Kitabı oku: «Olympia von Clèves», sayfa 12
XXI.
Der Abbé d'Hoirac
Es kam der Abend und mit, dem Abend die gewöhnliche Gesellschaft von Frau von Banniére.
Banniére hatte sich nicht, wie gewöhnlich, in die Akademie begeben. Er wollte durchaus den Abbé d'Hoirac sehen, von dem man ihm so viel gesprochen.
Er sah ihn aus den Schlag sechs Uhr erscheinen.
Der reizende Abbé ließ sich zuerst unten von der Treppe durch zwei Bedienten und sodann durch einen köstlichen Muscadille-Geruch ankündigen, der zum ersten Stocke aufstieg, als der Abbé den Fuß aus die erste Stufe setzte.
Hinter dem Abbé kamen zwei andere große Lackeien, welche ein ungeheures Plateau beladen mit Blumen, Musikrollen und Backwerk trugen.
Der Abbé trat mit Grazie ein; er ging allerdings mit ausgestreckten Armen, wie Einer, der blinde Kuh spielt, doch diesem Zögern gebrach es nicht an einer gewissen Annehmlichkeit.
Er hatte ein hübsches, rosiges, volles Gesicht, große, von langen Wimpern eingefasste Augen; diesen Augen fehlte es am Blitze, doch die Art, aus welche die Augenlider spielten, gaben dem Augenstern den ganzen Schimmer und die ganze Durchsichtigkeit, welche die Bewegung der Finger dem Opal gibt.
Der Abbé schloß seine Augen und öffnete seine Lippen, verbarg seinen Augenstern und zeigte seine Zähne. Er wusste geistreich genug zu lächeln, um seine aufgestülpte Nase witzig scheinen zu lassen, während sie bei einem Herrn von weniger guten Manieren und besonders von weniger gutem Hause nur albern geschienen hätte.
Seinen Gewohnheiten getreu grüßte er Olympia, indem er ihr die Hand küßte, wie man damals in Versailles eine Hand küßte, und ebenfalls aus Gewohnheit trat er mit seinen beiden Füßen aus die zwei Füße von Banniére, der ihn von zu nahe anschaute.
»Herr von Banniére«, der Herr von diesem Hause,« sagte Olympia, die sich beeilte, den Exnovizen dem Abbé Vorzustellen, um die üble Laune des Einen kurz abzuschneiden und das schlechte Gesicht des Andern zu unterstützen.
»Ah! mein Herr, ich bitte tausendmal um Verzeihung,« rief der Abbé, »ich bin ein sehr unglücklicher Mensch.«
»Ich versichere Sie, mein Herr, daß Sie mir durchaus nicht wehe gethan haben,« erwiderte Banniére.
»Ei! nein, mein Herr, nein, ich bitte Sie wahrhaftig nicht meiner unwillkürlichen Ungeschicklichkeit wegen um Verzeihung.«
»Aber warum denn, mein Herr?« fragte erstaunt Banniére, der kaum seine Schnallen abzuwischen wagte.
»Mein Herr, ich wusste nicht, daß ich die Ehre haben sollte, Sie zu sehen, und ich erlaubte mir, Frau von Banniére einige Blumen und einiges Zuckerwerk anzubieten.«
»Sehr schöne Blumen und Zuckerwerk, das mir vortrefflich zu sein scheint,« sagte Banniére.
»Es mag sein, doch es ist nicht schicklich, daß ein Anderer als Sie Madame etwas anbietet,« rief der Abbé.
»Mein Herr. . .«
»Darum, mein Herr, werden meine zwei Lackeien Alles aus dem Fenster werfen.«
»Oh! mein Herr, das wäre ein Mord,« versetzte Banniére.
»Werft, werft,« rief der Abbé.
Die Lackeien gehorchten und schütteten in der Tat das mit den Galanterien ihres Herrn beladene Plateau zum Fenster hinaus.
Banniére war sehr erstaunt über diese Handlung, deren Glanz ihn bedeutend verkleinerte.
Olympia lächelte nur. Sie war mit dem Auge den in den Raum fliegenden Blumen gefolgt und hatte ein Papier sich von einem der Sträuße losmachen sehen.
Banniére verbeugte sich wiederholt vor diesem so artigen und zugleich so prunkvollen Abbé, der es sich zur Ausgabe machte, immer zu sprechen und immer zu lächeln. Er sang Duette mit Olympia, er sang Solos, er spielte seine Viole, die sein Lackei gebracht hatte, ertrug endlich die Kosten der Unterhaltung des ganzen Abends mit einem so eifrigen Bestreben gegen Banniére, daß dieser ganz verwirrt war.
Was Olympia betrifft, so gähnte sie häufig während dieses ganzen Abends.
Häufig gab sie auch dem Herrn vom Hause ihre schönen Hände zum Küssen; mit einem Worte, sie beruhigte Banniére, wie eine würdige, redliche Frau ihren Geliebten zu beruhigen weiß.
Sie beruhigte ihn mehr, als sie es vielleicht hätte tun müssen, denn es gibt gewisse Herzen, deren Treue immer von der Furcht oder von der Sklaverei abhängt, in der man sie erhält.
Als der Abbé drei Stunden lang geflattert und nach Herzenslust die Saiten seiner Viole und die seiner Stimme zerrissen hatte, sagte er:
«Madame, ich muss Sie Wahrhaftig die Bekanntschaft eines sehr wackeren Mannes machen lassen.«
Und er lachte.
»Von wem sprechen Sie?« fragt« Olympia. »Sie besonders, Herr von Banniére,« fuhr der Abbé immer lachend fort.
»Wer ist der Mann?« fragte Banniére.«
»Sind Sie sehr religiös, Herr von Banniére?« sagte der Abbé.
»Ich?«
»Ja . . .sehr skrupulös?«
»Nun . . . mäßig. Doch warum diese Frage?«
»Ah! der wackere Mann, von dem ich rede. . .«
»Derjenige, dessen Bekanntschaft Sie uns wollen machen lassen?«
»Ja . . . es ist ein Jude,« erwiderte der Abbé.
Und er lachte fortwährend.
»Oh! Abbé, was sagen Sie da!« rief Olympia. »Ein Jude! mein Gott! wozu nützt das?«
»Ein Jude ein wackerer Mann!« sagte Banniére, mit einem etwas gezwungenen Lächeln. »Sie müssen sehr heilig sein, Herr Abbé, um ein solches Wunder gesehen zu haben.«
»Wenn Sie wüssten, was für eine reizende Perle er heute Abend an mich verkauft hat, und Wahrhaftig um nichts.«
»Ah! lassen Sie sehen, Herr Abbé rief Olympia mit der kindischen Freude, welche die Frauen an Juwelen haben.
»Ich habe sie nicht mehr,« erwiderte der Abbé.
»Was haben Sie damit gemacht?« fragte Banniére. »Lässt sich das vor einer Dame sagen?«
»Ei! mein Gott!« antwortete der Abbé mit dem einfachsten Tone, »ich glaube, ich hatte sie an einen von diesen Sträußen gebunden, und sie liegt nun wahrscheinlich irgendwo da unten in einer Gosse.«
Der Abbé sagte dies mit demselben reizenden Lächeln.
»Der Herr Abbé ist Gasconier oder Millionär,« versetzte Olympia.
»Das Eine oder das Andere,« erwiderte ruhig der Abbé«. »Ich sagte also, ich werde eines Tags meinen Juden bringen, und wenn er mit seiner vergoldeten Zunge nicht für zehntausend Thaler in einer Stunde an Sie zu verkaufen weiß, so will ich meinen Namen d'Hoirac verlieren, Madame. Das ist ein unvergleichlicher Mann.«
»Diese Perle,« dachte Banniére, »diese Perle! Es gibt also Menschen, welche reich genug sind, um so Perlen zum Fenster hinauszuwerfen? Cleopatra trank doch wenigstens die ihrige.«
Und er schaute, diesmal nicht ohne Bewunderung, die ausgestülpte Nase des Abbé an.
Dieser ging gegen zehn Uhr weg.
»Sie werden vielleicht finden, daß ich Sie heute sehr frühzeitig verlasse,« sagte er zu Olympia, »aber ich habe der Catalane versprochen, ihr Abendbrot mit den Herren d'Abenas zu geben: das sind zwei mir von ihren hohen Verwandten empfohlene Edelleute aus meiner Heimat, die ich in die Welt schleudere.«
Und während er diese Worte sprach, schaute Olympia mit Zufriedenheit das unempfindliche Gesicht von Banniére an, der tausend Tropfen von seinem Blute gegeben hätte, wenn dieser Schwätzer weggegangen gewesen wäre, daß er die Perle hätte suchen können.
Doch vor ihm hatte leider die Coiffeuse von Madame den Abbé gehört.
Diese Coiffeuse, das souveräne und despotische Orakel, machte oft Claire unterliegen, wenn es sich um hohe Theaterpolitik handelte? sie wurde gewöhnlich allen Beratungen bei gezogen, und ließ man sie dabei nicht zu, so machte sie das Versehen dadurch gut, daß sie an den Thüren horchte.
Es war also für sie genug, zu hören, was der Abbé gesagt hatte; sie wusste, daß die Straße von sechs Uhr an verödet war. Warum sollte sie, wenn sie suchte, nicht finden?
Banniére hatte sie weggehen sehen, so gut sie, als Theatergenossin, ihren Abgang verhehlt hatte. Er begriff, während er an seinen Fingern nagte, daß, wie sehr er auch mit seinen Wünschen den Abgang des Abbé beschleunigte, dieser immer noch zu spät weggehen werde.
Was uns aus den Gedanken bringt, Banniére sei zu spät weggegangen, ist der Umstand, daß an demselben Abend, indes Banniére sich auskleidete, die Coiffeuse Olympia einen Brief übergab, den sie, wie sie sagte, aus der Straße gefunden, und der nichts Anderes war, als das Bittet, das Olympia von dem Strauße hatte fliegen sehen.
Diesen Brief, so seltsam ist das Herz der Frauen! diesen Brief zu lesen wäre Olympia vielleicht nicht unangenehm gewesen, hätte die Perle nicht ein wenig Alles dies verdorben.
Während sie den Brief in ihrem Kabinett las, hörte Olympia Banniére leise die Thür seines Zimmers öffnen.
Olympia erriet, daß er diese Thür öffnete, um hinab zu gehen, und daß er hinabging, um die Perle zu suchen.
Olympia fasste eine schlimme Meinung von Banniére.
»Wohin gehen Sie, mein Freund?« fragte sie, während sie den Brief in ihr Nachtgewand steckte.
»Ich?« versetzte Banniére. »An keinen Ort. Ich wollte nur ein wenig ausgehen.«
»Sie wollten so mit bloßem Kopfe ausgehen, als Nachbar? Und warum wollten Sie ausgehen. . .«
»Um Lust zu schöpfen.«
»Bleiben Sie doch, mein Freund,« sagte Olympia. »Wahrhaftig, mein Freund, sähe Sie der Abbé heute Abend auf der Straße, er würde glauben, Sie suchen seine Perle.«
Banniére errötete, als hätte er durch den Mund von Olympia sein Gewissen reden hören. Er kehrte in sein Zimmer zurück, legte sich nieder, schlief aber schlecht. Die ganze Nacht drehte er sich in seinem Bette hin und her. Der arme Banniére träumte von Perlen und Diamanten.
Am anderen Tage aber suchte Banniére den Abbé auf der Promenade auf, wo man ihn jeden Tag traf.
Nach den unerlässlichen Umarmungen und einigen Verirrungen der Füße des Abbé auf die von Banniére, fragte dieser:
»Waren Sie vorhin nicht mit Ihrem Juden?«
»Nein.«
»Gut! es schien mir. . .«
»Ich war mit dem sardinischen Gesandten.«
»Ah! ich bitte um Verzeihung, nur ich kann solche Missgriffe machen. Einen Gesandten mit einem Juden verwechseln!«
»Sie brauchen ihn vielleicht.«
»Den sardinischen Gesandten?«
»Nein, meinen Juden.«
»Nun! ich gestehe es, da es nicht möglich ist, etwas vor Ihnen zu verbergen,« erwiderte Banniére.
»Ja, es ist wahr, trotz meiner Kurzsichtigkeit, oder vielleicht wegen meiner Kurzsichtigkeit, bin ich sehr hellsehend. Wollen Sie zufällig die Adresse dieses Juden, lieber Herr Banniére?«
»Wenn es Ihnen beliebte, würden Sie mir ein großes Vergnügen machen.«
»Jacob, Rue des Minimes, der goldenen Weide gegenüber.«
»Die goldene Weide?«
»Ja, ein großer Baum von vergoldetem Holze, er bildet einen Vorsprung am Laden eines. . . Kunstdrechslers. Ja, ich erinnere mich der Billardkugeln und der Tabaksdosen.«
»Ich danke.«
»Sie wollen etwas für Frau von Banniére kaufen?«
»Ja, doch stille.«
»Bei Gott!« sagte der Abbé. Dann, da ihm plötzlich ein Gedanke kam, fragte er:
»Haben Sie eine Sänfte?«
«Nein, ich werde eine auf dem Platze nehmen.«
»Nehmen Sie doch die meinige.«
»Oh! Herr Abbé . . .«
«Nehmen Sie doch, mein Lieber. Holla! meine Träger!«
Banniére ließ sich in die schöne Sänfte des Abbé schieben, der den Lackeien einen Wink gab.
Sobald der Mann eingepackt war, lief der Abbé spornstreichs zur Frau, welche im Theater Probe hatte.
Als er sich aber um die Straßenecke wandte, fühlte er einen so heftigen Stoß, daß er einen Schrei des Schmerzes von sich gab.
Dann, da er den Mann erkannte, an dem er sich gestoßen, gab der Abbé einen Schrei des Erstaunens von sich.
»Jacob! Ah! Schlingel, kannst Du nicht vor Dich schauen?«
»Verzeihen Sie, Herr Abbé, ich war selbst sehr in Gedanken; ich drehte mich um eine Straßenecke und hatte nicht die Ehre, Sie zu sehen.«
»Wie! Du hattest nicht die Ehre, mich zu sehen?«
»Nein, Herr Abbé.«
»Aber Du weißt wohl, daß ich das Monopol der Blindheit habe, Bursche?«
«Der Herr Abbé wird mich entschuldigen, ich wollte nicht mit ihm wetteifern, aber dieser Kasten beugte mich nieder.«
»Was Ist In diesem Kasten? gewiß Silberzeug?«
»Ja, Herr Abbé, Silberzeug.«
»Das Du verkaufen willst?«
»Nein, im Gegenteil, »das ich so eben gekauft habe.«
»Gehe rasch nach Hause, Unglücklicher! Ich habe Dir einen Kunden geschickt I Halte ihn so lange als möglich aus. Es ist ein mir befreundeter Edelmann, der Dir so viel, als dieser Kasten wert ist, abkaufen wird. Laß sehen, der Kasten ist hübsch, wie mir scheint.«
»Ich glaube wohl, schauen Sie ihn an; wenn man den Namenszug ändern würde, wäre das etwas für Sie, Herr Abbé«
Und er hob den Kasten bis zur Höhe der Augen des Abbé empor.
»Was für ein Namenszug ist es?« fragte der Abbé; »ein O und ein C.«
»Oh! ohne Zweifel der Namenszug irgend eines Liebhabers, der den Kasten der Schauspielerin geschenkt haben wird.«
»Der Schauspielerin, sagst Du? Du hast den Kasten also einer Schauspielerin abgekauft?«
»Ja, Herr Abbé, Frau von Banniére.«
»Oh! Jacob, was sagst Du mir da? Wie! Frau von Banniére verkauft ihr Silberzeug?«
»Wie Sie sehen, Herr Abbé.«
Der Abbé nahm den Kasten aus den Händen des Juden und ließ ihn beinahe fallen, so schwer war er.
»Wie teuer hast Du das gekauft?« fragte der Abbé. »Sprich, aber lüge nicht.«
»Um zweihundert Pistolen, Herr Abbé.«
»Elender! Du hast um die Hälfte betrogen. Es ist für vierhundert Pistolen Silberzeug in diesem Kasten. Lass ihn zu mir tragen.«
»Sie kaufen ihn?«
»Um dreihundert Pistolen.«
»Dreihundert Pistolen, Herr Abbé, das ist nicht genug; Sie haben den Kasten selbst zu vierhundert geschätzt.«
»Unverschämter Schurke! ich gebe Dir hundert Pistolen Nutzen von einer Hand in die andere, und Du bist nicht zufrieden?«
»Oh! die Zeiten sind so schlecht.«
»Wohl an!, trage den Kasten zu mir.«
»Ich gebe, Herr Abbé,« sagte der Jude; und er machte eine Bewegung, um sich zu entfernen.
»Warte noch.«
»Ich warte, Herr Abbé;« und der Jude blieb stehen.
»Sage mir, wie Du die Bekanntschaft dieser Dame gemacht hast?«
»Durch ihre Coiffeuse.«
»Ah! es ist eine Coiffeuse da! ich habe sie noch nicht gesehen; es ist wahr, ich sehe nichts. Halte meinen Freund recht lange aus. Vorwärts!« rief der Abbé.
Und er ging nach dem Theater und sagte: »Jude, Coiffeuse, Gatte, Silberzeug verkauft, Juwelen gekauft; Alles dies geht wie aus Rädchen.«
XXII.
Der Ring von Herrn von Mailly
Banniére hatte nichts bei dem Juden Jacob zu kaufen; aber er hatte viel zu verkaufen.
Er verkaufte alle Juwelen, die ihm Olympia geschenkt, und selbst die, welche er Olympia geschenkt hatte.
Er verkaufte für fünfhundert Louis d'or, die er in seine Tasche steckte.
Er hatte ein Spiel, ein sicheres Spiel, eine unfehlbare Martingale gesunden; doch um sie vorteilhaft zu unterstützen, hätte er müssen über achthundert Louis d'or verfügen können, und Banniére besaß nur fünfhundert.
Mit achthundert Louis d'or wäre er zwei Millionen zu gewinnen versichert gewesen.
Aus zwölftausend Livres beschränkt, seufzte Banniére bei dem Gedanken, er werde für seine theure Olympia nur eine elende Summe von elfmal hunderttausend Livres gewinnen.
Das war wenig, doch bei einiger Sparsamkeit würden, so wenig es war, diese elfmal hunderttausend Livres die Haushaltung ohne Abbé, ohne Coiffeuse und ohne Genossen beim Theater fünf bis zehn Jahre fortführen lassen.
Banniére sagte sich, im Ganzen seien elfmal hunderttausend Livres ein schöner Pfennig, in Gold würde das kaum in zehn Abbéhüten, welche die größten von allen Hüten sind, Raum haben.
Hätte er dieses Gold gewonnen, was das Geringste, war, da seine Berechnung nicht fehlen konnte, so würde er es einem starken Kommissionär, zur Not Zweien, auf den Rücken laden, die Säcke in das Zimmer von Olympia tragen lassen, sie während ihrer Abwesenheit ausleeren, den Teppich damit bestreuen und sie ihre hübschen nackten Füße bis an die Knöchel In dieses kalte Bad mit den rötlichgelben Wellen tauchen machen.
Es war an diesem Abend zahlreiche Gesellschaft in der Akademie; Banniére setzte sich zerstreut an den ersten Platz, den er fand; sein Sack mit den Louis d'or war unter seiner Hand.
Er nahm eine Karte und fing an sein Spiel zu stechen.
Als alle seine Berechnungen gemacht waren, begann er zu spielen.
Die Berechnungen waren gut, wie es scheint; Banniére gewann.
In dem Augenblick, wo er ungefähr zwanzig Louis d'or an sich zog, erregte der freudige Ausruf einer Frau seine Aufmerksamkeit. Er schaute und erkannte die Catalane, welche ihm gegenüber und gegen ihn pointierte.
Diese Frau lachte, wenn sie gewann, sie lachte, wenn sie verlor, sie lachte immer.
Das war gerade wie der Abbé: nur lachte sie lauter als er.
Banniére gewann immer, die Catalane pointierte immer. Banniére gewann schon eine Summe von fünfhundert Louis d'or. Die Catalane hatte Alles bis aus ihren letzten Louis d'or verloren.
Sie borgte zehn Louisd'or von ihrem Nachbar, gerade wie es die Zerstreuung tut, und fuhr fort, ihre zehn Louis d'or mit derselben Heiterkeit zu verlieren.
Dann zehn andere Louis d'or, die sie auch verlor, während Banniére immer gewann.
Unwillig, wechselte sie den Platz und legte ihre beiden fleischigen Hände aus die Schultern von Banniére, ohne daß dieser nur auf sie merkte.
Sie reizte ihn, sie neckte ihn, sie küßte ihn.
Aber Banniére war kalt wie die gelben Stücke, die der Banquier traurig mit seinem Rechen gegen ihn schob.
Es kam ein Coup, auf den Banniére rechnete, um dreihundert Louis d'or zu gewinnen.
Er zählte darauf, daß Schwarz herauskomme, und spielte aus Schwarz.
Roth kam heraus.
Die Catalane schlug ein Gelächter aus.
Banniére schaute sie von der Seite an und sagte:
»Sie stören mich, meine Liebe; ich bitte, nehmen Sie sich in Acht.«
Den folgenden Coup verlor er auch.
Das waren sechshundert Louis d'or auf zweimal.
Er verdoppelte und verlor aus einen Coup, den er für unfehlbar hielt.
Dann schüttelte er seine Schultern, um die Hände der Catalane zu vertreiben, und sagte:
»Zum Teufel! Sie bringen mir Ihr Unglück.«
Das beleidigte schöne Mädchen wich einen Schritt zurück.
Banniére verlor noch zweimal. Das war ein unerhörtes Missgeschick.
Es blieben ihm noch hundert Louis d'or: er wagte sie aus einen einzigen Coup und verlor sie, wie die anderen.
»Leihen Sie mir einen Louis d'or,« sagte er sehr bleich zu der Schauspielerin.
»Einen Luis d'or?« erwiderte diese; »wenn ich noch einen hätte, er, würde ich selbst darum spielen. Seit einer halben Stunde habe ich keinen Sou mehr.«
Banniére stand, die Stirne leichenblass, das Gesicht in Schweiß gebadet, mit verwirrtem Kopfe auf und verließ den Saal, um zu atmen.
Sein Kopf war brennend. Er kehrte zu Olympia zurück, die ihn an ihrem Fenster erwartete.
Nach der Art, wie Banniére die Catalane zurückgestoßen, hätte man glauben sollen, er sei leidenschaftlich in Olympia verliebt.
Nach der Art, wie er die Fragen von Olympia aufnahm, hätte man glaubt, er sei in eine ganz andere Frau verliebt.
Als sie dies sah, fragte ihn Olympia mit ihrer gewöhnlichen Freundlichkeit:
»Sollten Sie Durst, haben, mein Lieber?«
»Durst! und warum dies?« versetzte Banniére schreiend wie ein Wütender. »Bin ich denn ein Trunkenbold?«
»Die Spieler sind gewöhnlich keine Trunkenbolde,« erwiderte Olympia: »doch sie spielen, und indem sie spielen, bekommen sie Durst, besonders wenn sie verlieren. Nicht wahr, Sie haben verloren.«
Banniére sank auf einen Stuhl, nahm seinen Kopf zwischen seine beiden Hände und rief;
»Oh! Sie wissen es wohl.«
Olympia winkte Claire und diese ging hinaus.
Die Coiffeuse aber, welche sich im Ankleidecabinet befand, verhielt sich ruhig, wodurch ihre Gebieterin vergaß, daß sie da war.
Nach den Worten, welche die zwei Liebenden mit einander gesprochen hatten, trat ein Stillschweigen ein.
Dieses Stillschweigen lastete aus Banniére, und dennoch wagte er nicht, es zu brechen.
Er schlug einen Mittelweg ein, stand auf und ging im Zimmer auf und ab.
»Wie viel haben Sie verloren?« fragte ihn Olympia mit Ruhe.
»Sechzigtausend Livres!« erwiderte in Verzweiflung Banniére, der dem Einsatze die gewonnene Summe beifügte und so aus Allem einen einzigen Verlust machte.
»Ho! ho!« rief Olympia; »woher haben Sie denn sechzigtausend Livres genommen? und wenn Sie so viel hatten, so frage ich Sie, warum Sie damit spielten? Sechzigtausend Livres, das ist so schön! Ich fühle die ganze Bedeutung dieser Summe, ich, die ich in den Tagen meines größten Glückes nicht die Hälfte davon hatte.«
»Gut,« rief Banniére, rasch den Vorwand aufgreifend, »sagen Sie mir harte Dinge, werfen Sie mir vor, ich habe Sie zu Grunde gerichtet.«
»Ich tue das nicht, mein Freund, doch wenn ich es täte, hätte ich vielleicht nicht so sehr Unrecht, besonders wenn dieser Vorwurf Sie bessern könnte.«
»Ei! Madame,« erwiderte Banniére, weinend vor Wut,«wenn Sie zu unglücklich sind, wird Sie.der Herr Abbé d'Hoirac trösten; wenn Sie sich zu arm finden, wird Sie der Herr Abbé d'Hoirac bereichern.«
Olympia ließ den kleinen trockenen Husten hören, der bei den nervösen Leuten gewöhnlich das Symptom einer heftigen, durch den Willen allein bewältigten Gereiztheit ist.
»Warum der Abbé d' Hoirac?« fragte sie.
»Weil er abermals heute Abend hier gewesen ist.«
«Woran sehe Sie dies?«
»Ich sehe es nicht, ich rieche es an den Parfüms, welche die Luft verpesten,« erwiderte Banniére.
Und er öffnete eine Thür und ein Fenster.
»Ei ist sonderbar, daß Sie sich an den armen Abbé d'Hoirac halten, weil Sie sechzigtausend Livres verloren haben,« sagte Olympia lachend. »Und dann. . . Sie erklären mir nicht, woher Sie so viel Geld genommen haben können.«
»Madame,« rief Banniére, »wenn je der Abbé wieder einen Fuß hierher setzt . . .«
»Ich glaube, Sie drohen!« rief Olympia mit einer Majestät, welche Banniére erschreckte.
Und sie stand auf und fügte bei:
»Mein Freund, Sie wissen nicht, was Sie reden! der Verlust hat Ihr Gehirn ganz und gar in Verwirrung gebracht.«
»Madame!«
»Haben Sie noch etwas zum Spielen?«
»Oh!« murmelte er, »sie glaubt, es sei das Spiel!, sie sieht nicht mal, daß ich eifersüchtig bin!«
Olympia hatte nicht gehört.
«Ich begreife,« sagte sie, »Sie müssen etwas zum Spielen oder zum Brechen haben. Soll ich Sie mein Herz brechen lassen? Nein, Banniére, ich will lieber meine letzte Perle, als meine letzte Illusion verlieren. Ich würde Ihnen mein Silberzeug anbieten, doch ich habe es heute verkauft, um ein Semester unserer Miete zu bezahlen.«
»Nun! und dann?« fragte Banniére.
»Dann bleibt mir der Ring von Herrn von Mailly. Es ist das letzte Andenken von einem Manne, der mich viel geliebt, zuweilen angebetet, nie beleidigt hat. Ich habe mich geweigert, Ihnen diesen Ring zu geben, doch heute biete ich Ihnen denselben an. Nehmen Sie ihn doch und gewähren Sie mir dagegen die Ruhe.«
Wegen dieses Ringes hatte, wie man sich erinnert, der erste Eifersuchtsstreit zwischen den zwei Liebenden statt gehabt.
»Nein!« rief Banniére, die junge Frau zurückhaltend, welche aufstand, um das Anerbieten auszuführen, das sie ihm gemacht hatte; »nein!«
»Doch! Doch!« erwiderte die junge Frau.
»Nein! liebe Olympia, nein!« rief Banniére, indem er sich an sie anhing; »nein! ich beschwöre Sie, nein! holen Sie diesen Ring nicht.«
»Warum nicht?« erwiderte Olympia beharrlich; »er ist hundert Louisd'or wert; Sie werden damit spielen, Sie werden sie verlieren, und es wird Ihnen die Befriedigung zu Teil werden, zwei und sechzigtausend vierhundert Livres wie ein vornehmer Mann verloren zu haben.«
Und während sie diese Worte sprach, machte sie sich von Banniére los, ging an ihr Schmuckkästchen, trotz seiner dringenden Bitten, trotz seiner Anstrengungen, um sie zurückzuhalten, und seiner abgebrochenen Worte, die sie nicht hören wollte.
Olympia hatte Willen und Stärke; sie stieß den jungen Mann zum zweiten Male zurück und öffnete ihr Kästchen.
Banniére gab einen halb erstickten Schrei von sich.
Ohne sich mehr um diesen Schrei zu bekümmern, als sie sich um das Übrige bekümmert halte, drückte Olympia auf die Feder, welche den doppelten Boden schloß, und der verborgene Winkel öffnete sich.
Er war leer.
Ihre Bestürzung, ihre Blässe, der seltsame Blitz, der aus ihren Augen hervorsprang und sich verwandelte, um von der Wut zur Verachtung übergehend zu Banniére zu gelangen, das sind von jenen Nuancen, welche der Maler, der Dichter nicht wiederzugeben vermögen.
Olympia ließ den Deckel des Kästchens, und auf den Deckel des Kästchens ihre Hand zurückfallen.
Dann entwaffnete sich allmählich ihr Blick: es war etwas in ihr gestorben.
Banniére stürzte vor ihr nieder, umfasste ihre Knie und rief weinend:
»Verzeihung, Olympia, Verzeihung! ich habe den Ring genommen, wie ich Ihre übrigen Juwelen, wie ich die meinigen genommen habe; ich liebte diesen Ring nicht, er machte mir das Leben unerträglich, denn die Eifersucht ist noch unerträglicher, als die Armut.«
Olympia erwiderte nichts; sie wandte sich ab und hielt, wie Dido, fortwährend ihre Augen aus den Boden geheftet.
»Oh! Mitleid!« sagte der Unglückliche. »Glauben Sie, ich habe den Ring genommen, um ihn zu verkaufen und mich mit dem Ertrage zu belustigen? Nein, ich habe ihn verkauft, um zu spielen. Warum spielte ich? Um zu gewinnen . . . gewinnen, um Olympia, meine Gottheit, mein Leben zu bereichern! Ich wollte eine Krone gewinnen, um Sie zur Königin zu machen, Olympia. Ich glaubte, ich werde gewinnen, weil mir nichts fähig scheint, meiner Liebe und dem Willen dieser Liebe zu widerstehen, nicht einmal das Verhängnis. Oh! beklagen Sie mich! das Schicksal ist eine Bildsäule mit einem ehernen Piedestal, an dem die tollen Hoffnungen seiner Anbeter anstoßen und zurückspringen. O! wenn Sie wüssten! Ich hatte schon sechstausend Livres gewonnen! Ich hätte fünfmal hunderttausend gewonnen! Ich hätte eine Million in vier Stunden gewonnen! Oh! mein teures Leben, wenn Sie vorhin, vor kaum einer Stunde gesehen hätten! ich hielt vor mir einen Haufen Gold, und das Glück begann, und ich war im Begriff, aus diesem Haufen einen Berg zu machen: es war so schön, als dies immer größer wurde! Plötzlich zog ein Hauch zwischen mir und der Feenwelt durch, in der ich mein Glück erschaute. Das Portal mit den goldenen Säulen verschwand, die Grotte mit den Schätzen verschleierte sich; ich verlor die Spur des Genius, der mich führte; ich vermochte nicht mehr in meinem Geschicke zu lesen; Alles verfinsterte sich, erlosch, wie wenn der Vorhang nach einer heißen, glühenden Vorstellung fällt. Da versank ich in die kalten, schauernden Bangigkeiten des gemeinen Menschen, des Menschen, der Furcht hat und Zweifelt. All mein Gold zerfloss Flocken um Flocken, wie eine Wolke, die sich am Himmel zerreißt, wie ein Schnee, der in der lauen Aprilsonne zerschmilzt: Und bei jedem Stücke, das mich verließ, fühlte ich eine Hoffnung, eine Freude, eine Wonne mich verlassen. Als Alles verloren war, begriff ich zum ersten Mal mein Elend; denn was ich in Wirklichkeit verloren hatte, war weder das Gold, noch die Hoffnung, noch die Freude, noch das Glück: was ich verloren hatte, das waren Sie, Olympia! Siel ja, Sie! denn ich sehe wohl, daß ich Sie verloren habe!«
Beim Anblick dieses Schmerzes, der gerade in seiner Exaltation eine so tiefe Beredsamkeit schöpfte, beim Anblick dieser Verzweiflung, die sich zu ihren Füßen krümmte, richtete Olympia den Kopf wieder auf und ließ ihr Herz sich mit einem edlen Vergessen füllen.
Sie hatte sich überzeugt, daß der Mensch, der diese schlimmen Handlung begangen, nur der Liebe schuldig war.
Immer großmütig, immer unfähig zu kleinlichen Berechnungen, nahm Olympia die beiden Hände von Banniére, drückte sie an ihr Herz und küßte ihn innig.
Bei dieser Kundgebung einer Rückkehr zur Zärtlichkeit, stieß die Coiffeuse mit Heftigkeit die Thür des Kabinetts auf und kam heraus, ohne ihre üble Laune zu verbergen, aus welche indessen die beiden jungen Leute durchaus nicht Acht gaben, denn sie hatten wieder ein freundliches, süßes Blatt in dem düsteren Buche ihrer Liebe gefunden.