückliche Vorbedeutung des Namens – die Landleute nannten es »Clos-beni« – hatten dem anspruchlosen Hause Glück gebracht. Aus den frisch ausgebesserten Mauerspalten, aus den neuen Ziegeln, mit denen die alten Dächer übersäet waren, aus dem noch im Garten wuchernden Unkraut und Gestrüpp, aus den unbeschnittenen Obstbäumen und Weinreben war leicht zu ersehen, daß das unlängst ausgebaute Haus lange verödet gewesen war.

Das unwohnliche Erdgeschoß bestand aus einer altmodischen Küche mit einem rußigen Herde, wo an einem sechs Fuß hohen Feuer sich zehn durchnäßte Jäger wärmen konnten; aus einer düstern Stube, wo die Feuchtigkeit die Tapeten mit bläulichem Schimmel überzogen hatte, und aus einem dritten, verschlossenen Gemach, welches vormals ein Salon gewesen, dann ein Gewächshaus und endlich ein Stall geworden war.

An den geschwärzten Balken der Küche führten die Spinnen einen unaufhörlichen nützlichen Krieg gegen die Fliegen und die bräunlichen Wände waren mit blankem Kochgeschirr besetzt.

Die Einrichtung der Stube bestand aus einem großen Tische von Nußbaumholz, einigen weiß angestrichenen Stühlen, einem Porzellanofen und einem alten Barometer, an welchem die Glasröhre fehlte.

Der vormalige Salon war durchaus nicht bewohnbar. Der scharfe widerliche Geruch, der gewissen Hausthieren eigen ist, gab die letzte Bestimmung deutlich zu erkennen.

Damit unsere Leser das Loos der künftigen Bewohner des Clos-beni nicht im Voraus beklagen, setzen wir sogleich hinzu, daß das sorgfältig ausgebaute erste Stockwerk durch seine elegante Einrichtung einen auffallenden Gegensatz sowohl zu dem Erdgeschoß als zu dem Aeußern des Hauses bildet.

An einem schönen Maitage um die Mittagszeit fuhr eine Miethkutsche langsam den Seitenweg herauf und hielt vor der Thür des Clos-beni.

Louis von Fontanieu stieg aus und hob Emma aus dem Wagen. Dann kam auch Susanne zum Vorschein.

Der junge Mann schickte den Kutscher fort. Er hatte die Schlüssel. Er schloß das Hofthor auf. Die Marquise von Escoman trat zuerst in ihre künftige Wohnung. Als die beiden Andern ebenfalls eingetreten waren, drückte sie mit beiden Händen gegen das schwere Hofthor und schloß es mit kindischer Freude wieder zu. Sie schien sich gegen das Lärmen und Treiben der Welt absperren zu wollen.

Sie nahm den Arm Fontanieu’s, schmiegte ihren Kopf an seine Brust und sah ihn zärtlich lächelnd an. Sie bot ihm die Stirn zum Kuß. Sie erbebte unter der Berührung seiner Lippen, und gleichwohl waren ihre Gefühle rein; sie fühlte nur jene stumme, aber beredte Wonnetrunkenheit des Seemannes, der nach einem Sturm den Hafen und die Seinen wiedersieht.

Alles was einige Aehnlichkeit mit der Vergangenheit hatte, schien ihr an diesem Tage zu widerstreben, selbst Freudenthränen schien sie nicht weinen zu wollen; denn sie nahm sogleich ihr kleines Reich in Augenschein und zeigte dabei ein stürmisches Entzücken, welches sonst ihrem sanften Charakter fremd war.

Die Hühner gackerten zu ihren Füßen, ein schöner stattlicher Hahn krähte ein paar Schritte von ihr; auf dem Dache ließen Tauben ihr Gefieder in der Sonne schimmern, Emma fühlte eine ihr bis dahin unbekannt gebliebene Vorliebe für dieses Völklein, welches ihre Einsamkeit beleben sollte, und wollte nicht von der Stelle gehen, ohne es mit Hilfe einiger Hände voll Körner um sich versammelt zu haben.

Ungeachtet der Gegenvorstellungen Fontanieu’s, der ihr aus guten Gründen vor Allem das erste Stockwerk zeigen wollte, nahm sie zuerst das Erdgeschoß in Augenschein.

In gewissen Lebensverhältnissen sehen die Frauen weniger, als sie fühlen. Emma war so glücklich über die Erfüllung ihres Wonnetraumes, daß sie sich trotz der sichtbaren Verstimmung Susannens recht herzlich freute.

Aber als Louis von Fontanieu sie die hölzerne Treppe hinauf in ihr freundliches Zimmer, in den zierlichen Salon führte, hatte ihre Freude keine Grenzen mehr. Sie war nicht mehr die mit ihrer Kindheit an den Luxus der modernen Wohnungen gewöhnte Marquise von Escoman, sie war eine Grisette, die von einem längst ersehnten freundlichen Stübchen Besitz nimmt. Sie eilte aus einem Zimmer ins andere, setzte sich in die Fauteuils, stellte Porzellan und Glas zurecht, ordnete die Blumen, welche Fontanieu Abends vorher in die Vasen gestellt hatte; nahm die kleine Bibliothek, welche ihre Lieblingsbücher enthielt, in Augenschein; öffnete alle Schränke und Fenster, freute sich über die bequeme Einrichtung der erstern und war entzückt über die Aussicht, welche die letzteren darboten. Sie war entzückt über die am Hause vorbeifließende Marne, über die hohen Pappeln von zwei nahen Inseln. Sie zeigte ihrem Geliebten am Horizont den Thurm von Vincennes, der aus grünen Baumgruppen hervorragte. Alles dies betrachtete sie mit begeisterter Bewunderung und dankte Gott, der die Natur so schön geschaffen und ihr den reinen, ungetrübten Genuß derselben vergönnt.

Sonderbar, während Emma in dieser lieblichen Einsamkeit ein Glück fand, welches ihre Hoffnungen weit zu übertreffen schien, während sie, um ihre Freude auszudrücken, eine Lebhaftigkeit und eine Wärme des Gefühls zeigte, die ihr sonst nicht eigen war, blieb Louis von Fontanieu weit zurück hinter der leidenschaftlichen Glut, von welcher seine Briefe so viele Muster enthielten. Es ging ihm wie Allen, welche ihre Phantasie nicht gezügelt haben; sie hatte ihn so weit in das Land der Träume geführt, daß die Wirklichkeit keinen Reiz mehr für ihn hatte. Es fehlte ihm die Frische des Geistes, und er war sich seiner Lauheit bewußt; er machte sich Vorwürfe, daß er sich mit Emma nicht innig freuen konnte über den hellen Sonnenschein, über die Klarheit des Wassers, über die duftige Frühlingsluft, über das frischgrüne Laub, das liebliche Gezwitscher der Vögel.

Diesen leisen Mißton zwischen seinen und ihren Gefühlsäußerungen bemerkte sie nicht. Und hätte sie ihn bemerkt, so würde sie ihm doch keine Vorwürfe gemacht haben. Sie hielt es nicht für möglich, daß Louis ihr Entzücken nicht theilen sollte.

Sie war wohl nicht ganz ohne Bangigkeit. Als Louis von Fontanieu sie mit dem für sie eingerichteten Häuschen überrascht hatte, war ihr der Gedanke gekommen, daß die Verzichtleistung auf ihr Vermögen einst die Ruhe dieser ländlichen Einsamkeit trüben könne; allein der Tag des Wiedersehens gehörte ganz ihrer Liebe, und sie glaubte andere Gedanken nicht haben zu dürfen.

Sie überließ sich daher den ganzen Tag dem freudigen Gefühl der Freiheit und des Wiedersehens. Sie war unendlich reizend und liebenswürdig in ihren zärtlichen Tändeleien, den Vorboten eines Glückes, welches nur scheinbar vollkommen ist. In den meisten Fällen wünscht man noch vor dem letzten Acte das Vorspiel zurück.

Wenn Susanne die beiden jungen Leute auf Augenblicke allein ließ, so hatten sie einander unendlich viel zu erzählen, zu betheuern, zu fragen. Umarmungen wechselten dann mit Schwüren ewiger Treue. Wenn Susanne wieder kam, so schien der leichte Zwang, den ihre Anwesenheit zur Folge hatte, den Werth dieser zärtlichen Mittheilungen zu verdoppeln. Die beiden Liebenden drückten einander verstohlen die Hände, und diese Berührung hatte dann eine elektrische Wirkung. Sie sahen einander zärtlich an und flüsterten sich die theuersten Namen zu. Und wenn Susanne einen heimlich gegebenen und genommenen Kuß bemerkte, so gab’s ein lautes Gelächter.

Trotz der Gegenvorstellungen Susannens, welche zu bedenken gab, daß es sich für die Marquise nicht schicke in die Küche zu gehen und daß sie bei ihrer notorischen Unbekanntschaft mit der Kochkunst auch nichts nützen könne, wollte ihr Emma bei der Bereitung des Essens helfen. Und da in dem einfachen Hause Keines das Recht hatte müßig zu sein, mußte Fontanieu unter einem Fliederbaume, wo gespeist werden sollte, das wuchernde Unkraut entfernen. Aber diese verschiedenen Arbeiten trennten sie von einander, sie verließen bald ihre Posten, um wieder miteinander zu kosen. Fontanieu lachte über die Ungeschicklichkeit, mit welcher die ehemalige vornehme Dame die freiwillig übernommenen Arbeiten verrichtete. Emma nahm ihm den schweren Spaten aus der Hand und stützte ihren zarten Fuß auf das Eisen, ohne den Erdboden zu lockern.

Nach dem Essen gingen sie Arm in Arm an den Fluß.

Susanne weinte Freudenthränen, als sie ihnen nachschaute. Nie waren die Wangen ihrer lieben Emma so rosig gewesen, wie heute, nie hatte ihr Mund so freundlich gelächelt, nie hatten ihre Augen so geglänzt. Die gute Frau freute sich der Beute, welche sie dem Tode abgejagt zu haben glaubte.

Es war um sieben Uhr Abends, die Sonne ging unter, und ihre hinter den Bäumen halb versteckte Scheibe übergoß die Landschaft mit purpurnen Tinten. Der Fluß glich einem Feuerstrom.

Der würzige Duft des Frühlings erfüllte die sanft bewegte Luft. Das leise Rauschen des Landes begleitete das Abendlied der Singvögel. Einige verspätete Schmetterlinge flatterten noch von einer Blume zur andern.

Es war die Tageszeit, wo die Natur ihre schönsten Reize entfaltet, wo sie sich im schönsten Glanze zeigt, ehe sie sich in Nacht und Schweigen hüllt. Ein erhabenes Sinnbild für die Weisen, welche sich mit Rosen bekränzten, wenn sie aus dem Leben scheiden sollten.

Louis von Fontanieu und Emma gingen am Ufer fort. Ihre Lippen waren stumm, aber ihre Herzen hatten sich noch nie besser verstanden. Ein Druck der Hand genügte zur gegenseitigen Mittheilung des tiefen Eindrucks, den das herrliche Naturschauspiel auf ihre empfänglichen Gemüther machte.

Als sie wieder zurückkamen, machte Fontanieu einen Kahn vom Ufer los, trug Emma hinein und ruderte stromabwärts. An der Stelle, wo sie sich befanden, haben sich fünf bis sechs kleine Inseln durch Anschwemmungen gebildet und hemmen den Wasserstrom. Diese kleinen Eilande sind einander so nahe, daß sich die Aeste der darauf stehenden Bäume berühren und über den schmalen Flußarmen ein dichtes Laubdach bilden.

Emma war entzückt über die schöne Wasserfahrt. Sie saß auf der hinteren Bank des Nachens, den Ellbogen auf den Rand gestützt; ihr blondes Haar flatterte im Abendwinde; ihre halbgeschlossenen Augen betrachteten das reizende Landschaftsbild, und das Lächeln ihres Mundes gab die seligen Gefühle zu erkennen, welche sie an diesem Abende, dem ersten nach der langen einsamen Haft, erfüllten.

Louis von Fontanieu ließ die Ruder los und trat auf Emma zu.

Der sich selbst überlassene Nachen glitt sanft stromabwärts.

Das Gesicht des jungen Mannes hatte in diesem Augenblicke einen Ausdruck, den die Marquise noch nie au ihm gesehen hatte. Als er mit funkelnden Augen und liebenden Lippen auf sie zu kam, richtete sie sich erschrocken auf und streckte bittend die Hände aus:

»Fürchtest Du mich?« sagte er mit unsicherer Stimme.

Emma versuchte zu lächeln. Sie schüttelte den Kopf und machte ihm an ihrer Seite Platz.

Louis von Fontanieu schlang den Arm um ihren Leib. Sie ließ es geschehen, aber er fühlte, daß sie heftig zitterte.

»Es friert Dich,« sagte er; »willst Du nach Hause?«

»Nein, es ist ja so schön hier. Seit diesem Morgen glaube ich in eine neue, mir bisher unbekannte Welt gekommen zu sein; ich fühle eine Kraft, die ich nie geahnt. Und dieses neue Leben verdanke ich der Liebe. Louis, sage mir noch einmal, sage mir noch recht oft, daß Du mich liebst.«

»Kannst Du daran zweifeln?«

»O, gewiß nicht! Ich möchte nur die süße Musik dieses Wortes hören.«

Statt der Antwort küßte er sie und zwar so stürmisch, daß sie erschrocken aufschrie und sich loszumachen suchte.

In diesem Augenblicke stieß der Nachen so heftig an das Ufer, daß Beide von einander getrennt wurden und auf die Knie fielen.

»Gnade, mein Geliebter!« bat Emma, die in der ihr vom Zufall aufgenöthigten Stellung blieb. »Wir sind ja so glücklich! Was kannst Du mehr wünschen, als dieses Glück, das uns Gott gewährt hat? Ich fürchte mich – ich habe so viel gelitten, Du mußt Nachsicht mit mir haben. – Ich fürchte es zu verlieren, dieses Glück, das ich kaum kennen gelernt. – Ich bin ja dein auf ewig, aber Du mußt Mitleid haben mit den bangen Ahnungen, von denen ich mir keine Rechenschaft zu geben weiß, die mir aber doch Thränen erpressen. – Ach, wenn Du mich nicht mehr liebtest!«

Louis von Fontanieu konnte das Widerstreben der keuschen jungen Frau nicht begreifen; er konnte sich eine reingeistige Liebe, wie die ihrige, gar nicht vorstellen.

»Du liebst mich nicht mehr!« sagte er mit kaltem, schneidendem Tone.

Dieser Vorwurf erpreßte ihr einen neuen Thränenstrom, – sie sank in seine Arme.

* * *

Es war Nacht geworden. Die Sterne glänzten am Himmel und in dem tiefblauen WasserspiegeL Zwei Gestalten gingen Arm in Arm und schweigend durch den Ulmenwald, der die Insel bedeckte. Sie machten sich Bahn durch die Hopfenranken und andere Schlingpflanzen, die ihnen den Weg versperrten, und setzten sich am Ufer nieder.

Der eben aufgebende Mond warf seine Silberstrahlen über die Landschaft und spiegelte sich in den Fluten.

Die Stille des Abends wurde durch einen lieblichen und volltönenden Gesang unterbrochen.

Es war die Nachtigall, welche ihr wunderbar schönes Liebeslied anstimmte.

Zwölftes Capitel.
Clos-beni

Das Häuschen am Ufer der Marne schien endlich den früher mit Unrecht geführten Namen verdient zu haben.

Seit sechs Monaten hatten die Bewohner in ungetrübtem Glücke gelebt; auch das Gehöfte selbst hatte ein freundlicheres Aussehen bekommen. Die Gartenwege waren vom Unkraut gereinigt, die Obstbäume frisch beschnitten, die Weinreben aus ihren zwar malerischen, aber nutzlosen Ausschreitungen in anständige Grenzen gebannt worden. Das Hans hatte ein freundlicheres Gewand bekommen, und endlich hatte die aristokratische Susanne das einfache, unfreundliche Erdgeschoß mit der Eleganz des ersten Stockwerkes in Einklang gebracht.

Die Stunden verstrichen den jungen Leuten rasch in ihrer glücklichen Einsamkeit.

Die ländlichen Beschäftigungen sagen vor allen anderen den Liebenden zu; zumal die Blumenzucht hat einen großen Reiz für sie.

Emma pflegte ihren kleinen Blumengarten mit ungemeiner Sorgfalt: sie kümmerte sich nicht ums die bräunliche Farbe, welche ihre zarten Hände dabei bekamen. Louis von Fontanieu war ihr dabei behilflich. Die übrige Zeit wurde durch Wasserfahrten, Spaziergänge, Lectüre und durch die beständige Abwandlung des Zeitwortes »lieben« ausgefüllt.

Emma war glücklich. Jeden Morgen beim Erwachen wunderte sie sich, daß sie das Leben noch schöner fand, als es ihr gestern erschienen war; jeden Tag bemerkte sie, daß ihr der Mann, für den sie so viel gelitten, theurer wurde, und sie wünschte sich Glück zu dem Opfer, welches diese gänzliche Veränderung ihrer Stimmung herbeigeführt hatte.

Ihre Bedenklichkeiten hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Louis von Fontanieu waren verschwunden. Ein entscheidender, von glücklichem Erfolge begleiteter Schritt bringt die Reue bald zum Schweigen, und überdies fehlte es ihr keineswegs an Rechtfertigungsgründen, welche zugleich eine schwere Anklage gegen ihre Verfolger in sich faßten.

Louis von Fontanieu folgte ihr nicht in diesem Aufschwunge der Gefühle. Er war allerdings auch glücklich; er liebte Emma, aber sein Glück war mehr die Folge einer geistigen Trägheit, als einer klaren Auffassung der Verhältnisse. Er liebte Emma, weil die ländliche Ruhe den Sturm seines Innern beschwichtigt hatte; weil er das Leben sehr schön fand an der Seite dieses unvergleichlichen Wesens, bei welchem er immer neue Vorzüge entdeckte; weil er unmöglich kalt bleiben konnte, wenn Emma Alles that, was sie ihm an den Augen absehen konnte, seine leisesten Wünsche erfüllte. Aber er würde nicht gewagt haben, sein Inneres zu prüfen und sich zu fragen, ob er wirklich nicht hinausblicke über die liebliche Oase, auf welcher er Halt gemacht hatte. Die Antwort würde mit den Anforderungen des Zartgefühls und der Ehre vielleicht nicht übereingestimmt haben. In seinem Zweifel bekämpfte er das dunkle Gefühl, welches seine früheren Träume so weit über die jetzige Wirklichkeit erhoben. So lebte er von einem Tage zum andern.

Dieser Gemüthszustand zeigte sich zuweilen in seinem Aeußern. Es gab Tage, wo ihn Emma’s edle, hochherzige Liebe tief beschämte; er fragte sich mit Schrecken, ob sein Herz wirklich nicht mehr fähig sei zu lieben. Dann ward er so traurig, daß Emma einige Mühe hatte ihn zu erheitern.

Sie ahnte nie die Ursache dieser plötzlichen Niedergeschlagenheit. Nur ein Umstand trübte ihre Seelenruhe, und dies war eine ganz materielle Frage.

Sie hatte Louis von Fontanieu noch immer nicht über ihre Vermögensverhältnisse aufgeklärt. Ihre Geschmeide, mit deren Verkauf sie, sogar ohne Wissen Susannens, ihren Advocaten in Paris beauftragt hatte, konnten für die bisherigen einfachen Bedürfnisse einige Jahre ausreichen.

Aber was sollte ans ihnen werden, wenn diese Hilfsquelle erschöpft war, und die Noth, welche sie mehr für ihn als für sich selbst fürchtete, an ihre Thür klopfte?

Den ursprünglichen Plan, ihr kleines Capital zu einem für die Zukunft ausreichenden Erwerb zu verwenden, nahm sie wieder auf. Aber ihr Glück war so vollkommen, daß sie nicht den Muth hatte, Fontanieu seiner Ruhe zu entreißen.

Es bedurfte einer andern Rücksicht, um ihrem Stillschweigen ein Ende zu machen. Eines Tages sprach Fontanieu von seiner Mutter, und Emma machte sich im Stillen Vorwürfe, daß sie Mutter und Sohn von, einander getrennt. Sie dachte auch an seine abgebrochene Laufbahn.

Von diesem Augenblicke an war ihr Entschluß gefaßt. Am andern Morgen erfuhr Louis von Fontanieu, daß die, Marquise von Escoman freiwillig auf den Fruchtgenuß ihres Vermögens verzichtet, daß sie, um von der Vergangenheit nichts anzunehmen, ihrer und seiner Arbeit Alles verdanken wollte.

Er bewunderte sie und leistete im Stillen den Schwur, der edlen Selbstverläugnung von welcher er einen neuen Beweis erhielt, immer würdig zu bleiben.

Emma war der Meinung, daß man in diesem Capua von La Brie nicht länger dem Wohlleben und Müßiggange fröhnen dürfe, daß sie ihre gegenseitige Begeisterung benutzen müßten, um einen Entschluß zu fassen.

Obgleich sie als Dame von Stande nie auf Erwerb angewiesen gewesen war, fand ihr Scharfsinn schnell den Weg, aus welchem sie leichter und mit mehr Vortheil vorschreiten konnten.

Eine Anstellung konnte Louis von Fontanieu nicht erhalten, er hätte diesem gemeinsamen Leben, das ihnen Beiden so lieb geworden war, entsagen müssen. Er dachte nicht einen Augenblick an eine Trennung.

Aber Emma fand für ihn zwanzig andere eben so ehrenvolle Erwerbsquellen, welche überdies den Vorzug hatten, daß sie ihm die vollste Unabhängigkeit ließen.

Die geistige Ueberlegenheit der Marquise hatte ihn von manchen Kastenvorurtheilen befreit. Sie bezeichnete ihm die Geschäftscarriere als die, welche am wenigsten die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihn lenken, welche ihm zugleich die Mittel bieten würde, sein Vermögen zu vermehren und« mit einem bescheidenen Wohlstande in die liebe Einsamkeit: zurückzukehren.

Es wurde beschlossen, daß er einen Platz in einem Bankhause suchen sollte. Emma, die ihm gern mit dem Beispiel der Ergebung vorangehen wollte, beschloß unterdessen in einem bescheidenen Geschäfte den Grund zu dem Vermögen zu legen, welches Fontanieu später wo möglich vermehren sollte.

Am andern Morgen begaben sie sich nach Paris, und mit Hilfe des Advocaten der Marquise erhielt Fontanieu den gewünschten Platz. Die Marquise von Escoman, weiche sich nun »Madame Louis« nannte, schloß mit der Eigenthümerin eines Ladens, welcher sich in dem damals noch öden Stadtviertel der Madeleine befand, einen Vertrag ab.

Der schwerste Schritt stand noch bevor: die Trennung von dem traulichen Landhause, welches der Marquise theurer geworden war, als sie geglaubt hatte.

Auch Susanne mußte in Kenntniß gesetzt werden von dieser Revolution, welche, gleich der großen Umwälzung von 1793, die tief eingewurzelten Begriffe der guten Frau hinsichtlich der socialen Stufenleiter über den Haufen werfen sollte.

Nichts verwebt sich inniger mit wichtigen Ereignissen des Lebens, als die Orte, welche Zeugen dieser Ereignisse gewesen sind. Von dem Clos-beni zu scheiden, war für Emma die Entkleidung ihres Glückes von der Schale, unter deren Schutz es herangewachsen war. Jeder Winkel des Hauses, jeder Weg des Gartens hatte für sie eine theure Erinnerung. Sie dachte mit Schmerz, daß eine rauhe Hand die sorgfältig gepflegten Rosenstöcke abmähen werde; daß diese Wände, welche Zeugen so vieler zärtlichen Worte gewesen waren, nur die plumpen Flüche einiger Bauern wiederholen würden. Ihre Augen füllten sich mit Thränen bei dem Gedanken, daß sie den schönen Hügel, den sie oft am Arme Fontanieu’s erstiegen hatte, den herrlichen Fluß, der sich wie ein breites Silberband durch das Thal schlängelte, nicht mehr wiedersehen sollte.

Louis von Fontanieu war minder traurig als Emma, obgleich er nicht, wie sie, einen fast abergläubischen Gedanken an diese Trennung knüpfte. Der gestrige muthige Aufschwung war verschwunden; wie alle in der Idee lebenden Liebesleute, huldigte er gern der Trägheit, und das müßige, wenn auch ärmliche Leben, das er in Clos-beni geführt hatte, war nun der Gegenstand seiner zurückblickenden Sehnsucht. Er schlug Emma vor, das Landhaus zu behalten, dessen Miethzins keine schwere Last sein werde; sie könnten künftig die Sonntage dort zubringen. Emma nahm diesen Vorschlag, der so ganz mit ihren Wünschen übereinstimmte, mit großer Freude an.

Susanne wollte anfangs nicht glauben, daß ihre Gebieterin ihr Vermögen geopfert habe und eine Arbeiterin werden wolle. Diese Umwandlung der vornehmen Dame schien ihr die Grenzen des Möglichen zu überschreiten, und ihre Hartnäckigkeit war so groß, daß sie die Erklärung ihrer Herrin zwei Tage als Scherz betrachtete.

Erst als sie sah, wie Fontanieu die nothwendigsten Sachen einpackte, entschloß sie sich, diese Ungeheuerlichkeit einigermaßen wahrscheinlich zu finden.

Sie nahm nun »ihr Kind« ins Verhör. Emma bestätigte ihre frühere Erklärung.

Susanne war nun außer sich vor Entrüstung und Schmerz. Tausend Verwünschungen entströmten ihrem Munde, und wie immer wurden diese gegen den Marquis von Escoman geschleudert. Emma mußte alle ihre holde Freundlichkeit aufbieten, um den Unwillen ihrer Amme zu beschwichtigen, und alle ihre Versicherungen, daß das wahre Glück im Mittelstande zu Hause sei, beantwortete Susanne mit Kopf schütteln. Wie konnte man ihr auch zumuthen, so etwas zu glauben?

Endlich kam der Tag, an welchem man, für eine Zeitlang wenigstens, von Clos-beni scheiden mußte. Emma wünschte mit Fontanieu noch einmal das ganze Gehöfte zu durchwandeln. Sie pflückte im Garten alle Blumen, die der Herbst an ihren Rosenstöcken gelassen hatte; sie wollte, daß ihre neue Wohnung mit dem Duft dieser Reliquien erfüllt werde.

Sie war tief bewegt, als sie aus der Thür schritt, vor welcher, wie sechs Monate zuvor, ein Wagen hielt, mit dem Unterschiede, daß die Köpfe der Pferde dieses Mal nach Paris gewendet waren.

Sie schmiegte sich fester an Fontanieu, als hätte sie eine trübe Ahnung bekämpfen wollen.

Sie wünschte den Abhang zu Fuß zu ersteigen; sie wollte noch einmal zurückblicken nach dem lieben Häuschen; aber sie konnte es zwischen dem vergilbten Laube nicht mehr unterscheiden.

Ob die Freuden ihrer Liebe bestimmt waren zu verschwinden, wie das Dach des Clos-beni, wenn Emma einige Schritte weiter gegangen wäre?

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
30 kasım 2019
Hacim:
410 s. 1 illüstrasyon
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