Kitabı oku: «Liebesdramen», sayfa 17
Dreizehntes Capitel.
Was in den Herzen und in dem Kaufladen der Rue de Seze vorging
In dem zweiten Halbjahre nach ihrer Befreiung zeigte die Marquise von Escoman wahre Seelengröße.
Die in Luxus und Sorglosigkeit erzogene vornehme Dame, welche von jeher an die schnelle Befriedigung ihrer frivolen Laune gewöhnt war, fügte sich mit heroischer Selbstverläugnung in ihre neue Lage und in die zahllosen Entbehrungen, welche sie sich auflegen mußte, um von ihrem Opfer einen Erfolg zu erzielen.
Der Uebergang fand statt, ohne daß sie es zu bemerken schien. Sie ließ sich weder durch Nachtwachen noch durch die Einförmigkeit ihrer Arbeiten abschrecken. Am meisten Ueberwindung kostete sie der Verkauf, aber auch dieses ihr so widerwärtige Geschäft verrichtete sie ohne Murren.
Wenn sie hinter dem einfachen Ladentische nähte, oder behende auf einen Schämel stieg, um einen der höchsten Cartons herabzuholen; wenn sie mit freundlicher Zuvorkommenheit den Kunden die tausend Artikel ihres Sortiments zeigte, so erstaunte man über den feinen, edlen Anstand dieser jungen Person, die im einfachen Kattunkleide und mit einem schmucklosen Häubchen manche reichgeschmückte Dame beschämte; aber Niemand ahnte hinter dieser Einfachheit die gefallene Größe, Niemand vermuthete hinter dieser Geschäftsgewandtheit den verschwundenen Reichthum. Diese kleine Dame, die sich so große Mühe gibt und so freundlich ist, um an der angepriesenen Waare einen Franc zu verdienen, hieß unlängst noch die Marquise von Escoman; sie hatte ein halbes Dutzend Diener und zehn Pferde zu ihrer Verfügung; ihr Adel stammt von den Kreuzzügen her und ihr Vermögen zählte sie nach Millionen.
Sie zeigte in ihrer neuen Lage eine ungetrübte Heiterkeit. Susanne sollte nicht glauben, daß sie ihren Entschluß im mindesten bereue. Fontanieu sollte nicht ahnen, wie groß das Opfer sei, das sie ihrer Liebe gebracht.
Susanne hegte einen tiefen Groll gegen Louis von Fontanieu; sie sagte, er habe mit unverzeihlicher Schwäche in Emma’s Thorheit – wie sie es nannte – gewilligt. Er war in ihren Augen verantwortlich für das Glück ihrer Herrin; sie mochte nicht glauben, daß dieses Glück nicht in Gefahr sei; sie war ängstlich besorgt wie eine Henne, die einen die Jungen bedrohenden Raubvogel hoch in der Lust sieht. Aber Emma betheuerte ihr so oft, sie sei glücklich, daß sie schwieg. Sie war freilich überzeugt, daß dieses Glück in der Einbildung liege und nur den Reiz der Neuheit habe. Sie meinte, Madame Louis werde dieses Geschäftsspiels über kurz oder lang überdrüssig werden. Sie erwartete das Erwachen; aber nichts in der Welt hätte sie bewegen können, dieses Erwachen zu beschleunigen. Sie zeigte den Kunden, welche den kleinen Laden besuchten, blos das Gegentheil der Freundlichkeit und Zuvorkommenheit, durch welche sich Madame Louis auszeichnete.
Ein ziemlich allgemeiner Irrthum der Liebenden besteht darin, daß man die geistige Kraft, welche man selbst fühlt, auch bei dem geliebten Gegenstande voraussetzt. Louis von Fontanieu erlag unter der Last, welche Emma so muthig trug.
Der gebildete Mann wird sich nöthigenfalls in die drückendsten Verhältnisse fügen, wenn diese nur eine pittoreske Seite haben, wenn sie ihm zumal das angenehmste Vorrecht des Weltmannes, die Unabhängigkeit des Charakters sichern, so wird er gern Künstler, Landwirth, Soldat, Matrose, er wird Alles, nur nicht Kaufmann werden.
Jedermann ist hienieden mehr oder minder an die Scholle seines Vortheils gebunden; aber es gibt Abstufungen in dieser Knechtschaft; für den Kaufmann ist sie unbedingt, und um die Fesseln leicht zu finden, muß das Gewicht derselben durch lange Gewohnheit vermindert werden.
In den ersten Monaten eiferte Louis von Fontanieu gegen das tyrannische Publicum, welches ihm kraft des au dem Ladenschilde verbrieften Rechtes seine Geliebte streitig machte.
Er kam täglich um vier Uhr, von Zahlen gesättigt, aus der Schreibstube nach Hause. Er verwünschte Sconto, Commissionsgebühr und Creditbriefe. Und was fand er in seiner Wohnung statt der, trotz widerlicher Habgier, immer noch großartigen Finanzoperationen? Kleinliche Berechnungen; erbärmliche Pfennigfuchserei, beständiges Zusammenscharren der Groschen.
Wenn er sich neben Emma setzte; wenn er ihr, wie ein zur Mutter kommendes Kind, das Langweilige, Geisttödtende seiner Arbeiten schilderte; wenn ihn Emma zu trösten, zu erheitern suchte, wenn sie versicherte, daß ihre Seelen, ob nahe oder fern, unzertrennlich seien, wenn sie, um ihre Trostgründe wirksamer zu machen, ihre Lippen seiner Stirn näherte: dann kam gewiß irgend eine Nachbarin, um etwas zu kaufen.
Die Thür öffnete sich Emma stand erröthend auf. Die Nachbarin, in den meisten Fällen eine alte und häßliche Frau, trat dann mit kecker, höhnischer Miene an den Ladentisch, als ob sie sich freute, das zärtliche Gezwitscher zweier Vögel in ihrem Käsig zu unterbrechen. Die Käuferin warf ungeduldig das Kupfergeld aus den Tisch, sprach in gebieterischem Tone mit »Madame Louis«, feilschte um den Preis und verlängerte dadurch die Marter des armen Fontanieu, der zwanzig Mal in Versuchung kam, die unangenehme Besucherin zur Thür hinauszuwerfen und sich nur durch die bittenden Blicke der Marquise beschwichtigen ließ.
Wenn die Käuferin fort war, versuchte die immer heitere Emma das Gespräch wieder anzuknüpfen; aber vergebens plauderte und liebkoste sie, selbst ihre Liebkosungen hatten aufgehört allmächtig zu sein; Fontanieu hörte nicht mehr was sie sprach, sah sie nicht mehr an seiner Seite: sein verwundetes Herz hatte ihn für die Gegenwart unempfindlich gemacht, er träumte immer nur von der Vergangenheit, und wenn ihn die süßen, freundlichen Worte der Marquise in die Wirklichkeit zurückversetztem so konnte er sich nicht enthalten, seine Erinnerungen mit der Gegenwart zu vergleichen. Dann fing er an zu bereuen, daß er an dem Fall dieses Engels Antheil genommen; er schauderte vor dem Abgrunde, in welchem er Emma sah.
Die Reue ist der Gefrierpunkt des Thermometers der Liebe; sobald dieser Punkt einmal überschritten ist, gibt sich die Gleichgültigkeit kund.
Der Augenblick, wo man den an einem Vergehen genommenen Antheil verwünscht, ist nicht mehr weit von dem Augenblicke, wo man auch den Antheil verwünscht, den die Mitschuldige daran genommen.
Louis von Fontanieu hatte im Grunde aufgehört, Emma zu lieben, seitdem sie sich ihm ergeben hatte. Die Liebe ist ja nur die Fortdauer des Verlangens. Es gibt unruhige Geister, bei denen dieses Verlangen nur Angesichts des Unbekannten, Unerreichbaren erwacht; Geister, für welche der Besitz unausbleiblich zur Täuschung wird; Geister, die vom Himmel zur Erde herabsteigen möchten – unglückliche, rastlose Gemüther, die immer phantasiren, ohne zu wissen, was sie eigentlich wollen; die immer ein Gestirn anbeten wollen, und wenn sie auch den Wiederschein aller Straßenlaternen in einem Bache für Sterne halten müssen.
Louis von Fontanieu war grundehrlich; er sah das was in seinem Innern vorging, nur durch den Nebel seiner wahren, aufrichtigen Gefühle.
Er blieb überzeugt, daß er Emma immer noch mit gleicher Innigkeit liebe; er redete es sich so laut und nachdrücklich ein, daß er seinen Worten wohl Glauben schenken mußte. Er vermißte freilich jene glühende Leidenschaft, die vormals in seinem Innern tobte; er blieb kalt bei ihrem zärtlichen Kosen; er bebte nicht mehr vor Wonne, wenn er ihre Stimme oder das Rauschen ihres Kleides hörte; die anmuthigen Falten ihres Gewandes, welches den reizenden Leib einschloß, waren für ihn Hieroglyphen geworden, deren Deutung weder sein Herz noch seine Sinne versuchten. Er fühlte sein inneres Mißbehagen nicht nur, wenn ein Dritter störend zwischen Emma und ihn trat, sondern auch wenn er mit ihr allein war. Er war nicht selten genöthigt, auf Worte zu sinnen, seine Geberden abzumessen, auf seinen Blick zu achten. Alle improvisirende Fähigkeit der Liebe war verschwunden.
Nun kam der Ueberdruß den geheimen Neigungen seines Herzens zu Hilfe. Anfangs hatte er nur Emma bedauert, aber nach und nach begann er sich selbst zu beklagen. Er beweinte sein eigenes Mißgeschick. Dann schwand die Strahlenkrone, welche das edle Weib in seinen Augen behalten hatte, unter dem Hauch dieser selbstsüchtigen Einflüsterungen. Er wunderte sich, daß eine Dame von so hoher Bildung an so nichtssagenden Beschäftigungen Gefallen finden konnte; er stellte Emma auf gleiche Stufe mit dem von ihr selbst gewählten, aber von ihm verachteten bescheidenen Beruf; er vergaß, daß die einfache junge Verkäuferin, die so muthig ihren Glauben und ihre Liebe bewahrte, die Marquise von Escoman war, er sah hinter dem Ladentische nur eine Madame Louis, die als einfache Arbeiterin geboren und erzogen sei, und er dachte seufzend, daß sein Geschick ewig an das ihrige gefesselt sei.
Endlich ließ Louis von Fontanieu seinen Unmuth merken. Er hatte trübe Stunden, welche die zärtliche Sorge der Marquise nicht mehr zu erheitern vermochte. Er stürzte sich in Zerstreuungen, die seinem Geschmack sonst fremd waren; er nahm von den kleinen Einkäufen mehr in Anspruch, als er verlangt haben würde, wenn er weniger an sich gedacht hätte. Doch dies waren noch Kleinigkeiten, welche Emma wenig beachtete: sie war in jener Verblendung befangen, welche theils aus der Liebe, theils aus dem Streben nach Glück hervorgeht. Sie hielt seine Verstimmung für eine Folge der Sorgen um die Zukunft und des Kummers über ihre Lage und sie zeigte sich daher zufriedener und heiterer, als sie wirklich war.
Diese Lage hätte sehr lange dauern können und würde auch wahrscheinlich lange gedauert haben, wenn die beiden Liebenden nicht auf eine Ortsveränderung bedacht gewesen waren.
Sie standen der eleganten Welt immer noch so nahe, daß von einem Tage zum andern ein Vorfall zu erwarten war, welcher Louis von Fontanieu bewegen konnte, aus seiner zuwartenden Haltung hervorzutreten.
Alles was sie umgab, konnte so gut wie das, was sie hinter sich gelassen hatten, ein Ungewitter in seinem Schooße bergen.
In dem kleinen Pariser Bürgerstande lassen sich Berührungen mit der Nachbarschaft sehr schwer vermeiden. Louis war indeß so wenig geneigt, einen Verkehr mit Leuten dieses freiwillig gewählten Standes zu unterhalten und gab seine Abneigung so deutlich zu erkennen, daß jedes nachbarliche Verhältniß schnell wieder abgebrochen wurde.
Unter den Nachbarn machten jedoch ein Uhrmacher und ein Kunsttischler eine Ausnahme. Mit diesen waren Fontanieu und Emma im Verkehr geblieben: er aus Langweile, sie, um die von einigen Nachbarinnen gegen sie erhobenen Anklagen eines albernen Stolzes zu widerlegen.
Bernier, so hieß der Uhrmacher, war außer seinem Geschäft eine Null, welche nur durch seine Frau einen Werth erhielt. Frau Bernier war auch sehr stolz, daß sie zur Linken der Null stand. Sie galt auch vor der Ankunft der Marquise von Escoman für die Perle unter den Bürgersfrauen. Sie war in einem Institut erzogen worden und bildete sich aus ihre Bildung nicht wenig ein. Die eifersüchtige, geschwätzige Frau hatte sich bei Madame Louis, welche sie mit Recht als ihre Rivalin betrachtete, Zutritt verschafft, um ihre Geheimnisse zu erforschen und wo möglich Nutzen daraus zu ziehen. Sie verbarg übrigens mit echt weiblicher Verstellungskunst ihre bösen Absichten hinter der Maske der Freundschaft.
Berdière, der Kunsttischler, war ein braver, ehrlicher, arbeitsamer, wißbegieriger Mann. Er hörte Louis von Fontanieu aufmerksam zu und drückte ihm mit Stolz die Hand. Seine Frau, eine vormalige Blumenmacherin, kam Emma mit aufrichtiger Theilnahme entgegen.
Es war an einem der ersten Sonntage des Frühjahrs. Emma, Louis und Susanne waren in Clos-beni in der lieblichen Einsamkeit, an welche sich so schöne Erinnerungen knüpften. Durch diese wöchentlichen Besuche stärkte Emma ihren Muth und ihre freudige Zuversicht. Die Hoffnung, diese trauliche Einsamkeit bald wieder bewohnen zu können, gab ihr ja allein die Kraft, ihr jetziges Elend zu ertragen.
Das Landhaus schien auf Louis von Fontanieu gar keinen Eindruck mehr zu machen. Er begleitete Emma, aber er hatte große Mühe, die kindische Freude zu theilen, mit welcher sie jeden Ort wiedersah, wo sie Beide so zufrieden, so glücklich gewesen waren. Er gefiel sich in Zerstreuungen, welche die Marquise nicht wohl mit ihm zu theilen konnte, nemlich im Fischfang und in der Jagd.
Die Woche war indeß so hart und Fontanieu so traurig gewesen, daß Emma, welche noch immer den Zauberstab zu besitzen glaubte, ihn zu begleiten wünschte.
Beim Fischfange kamen sie in die Nähe des Dorfes Champigny. Um die Mittagszeit deckte Susanne, welche die Wasserfahrt mitmachte, in einer Bucht des Flusses den Tisch, und alle Drei griffen zu den Speisen mit einem Appetit, den man in der frischen, reinen Luft an den Ufern der Flüsse bekommt.
Die Zerstreuung mochte wohl den Unmuth Fontanieu’s verscheucht haben, oder seine ersten zärtlichen Gefühle für die in ihrem einfachen Kleide und mit ihrem Häubchen so reizende Emma kehrten wieder zurück: genug, er war heute recht heiter, und die Marquise plauderte in ihrer Herzensfreude wie eine Grasmücke.
Plötzlich hörten sie ein lautes Geräusch im Walde, und gleich darauf sahen sie mehre Reiter und Reiterinnen vorübergaloppiren.
Eine der Amazonen sah sich um und bemerkte die Drei bei ihrem einfachen Mahle. Sie schien sehr erstaunt und brach in ein lautes höhnisches Gelächter aus.
Emma hörte das Gelächter nicht; aber Fontanieu glaubte den Ton der Stimme und das eigenthümliche Lachen zu kennen. Er wurde so befangen, daß der so gut begonnene Tag düster und traurig endete.
Einige Zeit nachher erwartete ihn Emma zu der gewohnten Stunde. Sie stand am Fenster, um ihn kommen zu sehen.
Endlich erschien er in der traurigen Haltung, welche ihm zur Gewohnheit geworden war.
Sie klopfte leise ans Fenster, um ihn mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen.
In diesem Augenblicke fuhr eine elegante offene Calesche vorüber. Louis von Fontanieu sah sich um. Er schien erstaunt und schaute der Kutsche nach, bis sie an der Straßenecke verschwunden war.
Emma bemerkte in dem Wagen die wehenden weißen Federn eines Damenhutes. Auch das Erstaunen Fontanieu’s entging ihr nicht. Sie trat schnell aus dem Laden und sah, wie er dem Wagen aufmerksam nachschaute. Sie rief ihm. Er war so zerstreut, daß sie zum zweiten Male rufen mußte.
Emma fragte ihn, wer in dem Wagen gesessen. Fontanieu erröthete, stammelte und läugnete sein Erstaunen, welches doch so auffallend gewesen war.
Eine traurige Ahnung erfüllte sie. Fontanieu verhehlte ihr etwas, er hatte vielleicht ein Geheimniß, das er ihr nicht mittheilen wollte. Das gegenseitige unbedingte Vertrauen, welches sie so glücklich gemacht hatte, war erschüttert.
Sie wurde unruhig, sie baute einen traurigen Verdacht aus diese lauschende, aufmerksame Haltung, auf dieses Abläugnen dessen, was sie gesehen hatte.
Die Niedergeschlagenheit Fontanieu’s stand also im Zusammenhange mit der Dame, welche sie im Wagen gesehen hatte? Sie schauderte, als sie sich im Stillen diese Frage vorlegte.
War sie schon zu Ende diese Liebe, welche er ihr geschworen? hatte sie sich denn schon überlebt? – Dieser Gedanke schien ihr frevelhaft; sie schüttelte den Kopf und lächelte wie ein Engel lächeln würde, wenn man ihm anzeigte, das Kind, dessen Schutzgeist er ist, habe sich eines Verbrechens schuldig gemacht.
Es war unmöglich, es konnte nicht wahr sein, was sie fürchtete. Sie beruhigte sich, aber sie nahm sich vor, auf die Dame mit den weißen Federn ein wachsames Auge zu haben und wo möglich zu ermitteln, wer sie sei.
Am folgenden Tage stand Emma am Fenster wieder auf der Lauer. Jedes Geräusch auf der Straße spannte ihre Erwartung.
Es kam Jemand. Es war Frau Bernier.
Diese hätte die Zeit zu einem Besuche bei der Nachbarin nicht schlechter wählen können. Dieser Besuch war Emma um so unangenehmer, da die Uhrmacherin nie alberner geschwatzt hatte.
Ihre Unruhe entging der Frau Bernier nicht.
»Was fehlt Ihnen denn, liebe Kleine?« fragte sie; »Sie erwarten gewiß Ihren Geliebten?«
»Ja wohl, Madame,« antwortete Emma; »mein Mann kommt um diese Zeit aus seinem Bureau.«
Frau Bernier scherzte über die lange Dauer dieser Flitterwochen. Diese scharfgesalzenen Späße standen gewiß nicht auf dem Programm der Erziehungsanstalt, auf welche sie so stolz war.
Emma hielt es für das Beste, das Geschwätz gar nicht zu beachten.
Die Stimme der Frau Bernier klang in ihren Ohren wie ein dumpfes Summen.
Plötzlich hörte dieses Summen auf und die Uhrmacherin, welche von dem gestern gesehenen Drama »do Nesle« Bericht abstattete, ließ den Gefängnißact unbeendet.
»Ach, mein Gott! sehen Sie die schöne Kutsche, die vor Ihrem Laden anhält? Eine vornehme Kundschaft!«
Emma trat ans Fenster.
Der Wagen, den Louis von Fontanieu gestern so scharf beobachtet hatte, hielt wirklich vor dem einfachen Laden.
Ein betreßter Diener stieg vom Bocke, öffnete die Wagenthür und ließ mit großem Geräusch den Tritt herab. Die Eigenthümerin des Wagens stieg mit mehr Leichtigkeit als Anstand aus, und ohne sich um die Vorübergehenden, welche vielleicht allzu viel von ihren Füßen sahen, im mindesten kümmern.
Bis dahin hatte Emma das Gesicht der Dame nicht sehen können; aber als sie nach dem Schilde aufblickte, zeigte sie der Marquise ihr Antlitz.
Emma erblaßte.
»Um des Himmels willen, Madame,« sagte sie zu Frau Bernier, »sagen Sie dieser Dame, daß ich ausgegangen sei – sagen Sie ihr – ach, mein Gott! mein Gott!«
Und ohne die Antwort der erstaunten Uhrmacherin abzuwarten, eilte sie in die Hinterstube und schloß sich ein.
Während Frau Bernier in der Eile ihren Anzug ordnete, um vor einer so vornehmen Dame, wie die Herrin eines so reichbetreßten Dieners zu sein schien, in würdiger Weise die Honneurs des Ladens zu machen, öffnete die Fremde, in welcher der Leser wahrscheinlich unsere alte Bekannte Margarethe Gelis erkannt hat, die Thür des Ladens.
Vierzehntes Capitel.
Wo Margarethe wieder auftritt
Margarethe Gelis hatte sich gar nicht verändert; sie hatte wohl etwas an Fülle gewonnen, zu den Rosen und Lilien, welche die Natur über ihre Wangen gestreut, etwas rothe und weiße Schminke gethan; ihr Anzug war wohl glänzender als der Putz, mit welchem sie die Bürgersleute von Châteaudun in Erstaunen gesetzt hatte; sie hatte wohl von einigen Damen, die in der Oper neben ihr gesessen, ein vornehmes Lächeln entlehnt – sonst aber war sie nach einjährigem Aufenthalte zu Paris ganz gleich geblieben.
Als sie in den kleinen Putzladen trat, richtete sie ihre Lorgnette auf die Waaren, musterte die Einrichtung, ließ die knixende Frau Bernier ganz unbeachtet und sagte naserümpfend:
»Hier ist’s nicht zu schön. Es ist nicht so geschmackvoll wie bei Laura, nicht so elegant wie bei Victorine. Aber man! glaubt billiger zu kaufen, und das lockt die Bürgersfrauen an.«
Dann wandte sie sich zu der Uhrmacherin, die ebenso ihren sechsten classischen Knix gemacht hatte, und setzte hinzu:
»Ich störe vielleicht die Frau Marquise. Aber wenn man einmal einen Putzladen hat, muß man die Kunden bedienen. Ich bitte Sie, meine Liebe, sagen Sie ihr, daß ich etwas kaufen will.«
Die Uhrmacherin witterte ein Geheimniß, als sie von einer Marquise hörte; sie spitzte die Ohren, wie ein Schlachtroß beim Klange der Trompete.
»Madame Louis ist ausgegangen,« antwortete sie, den; Namen betonend.
»Madame Louis!« erwiederte Margarethe. »Der tausend! wie sentimental! – Aber Ihre Dame hat Unrecht, Jungfer. »Die Marquise von Escoman, Putzmacherin,« das würde auf dem Schilde keinen schlechten Effect machen und ihr viele Kunden zuführen.«
»Die Person, welche Sie meinen, Madame, ist nicht meine Herrin,« erwiederte die Uhrmacherin schnippisch, denn die Befriedigung ihrer boshaften Neugierde hinderte sie nicht sich durch die Vermuthung, sie sei eine Ladenjungfer, gedemüthigt zu fühlen. »Ich bin ihre Nachbarin; sie hat mich ersucht, in ihrer Abwesenheit ihre Stelle zu vertreten. Sagen Sie mir gefälligst, was Sie wünschen, so will ich’s aus den Cartons hervorsuchen.«
»Nein,« antwortete Margarethe mit hochfahrendem Tone, »in den Kaufläden, die ich mit meinem Besuche beehre, bin ich gewohnt, von dem Herrn oder der Frau vom Hause bedient zu werden. Und hier halte ich ganz besonders darauf. Ich bin bereit, dieser Laune hundert Louisd’or zu opfern. Ich werde wieder kommen.«
»Wollen Sie mir gefälligst sagen, zu welcher Stunde,« sagte die Uhrmacherin mit heuchlerischer Zuvorkommenheit; »ich werde Madame Louis davon in Kenntniß setzen; sie wird dann gewiß hier sein.«
»Ja wohl, damit sie mir aus dem Wege gehe! Nein, meine Liebe, sagen Sie ihr nur, daß ich alle Tage wiederkommen werde, bis ich sie finde. Man entsagt nicht so leicht einem Vergnügen. Sehen Sie nur dieses Häubchen, die Marquise von Escoman hat mir’s gemacht. Bewundern Sie diese Jacke, sie hat mir das Maß dazu genommen. Man bleibt immer Marquise, wenn man auch wegen unerlaubten Umgangs zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt worden ist. Der Titel bleibt, und ich will eine Marquise unter meinen Lieferanten haben. Sie begreifen das doch, Madame?«
Die Uhrmacherin antwortete mit einem zustimmenden Lächeln. Der Zufall hatte ihr eine erbitterte Feindin der Frau zugeführt, von der sie tief in den Schatten gestellt wurde. Sie war sehr erfreut.
Sie begleitete Margarethe bis an den Wagen. Dann eilte sie zu der angeblichen Madame Louis zurück. Sie kannte nun ihr Geheimniß und wollte sich an ihrer Demüthigung weiden.
Aber in dem Augenblick, als der Wagen davonfuhr und Frau Bernier an die verschlossene Thür der Hinterstube klopfte, kam Louis von Fontanieu in den Laden.
Er war in dem Augenblicke, als Margarethe aus dem Wagen stieg, in die Rue de Seze gekommen. Er ahnte die boshafte Absicht dieses Besuchs; aber er hoffte, Emma werde sich den Blicken ihrer vormaligen Nebenbuhlerin zu entziehen wissen. Er hielt es für unnütz, dieser unangenehmen Zusammenkunft beizuwohnen, und versteckte sich in der Nähe.
»Sehen Sie doch, ob Sie glücklicher sein werden als ich, mein lieber Herr,« sagte Frau Bernier zu Louis von Fontanieu, als sie ihn an ihrer Seite sah. »Die Thür des Paradieses scheint hier nicht zu sein: ich klopfte an und man öffnete nicht. Ich habe indeß eine Bestellung von dieser Dame an Ihre Geliebte zu machen.«
»An meine Geliebte!« wiederholte er auffahrend und mit behenden Lippen.
»So sagt wenigstens die Dame, Sie begreifen, mein lieber Herz, daß ich nicht beauftragt bin, Ihren Trauschein zu controliren. Im Grunde will ich jene Unbekannte lieber für eine Närrin halten, als von einem gebildeten jungen Manne denken, daß er seine Concubine in die Gesellschaft von rechtschaffenen Leuten eingeführt, die wohl keine Adelsbriefe, aber doch das Recht haben, den Namen zu führen, den sie auf ihr Schild setzen, und nie in der Gerichtszeitung figurirt haben,«
»Gehen Sie, Madame, und danken Sie Gott, daß Sie eine Frau sind.«
Und trotz ihren drohenden Gegenvorstellungen schob er sie zum Hause hinaus. Dann trat er, die Thür der Hinterstube ein und ging in den Zwischenstock hinauf, wo er die hastigen Fußtritte Susannens hörte.
Er fand Emma auf ihrem Bett. Sie lag, wie vor einem Jahre, im Starrkrampf.
Es hatte sich Folgendes zugetragen:
Bei den ersten Worten Margarethens errieth Susanne die boshafte Absicht der vormaligen Grisette. Sie wollte in den Laden eilen, und ihre Absichten würden, wenn sie in Ausführung gekommen wären, die Toilette der hübschen Dunenserin sehr übel zugerichtet haben. Emma hatte die größte Mühe, sie zurückzuhalten. Die Aufregung raubte der Marquise die Besinnung, und sie bekam erst wieder die Kraft, als Louis von Fontanieu in das Zimmer trat.
Von einer einst glühenden Liebe müßte nur die Asche zurückgeblieben sein, wenn bei dem Anblick der Leiden des geliebten Gegenstandes die früheren Gefühle nicht wieder geweckt würden. So lange noch ein Funke glimmt, kann er eine Flamme geben. Hartherzigkeit war mit dem Charakter Fontanieu’s unvereinbar. Er ward tief bewegt durch den Zustand, in welchem er Emma sah, zumal wenn er an die Ursachen dachte, die ihn herbeigeführt hatten. Er umfaßte sie und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und Thränen.
Diese süßen Liebkosungen thaten mehr für Emma, als die sorgsame Pflege Susannens. Sie sah die seinen Augen entströmenden Thränen; sein durch die gestrige Unruhe ausgetrocknetes Herz schien diesen erfrischenden Thau begierig einzusaugen.
»Sie war’s also!« sagte Emma. »Verzeihe mir, lieber Louis, daß ich einen Augenblick an deiner Liebe zweifelte. Ich begreife jetzt, warum Du mir nicht gestehen wolltest, daß sie es war. Du wolltest mir den Schmerz dieser Erinnerung ersparen. O wie bereue ich diesen Zweifel, dieses Mißtrauen! Meine Liebe ist sehr klein im Vergleich mit der deinigen. Jetzt weine ich über meine Schwäche, und nicht über die lächerlichen Neckereien dieser Person. Was vermögen denn diese gehässigen Kundgebungen? Was kann uns an einigen Schmähungen liegen, die zu unseren Füßen laut werden, wenn wir durch unsere Liebe zum Himmel emporgetragen werden? Sie ist zu beklagen und nicht wir. Du liebst mich ja, mein theurer Louis, deine Augen, deine Thränen versichern es ja, wie dein Mund.
Louis von Fontanieu bestätigte die Versicherungen, welche sich Emma selbst gab, und in diesem Augenblicke meinte er es wirklich so. Emma kam in Versuchung, ein Uebel, aus welchem so viel Gutes hervorging, nicht zu beklagen.