Kitabı oku: «Olympia von Clèves», sayfa 11
XIX.
Das Provinzleben
Der Director des Theaters kam am zweiten Tage zu Olympia, auf welche ihn Banniére auf der Promenade aufmerksam gemacht hatte.
Unser Leser stelle sich nicht vor, in der Zeit, die wir zu schildern suchen, sei ein Theaterdirektor gewesen, wie wir ihn heute mit seinem Harem, mit seiner Polizei und seinen Mädchenlieferanten kennen.
Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hieß ein Theater dirigieren konstitutionell bei den Geschicken eines von dem vereinigten Talente eines Dutzend nomadischer Schauspieler und zuweilen eines der Gesellschaft beigesellten Dichters unterstützten Unternehmens präsidieren.
Der Director war also ganz einfach der Erste der Schauspieler seines Theaters . . . hinsichtlich des Rechnungswesens.
Banniére hatte genug Schauspieler gesehen; er hatte Olympia genug sprechen hören; er hatte genug natürlichen Scharfsinn und Zigeunerinstinkt, daß er sich bei dieser großen Angelegenheit zu benehmen und den Ches eines Theaterunternehmens anzulocken wusste.
Er hütete sich wohl, diesem zu sagen, Olympia sei eine schon bekannte Schauspielerin. Er schilderte sie als ein in das Theater vernarrtes Mädchen von Stande, das bereit sei, blindlings in das Garn eines Directors zu gehen.
Er rühmte nicht das ausgezeichnete Wesen, die Schönheit, die Person von Olympia; er führte, wie gesagt, den Director aus die Promenade und zeigte ihm Olympia.
Der Director sah sie, wurde ihr vorgestellt, verabredete mit ihr eine Zusammenkunft und erschien bei Olympia zu der hierfür festgesetzten Stunde, was die zwei Liebenden mit Recht als ein gutes Vorzeichen betrachteten.
An Geschichten, wie die, welche ihm Banniére erzählt, gewöhnt, hatte ihm der Director von seiner Erzählung geglaubt, was er gewollt; als er aber in die glänzende Wohnung der zwei jungen Leute eingeführt worden war, als er sich in dem weichen Fauteuil, das man ihm anbot, festgesetzt hatte, als er sich inmitten der Blumen und Wohlgerüche des Boudoir befand, als er vom Boudoir in das Speisezimmer gegangen war, um hier den Imbiss einzunehmen, als er Tafelgeschirr, Silberzeug und Kristall erblickte, als er die ausgesuchten Weine und die seinen Konfithüren gekostet hatte, war er dergestalt geblendet, daß er sogleich annahm, die zukünftige Debütantin wäre nicht im Stande, den ersten Schritt aus der Bühne zu machen.
Er fasste also den Vorsatz, sich mit den Wohlgerüchen zu berauschen, sich mit dem alten Wein zu erheitern, kurz, eine gute Stunde materieller Glückseligkeit hinzubringen und nach der Zusammenkunst in jeder Hinsicht der freigebigen Wirtin zu danken, welche närrisch genug, sich auf den Brettern herum treiben zu wollen, während sie so gute Teppiche hätte.
Banniére und Olympia wussten aber so viel als er; sie ließen ihn sich in Mutmaßungen verlieren; dann beim Nachtisch, als er den gehörigen Wärmegrad erreicht hatte, bat man ihn, gütigst eine Probe von der Geschicklichkeit der neuen Bewerber um Anteil an der Gesellschaft annehmen zu wollen.
Der Schauspieler warf sich bei diesem Vorschlag in die Brust, leerte sein Glas und präludirte in den Feindseligkeiten durch ein verächtliches Lächeln.
Olympia sah das Lächeln, begriff die Verachtung und wartete, des Sieges sicher, geduldig.
»Wohl an, ich will Ihnen das Stichwort geben,« sagte der Komödiant mit einer sonoren Stimme.
»Was können Sie?«
»Was können Sie?»fragte Banniére.
»Ich, ich kann Alles, ich spiele die ersten Rollen. Wählen Sie Ihre besten Stücke und halten Sie sich gut.«
»Können Sie Herodes und Marianna?« fragte Olympia mit ihrer sanften Stimme.
»Bei Gott!« erwiderte der Schauspieler halb trunken.
»Nun! so nehmen Sie auf das Geratewohl!« sprach Olympia.
«Und ich,« sagte Banniére, »ich werde soufflieren.«
»Haben Sie das Buch?« fragte der Director.
»Oh! unnötig, ich kann das Stück auswendig.«
»Es ist gut,« versetzte der Komödiant, »ich spiele Herodes.«
»Mein Fach,« sprach Banniére mit einem Lächeln.
Der Schauspieler bekümmerte sich nichts um die Bemerkung von Banniére und begann seine Rolle mit einer heiseren Stimme.
Olympia antwortete ihm.
Doch sie hatte nicht sobald zwanzig Verse gesprochen, als der alte Bursche das Ohr auftat.
»Ho! Ho!« machte er.
»Was denn?« unterbrach ihn bescheiden Olympia; »irre ich mich?«
»Nein! Nein! im Gegenteil! immer zu!«
Und der Schauspieler stützte seine Ellenbogen aus den Tisch und heftete seine wie zwei feurige Kohlen glühenden Augen auf Marianna, welche den Faden ihrer Rolle wieder ausnahm.
»Ah! ah,« sagte er, »Sie haben schon Komödie gespielt!«
»Dann und wann, ja,« antwortete Olympia.
»Wo denn?«
»Da und dort,« antwortete Banniére, um nicht zu lügen.
»Aber wissen Sie, daß Sie ganz einfach herrlich sind, Mademoiselle,« brüllte der alte Trunkenbold im Übermaße der Bewunderung.«Sie erinnern mich an die Champmeslé.«
»Sie haben mit Ihr gespielt?« fragte Olympia lächelnd.
»Oh!« versetzte der Director, »ich war beim Theater angestellt.«
»Aber Sie, mein Herr,« sagte er, sich an Banniére wendend.
»Sie wünschen mich zu hören?«
»Ja.«
»Das ist nur zu billig.«
Und mit einer soliden Stimme, mit jener furchtbaren Gebärde, welche eigentümlich der alten Schule angehörte, begann Banniére seinen Auftritt als Herodes.
Der alte Schauspieler horchte mit protectormäßigem Stillschweigen; dann verzog er die Lippen und sagte:
»Der Herr ist nicht gerade schlecht, er hat aber noch viel zu lernen.«
»Ich werde lernen,« erwiderte Banniére.
»Zu studieren.«
»Ich werde studieren.«
»Nicht schlecht?« versetzte Olympia, welche der beleidigten Eitelkeit ihres Freundes beistehen wollte. »Ah! mein guter Freund, man sieht wohl, daß Sie dasselbe Fach spielen.«
»Übrigens,« bemerkte Banniére, ein wenig gereizt »übrigens handelt es sich nur um Madame, wie mir scheint.«
»Sie täuschen sich, mein Freund,« sagte rasch Olympia, »es handelt sich Im Gegenteil um uns Beide: wer mich haben wird, wird Sie haben, oder mich nicht haben!«
»Ah!« rief der Komödiant, »das verwickelt die Sache.«
»Wahrhaftig!« versetzte Olympia.
»Ja. ich muss mich mit meinen Gesellschaftsmitgliedern beraten. Handelte es sich nur um Madame, so schloß ich allein ab, weil unsere erste Schauspielerin, die Catalane, nicht stark genug ist, doch was das Fach des Herrn betrifft, das ist etwas Anderes.«
»Ihr Fach?« fragte Banniére.
»Unser Fach, wohl!« erwiderte der alte Fuchs.
»Nun! Ihr Fach?« sagte Banniére.
»Unser Fach ist schon unter drei verteilt, und ich muss mich beraten.«
»Hören Sie,« sagte Olympia, welche die Schauspieler durch ihren langen Aufenthalt unter ihnen kannte, »unsere Flaschen sind allerdings leer, doch der Keller ist nicht weit entfernt. Holen Sie diejenigen von Ihren Gesellschaftsmitgliedern, deren Beistimmung notwendig ist; bringen Sie dieselben hierher, wir werden uns besser Alle mit einander verständigen, und wir werden uns besonders viel schneller als einzeln verständigen. Überdies ist es die Stunde des Mittagsmahles, wir werden zu Mittag speisen.«
Banniére öffnete In diesem Augenblick eine Geheimthür, durch welche verräterischer Weise ein solcher Bratengeruch, ein so süßer Dunst von farcirtem Geflügel eindrang, daß der Schauspieler weglief, indem er mit langen Zügen die kulinarische Ausströmung durch Nasenlöcher einatmete, deren übermäßige Erweiterung andeutete: ich werde wiederkommen.
Und er kam zurück und brachte an seiner Seite vier von den Gewichtigsten der Truppe, drei Männer und eine Frau.
Die drei Männer, abgenutzt, bleich, verwittert wie ihre Gewänder, waren der Financier, der edle Vater und der erste Bediente.
Die Frau, vom Wuchse von Olympia, mit weniger Anstand und dem Unterschiede, daß Olympia blaue Augen hatte und die Frau schwarze, daß Olympia blond war und die Frau brünett, daß Olympia eine weiße und rosenfarbige Gesichtshaut hatte und die Frau eine braune und matte: im Ganzen ein echt catalonischer Typus, dem die Schauspielerin ohne Zweifel ihren Namen die Catalane9 verdankte.
Man füge dem reizende Hände und einen Leib bei, mit dem an Reichtum nur der Leib von Olympia streiten konnte.
Olympia empfing alle diese Leute als Kameraden, machte sie mit einem Worte heimisch, gab ihnen ihre Plätze bei Tische und begriff, ohne sich im Geringsten bitten zu lassen, das Theaterrothwälsch, das doch so fern von ihren Gewohnheiten war.
Sie fragte Jeden nach dem Namen und dem Fache, noch freundlicher, da sie sich an die Frau wandte, als da Sie sich an die Männer wandte.
»Die Catalane,« antwortete die Frau, Indem sie eine doppelte weiße Reihe kleiner Zähne zeigte.
Olympia empfahl die Catalane der Aufmerksamkeit von Banniére.
Das Mittagsmahl war äußerst heiter; alle Welt trank sich dabei ein Räuschchen, Olympia ausgenommen, welche, als sie ihre Serviette beim Nachtisch aufhob, einen von den kleinen Füßen der Catalane aus dem Fuße von Banniére sah, während sie mit dem andern den des ersten Komikers reizte.
Olympia errötete. Etwas wie der Zahn einer Natter biss ihr ins Herz. Als sie sich aber wieder erhob und den unschuldigen Banniére anschaute, bemerkte sie in seinem ruhigen Gesicht, daß er kein Bewusstsein von seinem Glücke hatte. Sie beschränkte sich dem zu Folge darauf, daß sie ihm die Hand reichte, und Banniére beeilte sich, die angebotene Hand mit aller Glut zu küssen.
Unter dem Einfluss dieses Mittagsmahles sprach man sodann Verse, spielte man Szenen aller Art. Endlich brachte Banniére eine Feder, Tinte und Papier, und Olympia entwarf sich ein Engagement, das die fünf Gesellschaftsmitglieder unterzeichneten.
Sie gab sich zwölf hundert Livres festen Gehalt und einen achten Teil an den Einnahmen für sich und für Banniére.
Diese Bescheidenheit entzückte die Versammlung, und man trennte sich, indem man sich umarmte.
Olympia bemerkte, daß die Catalane Banniére fünfmal umarmt hatte.
Banniére seinerseits bemerkte, daß die Schauspieler Olympia zehnmal umarmt hatten.
Dann, als Alle weggegangen waren, sagte Olympia, ohne aus diese fünffache Umarmung anzuspielen, indem sie sich nur an den Erfolg des Abenteuers hielt:
»Sie sehen, mein Liebster, daß wir nun mit Sicherheit ungefähr sechs tausend Livres jährlich einnehmen.«
»Ja, aber sie haben Sie so viel umarmt,« erwiderte Banniére.
Ein letztes Wort, das Olympia überreichlich bewies, sie hätte Unrecht gehabt, der Catalane zu grollen.
Von diesem Augenblick an bekümmerte sich Olympia nur noch um ihre Rollen und um ihre Debüts, die durch den Rat der Sechs auf den folgenden Donnerstag festgesetzt waren.
XX
Eine neue Person erscheint am Horizont
Leider ist das Glück eine von den Gottheiten von wunderlicher Laune und unbeständigem Charakter, deren Flügel zu binden kein Sterblicher sich schmeicheln kann.
Eine problematische Operation, die kein Eroberer, Cäsar ausgenommen, in Betreff des Sieges zu vollführen gewusst hat.
Es geschah aber, daß Olympia debütierte;
Daß sie glücklich debütierte, und zwar in einem Stücke von einem unbekannten Verfasser;
Daß sie großes Aussehen bei diesem Debüt erregte, und daß dieses Aufsehen die Leute ins Theater führte;
Daß das Theater, da die Menge dasselbe besuchte, reichliche Einnahmen machte.
Es geschah endlich, daß Herr und Frau von Banniére, so nannte man sie, auf die Lyoner den günstigsten Eindruck hervorbrachten.
Sie wurden also berühmt, während sie vorher nur glücklich waren.
Doch ihre Berühmtheit veranlasste sie natürlich, viel mehr Geld auszugeben, als sie vorher ausgegeben hatten.
Man musste empfangen, man musste einen äußern Aufwand machen, während bis dahin das Leben gleichsam vermauert gewesen war.
Es kam das Ende der Louis d'or. Die Einnahmen gingen mit ziemlich großer Mühe aus der Börse der Gesellschaft in die von Herrn und Frau von Banniére über.
Am Ende jedes Monats gab es endlose Streitigkeiten. Nach der Behauptung der Gesellschafter war das Engagement von Olympia und Banniére lästig für die Truppe.
Abgesehen von diesen kleinen Schwierigkeiten gingen die Dinge ihren Weg. Am Ende jedes Monats musste nur Banniére die Zähne zeigen, und die Männer bezahlten, weil sie Solid waren, und die Weiber bezahlten, weil sie weiß waren.
Es geschah aber, daß der König um diese Zeit erkrankte; daß seine Krankheit einen empfindlichen Schlag in allen Teilen Frankreichs versetzte; daß bei dieser Nachricht überall die Lustbarkeiten einen Stillstand nahmen und daß die Theater, die vorzugsweise Lustbarkeit, je mehr die Kirchen besucht wurden, desto mehr verlassen waren.
Die Dinge schleppten sich so ein paar Monate hin; dann, nach einem Todeskampfe des Elends, machte die Gruppe Bankrott.
Der Gesellschaftsvertrag wurde sogleich zerrissen.
Als die Theater mit der Genesung des Königs wieder einige Kräfte gewonnen hatten, diktierten, die Gesellschafter, welche Herren der Stellung geworden, nun Olympia und Banniére Bedingungen, die sie eingehen mussten.
Man eröffnete auf's Neue.
Olympia hatte wieder die Gewohnheit angenommen, zu spielen, und sie war zum Theater mit dem Eifer zurückgekehrt, mit dem bei ihrer Arbeit die ächten Künstler zu Werke gehen. Banniére seinerseits hatte an den Bravos angebissen, und so hohl dieses Fleisch war, – im Vergleiche mit den seinen Braten, welche den Geruchssinn des Unternehmers am Tage seines ersten Besuches bei Olympia in Anspruch genommen hatten, er verschlang es. Eher, als nicht zu spielen, spielten sie auf Teilung, denn sie schämten sich des Gehaltes, den die Gesellschaft, eine freie Gemeinde, in ihrer unparteiischen Gerechtigkeit, in gleichen Proportionen dem außer der Linie stehenden Künstler und dem gemeinen herumziehenden Komödianten bewilligte.
Der Mangel trat mit verschleiertem Gesicht und unsicherem Fuße in die Haushaltung von Banniére ein.
An den Tagen, wo Olympia nicht spielte, wo Banniére nicht spielte, entschädigten sich die zwei Liebenden mit der Liebe.
Banniére bemerkte aber die Entbehrungen, die sich Olympia auferlegte; für sie, die an den Luxus gewöhnt, war der Mangel ein wahres Unglück. Er, sah ihre Augen sich schwarz umkreisen, ihren Mund erbleichen, ihre Hände kraftlos an ihren Seiten niederfallen.
Er hatte, wie es Olympia Banniére vorhergesagt, rasch gelebt und viel in kurzer Zeit gelernt. Er hatte in einem Jahre die Umschiffung des Lebens vollbracht. Er wusste, was die Freude in einem Herzen wiegt, und wusste besonders, wie viel Freuden ein einziger Schmerz verwelken machen kann.
Dann, von Zeit zu Zeit, biss die Eifersucht, eine Eifersucht, welche nichts motivierte, aber bekanntlich sind die erschrecklichsten eifersüchtigen diejenigen, welche keinen Grund haben, es zu sein; dann, von Zeit zu Zeit, sagen wir, biss die Eifersucht an einem kleinen Winkel des Herzens von Banniére an.
Dies geschah, wenn Olympia aus der Bühne Bravos und verschiedenartiges Zulächeln ein erntete. Er war zuweilen während dieser Zeit unbeschäftigt in den Kulissen; er zählte sodann die Galans, welche um die Schöne her ihre Thaler und ihre Versprechungen klingen ließen.
Dann zitterte er, es könnte sich unter allen diesen Federhüten, welche unablässig von den Vorbühnen zu den Bühnen umherschweiften, ein Herr von Mailly mit seinen Rollen allenthalben, seinen Bedienten allenthalben, seinen Häusern allenthalben, seinen Pferden und seiner Liebe allenthalben finden. . . .
Sollte Banniére je ein solches Unglück begegnen, was würde aus ihm werden, aus ihm, einem aufgedunsenen Atom, einem durch das Mikroskop der Seele, das man die Liebe nennt, vergrößerten Nichts?
Oft, während die anbetungswürdige und angebetete Frau sich unter den Blumen und den Bravos neigte, fragte sich Banniére, wie es allen diesen Leuten, welche um sie her prunkten, gelungen sei, reicher zu werden, als er.
Er erinnerte sich, irgendwo die Maxime gelesen zu haben, die, obgleich schlecht, nichtsdestoweniger verlockend ist:
»Diejenigen, welche die Vorsehung vergißt, sind berechtigt, das Glück zu versuchen; wer Gott nicht für sich hat, wäre sehr dumm, wenn er sich nicht den Teufel zum Freunde machen würde.«
Er erinnerte sich einer ganzen Philosophie, die er sich in den düsteren Tagen seines Noviciats gemacht, einer ganzen Willkürtheorie, die er sich in den wolkigen Tagen des Theaters gemacht hatte. /
Er sagte sich, unter der Bedingung, daß ein Mensch über seine Haut verfüge, sei dieser Mensch so viel wert als ein anderer Mensch; diese Haut sei ein Einsatz wie ein anderer; sei ein Louis d'or vorhanden, so könne es ein Mensch wagen, diesen Louis d'or zu verlieren, entschlossen, mit seiner Haut, wenn er ihn verlierenden zweiten Louis d'or zu bezahlen, den er nicht habe, um den ersten Louis d'or wieder zu erwischen, den er nicht mehr habe.
Banniére nahm also den einzigen Louisd'or, der noch im Hause war, und ging weg, um damit zu spielen.
Er gewann, wie die Neulinge immer gewinnen. Eines von den Axiomen, das Banniére nicht kannte, weil dieses vielleicht der Wahrheit entsprach, ist, daß der Teufel nur für die Neulinge Versuchungen hat.
Mit seinem Louis d'or gewann Banniére fünfzig Louis d'or, und Olympia fand sie zu ihrem Erstaunen, als sie vom Theater zurückkam, in der Schublade ihrer Kommode an der Stelle des einzigen Louis d'or, den sie zurückgelassen, und den sie nicht wieder zu sehen hoffte, da sie Claire gesagt hatte, sie möge ihn nehmen, um ihre Ausgaben am folgenden und am zweiten Tage damit zu bestreiten.
Man begreift, daß ein solches Debüt Banniére anlockte. So lange indessen die fünfzig Louis d'or währten und er nicht durchaus zu spielen nötig hatte, spielte er nicht; allerdings ging ihm das Spiel, obgleich er von der Akademie abwesend, unablässig im Kopfe herum: aus der Szene hörte er das Klingen des Goldes, und er wandte sich um oder ließ sein Stichwort aus der Acht. Zwei Leidenschaften können nicht bequem im Herzen eines Menschen leben, die eine muss die andere verzehren. Das Spiel verzehrte das Theater. Banniére wurde ausgezischt und ging, um sich zu trösten, in die Akademie.
Drei Monate genügten, um aus Banniére einen Pfeiler des Spielhauses zu machen.
Olympia fuhr Indessen fort, für ihre Gesellschaftsmitglieder zu arbeiten; sie arbeitete für die Bedienten, sie arbeitete für die Bonvivants, für die zärtlichen Väter, die sich Wein und Holz um den Preis ihrer Arbeit kauften; sie arbeitete für die Catalane, welche, abgesehen von ihren Profitchen außer dem Theater, durch Olympia zweihundert Livres monatlich einsteckte, was ihre Toilette ausfüllte.
Olympia leerte im Gegenteil die ihrige. Was Wohlhabenheit für die Catalane war, war Mittelmäßigkeit für Fräulein von Clèves. Das Äußere hatte nicht aufgehört, komfortabel zu sein, aber der wirkliche Überfluss war aus dem Hause verschwunden. Olympia sagte sich mit Recht, der höchste Grad der Not sei die Verlassenheit, und sie rief Leute in dieses Haus, das mit dem Tode rang, damit das Geräusch der Leute das Elend entfliehen mache.
Sie rief Leute, weil sie Banniére sich entfernen sah, weil sie sich allein fühlte, und weil Leute zurückrufen Banniére zurückrufen hieß.
Sie hoffte, Banniére werde eifersüchtig sein, und nachdem der Spieler den Künstler getödtet, werde der Liebhaber den Spieler tödten.
Der Kampf war ernst und der Sieg Zweifelhaft. Banniére war ein Spieler von Profession geworden; er brachte zu der Ausübung dieses Gewerbes Alles, was ein vernünftiger Mensch an Kunst zum Gelingen von Allem anwendet, was er unternimmt; er gewann, allerdings nicht mehr, als ein Anderer gewonnen hatte, aber er verlor weniger.
Olympia war auch eifersüchtig gewesen. Für Banniére war das Spiel vielleicht nur ein Vorwand, um die Liebe zu verdecken. Sie rief Mademoiselle Claire und ließ sich den Cavalieranzug bringen, in dem sie so reizend mit Banniére geflohen war. Sie kleidete sich traurig und beinahe sich dessen, was sie tat, schämend wieder darein und folgte ihrem Liebhaber.
Banniére ging wirklich zum Spiele.
Olympia zögerte einen Augenblick, ihm dahin zu folgen; dann fasste sie ihren Entschluss und stürzte sich hinter ihm in diese Hölle.
Nachdem sie eine halbe Stunde lang, in einer Fenstervertiefung verborgen, gesehen hatte, was das Spiel ist, entfloh sie bleich und verwirrt.
Als Banniére zurückkam, nahm sie ihn auch, statt ihn mit der kalten Miene der vorhergehenden Tage zu empfangen, bei der Hand, ließ Ihn zu ihren Füßen sitzen und sagte zu ihm, schmeichelnd wie eine Geliebte, überredend wie eine Mutter:
»Sie haben gespielt?«
»Ei! mein Gott, ja,« antwortete Banniére.
»Sie haben verloren?«
»Nein!« rief er.
»Aber Sie haben nicht gewonnen?«
»Oh! ich hätte tausend Louis d'or gewonnen,« versetzte Banniére.
Und er erklärte ihr mit dem unaufhörlichen Fieber des Spielers alle Coups, die er hätte gewinnen müssen, wäre nicht das Glück gegen ihn gewesen.
»Armer Junge,« sagte Olympia, nachdem sie ihn mit einer Aufmerksamkeit gemischt mit tiefem Mitleid angehört hatte, »so viel Gemütsbewegungen, Berechnungen, Anstrengungen und Leiden!«
Olympia war immer die gute, die zärtliche Olympia: die Tränen traten ihr in die Augen.
»Schließen Sie,« sprach er.
»Oh! mein Gott!« rief Olympia, »der Schluß wird sehr einfach sein. Sie spielen, um weder zu gewinnen, noch zu verlieren: eben so gut ist es, nicht zu spielen. Lassen Sie das abgemacht sein: erhitzen Sie sich nicht mehr hierdurch das Blut; Sie werden wenigstens Ihr Leben sparen.«
Banniére wollte ausrufen: »Ich tue es für Sie!« doch er enthielt sich.,
Banniére war immer verliebt; er war auch immer edelmütig und diskret.
Olympia fügte bei:
»Wir haben die letzten Mittel noch Nicht angerührt: wir besitzen Geschmeide, das wir verkaufen können.«
»Oh!« rief Banniére, »vor dem Geschmeide ist das Silbergeschirr da, wie mir scheint.«
»Das Silbergeschirr? Oh! nein,« sagte Olympia. »Ich kann sehr gut ohne Geschmeide mich kleiden und ausgehen, doch ohne Silbergeschirr könnten wir nicht mehr empfangen.«
»Ei! mein Gott, wen wollen Sie denn empfangen?« versetzte Banniére, der, da er nie zu Hause war und nur zurückkam, wenn Jedermann weggegangen, nicht wusste, daß seine Frau empfing.
»Ich habe meinen Plan,« sagte Olympia. »Sie werden eben so wenig Spieler bleiben, als Sie Schauspieler geblieben sind. Wechseln ist für Sie eine Notwendigkeit. Vom Novizen sind Sie Schauspieler geworden, vom Schauspieler Spieler; vom Spieler werden Sie Weltmann, was weiß ich, vielleicht Kriegsmann werden, und Sie werden so wechseln, bis Sie die letzte Verwandlung erreicht haben, bis Sie glänzender Schmetterling geworden sind.«
»Ach!« erwiderte Banniére,«bis jetzt, arme Olympia, bin ich für Sie nur die Raupe gewesen.«
»Mein Freund,« sagte Olympia, »Sie haben Geist, Bildung, Tournure, Sie sind ein ausgezeichneter Logiker, Sie sprechen gut . . .«
»Wohin des Teufels wird mich Alles dies führen, wenn ich nicht Jemand habe, der mich vorwärts bringt?«
»Es wird Sie gerade Jemand vorwärts bringen, mein lieber Joseph.«
»Und wer wird dieser Jemand sein?«
»Der Abbé d'Hoirac.«
»Der Abbé d'Hoirac?«
»Sie wissen nicht, von wem ich spreche?«
»Bei meiner Treue, nein, ist es nicht der Pfaffe, der alle Abende, wenn Sie spielten, in den äußeren Kulissen stak und mir immer aus die Füße trat.«
»Er ist es.«
»Wie! dieser beständig summende, trällernde, herumflatternde Bursche, der aussieht wie ein verrückter Maikäfer?«
»In der Tat, das hat ziemlich viel Ähnlichkeit,« sagte Olympia lachend.
»Wie! um vorwärts zukommen, muss ich mich von dieser Missgeburt protegieren lassen?«
»Ah! diesmal sind Sie ungerecht, Banniére: Maikäfer, ja; Missgeburt, nein. Der Abbé ist, im Ganzen genommen, eine reizende Puppe, und man sieht wohl, daß Sie ihn nicht angeschaut haben/'
»Dagegen,« erwiderte Banniére, der nicht wusste, wie er die Dringlichkeit seiner Geliebten nehmen sollte, »dagegen sollte man glauben, Sie haben ihn viel angeschaut.«
»Albernheiten!«
»Aber woher des Teufels kennen Sie ihn?«
»Wie ich eine Menge von Leuten kenne, die Sie nicht kennen. Alle Abende gehen Sie zum Spiele, und alle Abende bringt der Abbé o'Hoirac seine Zeit damit zu, daß er mit mir Schach spielt.«
Banniére schüttelte traurig den Kopf und erwiderte:
»Sie haben mich von der Nutzlosigkeit meiner Versuche in der Akademie überzeugt. Morgen werde ich mit dem Herrn Abbé d'Hoirac Schach spielen.«
»Und bei diesem Spiele, lieber Freund, werden Sie gewinnen, statt zu verlieren: dafür siehe ich Ihnen.«
»Er ist also ein sehr vollkommener Mann, dieser Abbé d'Hoirac?« sagte Banniére gereizt.
»Er ist kein vollkommener Mann, lieber Freund, in Betracht, daß die Vollkommenheit nicht von dieser Welt ist. Da ich aber an den Tagen, wo ich nicht spiele, auf die Gesellschaft meiner Coiffeuse10 und auf die von Claire beschränkt bin, so schien es mir, als wäre die Gesellschaft von diesem verrückten Maikäfer nicht ganz zu verachten.«
»Es ist drollig, daß ich das Verdienst des Herrn Abbé d'Hoirac nie wahrgenommen habe. Allerdings gab ich nur auf ihn Acht, wenn er mir auf die Füße trat.«
»Sie kommen immer aus diese Ungeschicklichkeit des Abbé zurück, lieber Freund; sie ist doch sehr natürlich. Der Abbé ist kurzsichtig, so kurzsichtig, daß er die Spitze seiner Nase nicht sieht. Wie soll er seine Füße sehen, welche noch viel weiter von seinen Augen entfernt sind, als seine Nasenspitze, die er nicht sieht?«
»Sie haben Recht, Olympia, und das erste Mal, wo ich wieder mit dem Abbé d'Hoirac zusammentreffe, werde ich ihm ins Gesicht schauen.«
»Wohl! Sie werden eine schöne Puppe sehen,« erwiderte ruhig Olympia, während sie in ihr Boudoir ging.
»Und wann wird der Herr Abbé kommen?« fragte Banniére. »Heute Abend?«
»Nein. Ich spiele heute Abend.«
»Morgen also?«
»Ja, morgen.«
«Um welche Stunde?«
»Um sechs Uhr, wie immer.«
»Sehr gut, Madame.«
Olympia schaute ihren Geliebten von der Seite an, zuckte die Achseln und überließ sich Ihrer Kammerjungfer.