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Kitabı oku: «Olympia von Clèves», sayfa 4

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»Mein Vater . . .«'

»Oh! das ist auch zulässig. wie mir scheint!«

Banniére bebte, als er den ehrwürdigen Pater kalt diese erschrecklichen Prämissen stellen sah; er erriet, mit Hilfe einer unbekannten Beweisführung, deren Stärke er aber zum Voraus zu schätzen vermochte, würde Mordon seinen Gegner niederwerfen, wie jene geschickten Ringer, die sich an irgend einer Stelle packen lassen, um den Feind anzulocken und ihn dann um so leichter zu bemeistern.

Banniére hauchte auch mehr, als er sie sprach, die Worte:

»Ja, das ist zugegeben.«

»Sehr gut,« erwiderte der Jesuit; »wir sagen also, während Sie bei der Gesellschaft der Jesuiten seien, werden Sie durch das Gewerbe des Schauspielers verführt.

»Mein Vater, ich bin nur Noviz,« entgegnete Banniére hastig.

»Noviz, um Jesuit zu werden, ist gerade, als ob wir sagten Jesuit, da wir durch Anticipirung schließen und die Zukunft an die Stelle der Gegenwart setzen.«

Banniére seufzte und ließ den Kopf sinken.

»Ich sage also, Sie seien durch Ihre Verwandten bestimmt, in den Orden einzutreten,« fuhr der Superior fort, »aber Sie treten ohne Zweifel nicht in denselben im, ohne zum Voraus zu wissen, was die mit diesem Jesuitentitel verbundenen Vorteil und Nachteile sind. Da Sie indessen nicht vollständig unterrichtet sein könnten, mein Sohn, so will Ich Ihnen selbst kurz die einen und die anderen analysieren. . . Hören Sie, mein Sohn?«

»Ja, mein Vater, »ich höre,« antwortete Banniére, der sich aus den Tisch stützte, um nicht zu fallen.

»Die Nachteile sind der Zölibat, die kanonische Armut und die disziplinarische Demut!« fuhr der Superior fort. »Sie begreifen mich wohl, nicht wahr?«

»Vollkommen, mein Vater.«

»Die Vorteil sind die Assoziation, die Unterstützung beinahe aller menschlichen Intelligenzen in Tätigkeit gesetzt durch ein verborgenes, stets mit der Existenz und dem inneren Glücke jedes Affilierten eng verbundenes Interesse, da unsere Konstitutionen so sind, daß der einfache Gesellschaftsgenosse nie Güter besitzt, ohne daß die ganze Gesellschaft in moralischer wie in physischer Hinsicht daran Teil hat. Sie begreifen immer, nicht wahr, mein Sohn?«

»Vollkommen, mein Vater/«

»Es folgt hieraus, daß das Glück von Jedem von uns im Verhältnis steht zu dem Glücke, das wir Allen verschaffen und reciproce. Unter dem Worte Glück begreife ich zwei Worte: Wohlstand und Ruhm, Worte, welche die Haupttriebfedern aller Organisationen sind: Wohlstand, die Triebfeder der materiellen Organisationen, Ruhm, die Triebfeder der Idealistischen Organisationen. Ich füge dem, indem ich mich zusammenfasse, bei, daß jeder Jesuit um so mehr von der Gesellschaft auserwählt und geehrt ist, je mehr er Wohlstand und Ruhm der Gesellschaft selbst verschafft, und daß die Gesellschaft um so mehr Ruhm und Wohlstand hat, je mehr sie ehrenwerte und glückliche Subjekte enthält. Für den Jesuiten handelt es sich also darum, nützlich zu sein, um geschätzt zu werden; ist er einmal geschätzt, so wird er belohnt.«

»Ich begreife fortwährend, mein ehrwürdiger Vater,« sagte der junge Mann, als er sah, daß der Superior eine Pause der Erwartung machte.

»Wahnsinnig,« fuhr der Pater Morden fort, »wahnsinnig wären nun die Directoren einer Gesellschaft, wenn sie, den Zweck ihrer Gründung vergessend, es vernachlässigen würden, . über alle Zweige dieses Frucht tragenden Baumes, der das Glück und den Ruhm erzeugt, die verschiedenartig geschickten Hände aller im heiligen Namen Jesu verbundenen Leute auszustrecken. Es genügt, um die Oberen zu erleuchten, welche, wie Sie wissen, immer unter den Kapazitäten gewählt werden, es genügt, ihnen bemerkbar zu machen, nicht nur, daß alle Menschen mit Verschiedenheiten von Anlagen geboren werden, sondern daß Alle, von den Kleinsten bis zu den Größten, irgend eine Fähigkeit haben, da es im Naturgesetze liegt, daß jede Sache oder jedes Wesen aus der Welt seinen Nutzen in sich trägt. Schlimm ist es für diejenigen, welche nicht benützen und nicht benutzt werden; so sterben oft an Leere, Kälte, Vereinzelung die befruchtbaren oder befruchtenden Keime, welche der Wind den Pflanzen oder den Bäumen entführt, um sie aus unkultiviertes Land zu werfen. Aber bei uns, mein Sohn, bei uns, die wir alle Anlagen und Fähigkeiten, zu unterscheiden und aus allen Nutzen zu ziehen wissen, bei uns gibt es keine Leere, keine Kälte, keine Vereinzelung. Jeder Keim ist für uns gut, denn aus jedem Keime ziehen wir den Nutzen, sicher, ihn Frucht tragend anzuwenden. Ich, der ich Vorgesetzter von einer Anzahl Geister und Seelen hin, ich erkläre Ihnen, daß ich durchaus nicht in Verlegenheit gerate über diese Verschiedenheit der Anlagen, die sich unter meinen Händen erschließen, und daß ich ebenso gern in diesem Garten der Intelligenz, der mir anvertraut worden ist, einen Gelehrten, als einen Dichter, einen Ingenieur, als einen Musiker, einen Mathematiker, als einen Künstler blühen sehe. Sie können, da Sie es stark wollen, ein geschickter Schauspieler werden; gut, ich gebe meine Einwilligung dazu; werden Sie also Schauspieler, wenn Sie Ihr Temperament dazu antreibt, wenn es ihr Beruf heischt.«

»Aber dann, mein Vater, bin ich nicht mehr Noviz,« rief Banniére ganz betäubt vor Freude; »ich studiere nicht mehr, ich verlasse die Jesuiten.«

»Warum dies?

»Weil das Leben des Schauspielers, unverträglich mit dem Leben des Klausners ist, weil der Eine ein mit dem Kirchenbann belegter, zum Voraus für die Hölle bestimmter Gottloser und der Andere eine heilige, zum Voraus für die Kanonisierung bestimmte Person ist. Ich muss wählen, das fühle ich wohl, da man nicht zugleich zweien Herren dienen kann. Sie sind so gut, mir die Freiheit zu lassen, mein Vater; wohl denn, ich gestehe Ihnen, daß die frische Lust, die Übungen der Gebärde, das Studium der Eindrücke des Publikums für mich beherrschende Reize, unwiderstehliche Anziehungskräfte haben.«

»Gut, sehr gut, mein Sohn.«

«Und daß ich dann die Jesuiten verlassen werde, um mich beharrlich den Übungen meines neuen Standes zu widmen.«

»Die Jesuiten verlassen?« versetzte der ehrwürdige Pater mit ruhigem Tone; »ich bitte, warum dies?«

Banniére schaute den Superior mit Erstaunen an.

»Wie, mein Vater,« sagte er, »Sie würden wollen, daß ich halb im Theater, halb im Kloster lebe, einen Fuß aus der Szene, den andern in der Kirche? Das ist ja unmöglich, mein Vater! das wäre eine Ruchlosigkeit, wie mir scheint.«

»Ich sage Ihnen das aber ganz und gar nicht, mein Sohn: die Jesuiten verlassen, das wäre nicht nur Undank, sondern Albernheit.«

»Sie also nicht verlassen . . . Entschuldigen Sie, mein Vater, mein Geist ist ohne Zweifel verwirrt, denn Wahrhaftig, ich verstehe nicht recht,« sagte der unglückliche Noviz, der sich aus dem allmählich durch die hinterhältige Dialektik des Superior heiß gemachten Rost krümmte.

»Es kann doch nichts leichter zu begreifen sein, mein Sohn; denn nichts ist klarer, und wenige Worte werden genügen, um Ihnen zu beweisen, daß die volle Vernunft aus meiner Seite ist. Ich bitte, geben Sie nur die Definition des Schauspielers.«

»Mein Vater,« erwiderte Banniére, Anfangs verlegen, »der Schauspieler . . der Schauspieler . . . .«

»Sagen Sie es, mein Sohn, sagen Sie es.«

»Das ist ein Mensch, der öffentlich spricht.«

»Gut. Der öffentlich spricht, behalten wir das.«

»Mein Gott! mein Gott! was will er denn von mir mit den Fußangeln, die er mir legt?« murmelte Banniére.

»Fahren Sie fort in Ihrer Definition des Schauspielers,« sprach Mordon.

»Nun denn! der Schauspieler, mein Vater, ist ein Mensch, der vor den um ihn zu hören versammelten Leuten die schönsten Gemeinsprüche vorträgt, welche die Moral über die Tugenden und die Lager, über die Verbrechen und die Strafen, über die Schwächen und über die Leidenschaften liefern kann.«

»Sehr gut,« sagte Mordon, der jedes der Worte der Definition mit niedergeschlagenen Augen, mit zu« stimmendem Nicken des Kopfes und einer völlig billigenden Pantomime verfolgt und wiederholt hatte.

»Der Schauspieler,« sprach Banniére, »ist endlich derjenige, welcher in einem Kostüme, das geeignet ist, sein Äußeres geltend zu machen, dem Publikum Gemütsbewegungen einflößt, deren Zweck es ist, zu gefallen, zu unterrichten, zu bessern.«

»Das ist wohl Alles, nicht wahr?« fragte Mordon.

»Ich sehe nichts Anderes,« erwiderte Banniére, dem es bei dieser Billigung unbehaglicher war, als es ihm bei einem Streite gewesen wäre.

»Nun, mein Sohn,« sprach Mordon, »Ich hatte Recht, als ich Ihnen die Versicherung gab, Sie können vollkommen Alles das tun, was Sie gesagt haben, ohne die Gesellschaft Jesu zu verlassen. Ich werde weiter gehen: bei dem Berufe, den Sie zeigen, um alle die Resultate herbeizuführen, welche Sie selbst bezeichnet haben, könnten Sie sich unmöglich zurückziehen, ohne die Gesellschaft einer bedeutenden Summe von Ruhm und Wohlfahrt zu berauben. Darum, mein lieber Sohn, werden Sie nicht aus ihrem Schoße treten.«

»Aber, mein Vater,« entgegnete erschrocken über diese furchtbare Nachsicht Banniére, bei dem die Geduld, wenn auch nicht Beharrlichkeit und Beruf, ein Ende erreicht hatte, »man hat nie einen Jesuiten als Schauspieler gesehen.«

»Nie hat man einen Jesuiten als Schauspieler gesehen, das ist wahr, »erwiderte Mordon phlegmatisch, »doch man hat Jesuiten als Prediger gesehen. Warum sollten Sie nicht ein Prediger, und zwar ein ausgezeichneter Prediger sein?«

»Ich, Prediger!« rief Banniére erstaunt, indem er aus jede Sylbe einen besonderen Nachdruck legte.

»Allerdings; mir scheint, Sie haben selbst vor einem Augenblick mit Meisterhand das Portrait des Predigers gezeichnet.«

»Ich?«

»Ganz gewiß, Sie.«

»Des Schauspielers!«

»Oder des Predigers. Lassen Sie mich Wort für Wort Ihre Definition wiederholen.«

»1. Ein Mensch, der öffentlich spricht.

»Die Prediger sprechen öffentlich, wie mir scheint.

»2. Ein Mensch, der vor den um ihn zu hören versammelten Leuten die schönsten Gemeinsprüche vorträgt, welche die Moral über die Tugenden und über die Laster, über die Verbrechen und die Strafen, über die Schwächen und die Leidenschaften liefern kann.

»Mein lieber Sohn, ich glaube, daß die Prediger nichts Anderes tun.

»3. Der Mensch, der in einem Kostüme, das geeignet Ist, sein Äußeres geltend zu machen, dem Publikum Gemütsbewegungen einflößt, deren Zweck es ist, zu unterrichten, zu gefallen und zu bessern.

»Das ist Ihre dreifache Definition; Sie sehen, daß ich sie wohl behalten habe, mein Sohn, da ich nicht ein Wort daran ändere. Würde aber je eine Definition richtig aus Jemand angewendet, so ist es die Ihrige, mein Sohn, aus den Prediger angewandt. In der Tat, in die priesterliche Tracht gekleidet, welche die edelste, die imposanteste und am meisten geeignet ist, um die äußeren Vorzüge eines schönen Mannes geltend zu machen decente Vorzüge, wir setzen nie andere voraus, nicht wahr, mein Sohn? die Haare, wohl geglättet, die Hand halb verloren unter dem Spitzenärmel, kann der Prediger, wenn er angenehm von Gesicht ist, wie Herr von Fénelon war, die glücklichsten Eindrücke aus eine Versammlung hervorbringen. Ich sage nicht, merken Sie sich das wohl, mein lieber Sohn, ich sage nicht, ich billige die Gefühle und die Theologie von Herrn von Fénelon. Nein, ich bin im Gegenteil weit hiervon entfernt, sondern ich spreche nur vom Auftreten. Es ist also allen Punkten Ihrer Definition Genüge geleistet, und ich erwarte Ihre Antwort.«

»Verzeihen Sie, mein Ehrwürdiger,« erwiderte Banniére, »ich glaubte, indem ich Ihnen so aufrichtig antwortete, Sie von meinem Berufe, Schauspieler zu werden, zu überzeugen.«

»Oder Prediger, mein Sohn. Ich habe wohl verstanden.«

»Aber, mein Vater, was Sie auch sagen mögen, das ist nicht dasselbe.«

»Durchaus dasselbe, nach Ihren Definitionen wenigstens, mein Sohn, und nach eben diesen Definitionen, wenn die wahre zu Gunsten von irgend Einem ist, so ist sie zu Gunsten des Predigers.«

»Aber, mein Vater, lassen Sie mich doch meine Definition vollenden;« rief Banniére.

»Oh! sehr gern, mein Sohn; vollenden Sie immerhin.«

»Ich füge also bei,« sagte Banniére mit dem naiven Triumph eines jungen Lammes, das für den Augenblick dem Zahn des Wolfes entwischt ist, »ich füge bei, daß der Schauspieler derjenige ist, welcher geschichtliche Stücke, Werke spielt, die Großtaten darstellen, an Ereignisse erinnern, durch die das Angesicht der Welt verändert worden ist.«

»Hierbei halte ich Sie fest,« sprach ruhig der Pater Mordon. »Mein Sohn, Sie haben in der Tat mit einem sehr merkwürdigen Pinselstrich das Gemälde des Predigers vollendet, und ich wünsche Ihnen aufrichtig hierzu Glück.«

»Wie!« rief Banniére niedergeschmettert.

»Wollen Sie, mir doch gefälligst sagen, welches Stück, welches Trauerspiel, welches Drama mit einem Wort, was den Stil, das Interesse der Triebfedern, den Umfang der Ereignisse, die Entwickelung, die Einzelheiten der Situationen betrifft, sich mit den Leiden unseres Herrn Jesu Christi vergleichen lässt. Stellen Sie sich vor, Sie seien aus der Kanzel, und Sie ganz allein, der einzige Schauspieler, hören Sie wohl, ohne Vorgesetzten und ohne Teilung, beauftragt, diesen erhabenen Act zu verdolmetschen, wo der Himmel, um die Erde zu erlösen, ihr den Sohn seines Gottes leiht, stellen Sie sich vor, Sie repräsentieren die Schwankungen von Pontius Pilatus, die Ränke von Kaiphas, den Haß der Pharisäer, die Abtrünnigkeit von Petrus, sprechen Sie, kennen Sie im Theater von Corneille und Racine, im englischen Theater von Shakespeare und Johnson, im Theater der alten griechischen Meister, eine wunderbarere Szene, einen göttlicheren Monolog, als die Meditation von Jesus im Ölgarten, eine prächtigere, pittoresker Inszenierung, als die Gefangennehmung unseres Herrn in eben diesem Garten?

«Wo lassen sich großartigere Schauspiele finden, als das Urteil des hohen Rats, lyrischer und von einem höheren moralischen Werte, als die Zusammenstellung von Jesus mit Barnabas? Fügen Sie diesem die Entwickelung von jeder dieser Martern mit ihrem religiösen und moralischen Sinne bei . . . Endlich die Kreuzschleppung, inmitten der frommen Frauen, mit ihren Stationen und Ohnmachten . . . Und die Kreuzigung selbst, mein Sohn, und die Erzählung ohne Gleichen, neben der die Erzählung von Theramenes oder die von Ulysses, oder sogar die im alten Aeschylos, diesem großen Meister, von der Schlacht bei Salamis kaum schätzbar sind. Dies, mein teuerster Sohn, dies ist eine Tragödie, wo die Laster und die Leidenschaften in Tätigkeit gesetzt sind. Dies ist ein geschichtliches Werk, dies ist ein Ereignis, welches das Angesicht der Welt verändert, ein Drama, in welchem Sie, wenn Sie wollen, die Hauptrolle, die einzige Rolle spielen werden, zum Beifall der Gesellschaft, zum Beifall der Welt, vor Königen und Königinnen, wenn es Ihnen gut dünkt, und mit der Aussicht auf ein Bistum, auf ein Erzbistum, aus einen Kardinalshut sogar, der päpstlichen Tiara, einer Zweifelhaften, aber möglichen Chance, nicht zu erwähnen, aus welche meines Wissens nie ein Schauspiel« hat rechnen können.

Nach diesen Worten, während welcher sich der ehrwürdige Pater, nach der oratorischen Gewohnheit, einen Redeschluss zu erwärmen, ein wenig belebt hatte, schlug er seine Augenlider auf, öffnete seine Augen in ihrer ganzen Größe und umhüllte den Novizen mit den gekreuzten Strahlen, welche daraus hervorsprangen.

Aber gereizt durch all diesen Widerstand, verletzt durch diese finsteren Umwege, auf denen ihn die hinterlistige Beredsamkeit von Mordon umher geführt hatte, rief Banniére:

»Mein Vater, weder die Kirche, noch die Kanzel, noch die Predigt reißen meinen Geist fort; ich bin nicht empfänglich für den Beifall einer frommen Menge; mein unglücklicher, verhängnisvoller, verdammter Beruf zieht mich zu profanen Dingen hin: mein Streben ist, Schauspieler zu sein, auf den Brettern eines Theaters, wo Schauspieler. . . und Schauspielerinnen auftreten, Schauspieler wie Herr Baron, Schauspielerinnen wie Fräulein von Champmeslé! Das ist es, wonach ich begehre, mein Vater, das ist es, was ich verlange, das ist es, was ich will.«

»Genug, genug, mein Sohn,« sagte der Jesuit, während er über seine breite Stirne strich, aus der sich einen Augenblick Falten den stürmischen Wellen des Mittelländischen Meeres ähnlich gebildet hatten; »ich glaube entschieden, daß Sie sich über Ihren angeblichen Beruf geirrt haben; ich befürchte, Sie haben da ein Symptom von jenen teuflischen Versuchungen, mittelst deren der Feind des Menschengeschlechts die schwachen Seelen an sich lockt. Zum Glück ist mir Ihr Seelenheil teuer, und um Sie in der Wiederbefestigung zu unterstützen, bitte ich Sie, sich sogleich in die Meditationsstube zu begeben, wo Sie die ganze Zeit bleiben werden, die zur Rückkehr der gesunden Ideen, welche die Grundlage jeder zur Verherrlichung Gottes geleiteten Erziehung bilden, notwendig ist.«

Nachdem er so gesprochen, klingelte der Pater Morgan, wiederholte vor dem Cuistre den Befehl, mit dem er Banniére bedroht hatte, und vernichtet, rot vor Scham, keuchend vor Schmerz, folgte der junge Mann mit gesenktem Kopfe und zitternden Knien dem Diener, der beauftragt war, ihn in die Meditationsstube zu führen.

VI.
Die Meditationsstube

Die Klöster hatten Ihre in pace, Ihre Gefängnisse, ihre Carcer. Bei den Jesuiten, Leuten, welche zu sehr zivilisiert waren, um sich nur an das Physische zu wenden, gab es die Meditationsstube.

Im ersten Stocke, gegen den hinteren Teil des Hauses, wo ein an seinen Enden ganz vergitterter, ganz verriegelter Gang angebracht war, öffnete oder schloss sich vielmehr eine große Stube von einer Gewölbehöhe, welche beträchtlich genug war, daß die Meditationen der Gefangenen nicht die der Spinnen störten, die ihr Domizil in den Ecken der schwarz angemalten Karnieße gewählt hatten, beträchtlich genug besonders, daß eben diese Gefangenen nie den Fensterrahmen erreichen konnten, der mit einer einzigen Scheibe versehen war, welche dieses Gewölbe wie ein Zyklopenauge durchhalte und hier ein mageres Licht ganz getrübt durch den äußeren Staub und Rauch einsickern ließ.

Wenn aber das Licht traurig und schüchtern in das Innere dieses hässlichen Käfigs herabstieg, so muss man sagen, daß Apollo, der Gott des Tages und zu gleicher Zeit der Meditation, nicht das geringste Vergnügen beim Besuchen des Innern dieses Winkels gehabt hätte, dessen vier Wände mit schwarzen Tapeten ausgeschlagen waren, die man mit Todtenköpfen und Knochen im Grenze von einem weißen Stoffe, befestigt aus dem schwarzen mittelst eines soliden, an den beiden Farben Teilhabenden Fadens, besät hatte. Zwischen diesen düsteren Emblemen hoben sich überdies weiß auf die Tapeten gestickte Inschriften hervor, und auch hier fand sich wieder der eigentümliche Geschmack, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, diesen gezwungenen Meditationen, welche die Jesuiten den widerspenstigsten Novizen auferlegten, einen der französischen Heiterkeit ganz entgegengesetzten Charakter zu geben.

Alles, was die alten Dichter Schwärzestes in der Hefe ihrer leeren Ampbora gefunden, Alles, was die Weisen wahnsinnigst Verzweiflungsvolles getroffen haben, von dem O bios esti parodos skias bis zum Serius ocyus von Horaz, von den kläglichen Versen des Dies irae bis zu den kommentierten Formeln des Perinde ac cadaver der Gesellschaft Jesu. Alles breitete sich aus, entrollte sich weiß aus dieser traurigen schwarzen, todes farbigen Tapete.

Diese zahlreichen Sprüche von verschiedener Größe und Schrift zogen das Auge an wie Offenbarungen aus dieser Mauer vorspringend und sich im Relief hervorhebend, als ob aus den Tiefen der unbekannten Welt, welche sie bewohnen, alle diese düsteren Moralisten, alle diese kläglichen Versemacher gerade mit einem unsichtbaren. Finger dem meditierenden Novizen ihre Meditationen, durchgesehen, verbessert und vermehrt, je nach den Umständen, ausgezeichnet hätten.

Banniére wurde also in diesen Kerker geworfen, der ihm völlig fremd war, denn er kannte ihn nur aus den Mitteilungen von denjenigen seiner Kameraden, welche man dahin geführt hatte.

Banniére war ein guter Noviz, das heißt; er kam regelmäßig seinen Schulpflichten nach, er liebte die lateinischen Verse und sogar die französischen Verse des Pater de la Sante und trieb bis zum Enthusiasmus seine Bewunderung für Herrn Arouet, dergestalt, daß er sich, wie wir gesehen, zwei Broschüren von Marianna hatte konfiszieren lassen, und die dritte dem Superior erst übergab, als er alle Rollen auswendig wusste, von der von Herodes, König von Palästina, bis zu der von Rarbas, Offizier der amorräischen Könige, und von der von Marianna, der Frau von Herodes, bis zu der von Elisa, der Vertrauten dieser Fürstin.

Man errät, daß von dem Augenblick an, wo Banniére diese Begeisterung für Herrn von Voltaire fühlte und diese Begeisterung in sprudelnden Kaskaden der Bewunderung aus die paar Trauerspiele zurückfiel, welche der junge Philosoph schon veröffentlicht hatte, man errät, daß Banniére den erschrecklichen Fall nicht begriff, den bei ihrer ersten Erscheinung aus, dem Theater am 5. Januar 1724, nämlich drei Jahre vor der Epoche, in welcher die Ereignisse vorgehen, die wir in diesem Augenblick zu erzählen beschäftigt sind, die Tragödie Marianna gemacht hatte. Dieser Fall war so schwer gewesen, daß man geglaubt hatte, die Tragödie sei durch den Schlag getödtet worden. Aber Arouet war zähe; er hatte die Stücke der armen Königin aufgehoben und sie, so gut es eben ging, zusammengeleimt; er hatte die Szene zwischen Barus und Herodes weggeschnitten, er hatte reine rührende Erzählung an die Stelle der tätigen Entwickelung gesetzt, bei der sich Marianna aus der Szene vergiftet, welche Entwickelung so traurig für den Verfasser durch den schlechten Spaß eines Zuschauers, dem es einfiel, zu rufen: »Die Königin trinkt!« erheitert worden war, und durch diese Verbesserung und viele andere, welche der Autor in seiner Vorrede auszählt, an die wir, wenn sie sich weiter unterrichten wollen, unsere Leser verweisen, durch diese Verbesserungen hatte das Stück im Jahre 1725 einen Succeß eben so riesenhaft gehabt, als 1724 sein Fall tief gewesen war.

Dies beweist nicht, daß das Publikum sehr logisch Ist, sondern es beweist, daß das Stück, nachdem es zuerst gefallen war, hernach reüssiert hatte. Banniére hatte nicht nur das Stück, sondern auch die Varianten gelernt, welche der Verfasser am Ende des Stückes angefügt hatte, ohne Zweifel, damit nicht ein Vers von dieser schönen Poesie, die noch zu dieser Stunde drei Viertel der Akademiker vor Vergnügen sich aufblähen macht, für die Nachwelt verloren gehe.

Banniére kannte also bis dahin keine andere jesuitische Strenge, als die Konfiskation der Broschüren von Herrn Arouet.

Sein Beruf, eine sanfte und leuchtende Fackel, hatte ihm bis jetzt dazu gedient, die Finsternis des Noviciats mit allen Arten von liebenswürdigen Schatten und anmutigen Gespenstern zu bevölkern. Er hatte sich Freunde unter seinen Mitschülern gemacht und seine Lehrer genötigt, seinen originellen Charakter zu bewundern. Mit einem Worte, er hatte jene unerklärliche Achtung genossen, die bei jedem Industriezweige den unabhängigen und neuernden Geistern zu Teil wird.

Darum hatte er, Gefangen mit den andern schwarzen Vögeln in diesem Käfig des Noviciats, mehr als die Anderen befreundete Hände seinem Gitter sich nähern sehen, er hatte mehr als die Anderen sich der Lust und des Raumes erfreut, und, vertrauensvoll wie alle gute Naturen, fühlte er sich nun von so hoch, herab in diesen Kerker der Meditationen gefallen, daß ihm keine andere Zuflucht mehr blieb, als die Falschen zu verfluchen, die ihn zu einem so schweren Falle gebracht hatten.

Die erste Bewegung von Banniére war das Erstaunen gewesen, die zweite war die Entrüstung.

Banniére war jedoch ein Junge von Geist, er bedachte rasch, daß die Jesuiten mit den Schauspielern keinen Vertrag schließen konnten, und daß es, wenn die Jesuiten und die Schauspieler gemeinschaftliche Sache machten, unanständig und ungerecht erscheinen müsste, daß die Einen Beichtväter von Königen, Gouverneurs und Prinzen, Staatsinquisitoren unter so hässlichen und traurigen Kleidern seien, indes die Andern, nicht nur von allen Ehren ausgeschlossen, sondern auch exkommuniziert, mit Schmach belegt, elend, unter gestickten Kleidern, Sammetmänteln und Federbüschen; daß Gott, der die höchste Weisheit und die ewige Gerechtigkeit ist, Ausgleichungen gemacht habe, daß der Jesuit seinen Käfig liebe. weil er sich an denselben gewöhnt, weil er sein Gitter vergolde, während der Schauspieler im Gegenteil die Käfige nicht lieben könne, weil es ihm nicht gelungen, sie zu vergolden.

Diese Logik führte Banniére zu einem so unmäßigen Verlangen nach Freiheit, daß er sich diese Freiheit durch alle mögliche Mittel zu verschaffen beschloss.

Nachdem er alle die Texte, die ihm die Wände rezitierten, gelesen und ironisch erläutert hatte, empörte er sich gegen die Oberen, die ihn verfolgten, und da er die Gelegenheit günstig fand, sich ohne Zwang der Deklamation hinzugeben, so fing er an ganz allein Herodes und Marianna zu spielen.

Gewohnt, von Klagen und Verwünschungen jedes Meditanten zu widerhallen, ertönte das Gewölbe ganz erstaunt von den Hemistichen eines Trauerspiels. In seine Soutane gehüllt, aus welche er in Form eines Mantels seine Bettdecke geworfen hatte, spielte, brüllte und stöhnte Banniére die verschiedenen Rollen des Stückes, machte die Trompete, welche die Herolde verkündigte, ahmte die verschiedenen Geräusche des Volks nach und führte endlich das Werk von Voltaire bis zum letzten Verse der Varianten und der Noten durch.

Das dauerte wohl vier Stunden.

Während dieser vier Stunden belustigte sich Banniére in seiner dreifachen Eigenschaft als Zuschauer, als Schauspieler und als eingesperrter Jesuit.

Doch Alles hat ein Ziel hienieden: brachte die Meditationsstube ihre Wirkung hervor, trug die Müdigkeit den Sieg über den unglücklichen Gefangenen davon, oder hatte die zarte Marianna nichts mehr mit ihrem grausamen Tyrannen zu debattieren, Banniére wurde von großer Schläfrigkeit befallen.

Das war noch nicht das Ganze. Wir haben gesagt, daß die Jesuiten zuweilen die widerspenstigen Novizen durch den Hunger packten; was Tiger, Löwen und Elefanten bändigt, konnte auch wohl Banniére bändigen. Volles Gehirn macht den Magen leer, aber leerer Magen füllt schlecht das Gehirn oder füllt es nur mit Dünsten.

Endlich, nach zwei weiteren Stunden von Kämpfen, während welcher die moralische Stärke von Banniére immer mehr abnahm, als er nicht mehr die Kraft hatte, auch nur die kleinste von den Rollen seiner Lieblingstragödie zu deklamieren oder mit Erfolg die weißen Inschriften zu lesen, legte er sich aus sein Bett ohne Matratze, hüllte sich in seine Decke und fing an eine Vergleichung zwischen seinem gegenwärtigen Zustand und seinem vergangenen Zustand zu ziehen.

Hierbei blieb er stehen, denn die Zukunft war für ihn mit so viel Finsternis bedeckt, daß er sie nicht einmal zu erraten suchte.

Die Nacht, eine gute Ratgeberin der guten Geister, diese Nacht, welche die alten Goten die Mutter der Gelegenheiten nannten, diese Nacht, welche die Jesuiten als Beistand benützten und die Rebellen zu überreden beauftragten, diese Nacht stieg langsam vom Himmel herab und bedeckte die einzige Fensterscheibe, das Auge des Gefängnisses, mit einer stufenweisen, Blindheit. ''

Allmählich erloschen sodann an den Wänden die weißen Buchstaben der Inschriften; allmählich versanken in das Nichts . aus dem man sie ausgegraben, die moralischen Sentenzen, welche den Menschen verdammen, zu entfliegen wie Asche, zu verfaulen wie Materie und sich zu biegen wie Rohr unter der Hand der Notwendigkeit.

Banniére unterschied bald nichts mehr und blieb aus den Querhölzern seines Bettes, immer mehr erkaltend und immer trauriger werdend, liegen. Zwei Stunden vergingen noch so, und während dieser zwei Stunden bemerkte er besonders, daß die über der Thür der Stube, in welche man ihn eingesperrt hatte, angebrachte Inschrift keine leere Zusammenstellung von Buchstaben war, sondern daß diese Stube wirklich die Meditationsstube genannt werden konnte.

»Was tun in einem Bette, wenn man nicht darin träumt?« hat la Fontaine gesagt.

Banniére träumte in seinem Bette.

Dann, nachdem er geträumt hatte, entschlief er.

Die Nacht, wie der alte Homer sagt, hatte die Hälfte des Himmels aus ihrem ebenholzenen Wagen mit den silbernen Rädern durchlaufen, als ein scharfes, seltsames, anhaltendes Geräusche den Novizen aus der Schlafsucht erweckte, welche der Hunger und die Meditationen in seinem Gehirne hervorgebracht hatten.

Dieses Geräusch, ein wohlbekanntes Kratzen, kam von der Tapete links.

Wach geworden, öffnete Banniére ein Auge, dann das andere, wandte sich aus seinem Lager mit dem Gesicht gegen das Geräusch um und horchte.

Das scharfe Echo fuhr, fort, sein monotones Lied zu fingen. Es war keine Täuschung möglich, der Noviz kannte das Geräusch, das der Zahn einer Maus macht. Dieses Geräusch erzeugte sich in einer Höhe von ungefähr zehn Fuß und lag zwischen der Tapete und der Mauer.

Banniére stieß einen Seufzer aus.

Was machte Banniére seufzen? Ach! die Vergleichung: in seiner Demut fand er diese Maus sehr glücklich.

Glücklich war in der Tat die Maus, die sich so ein Abendbrot und sogar einen Mitternachtsschmaus aus den Inschriften der Moralisten und der stoischen Philosophen machte, welche die Enthaltsamkeit und die Uneigennützigkeit predigen.

Glücklich war diese Maus, die in Freiheit zwischen der Tapete und der Mauer durchschlüpfte, um so altes Tuch und altes Leder zu knaupeln.

Doch nein, es war weder Tuch, noch Leder, was die Maus knaupelte. Das Echo war sonor: die Maus knaupelte Holz.

Holz, – man höre wohl, – das war ernst.

Nicht für Sie, lieber Leser, nicht für Sie, liebe Leserin, die Sie mich in einen guten Schlafrock eingewickelt, die Füße auf Ihren Feuerböcken, mit dem Bewusstsein lesen, daß Sie nur zu wollen brauchen, um einen Spaziergang in Gottes freier Natur zu machen, sondern für Banniére, den armen Gefangenen, für dessen Ohr das geringste Geräusch eine Wichtigkeit nach Maßgabe seines Verdrusses, Gefangen zu sein, und seines Wunsches, frei zu werden, annahm.

Es war also für Banniére ein großer Unterschied, ob die Maus Holz oder Leder knaupelte.