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Kitabı oku: «Salvator», sayfa 91

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Abgesehen davon, daß Petrus, wie man weiß, kein Geheimniß vor Salvator hatte, hatte jener ihm zu gleicher Zeit, wie der Prinzessin geschrieben und der Inhalt des Briefes lautete:

»Lieber Freund, ich bin für einige Zeit an das Bett meines Onkels gefesselt, welcher sehr gefährlich erkrankt ist. Wollen Sie bei Empfang dieses sich zu mir begeben und für Ihren Freund thun, was dieser für Sie thun würde, nämlich meine Briefe öffnen und sie beantworten, wie es Ihnen gutdünkt.

»Sie haben mir so oft gesagt, ich soll von Ihrer Freundschaft Gebrauch machen; daß Sie mir verzeihen, davon bin ich überzeugt, wenn ich sie einmal mißbrauche.

»Tausend Dank und von Herzen der Ihrige

»Petrus.«

Salvator, welcher in dem Atelier installiert war, öffnete die Briefe.

Der Erste war von Jean Robert, welcher Petrus davon unterrichtete, daß sein Drama, die Welfen und Ghibellinen, unabänderlich am Ende der Woche aufgeführt würde und daß man nur noch der Hauptprobe beiwohnen könne.

Der zweite Brief war von Ludovic. Es war eine Pastorale, eine Idylle in Prosa von der Liebe des jungen Mannes und Rose-de-Noëls.

Der Letzte, welcher keinem der andern glich, weil er auf zartes, duftendes Papier geschrieben und die Schrift sehr sein und elegant war, war der der Prinzessin Regina abgenöthigte Brief.

Salvator hatte die Handschrift der Prinzessin nie gesehen und doch ahnte er augenblicklich, daß er von ihr käme, so natürlich läßt sich Alles erkennen, was eine geliebte Frau berührt hat.

Er drehte ihn auf alle Seiten, ehe er ihn entsiegelte.

Briefe öffnen ist nichts, namentlich wenn man dazu autorisiert ist, Aber Briefe einer Frau und einer geliebten Frau! – Er scheute sich den Blick in dieses Heiligthum zu tauchen.

Petrus hatte ohne Zweifel nur an Briefe gedacht, die er von seinen Freunden oder Feinden empfange, aber nicht an einen Brief von der Prinzessin.

»Folglich,« sagte Salvator, »kann ich ihn nicht öffnen.«

Dann stand er auf und läutete dem Diener.

»Wer hat diesen Brief gebracht?« fragte er ihn, indem er Regina’« Brief zeigte.

»Ein in einen Mantel gehüllter Mann,« antwortete der Diener.

»Der, welcher eben hinausging, als ich eintrat?«

»Ja, mein Herr.«

»Ich danke,« machte Salvator, »Sie können gehen. – Ah! Also der Vertraute des Herrn Rappt, der arme Bordier ist’s, der diesen Brief gebracht. Aber gewöhnlich überbringt nicht der Secretär des Gatten die Liebesbriefe der Frau. – Wenn ich meinen Petrus kenne, das heißt einen Verliebten, so hat er ganz sicherlich der Prinzessin zu wissen gethan, wo er sich im Augenblick befindet und sie braucht ihm die Briefe nicht hierher zu schicken. Außerdem hätte sie auch nicht einen Bordier mit einer solchen Mission beauftragt. – Und wenn sie es nicht ist, die den Brief gesandt, so kann es nur der Mann sein. – Das ändert bedeutend die These und benimmt mir jeden Scrupel. Ich weiß nicht warum, aber ich wittre eine Schlange unter diesen Blumen. – Entblättern wir sie deßhalb.«

Und mit diesen Worten oder vielmehr diesen Gedanken, erbrach Salvator das Siegel mit dem Wappen des Grafen Rappt und las den Brief, den wir im vorhergehenden Kapitel unsern Lesern mitgeteilt.

Aber es ist ein Unterschied zwischen Lesen und Lesen, und der beste Beweis davon, daß zwanzig Advocaten, die man an einen Code spannt, den Buchstaben des Gesetzes jeder nach einer andern Seite ziehen wird; – mit andern Worten, es ist ein Unterschied zwischen die Worte lesen und den Geist herausfinden. – Das gelang jedoch Salvator.

Schon, als er nur die Schrift des Briefes betrachtete, sah er, daß die Hand gezittert, welche schrieb.

Und da er auch nicht die Ausdrücke fand, deren Liebende mit solcher Verschwendung sich bedienen, ahnte er, daß der Brief aus dem einen oder andern Grunde, unter irgend einem Druck geschrieben worden.

»Ich habe nur zweierlei, was ich thun kann,« dachte Salvator: »entweder diesen Brief an Petrus zu schicken (und das hieße ihm bittere Schmerzen bereiten, da er nicht zu dem Rendezvous kommen kann) – oder selbst statt seiner zu gehen, um die Lösung des Räthsels zu finden.«

Salvator steckte die Briefe in die Tasche, ging fünf bis sechs Mal im Atelier auf und ab und nachdem er das Für oder Wider hinlänglich erwogen, beschloß er, sich am Abend statt seines Freundes nach dem Rendezvous zu begeben.

Er ging rasch die Treppe hinab und begab sich nach der Rue aux Fers, wo seine Kinder ihn erwarteten, erstaunt, ihn nicht wie gewöhnlich um neun Uhr Morgens dort zu finden.

CXXII
Wo bewiesen ist, daß der Stand eines Commissionärs wirklich ein privilegierter Stand ist

An diesem Abend um die zehnte Stunde glich der Garten oder vielmehr der Park von Lamothe-Houdan, der mit Schnee bedeckt war und über den der Mond seine bläulichen Lichter warf, in der Mitte einem Schweizerfee. Der Rasen glänzte wie von Perlen, die Gesträuche hatten Büsche von Diamanten. – Von der Stirne der Bäume hing langes Haar mit Juwelen durchsaet hernieder. – Es war eine jener strahlenden und heiteren Winternächte, wo die Kälte selbst den Enthusiasmus wahrer Naturfreunde nicht erstarren macht.

Ein Poet hätte hier den schönsten und größten Vorwurf für seine Betrachtung gefunden; – ein Liebender Stoff zur höchsten Träumerei.

Als Salvator auf den Boulevard des Invalides kam und durch das Gitterwerk den schönen, gleichsam weiß illuminierten Park sah, war er ganz von Bewunderung hingerissen; aber seine Bewunderung dauerte nur kurz, denn er war ungeduldig, den Ausgang dieses Rendezvous kennen zu lernen, zu dem man seinen Freund eingeladen und das aller Ansicht nach nichts Anderes als ein Fallstrick war, in welchen man denselben lockte.

Wir wollen mit wenigen Worten sagen, wie der Zufall ihm, abgesehen von seinem natürlichen Instinkt, der Sache auf die Spur geholfen hatte.

Als er das Atelier von Petrus verlassen, war er nach Hause gegangen, ehe er seine Haken für die Rue aux Fers holte. – In der Rue Macon angekommen, hatte er Fragola die Geschichte von dem Abenteuer mitgeteilt. Die junge Frau hatte, wie wir sie in einem ähnlichen Fall bereits handelnd gesehen, rasch ihren Capuzenmantel umgeworfen, einen Pelz über die Schultern gelegt und sich in aller Eile zur Prinzessin Regina begeben um sie um die Erklärung des Briefes zu bitten.

Die Antwort der Prinzessin, die von Beileidsbezeugungen wegen des Todes der Marschallin, ihrer Mutter, umgeben war, hatte sich auf wenige aber bedeutsame Worte beschrankt. Sie hatte gesagt:

»Ich war gezwungen worden zu schreiben. – Petrus soll nicht kommen, es könnte gefährlich für ihn werden.«

Dies war der Grund, weßhalb Salvator, da Gefahr für Petrus zu drohen schien, für jeden Fall gerüstet und bewaffnet sich an der Stelle seines Freundes zum Rendezvous begeben.

Nachdem er in den Park einen Blick geworfen, mit welchem ein Poet ein solches Schauspiel betrachtet, untersuchte er das Gitter und fragte sich, wie da hinein kommen.

Er brauchte sich jedoch nicht lange zu fragen; die kleine Thüre des Gitters stand offen.

Ein schlechter Eingang, dachte er, indem er, um für jeden Fall gerüstet zu sein, ein Pistol aus seiner Tasche zog, dessen Hahnen er spannte und unter seinem Mantel versteckte.

Er stieß langsam das Gitterthor auf, nicht ohne sich zuvor nach rechts und nach links in dem Gehölz und in den Boskets umgesehen zu haben. – Nachdem er acht bis zehn Schritte in der Allee gegangen war, sah er in einem der Boskets zur Linken eine weiße Gestalt, die er von ferne schon als die Prinzessin Regina erkannte.

Er näherte sich ihr, aber klug wie ein Mohicaner wandte er den Kopf um und tauchte den Blick in das Bosket zur Rechten.

Es war ein großes Gehölz von Syringen, welche eine gerade Allee durchschnitt, an deren Ende er die Augen eines Mannes funkeln sah, dessen Körper hinter einem dicken Kastanienbaum versteckt war.

Das ist der Feind, sagte er bei sich, indem er den Finger an den Hahnen seines Pistols legte.

Er hielt plötzlich inne und stemmte sich fest wie ein Mensch, der sein Leben vertheidigen muß.

Es war allerdings der Feind; es war der Graf Rappt, der, hinter den Bäumen versteckt, ein Pistol in jeder Hand in fieberhafter Aufregung den Geliebten der Prinzessin erwartete.

Um halb zehn Uhr war er herabgekommen, um das Gitterthor selbst zu öffnen und wollte sich gerade in ein Bosket verstecken, als er drei Schritte von sich die Prinzessin Regina, weiß und unbeweglich wie ein Phantom dastehend, gewahrte.

Seit sie Fragola gesehen, war die Prinzessin nicht mehr für Petrus besorgt; aber sie kannte die Aufopferungsfähigkeit Salvator’s, und sie zitterte deßhalb in diesem Augenblicke für ihn.

»Sie hier?« rief Graf Rappt,

»Allerdings,« antwortete die Prinzessin kalt; »haben Sie mir nicht gesagt, daß ich dieser Zusammenkunft anwohnen könne?«

»Das ist doch nicht wirklich Ihre Absicht?« versetzte der Graf; »Ihre Gesundheit ist so außerordentlich zart und diese Nacht eiskalt. Ich habe nur wenige Worte mit diesem jungen Mann zu reden; gehen Sie deßhalb in’s Haus zurück.«

»Nein,« sagte die Prinzessin, »ich war die ganze Nacht von den düstersten Ahnungen geängstigt; nichts in der Welt wird mich veranlassen, den Park in diesem Augenblicke zu verlassen.«

»Ahnungen,« wiederholte Herr Rappt, indem er mit den Achseln zuckte und lachte. »Da sieht man wieder die Frauen. Wahrhaftig, Prinzessin, Sie kommen noch um den Verstand, und wenn Sie etwa denken, wie ich Ihnen bereits gesagt, daß ich diesem jungen Mann an’s Leben wolle, so haben Ihre Ahnungen auch nicht einen Schatten von Vernunft.«

»Und wenn ich es dächte?« sagte Regina.

»In diesem Fall, Prinzessin, würde ich Sie aufrichtig beklagen, denn Sie hätten eine noch schlechtere Meinung von mir, als ich selbst.«

»So schwören Sie mir also, mein Herr . . . ?«

»Nein, ich schwöre Ihnen nichts, Prinzessin, die Schwüre sind nur da für die, welche sie brechen wollen. Ich verlange, daß Sie mir ganz und gar vertrauen. – Sie wollen im Parke bleiben und unserer Unterredung anwohnen; gut! es mag sein, aber aus der Ferne. Sie begreifen, welch traurige Figur ich gegenüber von Ihnen und diesem jungen Manne spielen könnte. Hüllen Sie sich wohl in Ihren Mantel, daß Sie nicht frieren und gehen Sie hier in dem Boßket auf und ab, wir werden nicht lange zu warten haben, es ist sogleich zehn Uhr. Wenn Pünktlichkeit die Höflichkeit der Könige ist, so ist sie namentlich die Tugend Verliebter.«

Mit diesen Worten führte der Graf die Prinzessin in das Bosket zur Linken, wo Salvator sie gleich bei seinem Eintreten gewahrt hatte, und ging nun in dem Bosket zur Rechten auf und nieder bis zu dem Augenblick, wo er, den für Petrus Gehaltenen gewahrend, sich hinter dem Kastanienbaum versteckte.

Die Prinzessin sah aus der Ferne diese Bewegung, und die Bedeutung derselben ahnend, stürzte sie sich rasch aus dem Bosket nach der Allee und eilte auf Salvator zu. Sie war noch zehn Schritte von ihm entfernt, als man einen Schuß hörte.

Die Prinzessin stieß einen heftigen Schrei aus und stürzte zu Boden.

Die Kugel des Grafen, welche Salvator mitten auf die Brust traf, gab einen metallischen Ton von sich.

Er blieb jedoch unbeweglich stehen, als ob sie zehn Schritte von ihm vorbeigeflogen wäre. Sie war von seiner Commissionärsinsignie abgeprallt.

»Ich habe entschieden einen guten Stand gewählt,« sagte er, indem er durch die Dunkelheit auf den Grafen zielte, als dieser eben den Arm ausstreckte, um sein zweites Pistol abzuschießen.

Der Schuß ging los, der Graf stürzte zur Erde und Salvator, welcher ihn fallen sah, steckte sein Pistol in die Tasche und wandte sich nach der Allee, wo die Prinzessin ausgestreckt lag.

»Nach dem Fall zu urtheilen, wird uns der Graf für einige Zeit in Ruhe lassen, Prinzessin,« sagte er halblaut, indem er den Kopf der jungen ohnmächtigen Frau emporhob; »Prinzessin, kommen Sie zu sich.«

Aber die Prinzessin horte ihn nicht.

Er nahm etwas Schnee und rieb die Schläfe von Regina, welche nach und nach zu sich kommend die Augen öffnete und mit einen traurigen Blick auf Salvator sagte:

»Was ist geschehen?«

»Nichts,« antwortete der junge Mann; »nichts wenigstens, was Ihnen Kummer bereiten könnte.«

»Aber dieser Schuß?« fragte Regina, indem sie Salvator näher betrachtete, um sich zu versichern, daß er nicht verwundet war.

»Dieser Schuß,« antwortete dieser, »wurde von einem hinter einem Baume versteckten Manne auf mich abgeschossen. Aber er traf mich nicht.«

»Dieser Mann war der Graf,« sagte Regina lebhaft, indem sie aufstand und sich aus den Arm ihres Retters stützte.

»Ich war dessen nicht gewiß.«

»Er war es,« sagte die Prinzessin, auf ihrer Behauptung beharrend.

»Dann beklage ich ihn,« sagte Salvator, »denn ich schoß auf ihn und er wird nicht wie ich eine Commissionärsplatte gehabt haben, die ihn schützte.«

»Sie haben den Grafen getödtet?« fragte Regina erschrocken.

»Ich weiß es nicht,« antwortete Salvator, »aber ich bin gewiß, daß es ihn getroffen, denn ich sah ihn auf den Rasen stürzen. Wenn Sie erlauben, Prinzessin, so werde ich mir über seinen Zustand Gewißheit verschaffen.«

Und Salvator eilte rasch nach der Allee, an deren Ende der Graf zu Boden gestürzt war.

Er gewahrte zuerst sein Gesicht, das, gewöhnlich schon bleich, jetzt von einer Todesblässe überzogen war, mochte nun der Tod selbst an sein Herz getreten sein oder das bläuliche Mondlicht diese Wirkung machen; rings um ihn her war der Schnee von Blut getränkt.

Er näherte sich, beugte sich zum Grasen herab und da er ihn nicht athmen hörte, legte er die Hand auf die Brust desselben: – sie hob sich nicht mehr! – die Kugel hatte das Herz durchbohrt!

»Gott sei seiner Seele gnädig,« sagte er mit philosophischer Ruhe, indem er aufstand.

Dann ging er zu der Prinzessin zurück und sagte laconisch:

»Er ist todt!«

Regina ließ das Haupt sinken.

Plötzlich erhob sich zwischen ihnen, als ob er aus der Erde stiege, ein hochgewachsener Mann, der mit über der Brust gekreuzten Armen den Commissionär und die junge Frau betrachtete und in ernstem Tone sagte:

»Was geht hier vor?«

»Mein Vater!« rief die Prinzessin, erschrocken über diese Erscheinung.

»Herr Marschall,« sagte Salvator, indem er sich verbeugte.

Es war wirklich der Marschall de Lamothe-Houdan.

Die ganze vorhergehende Nacht hatten die Bedienten gewacht.

Die beiden Schüsse vermochten deßhalb, obgleich dicht neben ihren Ohren abgeschossen, die Leute, welche eine verlorene Nacht einholten, nicht aufzuwecken.

Der Marschall allein wachte.

Als er die beiden Schüsse hörte, war er zusammengefahren und in den Park gestürzt, von wo sie zu kommen schienen.

Er war bestürzt, als er zu dieser Stunde der Nacht und bei dieser furchtbaren Kälte die Prinzessin Regina allein mit dem Commissionär fand.

Er konnte seinem Erstaunen keinen andern Ausdruck geben, als die Worte:

»Was geht hier vor?«

Die Prinzessin schwieg.

Salvator machte einen Schritt auf den Marschall zu, und nachdem er sich zum zweiten Male vor ihm verbeugt, sagte er zu ihm:

»Wenn der Herr Marschall mich gefälligst hören wollen, so werde ich ihm die Erklärung dessen, was hier vorging, geben.«

»Sprechen Sie, mein Herr,« sagte der Marschall streng, »obgleich Sie es nicht sind, den ich fragte und es mir mindestens sonderbar dünkt, Sie in dieser Stunde und mit der Prinzessin hier bei mir zu finden.«

»Mein Vater,« rief die junge Frau, »Sie sollen Alles wissen; aber seien Sie zum Voraus versichert, daß nichts geschehen, worüber Sie zu erröthen brauchten.«

»Dann sprechen Sie, mein Herr, oder Du, meine Tochter,« sagte Herr von Lamothe-Houdan.

»Da Sie es erlauben, Herr Marschall, so werde ich die Ehre haben, Ihnen die verlangte Erklärung zu geben.«

»Gut, mein Herr,« sagte der Marschall, »aber beeilen Sie sich, und vor Allem sagen Sie mir, mit wem ich zu sprechen die Ehre habe.«

»Ich heiße Conrad von Valgeneuse.«

»Sie?« rief Herr von Lamothe-Houdan, indem er den jungen Mann fester in’s Auge faßte.


»Ja, Herr Marschall,« antwortete Salvator.

»In diesen Kleidern?« fragte Herr von Lamothe-Houdan, indem er einen Blick auf die samtene Weste und Hose des Commissionärs warf.

»Ich werde Ihrem Erstaunen bei einer andern Gelegenheit Aufklärung geben, Herr Marschall; für heute werden Sie die Güte haben, sich mit der guten Meinung der Frau Prinzessin zu begnügen, die mich seit lange kennt.«

Der Marschall wandte sich nach der jungen Frau hin und befragte sie mit dem Blicke.

»Mein Vater,« sagte Regina, »ich stelle Ihnen hier Herrn Conrad von Valgeneuse vor, den würdigsten und edelsten Mann, den ich kenne.«

»So sprechen Sie,« sagte der Greis, indem er sich wieder nach Salvator umwandte.

»Herr Marschall,« sagte dieser, »einer von meinen Freunden wurde von dem Herrn Grafen Rappt brieflich aufgefordert, sich um zehn Uhr hierher in den Park zu begeben. Da dieser Freund abwesend war, so kam ich; – aber in dem Augenblicke, als ich mich hierher begeben wollte, haben mir gewisse Anzeichen, welche die Frau Prinzessin kennt, die Vermuthung gegeben, daß ich in einen Hinterhalt fallen würde. Ich bewaffnete mich und kam.«

»Wen konnte aber Herr Rappt hierher bestellen?« unterbrach ihn der Marschall de Lamothe-Houdan.

»Einen Mann, Herr Marschall, der weder die Schlinge ahnen, noch die Loyalität des Grafen verdächtigen wollte.«

»Mir, mein Vater,« sagte die Prinzessin lebhaft, »hat der Graf den Befehl gegeben, indem er Gewalt brauchte, auf diesen Abend Herrn Petrus Herbel, ich weiß nicht, zu welchem Ende, hierher zu bestellen.«

»Wirklich, zu welchem Ende?« fragte der Marschall.

»Ich wußte es nicht, ich weiß es aber jetzt: um ihn meuchlings zu ermorden, mein Vater!«

»O!« machte der Alte voll Entrüstung.

»Ich bin deßhalb,« versetzte Salvator, »zu der bestimmten Stunde statt meines Freundes Petrus hier erschienen. Kaum hatte ich den Park betreten, dessen Thüre absichtlich halb offen stand, als ich mitten in die Brust, das heißt auf meine Commissionärmedaille, den Schuß eines Mannes empfing, den ich im Schatten stehen sah. – Ich war bewaffnet, ich wiederhole es Ihnen, und da ich einen neuen Angriff fürchtete, so kam ich ihm zuvor, indem ich auf meinen Mann schoß.«

»Und dieser Mann . . . « fragte Herr von Lamothe-Houdan mit einer unaussprechlichen Angst, »und dieser Mann? . . . «

»Ich wußte nicht, wer er war, Herr Marschall; aber die Frau Prinzessin, die, wie ich, eine Schlinge befürchtete, hatte sich hinter einem der Boskets versteckt, um zu beobachten, was geschehen; die Frau Prinzessin hat mir gesagt, daß dieser Mann der Herr Graf Rappt war.«

»Er!« murmelte Herr von Lamothe-Houdan dumpf.

»Er selbst, Herr Marschall; ich weiß seitdem gewiß, daß er es ist.«

»Er!« wiederholte der Greis mit einer furchtbaren Wuth.

»Ich ging auf ihn zu,« fuhr Salvator fort, »in der Hoffnung, ihm noch Hilfe bringen zu können. – Es war zu spät, Herr Marschall. Die Kugel hatte die Brust durchbohrt, Graf Rappt war todt.«

»Todt! . . . Todt! . . . « rief der Greis indem Tone des heftigsten Schmerzes. – »Todt! . . . und getödtet durch die Hand eines Andern! . . . Was haben Sie gethan?« sagte er dem jungen Mann, während aus seinen Augen Thränen des Zornes rollten.

»Verzeihen Sie mir, Herr Marschall,« sagte Salvator, der sich über den Schmerz des alten Mannes täuschte; – »aber vor Gott schwöre ich Ihnen, daß ich nur mein Leben vertheidigte.«

Herr von Lamothe-Houdan schien ihn nicht zu hören; Thränen liefen ihm über die Wangen und sich in den Haaren raufend, sagte er mit gedämpfter Stimme, als ob er mit sich selbst spräche, doch so laut, daß Salvator und Regina seine Worte hören konnten:

»So wäre ich also sein Spielzeug, seit zwanzig Jahren sein Dupe gewesen; – er hätte meine arme Frau ins Grab gebracht, mein armes Herz in Verzweiflung gestürzt; – er hätte mir mein Glück geraubt, meinen Namen befleckt und im Augenblick, wo er all’ seine Verbrechen büßen, im Augenblick, wo er den Tod von meiner Hand empfangen sollte, muß er von eines Andern Hand fallen! – wo ist er? wo ist er? . . . «

»Mein Vater! . . . mein Vater! . . . « rief die Prinzessin.

»Wo ist er?« wiederholte der Marschall wüthend.

»Mein Vater!« sagte Regina, indem sie ihn umschlang, »Ihre Stirne ist eisig kalt. – Wir wollen den Park verlassen und in’s Haus zurückgehen, mein Vater.«

»Ich will ihn sehen, sage ich Ihnen: Wo ist er?« sagte Herr von Lamothe-Houdan energisch, indem er mit gierigen Blicken nach allen Seiten sah.

»Ich bitte Sie, gehen wir in’s Haus zurück, Vater!« drängte Regina.

»Ich bin nicht Dein Vater!« sagte der Greis mit einer furchtbaren Stimme, indem er sie mit kräftigem Arme zurückhielt.

Die arme junge Frau stieß einen so schmerzvollen, so klagenden Schrei aus, daß man hätte glauben sollen, es sei ihr letzter Ton gewesen.

Sie barg ihr Gesicht in den Händen und weinte bitter.

»Herr Marschall,« sagte Salvator, »die Frau Prinzessin hat recht. Die Nacht ist eisig kalt, und die Kälte könnte Ihnen schaden.«

»Was kümmert mich die Nacht! was kümmert mich die Kälte!« sagte der Greis energisch. »Daß die Kälte aus meinem Körper einen Marmor machte, daß der Schnee mein Leichentuch wäre! Daß die Nacht meine Schmach in ihr Dunkel hüllte!«

»Im Namen des Himmels, Herr Marschall, beruhigen Sie sich! Diese Aufregung ist gefährlich!« sagte Salvator sanft.

»Aber Sie sehen nicht, daß mein Kopf brennt, daß mein Blut locht, daß ich das Fieber habe, und daß diese Stunde, in der ich mit Ihnen spreche, eine meiner letzten ist! . . . Hören Sie mich deßhalb an, wie man einen Sterbenden anhört . . . Sie haben meinen Feind getödtet, ich will ihn sehen.«

»Herr Marschall,« sagte die arme Regina schluchzend, »wenn ich nicht das Recht habe, Sie Vater zu nennen, so habe ich doch das Recht, Sie wie eine Tochter zu lieben. Im Namen der Liebe, die ich stets für Sie gehegt, lassen Sie uns diesen traurigen Ort verlassen.«

»Nein, sage ich!« antwortete der Marschall heftig, indem er sie zum zweiten Male zurückstieß. »Ich will ihn sehen. – Da Sie mich nicht zu ihm führen wollen, so werde ich wohl selbst ihn mir aufsuchen müssen.«

Und, indem er sich rasch umwandte, ging er nach dem Bosket zur Linken, wo wir die Prinzessin Regina gesehen.

Salvator folgte ihm und als er ihn eingeholt, nahm er ihn am Arme und sagte:

»Kommen Sie, Herr Marschall, ich will Sie führen.«

Sie schritten rasch durch die Allee, welche sie von der Leiche trennte, und auf dem Platze angekommen, wo sie ausgestreckt lag, kniete der Greis halb nieder, hob den Kopf der Leiche, neigte ihr Gesicht nach dem Monde und sagte, indem er ihn mit Blicken voll Wuth und Haß betrachtete:

»Und Du bist nichts mehr als eine Leiche! Ich kann Dich nicht mehr beohrfeigen, Dir nicht mehr in’s Gesicht spucken; Dein Körper ist gefühllos, Deine Unempfindlichkeit nimmt mir meine Rachel«

Dann ließ er den Leichnam sinken, stand auf und sah Salvator mit thränenfeuchten Augen an.

»O! Unglückseliger!« sagte er, »warum haben Sie ihn getödtet?«

»Die Wege Gottes sind unerforschlich,« sagte der junge Mann ernst.

Aber es war zu viel für den alten Mann. Ein Schauer überkam ihn plötzlich und durchrieselte seinen ganzen Körper.

»Stützen Sie sich auf meinen Arm, Herr Marschall,« sagte Salvator, indem er sich ihm näherte.

»Ja . . . ja . . . « stotterte Herr von Lamothe-Houdan, der etwas sagen wollte, aber nur unartikulierte Laute hervorzubringen vermochte.

Salvator sah ihn näher an und da gewahrte, wie auf seinem blassen Gesichte der kalte Schweiß stand, wie seine Augen sich schlossen, seine Lippen blaß wurden, nahm er ihn auf den Arm, wie ein Kind, und trug ihn durch die Allee, an deren Ende die Prinzessin Regina mit gesenktem Haupte und über die Brust gekreuzten Armen das Resultat dieses traurigen Ganges erwartete.

»Prinzessin,« sagte Salvator, »das Leben des Marschalls ist in Gefahr; führen Sie mich nach seinem Zimmer.«

Sie begaben sich nach dem Pavillon, in dem sich die Wohnung des Marschalls befand.

Regina suchte ihn zu sich zu bringen, aber vergeblich.

Salvator läutete dem Kammerdiener, aber vergeblich; wie wir früher gesagt, suchte die Dienerschaft die verlorene Nacht wieder einzuholen.

»Ich werde Nanon wecken,« sagte die Prinzessin.

»Gehen Sie zurück auf Ihre Zimmer Madame,« sagte Salvator, »und bringen Sie, was Sie von belebenden Essenzen haben.«

Die Prinzessin entfernte sich rasch; als sie mit den von Salvator verlangten Flacons zurückkam, fand sie ihn mit dem Marschall plaudernd, den die Reibungen des jungen Mannes wieder zu sich gebracht.

»Kommen Sie,« sagte Herr von Lamothe-Houdan stotternd, sobald er die Prinzessin gewahrte, »verzeihen Sie mir meine Härte. Ich war eben sehr grausam gegen Sie, verzeihen Sie mir, mein Kind – ich bin so unglücklich! wollen Sie mich küssen?«

»Mein Vater!« rief die Prinzessin aus Gewohnheit, »ich werde mein Leben lang suchen, Sie Ihre Schmerzen vergessen zu machen.«

»Dein Leben wäre von kurzer Dauer, armes Kind, wenn Du es nach dem meinen mäßest,« sagte der alte Mann, den Kopf schüttelnd; »Du siehst wohl, daß mir kaum noch einige Stunden zu leben bleiben.«

»Sprechen Sie nicht so, mein Vater!« rief die junge Frau.

Salvator betrachtete sie mit einem Ausdruck, als wollte er sagen: »Geben Sie alle Hoffnung auf.«

Regina schauerte und senkte das Haupt, um die Thränen zu verbergen, die ihr aus den Augen flossen.

Der Alte machte Salvator ein Zeichen, sich ihm zu nähern, denn vor seinen Augen begann es zu schwimmen.

»Geben Sie mir,« sagte er mit so schwacher Stimme, daß man ihn kaum hörte, »geben Sie mir Alles, was man zum Schreiben braucht.«

Der junge Mann schob den Tisch zu ihm hin, zog eine Lage Papier aus dem Portefeuille, und die Feder in die Tinte tauchend, gab er sie dem Marschall.

In dem Augenblick, als er zu schreiben beginnen wollte, wandte er sich nach der Prinzessin um, und sie mit unendlicher Zärtlichkeit betrachtend, sagte er mit väterlicher Stimme zu ihr:

»Diesen jungen Mann, dem Graf Rappt die Falle stellte, liebst Du, ohne Zweifel, mein Kind?«

»Ja,« sagte die Prinzessin unter Thränen.

»Empfange den Segen eines alten Mannes. Sei glücklich, meine Tochter!«

Dann wandte er sich an Salvator und bot ihm die Hand mit den Worten:

»Sie haben Ihr Leben auf’s Spiel gesetzt, um das Ihres Freundes zu retten! . . . Sie sind der würdigste Sohn Ihres Vaters; empfangen Sie den Dank eines Ehrenmannes.«

In diesem Augenblick färbte sich das Gesicht des Marschalls purpurroth, seine Augen überzog das Blut.

»Rasch – rasch,« sagte er, »das Papier!«

Salvator reichte es ihm.

Herr von Lamothe-Houdan näherte sich dem Tische und schrieb mit einer festeren Hand, als man in diesem letzten Augenblick hätte erwarten sollen, folgende Zeilen:

»Man beschuldige Niemanden des Mordes am Grafen Rappt; ich habe ihn diesen Abend um zehn Uhr in meinem Garten getödtet, um ihn für eine Beleidigung zu strafen, für die ich Rechenschaft forderte.

Marschall de Lamothe-Houdan.«

Man hätte glauben können, der Tod warte nur, bis dieser große Act des Ehrenmannes vollzogen sei, um sich seiner.zu bemächtigen.

Kaum hatte er die Schrift unterzeichnet, so erhob er sich, wie von einer Springfeder bewegt, rasch auf seinem Bette, stieß einen furchtbaren Schrei aus – den letzten seines Todeskampfes – und sank schwer auf das Lager zurück, vom Schlage getroffen! . . .

Am andern Tage meldeten alle ministeriellen Journale, daß der Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin den Marschall ins Grab gebracht.

Man begrub sie beide am selben Tage, auf demselben Kirchhofe, in demselben Grabe! . . .

Die Leiche des Grasen Rappt wurde einer von dem Marschall de Lamothe-Houdan seinem Testamente angefügten Bitte an den König zufolge nach Ungarn gebracht und in dem Dorfe Rappt, seinem Geburtsorte, von dem er seinen Namen hatte, begraben.

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04 aralık 2019
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